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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Hinsichtlich der Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerd ...
3. a) Die Primolk AG ist eine privatrechtliche Körperschaft, ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
15. Auszug aus dem Urteil vom 2. Mai 1975 i.S. Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und Schweizerische Butterunion gegen Primolk AG und Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
 
 
Regeste
 
Milchwirtschaft: Mitgliedschaft in der Schweizerischen Zentralstelle für Butterversorgung (Butyra), Voraussetzungen, Unterscheidung zwischen "Organisationen" und "Firmen" des Buttergrosshandels. Art. 26 LwG, Art. 15 MB, Art. 11 ff. Verordnung vom 25. Oktober 1960 über die Butyra.
 
2. Ist ein von Detaillisten gebildetes Unternehmen des Buttergrosshandels als "Organisation" oder als "Firma" einzustufen? Auslegung der Art. 12 und 13 Butyra-Verordnung (Erw. 3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 101 Ib 87 (88)Die Butyra, Schweizerische Zentralstelle für Butterversorgung ist eine Genossenschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 829 OR. Nach Art. 15 MB ist ausschliesslich ihr - unter Vorbehalt der Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr - die Einfuhr von Butter gestattet. Eine Verordnung des Bundesrates vom 25. Oktober 1960 (SR 916.357.1, im folgenden: V) und die Statuten der Butyra regeln im einzelnen deren Organisation und Tätigkeit.
Mitglieder der Butyra können "Organisationen" und "Firmen" sein, "zu deren dauerndem Geschäftszweck der Buttergrosshandel gehört" (Art. 15 Abs. 2 MB, Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 1 V). Unter Buttergrosshandel ist die Vermittlung von Butter an Abnehmer zu verstehen, welche nicht die letzten Verbraucher (Konsumenten, Gewerbe, Industrie) sind (Art. 11 Abs. 1 V). Die Genossenschafter haben Anspruch darauf, von der Butyra mit Butter zu Grossistenpreisen beliefert zu werden, und Butter produzierende Genossenschafter (Butterzentralen) sind verpflichtet, andere Genossenschafter zu denselben Bedingungen zu beliefern (Art. 3, 21 und 22 V).
Als "Organisationen des Buttergrosshandels" gelten nach Art. 12 Abs. 1 V "der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten sowie Zusammenschlüsse von Grossisten (Art. 13) oder von andern Wiederverkäufern in privatrechtlichen Körperschaften, welche Buttergrosshandel betreiben". Sie müssen in Perioden von zwei Jahren durchschnittlich pro Jahr mindestens einen im Sinne des Art. 14 V anrechenbaren Umsatz von 400'000 kg Butter erreichen (Art. 12 Abs. 2 V).
Als "Firmen des Buttergrosshandels" (Grossisten) gelten nach Art. 13 Abs. 1 V "Einzelfirmen und Personengesellschaften sowie privatrechtliche Körperschaften, die nicht Organisationen des Buttergrosshandels sind". Sie müssen mindestens die Hälfte ihres Butterumsatzes an Wiederverkäufer liefern und in Perioden von zwei Jahren durchschnittlich pro Jahr mindestens einen im Sinne des Art. 14 V anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen (Art. 13 Abs. 2 V).
Ein Genossenschafter der Butyra verliert die Mitgliedschaft, sobald festgestellt ist, dass er den erforderlichen anrechenbaren Mindestumsatz nicht oder nicht mehr erreicht (Art. 18 Abs. 1 V).
Die Primolk AG, Luzern, wurde am 24. Juli 1972 gegründet. Gründer und Aktionäre sind fünf im ButterdetailhandelBGE 101 Ib 87 (88) BGE 101 Ib 87 (89)tätige Firmen. Die neue Unternehmung stellte das Gesuch, als "Firma" in die Butyra aufgenommen zu werden. Der Vorstand der Butyra nahm die Gesuchstellerin als "Organisation" mit Wirkung ab 1. November 1972 auf. Die Gesuchstellerin erhob Beschwerde beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Dieses entschied wie folgt:
"1. Die Beschwerde wird abgewiesen und festgestellt, dass ab
1. November 1972 die Primolk AG nur als Organisation in die Butyra
aufgenommen werden konnte.
2. Aufgrund veränderter Verhältnisse wird die Butyra angewiesen,
der Primolk AG ab 1. November 1973 die Mitgliedschaft als Firma
zuzuerkennen."
In der Begründung wird ausgeführt, anfänglich habe die Rekurrentin nur die fünf Aktionäre beliefert; nun treibe sie aber auch mit andern, von ihr unabhängigen Unternehmen Buttergrosshandel.
Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und die Schweizerische Butterunion, eine Organisation von Buttergrossisten, führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Dispositiv 2 des Entscheids des EVD sei aufzuheben, und das Gesuch der Primolk AG, als "Firma" in die Butyra aufgenommen zu werden, sei abzuweisen. Es wird geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin sei nach wie vor eine "Organisation" des Buttergrosshandels.
Das Bundesgericht Weist die Beschwerde ab.
 
a) ... Hier geht es um die Anwendung der Bestimmungen der V über die zwei Arten von Genossenschaftern der Butyra. Diese Bestimmungen sind wirtschaftspolitischer und nicht polizeilicher Natur. Aus Gründen, auf die in Erw. 3 hiernach zurückzukommen ist, soll den Unternehmen, die durch den Zusammenschluss von Butterdetailgeschäften entstanden sind, der Eintritt in den Buttergrosshandel erschwert werden; damit wird bezweckt, die bisherige Struktur dieses Wirtschaftszweiges zugunsten der bereits in der Butyra zusammengeschlossenen Handelsunternehmen nach Möglichkeit zu erhalten. Die der Butyra angehörenden Beschwerdeführer bzw. ihre eigenen Mitglieder sind als potentielle Konkurrenten eines Unternehmens, das Buttergrosshandel treiben will, zweifellos daran interessiert, dass dieses Unternehmen nur Mitglied der Butyra werden und bleiben kann, wenn die bundesrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Dieses Interesse ist im Sinne von Art. 103 lit. a OG schutzwürdig, da die massgebenden Vorschriften der V, ähnlich wie eine Kontingentsordnung (BGE 100 Ib 423 f.), für alle Konkurrenten eine besondere Beziehungsnähe schaffen. Die beiden Beschwerdeführer haben somit ein genügendes Interesse an einem Entscheid des Gerichts darüber, ob die Beschwerdegegnerin in der Butyra auch dann verbleiben kann, wenn sie in einer zweijährigen Periode durchschnittlich pro Jahr nur einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg und nicht von 400'000 kg Butter erreicht. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten ...
Solche Zusammenschlüsse von Detaillisten sind nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 V als "Organisationen" des Buttergrosshandels zu betrachten. Sie müssten folglich nachBGE 101 Ib 87 (90) BGE 101 Ib 87 (91)Art. 12 Abs. 2 V einen anrechenbaren Umsatz von 400'000 kg Butter erreichen, um dauernd Mitglieder der Butyra bleiben zu können.
Bilden irgendwelche Bürger, die nicht Detaillisten sind, eine privatrechtliche Körperschaft zum Zwecke des Buttergrosshandels, so qualifiziert sich ihr Unternehmen nach Art. 13 Abs. 1 V als "Firma" des Buttergrosshandels. Solche "Firmen" des Buttergrosshandels müssen nach Art. 13 Abs. 2 V einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen, um in der Butyra bleiben zu können. Schliessen sich aber mehrere Detaillisten zu einem neuen Grosshandelsunternehmen in der Form einer privatrechtlichen Körperschaft zusammen, so können sie sich auf Art. 13 V nach dessen Text nicht berufen, weil ihr Unternehmen die in Art. 12 Abs. 1 V genannten Merkmale aufweist, also eine "Organisation" des Buttergrosshandels ist.
Diese Sonderbehandlung der Unternehmen, die durch den Zusammenschluss von Butterdetaillisten gegründet werden, ist offensichtlich eine vom Bundesrat gewollte Regelung zum Schutze der bei der Butyra bestehenden Handelsstruktur. Die Butterdetailgeschäfte sind besonders daran interessiert, zu Grosshandelspreisen Butter beziehen zu können. Es war vorauszusehen, dass namentlich von Detaillisten gegründete neue Unternehmen des Buttergrosshandels um die Aufnahme in die Butyra nachsuchen würden. Das Erfordernis des hohen anrechenbaren Umsatzes von 400'000 kg Butter und die weitere Vorschrift, dass die Verkäufe an "verbundene Wiederverkäufer" nur zur Hälfte angerechnet werden (Art. 14 Abs. 1 lit. b V), erschienen als geeignet, den Anschluss solcher Unternehmen an die Butyra zu erschweren. Gegenüber neuen Unternehmen, die nicht von Butterdetaillisten gegründet wurden, hielt der Bundesrat eine derartige Erschwerung nicht für zulässig oder nicht für angezeigt. Sie müssen demnach nur den erwähnten anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen.
EVD und Beschwerdeführer gehen zu Recht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin auch nach der Änderung ihrer Statuten noch immer auf einem Zusammenschluss von Detaillisten beruht und insofern der Begriffsumschreibung von Art. 12 Abs. 1 V entspricht. Den Beschwerdeführern ist auch zuzugeben, dass Art. 12 Abs. 1 V nicht darauf abstellt, an wenBGE 101 Ib 87 (91) BGE 101 Ib 87 (92)die dort als "Organisationen" aufgeführten Unternehmen des Buttergrosshandels liefern. Soll die bestehende Marktstruktur nach Möglichkeit geschützt und der Eintritt neuer durch Zusammenschluss von Detaillisten gegründeter Unternehmen erschwert werden, so ist es durchaus sinnvoll, Art. 12 Abs. 1 V auch dann anzuwenden, wenn die neue Unternehmung neben den sie tragenden Detailfirmen noch weitere Detaillisten beliefert. Ja es liegt nahe, dass unter einer Mehrzahl von Detaillisten, die an einer solchen neuen Gründung interessiert sind, sich nur ein Teil direkt an der Gründung beteiligt und dass die andern sich als "nicht verbundene Wiederverkäufer" beliefern lassen, damit die Käufe dieser weiteren Firmen, die mit den Gründern sympathisieren, voll und nicht nur zur Hälfte angerechnet werden. Wären also für die Beurteilung der Streitigkeit ausschliesslich der Wortlaut und der sprachlich nächstliegende Sinn der Art. 12 und 13 V massgebend, so müsste die Beschwerde gutgeheissen werden.
b) Verordnungsvorschriften sind jedoch im Lichte der übergeordneten Bestimmungen auszulegen. Die Anwendung der Butyra-Verordnung muss deshalb in allen Teilen dem Landwirtschaftsgesetz und dem Milchbeschluss entsprechen.
Erschwerungen des Eintritts in den Buttergrosshandel sind daher nur so weit zulässig, als sie "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milchprodukten", hier mit Butter, im Sinne von Art. 26 Abs. 1 LwG notwendig sind. Zweck des LwG ist der Schutz der Landwirtschaft. Zu deren Schutz darf nötigenfalls von der Handels- und Gewerbefreiheit abgewichen werden. Zugunsten von Wirtschaftszweigen, die infolge der Ausgestaltung der Schutzmassnahmen für die Landwirtschaft in ihrer Existenz gefährdet sein könnten, kann der Bundesgesetzgeber zwar auch Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit anordnen (Art. 31bis Abs. 3 lit. a BV); ein dahingehender Wille muss aber aus dem Gesetz klar hervorgehen. Eine derartige Schutzvorschrift für die Struktur des Buttergrosshandels kann nun aber dem LwG nicht entnommen werden. Dagegen ist zu beachten, dass der Milchbeschluss (Art. 15 Abs. 2) für diesen Wirtschaftszweig eine öffentlich-rechtliche Zwangsgenossenschaft vorgesehen hat. Die Möglichkeiten, die Mitgliedschaft in der Butyra zu erwerben und zu behalten, müssen also den Grundgedanken des Genossenschaftsrechtes entsprechen. Grundprinzipien desBGE 101 Ib 87 (92) BGE 101 Ib 87 (93)Genossenschaftsrechtes sind die gemeinsame Selbsthilfe (Art. 828 OR), die nicht geschlossene Mitgliederzahl (Art. 828, Art. 839 Abs. 2 OR) und die Rechtsgleichheit der Genossenschafter, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (Art. 854 OR). Sie müssen grundsätzlich auch für eine öffentlich-rechtliche Genossenschaft gelten, unbeschadet der Vorschrift von Art. 17 Abs. 3 MB, dass das OR nur so weit zur Anwendung kommt, als dieser Beschluss, die Verordnung und die Statuten nichts Gegenteiliges bestimmen. Es darf also insbesondere für niemanden, auch nicht für Unternehmen, die durch Zusammenschluss von Butterdetaillisten entstanden sind, der Eintritt übermässig erschwert werden (Art. 839 Abs. 2 OR). Das EVD war deshalb berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob die in der Butyra-Verordnung nach ihrem Wortlaut vorgesehene starke Erschwerung der Mitgliedschaft für Zusammenschlüsse von Detaillisten "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes" mit Butter geboten ist. Das EVD darf und soll die vom Bundesrat angeordneten Schutzmassnahmen gegebenenfalls lockern, soweit die Lockerung die geordnete Versorgung des Landes mit Butter nicht gefährdet.
Die "geordnete Versorgung des Landes" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sowohl dem Bundesrat als auch dem mit der Rechtsanwendung beauftragten Departement einen weiten Beurteilungsspielraum belässt. Das Departement hat dabei die Auswirkungen von Veränderungen der Marktstruktur sowohl auf die Handelsmargen - allfällige Verteuerung der Butter und dadurch bewirkte Erschwerung des Absatzes - als auch auf die zur gemeinsamen Selbsthilfe verpflichteten Branchenangehörigen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall geht das EVD stillschweigend davon aus, dass die Zulassung von Unternehmen, die zwar durch Zusammenschluss von Detaillisten entstanden sind, aber zu einem erheblichen Teil auch andere, nicht verbundene Detaillisten beliefern, keine Störung der geordneten Versorgung des Landes mit Butter verursacht. Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was darauf schliessen liesse, dass eine solche Liberalisierung, die das EVD für angezeigt erachtet, zu einer im öffentlichen Interesse zu vermeidenden Störung der Versorgungslage führen würde. Der blosse Umstand, dass einzelne Buttergrosshändler mit einem Rückgang ihres Umsatzes rechnen müssen, wenn neue UnternehmenBGE 101 Ib 87 (93) BGE 101 Ib 87 (94)in der Art der Beschwerdegegnerin in die Butyra aufgenommen werden müssen, kann nicht als eine Störung der Versorgungslage betrachtet werden, und anderweitige störende Auswirkungen der Aufnahme der Beschwerdegegnerin und weiterer rechtsgleich zu behandelnder Anwärter haben die Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.
Das EVD hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, wenn es abweichend vom Wortlaut der Art. 12 und 13 V, aber in Übereinstimmung mit Art. 26 LwG und Art. 15 MB angenommen hat, der Beschwerdegegnerin müsse ab 1. November 1973 die Mitgliedschaft in der Butyra weiterhin zuerkannt werden, auch wenn das Unternehmen nur einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter - das für die "Firmen" des Buttergrosshandels geforderte Minimum - erreiche.BGE 101 Ib 87 (94)