Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. § 18 Abs. 1 lit. d des aargauischen StG unterwirft Kapita ...
3. Die erste Zivilkammer des Bundesgerichts hat in BGE 75 I 78 Gr ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
42. Urteil vom 8. März 1961 i.S. H. gegen Kanton Aargau und Obergericht des Kantons Aargau.
 
 
Regeste
 
Kantonales Steuerrecht, Willkür.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 87 I 250 (250)A.- Das aargauische Gesetz über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern (StG) vom 5. Februar 1945/ 27. November 1949/16. Dezember 1956 bestimmt in § 18 Abs. 1 lit. d, dass die Nettobeträge realisierter Kapitalgewinne, die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens bei der VeräusserungBGE 87 I 250 (250) BGE 87 I 250 (251)oder Verwertung von Vermögensstücken erzielt werden, wie insbesondere Liquidationsgewinne, zum steuerpflichtigen Einkommen zu rechnen sind.
B.- H. betrieb seit 1931 eine Wagnerei, in der er Leitern und Skis herstellte. In den letzten Betriebsjahren erzielte er einen Umsatz von rund Fr. 90'000.--. Er war nicht im Handelsregister eingetragen. Auf den 1. Januar 1958 verkaufte er das Geschäft seinen beiden Söhnen, die im Unternehmen mitgearbeitet hatten. Das Steueramt erklärte den beim Verkauf erzielten Liquidationsgewinn von Fr. 70'000.-- als steuerpflichtiges Einkommen; es ging dabei davon aus, dass H. zur Eintragung ins Handelsregister und damit zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtet gewesen sei.
H. bestritt das unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Registersachen; er stützte sich dabei namentlich auf BGE 75 I 74 ff., wonach Handwerksbetriebe nicht zu den Fabrikationsgewerben im Sinne von Art. 53 lit. B HRV, sondern zu den "andern Gewerben" im Sinne von lit. C gehören und sie nur bei Vorliegen der darin aufgezählten Voraussetzungen eintragungspflichtig sind.
C.- Die Einwendungen H.s wurden von allen kantonalen Instanzen als unbegründet erklärt. Die verwaltungsgerichtliche Abteilung des Obergerichts, die als letzte darüber entschied, hat in ihrem Urteil vom 28. Oktober 1960 ausgeführt, dass H. zur Eintragung verpflichtet gewesen sei, ergebe sich weder aus Art. 53 lit. A HRV, da er in der Hauptsache kein Handelsgewerbe betrieben habe, noch aus lit. C, der Betriebe erfasse, die weder Handelsnoch Fabrikationsgewerbe seien, sondern aus lit. B, weil ganz zweifellos ein Fabrikationsgewerbe vorgelegen habe. Das Bundesgericht habe zwar in BGE 75 I 78 erkannt, dass die Wirkungen des Handelsregisters auf das Grossgewerbe, den Grossbetrieb zugeschnitten seien und nicht auf den handwerklichen Kleinbetrieb. Dieses Urteil sei wohl in registerrechtlichen Streitigkeiten von praejudizieller Bedeutung; die Behörden, die kantonales Steuerrecht anzuwendenBGE 87 I 250 (251) BGE 87 I 250 (252)hätten, binde es jedoch nicht. Immerhin verstehe es sich von selbst, dass die kantonalen Steuerbehörden nicht ohne triftigen Grund von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Registersachen abwichen. Ein solcher Grund liege hier vor. Wenn das Bundesgericht nur Grossbetriebe als eintragungspflichtig erkläre, dann setze es sich offensichtlich über Art. 54 HRV hinweg, der die Eintragungspflicht nicht für alle Kleinbetriebe entfallen lasse, sondern nur für solche, deren jährliche Roheinnahmen 50'000 Franken nicht überschritten. Es könne nicht eingewendet werden, Art. 54 HRV sei seinerseits gesetzwidrig. Nach Art. 934 OR müsse jedes nach kaufmännischer Art geführte Gewerbe im Handelsregister eingetragen werden. Diese Voraussetzung treffe hier zu. In H.s Betrieb seien drei Arbeitskräfte voll beschäftigt gewesen; das Unternehmen habe über erhebliche Warenlager und einen grösseren Kundenkreis verfügt. Ein solches Gewerbe lasse sich heute nur nach kaufmännischer Art betreiben, was sich schon darin zeige, dass H. eine Buchhaltung habe führen lassen.
D.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV beantragt H., die veranlagte Steuer auf dem Liquidationsgewinn sei aufzuheben; eventuell sei der Entscheid des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, die genannte Steuerveranlagung unter Verneinung der Eintragungspflicht aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Buchführungspflicht im Sinne von § 18 Abs. 1 lit. d StG sei ein bundesrechtlicher Begriff, der bei der Veranlagung der kantonalen Steuern nicht anders gehandhabt werden dürfe als von den Registerbehörden. Nach den Kriterien, die das Bundesgericht hiefür aufgestellt habe, könne der Beschwerdeführer mit Bezug auf den veräusserten Wagnereibetrieb nicht ohne Willkür als eintragungspflichtig bezeichnet werden.
E.- Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das kantonale Steueramt schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 87 I 250 (252)
 
BGE 87 I 250 (253)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Weil das Steuergesetz die Buchführungspflicht als vorgegeben hinnimmt, haben die Steuerbehörden bei der Anwendung von § 18 Abs. 1 lit. d StG nicht zu untersuchen, ob sie selber den Steuerpflichtigen auf Grund der einschlägigen Normen des OR und der HRV als eintragungs- und mithin buchführungspflichtig erklären würden; sie haben vielmehr lediglich zu prüfen, ob die zuständigen Registerbehörden die Eintragungspflicht des betreffenden Unternehmens bejahen würden. Da die Registerbehörden sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Registersachen ausrichten, dürfen sich die Steuerbehörden ihrerseits bei der Beantwortung dieser Vorfrage nicht über die eindeutige Praxis des Bundesgerichts hinwegsetzen. Die gegenteilige Stellungnahme desBGE 87 I 250 (253) BGE 87 I 250 (254)Obergerichts lässt sich deshalb schlechthin nicht vertreten. Die Verhältnisse liegen insofern wesentlich anders als in den in BGE 71 I 229 und BGE 73 I 188 behandelten Fällen, in denen die kantonalen Behörden zur selbständigen Handhabung eidgenössischer (bzw. inhaltlich gleicher kantonaler) Rechtssätze berufen waren.