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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
5. Das MedPR ist eine unselbständige Rechtsverordnung des Bu ...
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47. Auszug aus dem Urteil vom 22. Dezember 1978 i.S. Schroeder gegen Eidg. Departement des Innern
 
 
Regeste
 
Art. 34 des Reglements für die eidgenössischen Medizinalprüfungen vom 22. Dezember 1964 (MedPR); Ausschluss vom Pharmaziestudium wegen dreimaligen Nichtbestehens des ersten ärztlichen Propädeutikums.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 104 Ib 297 (297)Ursula Schroeder hat im Sommer und im Herbst 1976 die naturwissenschaftliche Prüfung für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (erstes ärztliches Propädeutikum) nicht bestanden. Am 1. März 1977 meldete sie sich ein drittes Mal für diese Prüfung an, gleichzeitig aber auch für den praktischen Teil (anorganische Chemie) der naturwissenschaftlichen Prüfung für Apotheker. Sie bestand den ersten Teil der naturwissenschaftlichen Prüfung für Apotheker mit dem Durchschnitt 5,17, fiel hingegen beim ärztlichen Propädeutikum wiederum durch, worauf der Ortspräsident den endgültigen Ausschluss vom Medizinstudium verfügte. Wegen des dreimaligen Misserfolgs beim ärztlichen Propädeutikum lehnte in der Folge der Leitende Ausschuss für die eidgenössischen Medizinalprüfungen die ZulassungBGE 104 Ib 297 (297) BGE 104 Ib 297 (298)von Ursula Schroeder zum zweiten (mündlichen) Teil der naturwissenschaftlichen Prüfung für Apotheker ab. Diesen Entscheid focht Ursula Schroeder beim Eidg. Departement des Innern an, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 15. Februar 1978 abwies. In der Begründung stützte sich das Departement auf Art. 34 MedPR (SR 811.112.1), welcher wie folgt lautet:
"Nach dreimaligem Nichtbestehen der gleichen Prüfung wird ein Kandidat zu einer weitern eidgenössischen Prüfung der Medizinalberufe nicht mehr zugelassen (endgültige Ausschliessung).
Der endgültige Ausschluss ist vom Ortspräsidenten auf dem Prüfungsprotokoll, auf der dem Kandidaten zugestellten Protokollabschrift und auf dem Prüfungsverzeichnis zu vermerken."
Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung könne Ursula Schroeder nicht zu einem weitern pharmazeutischen Teilexamen zugelassen werden, da sie das erste ärztliche Propädeutikum dreimal nicht bestanden habe.
Ursula Schroeder führt gegen den Entscheid des Departements Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und stellt fest, dass der Beschwerdeführerin die Fortsetzung des Pharmaziestudiums zu bewilligen ist.
 
a) Das mehrmalige Nichtbestehen einer Prüfung kann dann kraft ausdrücklicher Regelung dazu führen, dass der durchgefallene Kandidat nicht nur zur gleichen, sondern auch zu einer andern gleichartigen Prüfung nicht mehr zugelassen wird, wenn diese andere Prüfung nicht nur im Schwierigkeitsgrad, sondern auch in stofflicher und methodischer Hinsicht so ähnlich ist, dass der eingetretene Misserfolg bei der einen Prüfung den überzeugenden Schluss zulässt, der Kandidat sei mit Sicherheit auch für die andere Fachrichtung nicht geeignet. Bestehen hingegen zwischen den beiden Prüfungen und zwischen den Berufen,BGE 104 Ib 297 (298) BGE 104 Ib 297 (299)zu denen sie den Zugang öffnen, erhebliche Unterschiede, so dass Prüfungsmisserfolge in der einen Fachrichtung die Eignung zum Weiterstudium in der andern Fachrichtung nicht ausschliessen, so erscheint es als sachlich nicht vertretbar, dass das mehrfache Versagen bei der einen Prüfung die spätere Zulassung zur andern Prüfung zwingend verhindert. Prestigeüberlegungen der einen Berufsgruppe, welche den nachträglichen Wechsel von Kandidaten, die zuerst erfolglos das andere Studium in Angriff nahmen, verhindern will, vermögen eine solche, durch den Gegenstand der beiden Prüfungen nicht gerechtfertigte Ausschlusswirkung des Misserfolgs in einer Fachrichtung auf die andere nicht zu begründen.
b) In bezug auf die konkrete Problemstellung wird von den zuständigen Verwaltungsinstanzen nicht behauptet, dreimaliger Misserfolg beim medizinischen Propädeutikum beweise auch die Nichteignung für das Pharmaziestudium und die Zulassung zur Chemieprüfung für Pharmazeuten sei aus diesem Grunde von vornherein zwecklos. Die beiden in Frage stehenden Prüfungen unterscheiden sich offenbar recht erheblich. Wie sich aus den Akten ergibt, ist es keineswegs ausgeschlossen, sondern durchaus möglich, dass ein Kandidat, der beim medizinischen Propädeutikum dreimal durchgefallen ist, die naturwissenschaftliche Prüfung für Pharmazeuten besteht.
Art. 34 MedPR will und kann einen Wechsel vom Medizinstudium zur Pharmazie auch gar nicht verhindern. Diese Vorschrift hat im Grunde lediglich zur Folge, dass ein Kandidat gezwungen wird, sich bereits nach dem zweiten Misserfolg zu entscheiden, ob er zum pharmazeutischen Studium wechseln oder von der Möglichkeit eines dritten Versuches beim medizinischen Propädeutikum Gebrauch machen will. Entscheidet er sich für den dritten Versuch und misslingt ihm dieser, so verliert er damit gemäss Art. 34 MedPR auch die Möglichkeit, das Pharmaziestudium zu ergreifen. Art. 34 MedPR verhindert also nicht etwa den Übertritt durchgefallener Medizinstudenten zur Pharmazie, sondern hat lediglich zur Folge, dass der vorsichtige Kandidat schon nach dem zweiten Misserfolg im Mediziner-Examen sich zum Wechseln entschliessen muss und dass derjenige, der ohne Erfolg einen dritten Versuch wagt, die Möglichkeit eines Übertrittes zur Pharmazie endgültig verliert. Nachdem offenbar das wiederholte Nichtbestehen der ärztlichen Vorprüfung nicht auch einen Beweis des Fehlens derBGE 104 Ib 297 (299) BGE 104 Ib 297 (300)Eignung für das Pharmaziestudium darstellt, fehlt eine haltbare Motivation für die Regelung des Art. 34 MedPR. Es ist unverhältnismässig und entbehrt der sachlichen Begründung, dem Kandidaten, der ohne Erfolg einen dritten Versuch wagt, wegen dieses Misserfolgs im dritten Versuch der ärztlichen Vorprüfung auch vom Pharmaziestudium auszuschliessen, das ihm nach zwei Misserfolgen bei der gleichen Prüfung noch ohne weiteres offen gestanden wäre. Es ist nicht erkennbar, warum derjenige, der das Risiko eines dritten Versuches eingeht, im Falle eines Misserfolgs diese schwerwiegende Sanktion in Kauf nehmen soll. Wenn schon drei Versuche zulässig sind, dann besteht kein Anlass, jene Kandidaten, die allenfalls zur Pharmazie wechseln möchten, vom dritten Versuch abzuhalten und sie zum Wechseln der Fachrichtung nach zwei missglückten Versuchen zu veranlassen.
Fehlt somit dem Art. 34 MedPR eine haltbare sachliche Begründung, so ist dieser Verordnungsvorschrift die Anwendung zu versagen und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gutzuheissen.BGE 104 Ib 297 (300)