Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:
BGE 132 I 201 - Anwaltstarif Aargau
BGE 114 Ia 50 - Strafsache gegen G. und B.


Zitiert selbst:


Regeste
Aus den Erwägungen:
5. a) Der Beschwerdeführer rügt, Art. 34 Abs. 1 des san ...
6. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, er sei in se ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Januar 1987 i.S. Z. gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Bestellung eines amtlichen Verteidigers; Art. 6 EMRK und Art. 4 BV; Art. 34 Abs. 1 StPO/SG; Art. 31 BV.
 
2. Der amtliche Verteidiger steht zum Staat in einem Verhältnis, das vom kantonalen öffentlichen Recht bestimmt wird und deshalb nicht der Handels- und Gewerbefreiheit untersteht. Zur Erlangung eines amtlichen Mandates kann sich daher auch die Partei selber nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 6).
 
 
BGE 113 Ia 69 (70)Aus den Erwägungen:
 
b) Gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK hat jeder Angeklagte das Recht, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Aus diesem Wortlaut folgt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eindeutig, dass sich das freie Wahlrecht nicht auch auf einen amtlichen Verteidiger bezieht, kommt doch dem zweiten Satzteil von Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK selbständige Bedeutung zu. Dies entspricht der bisherigen Auffassung von Lehre und Praxis. Nach der Praxis der Strassburger Organe hat der Angeklagte nicht einmal Anspruch darauf, vor Ernennung eines amtlichen Verteidigers einen Wunsch äussern zu können (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, N. 135 zu Art. 6, S. 177 mit Hinweisen; STEFAN TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur EMRK, in: ZStR 96/1979, S. 361). Demnach vermag dem Beschwerdeführer ebenfalls die Anrufung von Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK nicht zu helfen.
c) Die Bestimmung von Art. 34 Abs. 1 StPO/SG verstösst auch nicht gegen Art. 4 BV. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, lässt sich die in verschiedenen Kantonen geltende Ordnung, dass zu amtlichen Verteidigern nur Anwälte bestimmt werden können, die im Prozesskanton ein Anwaltsbüro führen oder in einem solchen tätig sind, mit sachlichen Gründen vertreten (BGE 95 I 411 E. 5; BGE 67 I 4; BGE 60 I 17). Sie stützt sich auf die Eigenschaft der Kantone, selbständige Gliedstaaten derBGE 113 Ia 69 (70) BGE 113 Ia 69 (71)Eidgenossenschaft zu sein. Zudem beruht sie auf praktischen Gründen. Vor allem die Führung eines - wie im vorliegenden Fall - schwierigen Strafprozesses setzt die Kenntnis des kantonalen Prozessrechtes voraus, in welchem sich ein im Kanton tätiger Anwalt regelmässig besser auskennt als sein ausserkantonaler Kollege. Ausserdem kommt die Führung eines Prozesses durch einen ausserkantonalen Anwalt in der Regel teurer zu stehen (längere Einarbeitungszeit angesichts des fremden Prozessrechtes, höhere Reisekosten usw.; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 162). Art. 34 Abs. 1 StPO/SG verstösst insbesondere dann nicht gegen Art. 4 BV, wenn diese Vorschrift so ausgelegt wird, wie dies in der Praxis durch den Regierungsrat erfolgt, d.h. dass eine amtliche Verteidigung auf Ersuchen dann einem ausserkantonal tätigen Rechtsanwalt übertragen wird, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Angeschuldigten besteht oder der Vertreter bereits anderweitig für den Angeschuldigten tätig geworden ist, ihn insbesondere in einem vorausgegangenen Strafverfahren verteidigt hat.