Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:
BGE 124 II 436 - Altermatt
BGE 129 I 161 - Kindergartenstellvertretung
BGE 125 I 173 - Basler numerus clausus
BGE 123 I 1 - Logopädin
BGE 122 I 44 - Rudolf Kreis


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. a) Für den Fall, dass die Auslegung des einschlägige ...
4. a) Die Beschwerdeführer machen auch geltend, sie seien im ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. Januar 1995 i.S. X. u. Mitb. gegen Regierungsrat und Obergericht des Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 4 Abs. 1 BV; gleicher Lohn für gleiche Arbeit (Schaffhauser Primarlehrer).
 
Pflicht zur Vornahme einer analytischen Arbeitsplatzbewertung? (E. 4b); objektive Gründe, die eine ungleiche Besoldung von Primarlehrern einerseits und Orientierungsschullehrern andererseits zu rechtfertigen vermögen (E. 4c).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 121 I 49 (50)Am 28. März 1991 beantragten verschiedene Primarlehrer dem Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, er möge feststellen, dass sie besoldungsmässig den in der Stadt Schaffhausen tätigen Primarlehrern gleichzustellen und den dort tätigen Orientierungsschullehrern gleichen Dienstalters bis auf einen Mehrverdienst von maximal 10 Prozent anzunähern seien.
Gegen den Nichteintretensentscheid des Regierungsrats gelangten die Gesuchsteller an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 18. Februar 1994 abwies. Es begründete seinen Entscheid damit, dass die unterschiedliche Besoldung der Primarlehrer auf einer eigenständigen Besoldungskompetenz der verschiedenen Gemeinden beruhe (§ 79 Abs. 4 des Schaffhauser Schulgesetzes vom 27. April 1981; SchulG) und deshalb Art. 4 BV nicht verletze. Die kantonal ungleiche Einstufung von Orientierungsschul- und Primarlehrern halte wegen der objektiven Unterschiede im jeweiligen Anforderungs- und Tätigkeitsprofil vor dem Bundesverfassungsrecht stand.
Die betroffenen Primarlehrer haben gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt.
 
BGE 121 I 49 (50)
BGE 121 I 49 (51)b) Der kantonale Gesetzgeber hat im Bereich der Lehrerbesoldung den schaffhausischen Gemeinden eine eigenständige Entscheidungsbefugnis eingeräumt, die es ihnen erlaubt, bei der Besoldung den örtlichen Besonderheiten und der Situation auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Die Bundesverfassung schliesst ein solches System nicht aus; im Rahmen des dem kantonalen Gesetzgeber in Organisations- und Besoldungsfragen zustehenden weiten Gestaltungsspielraums stützt es sich auf ernsthafte sachliche Gründe und ist nicht zum vornherein sinn- oder zwecklos. Es trifft keine rechtlichen Unterscheidungen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich wäre. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund auszumachen ist, kann zu verschiedenen Zeiten je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen zwar unterschiedlich beantwortet werden (vgl. BGE 118 IV 192 E. 2e S. 195). Wenn der Kanton Schaffhausen entgegen den Tendenzen in anderen Kantonen indessen keine einheitliche Besoldungsregelung eingeführt hat und bei einem System geblieben ist, das sich so oder ähnlich bis in die jüngste Zeit auch noch in verschiedenen anderen Kantonen gefunden hat (vgl. HERBERT PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, Bern 1979, S. 411 ff.), verstösst dies weder gegen das Willkürverbot noch gegen das Gleichbehandlungsgebot. Wie das Obergericht zu Recht festhält, ist die Frage der Zweckmässigkeit von Art. 79 Abs. 4 SchulG rechtspolitischer Natur; es liegt am Gesetzgeber, die ihm besoldungspolitisch richtig erscheinende verfassungsmässige Lösung zu wählen.
c) Durfte das Obergericht willkürfrei davon ausgehen, dass den einzelnen Gemeinden im Rahmen von 20 Prozent der Ansätze des kantonalen Besoldungsdekrets dienstrechtliche Eigenständigkeit zukommt, geht der Einwand der rechtsungleichen Anwendung der kantonalen Besoldungsbestimmungen zum vornherein fehl. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann von einer rechtsungleichen Behandlung grundsätzlich nur dann die Rede sein, wenn die gleiche Behörde gleichartige Fälle unterschiedlich behandelt (vgl. BGE 104 Ia 156 E. 2b S. 158; GEORG MÜLLER, in Kommentar BV, Art. 4, Rz. 39 mit Hinweisen, ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 71 f.). Die Beschwerdeführer werden im Rahmen des kantonalen Besoldungsdekrets unbestrittenermassen gleich behandelt wie ihre Kollegen, die in der Stadt Schaffhausen unterrichten (Lohnklasse 14); die besoldungsmässigen Abweichungen ergeben sich aus einer unterschiedlichen Ausschöpfung derBGE 121 I 49 (51) BGE 121 I 49 (52)kommunalen Besoldungskompetenzen. Dass einzelne Beschwerdeführer gegenüber Kollegen in der gleichen Gemeinde rechtsungleich besoldet würden, wird nicht behauptet.
b) Die Argumentation der Beschwerdeführer beruht auf der Annahme, dass die Primarlehrer wie die anderen in Lohnklasse 14 eingestuften Beamten ausschliesslich durch den Kanton zu besolden sind; sie trägt der selbständigen kommunalen Lohnkompetenz, welche die kantonale Besoldungseinstufung ergänzt, nicht Rechnung und orientiert sich nur an der besonders günstigen Besoldungsordnung der Stadt Schaffhausen. Wenn es das Obergericht ablehnte, die Besoldung der Beschwerdeführer mit jener von anderen in der gleichen Lohnklasse beziehungsweise zwei Lohnklassen höher eingestuften Bediensteten zu vergleichen, hält dies vor Art. 4 BV stand: Für diese ergibt sich die Besoldung ausschliesslich aus dem kantonalen Besoldungsdekret selber, und ihre Tätigkeit unterscheidet sich zudem in objektiven Punkten wesentlich von jener der Primarlehrer. Das Obergericht durfte in diesem Zusammenhang von der Einholung eines arbeitswissenschaftlichen Gutachtens absehen: Das Bundesgericht stellt bei glaubhaft gemachten versteckten Lohndiskriminierungen im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV zwar strenge Anforderungen an die richterliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (vgl. BGE 117 Ia 262 ff. [Basler Kindergärtnerinnen], BGE 118 Ia 35 ff. [Solothurner Berufsberaterin]); die Beschwerdeführer rügten die bestehenden Lohnunterschiede aber nicht inBGE 121 I 49 (52) BGE 121 I 49 (53)diesem Zusammenhang, weshalb ihre Berufung auf die entsprechende Praxis zum vornherein fehlgeht. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 BV grundsätzlich keine Pflicht, bei jeder Lohnstreitigkeit das ganze kantonale Besoldungssystem einer analytischen Arbeitsplatzbewertung zu unterziehen. Eine solche ist allenfalls dann anzuordnen, wenn sich dem Richter tatsächliche Fragen stellen, die wegen der Komplexität des Besoldungssystems nicht ohne spezifisches Fachwissen beurteilt werden können, was vorliegend nicht der Fall war (vgl. zu Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV: BGE 117 Ia 262 E. 4c S. 269).
c) Nach Art. 4 Abs. 1 BV ist im öffentlichen Dienstverhältnis gleiche Arbeit grundsätzlich gleich zu entlöhnen (BGE 117 Ia 270 E. 2b S. 273, BGE 105 Ia 120 ff., BGE 103 Ia 517 ff.). Beruht jedoch die ungleiche Besoldung auf objektiven Gründen wie Alter, Dienstalter, familiäre Belastungen, Qualifikationsgrad, Risiken, Art und Dauer der Ausbildung, Arbeitszeit oder Aufgabenbereich usw., verstösst sie nicht gegen Art. 4 Abs. 1 BV. Bei der Lehrerbesoldung stellen solch objektive Kriterien etwa die zur Unterrichtstätigkeit erforderliche Ausbildung, die Schulart, die Stundenzahl, die Klassengrösse und die mit der Tätigkeit verbundene Verantwortung dar (PLOTKE, a.a.O., S. 403 ff.; vgl. auch BGE 117 Ia 270 E. 4 S. 276 f.). Die Orientierungsschullehrer unterrichten gegenüber den Primarlehrern unbestrittenermassen an einer höheren Schulstufe, und ihre Ausbildung dauert in der Regel auch zwei Jahre länger. Wenn das Obergericht gestützt hierauf und in Berücksichtigung, dass der in der Orientierungsschule zu vermittelnde Stoff etwas komplexer ist und vom Orientierungsschullehrer oft auch grössere Schwierigkeiten in disziplinarischer Hinsicht zu meistern sind, davon ausging, die Arbeit der Primarlehrer sei jener der Orientierungsschullehrer nicht gleichwertig, hält dies vor Art. 4 Abs. 1 BV stand. Hieran ändern die Hinweise der Beschwerdeführer auf andere Kantone nichts, wo die Besoldungsdifferenzen zwischen Primar- und Orientierungsschullehrern geringer sein sollen. Kann von einem Verstoss gegen das Gleichheitsgebot keine Rede sein, wenn in verschiedenen Kantonen dieselbe Rechtsfrage bei gleichem Sachverhalt unterschiedlich beantwortet wird (vgl. BGE BGE 104 Ia 156 E. 2b S. 158 mit Hinweisen), so muss dies um so mehr gelten, wenn Besoldungsfragen - politisch und systembedingt - kantonal anders gelöst werden. Dem kantonalen Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung des Besoldungssystems mit Blick auf die damit verbundenen Wertungsfragen ein erheblicher GestaltungsspielraumBGE 121 I 49 (53) BGE 121 I 49 (54)zu (vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1993 i.S. E.B., E. 3c u. 5a/aa). Wenn die Differenz zwischen der Grundbesoldung der Primarlehrer und jener der Orientierungsschullehrer im Kanton Schaffhausen mit 21,72 Prozent auch etwas mehr als 10 Prozent über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt liegt, ist dies bundesverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass in Einzelfällen die Differenz krasser ausfallen kann, ist auf die unterschiedliche Zulagenpraxis der verschiedenen Gemeinden in ihrem Besoldungsbereich zurückzuführen und nicht auf das kantonale Besoldungsdekret und die dortige Einstufung der Orientierungsschullehrer.BGE 121 I 49 (54)