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BGE 120 Ib 142 - Obersee Nachrichten


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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Das Postverkehrsgesetz unterscheidet zwischen einer gewöh ...
2. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 21. September 1973  ...
3. Zu prüfen ist dagegen, ob der Schweiz. Detaillistenverban ...
4. Der Schweiz. Detaillistenverband macht weiter geltend, selbst  ...
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33. Auszug aus dem Urteil vom 29. Mai 1975 i.S. Schweiz. Detaillistenverband gegen Generaldirektion PTT
 
 
Regeste
 
Postverkehrsgesetz: Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften.
 
Überprüfung der Gesetzmässigkeit einer Verordnungsbestimmung, die einen Gesetzesbegriff präzisiert (Art. 20 Abs. 2 lit. a PVG und Art. 58 PVV).
 
Legitimation zur Anfechtung von Verfügungen, die angeblich Konkurrenten rechtswidrig begünstigen.
 
Gewichtung zwischen dem nicht auf Werbung und dem auf Werbung ausgerichteten Textteil einer Veröffentlichung (Art. 20 Abs. 4 PVG).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 101 Ib 178 (178)Im Anschluss an das Urteil vom 21. September 1973 (BGE 99 Ib 283), worin sich das Bundesgericht zum Problem der rechtsgleichen Anwendung von Bestimmungen über die Beförderungstaxen für Zeitungen, Zeitschriften und Drucksachen äusserte, verfügte der Direktor der Postdienste am 28. FebruarBGE 101 Ib 178 (178) BGE 101 Ib 178 (179)1974, dass die Zeitschrift "PRO", die zurzeit im 24. Jahrgang steht, ab 1. April 1975 nicht mehr zur Zeitungstaxe, sondern zur Drucksachentaxe zu befördern sei. Er stellte in Anlehnung an das zitierte bundesgerichtliche Urteil fest, dass bei der Zeitschrift "PRO" kein Abonnementsverhältnis zwischen Herausgeber und Bezüger vorliege; die Zeitschrift werde vielmehr an alle Haushaltungen der deutschen Schweiz versandt; das Blatt diene überwiegend Geschäfts- und Reklamezwecken.
Der Schweiz. Detaillistenverband focht diesen Entscheid bei der GD PTT an und machte geltend, die Zeitschrift "PRO" müsse zur Zeitungstaxe versandt werden, mindestens solange die Publikationen "Genossenschaft" der COOP Schweiz und "Wir Brückenbauer" des Migros-Genossenschafts-Bundes zur Zeitungstaxe befördert würden. Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewiesen, der unterschiedliche Charakter der Zeitschrift "PRO" einerseits, der Zeitungen "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer" anderseits rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung. Die letztgenannten Zeitungen seien zur sog. "Mitgliedschaftspresse" gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. b PVV zu rechnen, die im Sinne von Art. 20 Abs. 2 lit. a PVG als abonniert gelte; sie dienten überdies nicht überwiegend Geschäfts- und Reklamezwecken.
Der Schweiz. Detaillistenverband erhebt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Die einfache Zeitungstaxe ist nur anwendbar auf Zeitungen und Zeitschriften, die kumulativ die sechs Erfordernisse des Art. 20 Abs. 2 PVG erfüllen. Als "abonnierte Veröffentlichungen" im Sinne des Erfordernisses der lit. a von Art. 20BGE 101 Ib 178 (179) BGE 101 Ib 178 (180)Abs. 2 PVG gelten nach Art. 58 PVV einerseits die eigentlichen abonnierten Blätter. Das sind Veröffentlichungen, die aufgrund eines Abonnementsvertrages versandt werden, wobei der Bezüger grundsätzlich den Abonnementspreis selber entrichtet; durch Dritte bezahlte Abonnemente sind zulässig, sofern es sich um einzelne persönliche Geschenkabonnemente handelt (Art. 58 lit. a PVV). Anderseits zählt auch die Mitgliedschaftspresse zu den "abonnierten Veröffentlichungen". Es sind dies Blätter, die eine Körperschaft aufgrund eines Beschlusses des zuständigen Organs ihren Mitgliedern zukommen lässt (daselbst lit. b).
Zur erhöhten Zeitungstaxe gemäss Art. 20 Abs. 3 PVG können Zeitungen und Zeitschriften versandt werden, die - entgegen Art. 20 Abs. 2 lit. d PVG - überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken dienen, sofern sie monatlich wenigstens einmal herausgegeben werden und mindestens 15% redaktionell verarbeiteten Textteil aufweisen sowie die Bedingungen von Art. 20 Abs. 2 lit. a, c und e erfüllen, also insbesondere im Sinne von Art. 20 Abs. 2 lit. a PVG und Art. 58 PVV "abonniert" sind.
Gemäss Art. 20 Abs. 4 PVG ist jedoch weder die einfache noch die erhöhte Zeitungstaxe, sondern die gewöhnliche Drucksachentaxe anwendbar auf Zeitungen und Zeitschriften, "die von einzelnen Personen, Betrieben, Unternehmungen oder Organisationen oder von Gruppen solcher selber oder in ihrem Auftrag herausgegeben werden und hautptsächlich der Empfehlung ihrer geschäftlichen Tätigkeit oder der von ihnen angebotenen Produkte oder Dienstleistungen dienen".
Der Schweiz. Detaillistenverband behauptet, dass die postalische Beförderung seines Blattes zur Drucksachentaxe die Existenz der Veröffentlichung in Frage stelle. Ob dies zutrifft,BGE 101 Ib 178 (180) BGE 101 Ib 178 (181)hat das Bundesgericht nicht zu entscheiden; seine Überprüfungsbefugnis beschränkt sich auf die richtige Rechtsanwendung; die Tragbarkeit der Posttaxen ist keine Frage der Rechtsanwendung. Welche Möglichkeiten Art. 68 PVG dem Bundesrat einräumt, um gesetzlich festgesetzte Taxen allenfalls herabzusetzen, ist im vorliegenden Verfahren nicht abzuklären.
a) Diesbezüglich bezweifelt der Schweiz. Detaillistenverband vorab, ob es überhaupt angeht, die sog. Mitgliedschaftspresse generell unter den Begriff der "abonnierten Zeitungen und Zeitschriften" zu subsumieren. Er wirft damit die Frage nach der Gesetzmässigkeit der PVV, namentlich des Art. 58 PVV auf.
Art. 67 Abs. 2 PVG ermächtigt den Bundesrat, die zum Vollzug des Gesetzes "erforderlichen Vorschriften" zu erlassen. Anders als Art. 68 PVG verleiht diese Bestimmung dem Bundesrat nicht die weitgehende Kompetenz zum Erlass von gesetzesändernden Verordnungsbestimmungen; sie gestattet lediglich den Erlass von Vollzugsvorschriften präzisierenden Charakters. Art. 58 PVV, der die Anwendbarkeit der Zeitungstaxe bei "abonnierten Zeitungen und Zeitschriften" regelt, ist - wie sich aus seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und seiner Stellung innerhalb der Verordnung ergibt - eine Vollzugsvorschrift im Sinne von Art. 67 Abs. 2 PVG und nicht eine aufgrund des Änderungsvorbehalts (Art. 68 PVG) getroffene, vom Gesetz abweichende Taxregelung. Es ist daher zu prüfen, ob er sich - soweit die Beantwortung dieser Frage für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites von Bedeutung ist - im Rahmen der materiellen Grundnorm (Art. 20 Abs. 2 lit. a PVG) hält.
Der Begriff der "abonnierten Zeitungen und Zeitschriften" ist Teil eines Rechtssatzes auf Gesetzesstufe, dessen Auslegung im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Aufgabe des Richters ist. Der Richter überprüft bei ihm angefochteneBGE 101 Ib 178 (181) BGE 101 Ib 178 (182)Verwaltungs- und Verwaltungsjustizentscheide nach dieser Richtung hin vollumfänglich und uneingeschränkt, da er im selben Masse wie die vorinstanzlichen Behörden in der Lage ist, diesem auslegungsbedürftigen Begriff den dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Sinn zu geben. Die Gesetzmässigkeit einer Verordnungsbestimmung, die einen solchen auslegungsbedürftigen Gesetzesbegriff präzisiert, überprüft der Richter im verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren voll und ganz, sofern die Kompetenz des Verordnungsgebers bloss ausführender Natur ist und nicht auch die Zuständigkeit zu gesetzesergänzender, -vertretender oder gar -abändernder Rechtssetzung in sich schliesst (BGE 99 Ib 62 E. 2; Urteil Politische Gemeinde Oberuzwil vom 28. Februar 1975, E. 2b; Urteil Fareast Knitwear vom 29. Mai 1975, E. 3a). Als gesetzmässig erscheint eine solche aufgrund einer blossen Präzisierungskompetenz erlassene Verordnungsvorschrift dann, wenn sie auf überzeugender Auslegung beruht. Nicht als gesetzmässig müsste eine Verordnungsvorschrift jedenfalls dann betrachtet werden, wenn sie dazu führte, dass für die postalische Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften ohne Vorliegen rechtlich relevanter Unterschiede verschiedene Taxen entrichtet werden müssten. Die Frage des Rechtsbestandes einer ungleichen Behandlung kann - wie der Schweiz. Detaillistenverband zu Recht hervorhebt - im Konkurrenzverhältnis von grosser Bedeutung sein; die Forderung, dass die Vollzugsbestimmung durch die gesetzliche Grundlage gedeckt sei und nicht zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen rechtsungleichen Behandlung bei gleichgelagerten Verhältnissen führen darf, ist berechtigt.
b) Der Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnementsvertrag ist an sich ein entgeltlicher Sukzessivlieferungsvertrag. Doch offerieren auch zahlreiche Vereine ihren Mitgliedern ein regelmässig erscheinendes Druckerzeugnis, ihr eigenes Vereinsblatt an. Die Vereinsbeiträge dienen häufig, zum Teil in erster Linie, dazu, die Kosten der Vereinsblätter zu bestreiten. In diesem Sinne kann der Vereinsbeitritt den Willen des Beitretenden ausdrücken, regelmässig das Publikationsorgan des Vereins zu erhalten. Solche Vereinsblätter werden zu Recht als abonnierte Zeitungen oder Zeitschriften betrachtet.
Die hier interessierenden Blätter "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer" werden an Personen versandt, die anBGE 101 Ib 178 (182) BGE 101 Ib 178 (183)sich keine Vereinsbeiträge bezahlen. Empfänger der Blätter sind Genossenschafter, deren Zugehörigkeit zum Verband - COOP Schweiz oder Migros-Genossenschafts-Bund - nicht von der Leistung irgendeines Mitgliederbeitrages abhängig ist. Es kann sich daher fragen, ob unter solchen Umständen bei diesen beiden Blättern trotzdem noch von abonnierten Zeitungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 lit. a PVG gesprochen werden kann oder ob angesichts der losen Beziehung zwischen den Herausgebern und den Bezügern der Wochenzeitungen und der Unentgeltlichkeit des Erwerbs der Mitgliedschaft keine Rechtsbeziehung besteht, die den Charakter eines Abonnements erfüllt.
c) Der Schweiz. Detaillistenverband bestreitet grundsätzlich, dass die Empfänger der beiden Blätter als "Mitglieder" im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. b PVV betrachtet werden dürfen. Das ist unzutreffend. Wiewohl die Beziehungen der Genossenschafter zum Verband bei der COOP Schweiz und beim Migros-Genossenschafts-Bund im allgemeinen äusserst lose sind, von einem Willen zur gemeinsamen Selbsthilfe, einem sog. Genossenschaftsbewusstsein, kaum viel zu spüren sein dürfte und der Einfluss des einzelnen Genossenschafters auf die Geschäftspolitik unbedeutend sein mag, besteht bei beiden Verbänden doch rechtlich eine - mehrstufige - körperschaftliche Struktur. Das geltende Recht begnügt sich nun einmal für den Erwerb der Mitgliedschaft mit einer schriftlichen Beitrittserklärung (Art. 840 Abs. 1 OR). Für die Verwaltungsbehörde, die von den vorgegebenen Rechtsstrukturen auszugehen hat, besteht keine Pflicht, das Ausmass der Bindung der einzelnen Genossenschafter an ihren Verband näher zu ergründen. Besteht rechtlich zwischen dem Empfänger der Blätter "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer" und den Körperschaften, die diese Blätter aufgrund einer statutarischen Pflicht herausgeben (vgl. Art. 2 lit. b Statuten COOP Schweiz und Art. 3 lit. c Statuten Migros-Genossenschafts-Bund), ein Genossenschaftsverhältnis im Sinne des geltenden Obligationenrechts, kann es für die Postverwaltung mit dem Schluss sein Bewenden haben, dass es sich bei den Publikationen um Mitgliedschaftspresse im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. b PVV handelt.
d) Für die Auffassung der PTT, auch eine unentgeltlich erworbene Mitgliedschaft könne ein AbonnementsverhältnisBGE 101 Ib 178 (183) BGE 101 Ib 178 (184)zwischen dem herausgebenden Verband und seinen Mitgliedern begründen, spricht sodann die konstante Auslegung der Bestimmung in der Vergangenheit und die Zustimmung des Parlaments zu dieser Auslegung: Für "abonnementsweise bezogene Zeitungen und Zeitschriften" besteht seit 1849 eine Sonder-Posttaxe. Die "Genossenschaft" steht im 73. Jahrgang, die Zeitung "Wir Brückenbauer" im 37. Jahrgang; die eine der beiden Wochenzeitungen wird also seit 1902, die andere seit 1938 zur Zeitungstaxe befördert. Die Subsumtion der sog. Mitgliedschaftspresse unter die abonnierten Zeitschriften war seit 1939 ausdrücklich im Verordnungsrecht verankert (vgl. Art. 40 Abs. 1 Postordnung vom 15. August 1939).
Das Problem, dass ein Blatt wie die Zeitschrift "PRO" postrechtlich anders behandelt werden muss als die Wochenzeitungen "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer", beschäftigte das Parlament vor allem bei der Revision des PVG von 1966, wobei damals freilich nicht mit der Zeitschrift "PRO", sondern mit dem gleich gelagerten Kundenblatt "Du und ich" der Einkaufsgenossenschaft USEGO exemplifiziert wurde. Damals hat der Berichterstatter im Ständerat ausdrücklich festgehalten, dass das PVG den Versand der beiden Organe des Verbandes schweizerischer Konsumvereine (heute COOP Schweiz) und des Migros-Genossenschafts-Bundes zur Zeitungstaxe gestatte, während diese Taxe auf blosse Kundenblätter nicht anwendbar sei (vgl. Sten.Bull. S 1966 S. 292). Trotz der klaren Darstellung der Rechtslage im Rat wurden keine Abänderungsanträge gestellt. Dementsprechend haben weder die Revision des PVG vom 21. Dezember 1966 noch jene vom 30. Juni 1972 an dem seit langem anerkannten Rechtszustand etwas geändert.
Das Bundesgericht hat in BGE 100 II 57 erneut präzisiert, welche Bedeutung den Vorarbeiten für die Auslegung eines Gesetzes zukommt. Im vorliegenden Falle geht es jedoch nicht darum, eine neue gesetzliche Bestimmung im Lichte der Vorarbeiten auszulegen; es ist im Gegenteil der Sinn einer alten gesetzlichen Regel zu ermitteln, über deren Anwendung sich die Eidg. Räte anlässlich einer späteren Gesetzesrevision äussern konnten. Wenn dabei die bisherige Auslegung und Anwendung zur Sprache kam und von den Räten nicht beanstandet wurde, darf angenommen werden, dass die BeibehaltungBGE 101 Ib 178 (184) BGE 101 Ib 178 (185)der gebilligten Praxis dem Willen des Gesetzgebers entspricht, soweit nicht Sinn und Zweck der Norm einer Weiterführung der bisherigen Handhabung klar entgegenstehen.
Massgebend für die Subsumtion der zwei Wochenzeitungen "Wir Brückenbauer" und "Genossenschaft" ist somit nicht, ob die Empfänger eine Gegenleistung für die Publikation erbringen müssen, sondern einzig, dass sie persönlich den Willen bekundet haben, sie wünschten regelmässig die Publikation zu erhalten. Diese Willenserklärung ist in den Beitrittserklärungen der Migros- und COOP-Genossenschafter miteingeschlossen. Bei der Zeitschrift "PRO" fehlt dagegen ein derartig bekundeter Wille der Empfänger, die Zeitschrift regelmässig zu erhalten. Es besteht somit zwischen der an alle Haushaltungen gesandten Zeitschrift "PRO" und den Wochenzeitungen "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer" ein rechtlich relevanter Unterschied. Die Berufung auf rechtsgleiche bzw. unrechtsgleiche Behandlung erweist sich für den Schweiz. Detaillistenverband in diesem Sinne als unbehelflich.
a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist keine Popularbeschwerde. Nicht jedermann kann sich mit diesem Rechtsmittel darüber beschweren, dass einem Mitbürger angeblich ein rechtswidriger Vorteil eingeräumt wird. Wer dies tun will, muss durch die einen andern begünstigende Verfügung in höherem Masse als jedermann, besonders oder unmittelbar berührt sein; erforderlich ist nach der Rechtsprechung eine beachtenswert nahe Beziehung des Beschwerdeführers zur Streitsache (BGE 99 Ib 107), wobei der Kreis der BerechtigtenBGE 101 Ib 178 (185) BGE 101 Ib 178 (186)bei konkurrenzierenden Gewerbegenossen zur Anfechtung von Verwaltungsverfügungen, welche angeblich Konkurrenten rechtswidrig begünstigen, nicht zu weit gespannt werden darf (vgl. BGE 100 Ib 337).
b) Im vorliegenden Fall vertritt der Schweiz. Detaillistenverband die seinem Verband angeschlossenen Detaillisten, die ihrerseits direkte Konkurrenten der COOP Schweiz und des Migros-Genossenschafts-Bundes sind. Diese Detaillisten sind mehr als jedermann und in hohem Masse daran interessiert, dass ihre direkten Konkurrenten nicht dadurch einen Wettbewerbsvorteil erlangen, dass sie ihre Wochenzeitungen, die unbestrittenermassen auch Werbefunktionen erfüllen, in ungesetzlicher Weise zur niedrigeren Zeitungstaxe versenden können, während sie für die postalische Beförderung ihres Mitteilungsblattes die Drucksachentaxe entrichten müssen. Es rechtfertigt sich daher, auf die Rüge der gesetzwidrigen Begünstigung der Konkurrenten einzutreten, wiewohl rechtsrelevante Unterschiede zwischen der Lage des Beschwerdeführers und der angeblich begünstigten Konkurrenten bestehen. Für das Eintreten auf die Rüge spricht überdies auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer eine bisher zugestandene privilegierte Behandlung - Versand des Mitteilungsblattes zur Zeitungstaxe - entzogen, während sie den Konkurrenten - angeblich rechtswidrig - weiterhin gewährt wird.
c) Art. 20 Abs. 2 lit. d PVG bezieht sich auf die sog. Inseratenblätter, die "überwiegend" Inserate und Reklame von einer unbestimmten Vielzahl von Firmen publizieren. Er steht in Beziehung zu Art. 20 Abs. 2 lit. f PVG. Für den Versand zur Zeitungstaxe muss der Zeitungsverleger die Bedingungen beider Bestimmungen, also der lit. d und f, kumulativ erfüllen. Der "redaktionnell verarbeitete Textteil" im Gegensatz zu den Inseraten einerseits und andern redaktionell nicht verarbeiteten Textteilen darf 30% nicht unterschreiten. Demgegenüber bezieht sich Art. 20 Abs. 4 PVG auf Druckerzeugnisse, die hauptsächlich der Empfehlung der Geschäftstätigkeit ihres Herausgebers und der von ihm angepriesenen Produkte und Dienstleistungen dienen.
Soweit "Genossenschaft" und "Wir Brückenbauer" Inserate enthalten, zielen sie im wesentlichen auf Empfehlungen für die eigene geschäftliche Tätigkeit ihrer Herausgeber, der COOP Schweiz und des Migros-Genossenschafts-Bundes ab.BGE 101 Ib 178 (186)
BGE 101 Ib 178 (187)Die Bestimmung, deren angebliche Verletzung geprüft werden muss, ist demnach Art. 20 Abs. 4 PVG, und es fragt sich, ob bei den beiden Wochenzeitungen die darin enthaltenen "Empfehlungen ihrer geschäftlichen Tätigkeit und der von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen" "die Hauptsache" der Veröffentlichungen ausmachen.
Zwischen dem Begriff "überwiegend" in Art. 20 Abs. 2 lit. d PVG und dem in Art. 20 Abs. 4 PVG verwendeten Ausdruck "hauptsächlich" besteht kein erheblicher Unterschied. Beide Begriffe setzen im Einzelfall voraus, dass zwischen dem nicht auf Werbung ausgerichteten Textteil und dem der Werbung und Geschäftsempfehlung dienenden Teil einer Zeitung oder Zeitschrift gewichtet wird. Dabei sind Zweck und Gesamteindruck in Betracht zu ziehen. Was der Herausgeber überwiegend "bezweckt", ist aufgrund der Gesamtheit der Umstände zu ermitteln. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass beinahe jede Tages- oder Wochenzeitung Werbung betreiben muss, um bestehen zu können. Die Frage ist daher, ob die Werbung betrieben wird, um die Information bieten zu können, oder ob die Information geboten wird, "um mit der Werbung beim Leser anzukommen".
Wenn der Schweiz. Detaillistenverband monatlich sein Mitteilungsblatt "PRO" an alle Haushaltungen der deutschen Schweiz verteilen lässt, ist der Werbecharakter offensichtlich, auch wenn die darin gebotene Information durchaus gehaltvoll ist. Der statutarische Zweck des Beschwerdeführers lässt - wie das Bundesgericht dies bereits erklärt hat (BGE 99 Ib 289) - darüber keinen Zweifel aufkommen. Der Gesamteindruck des "PRO" bestätigt diese Auffassung. Bei den zwei Genossenschaftsverbänden COOP Schweiz und Migros-Genossenschafts-Bund liegen die Verhältnisse anders. Beide verfolgen zwar vorwiegend, jedoch nicht ausschliesslich, wirtschaftliche Zwecke. Dies ergibt sich aus den Statuten (vgl. Art. 2 und 3 Statuten COOP Schweiz sowie Art. 2 und 3 Statuten Migros-Genossenschafts-Bund). Aus ihnen wird ersichtlich, dass sich beide Genossenschaftsverbände nicht nur die möglichst günstige Deckung des Warenbedarfes ihrer Kundschaft zum Ziele setzen, sondern auch kulturelle Zwecke, der Migros-Genossenschafts-Bund darüber hinaus noch politische Ziele, verfolgen. Dieser weitgespannten Zielsetzung entspricht es denn auch, dass die Herausgabe der beidenBGE 101 Ib 178 (187) BGE 101 Ib 178 (188)Wochenzeitschriften, die zu den statutarischen Pflichten der beiden Genossenschaftsverbände gehört, beiden Zwecken, dem wirtschaftlichen und dem kulturellen Zweck, dient. Diese Ausrichtung auf beide Zwecke schliesst die Anwendung der Zeitungstaxe grundsätzlich solange nicht aus, als die Geschäftsempfehlungen bzw. die Reklame nicht im Sinne von Art. 20 Abs. 4 PVG zur Hauptsache werden.
Eine Durchsicht der bei den Akten liegenden Nummern der "Genossenschaft" und des "Wir Brückenbauer" erhellt, dass dies nicht der Fall ist. Der Inseratenteil überschreitet den Umfang nicht, der auch bei grösseren meinungsbildenden Tageszeitungen erreicht wird (Art. 20 Abs. 2 lit. f PVG). Die beiden Wochenzeitungen befolgen - wesentlich ausgeprägter als die Zeitschrift "PRO" - eine gewisse sinnweise Trennung zwischen Text- und Inseratenteil und lehnen sich in der Aufmachung an die meinungsbildenden Tageszeitungen an. Es braucht daher hier nicht näher untersucht zu werden, ob die Herausgeber der beiden Wochenzeitungen ebensoviel, mehr oder weniger Sorgfalt auf den informativen Teil ihrer Zeitschrift verwenden wie der Herausgeber des "PRO". Zur Beurteilung der Frage, ob die Werbefunktion oder die nicht geschäftlich orientierte Informationsfunktion überwiegt, ist die Qualität des informativen Teils an sich nicht wesentlich. Entscheidend ist auch nicht, dass bei der statutarischen Zwecksetzung der beiden Genossenschaftsverbände der Warenverkauf Hauptzweck, die Unterstützung kultureller Bedürfnisse der Genossenschafter nur Nebenzweck ist. Massgebend ist, dass die von diesen Verbänden herausgegebenen Wochenzeitungen hauptsächlich oder überwiegend auf diesen Nebenzweck ausgerichtet sind. Dies wird zwar vom Schweiz. Detaillistenverband bestritten; jedoch zu Unrecht, denn er übersieht, dass bei beiden Genossenschaftsverbänden wirtschaftliche und kulturelle Zwecke eine Einheit bilden. Wohl ist anzunehmen, dass die beiden Wochenzeitungen, hätten sie keine Werbewirkung, möglicherweise gar nicht herausgegeben würden. Indes ändert dies postrechtlich nichts daran, dass die beiden Publikationen, anders als das vom Beschwerdeführer herausgegebene Mitteilungsblatt "PRO", vom Leser her betrachtet überwiegend Informationen vermitteln und damit nicht hauptsächlich der Werbung dienen.BGE 101 Ib 178 (188)