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BGE 130 I 140 - Gemeindebürgerrechtsverordnung Schwyz


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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Nach Ansicht der Beschwerdeführer umschreibt das Bundesre ...
3. Mit Nachdruck kritisieren die Beschwerdeführer, dass der  ...
4. Die angefochtenen Regelungen verstossen nach Ansicht der Besch ...
5. Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat schliesslic ...
6. Es fragt sich, welche Konsequenzen die erwähnte, auf eine ...
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17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Mai 1998 i.S. Niklaus Scherr und Mieterinnen- und Mieterverband Zürich gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 270 Abs. 2 OR, Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 4 BV; Formularpflicht beim Abschluss von neuen Mietverträgen.
 
Kompetenz des Zürcher Regierungsrats zum Erlass von Vollzugsverordnungen (E. 3a). Zulässigkeit der näheren Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels durch den Regierungsrat (E. 3b-d).
 
Es ist nicht willkürlich, wenn das kantonale Recht das Vorliegen von Wohnungsmangel an einen Leerwohnungsbestand von unter 1% knüpft (E. 4).
 
Willkürliche Aufhebung der Formularpflicht für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 (E. 5). Konsequenzen dieser zeitlich beschränkten Verfassungswidrigkeit (E. 6).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 124 I 127 (128)Im Kanton Zürich nahm der Gesetzgeber am 20. Februar 1994 folgende Bestimmung in das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911 (EG zum ZGB; LS 230) auf:
§ 229b. In Zeiten von Wohnungsmangel sind Vermieterinnen und Vermieter von Wohnräumen verpflichtet, beim Abschluss eines Mietvertrages das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene Formular zu verwenden.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss am 28. September 1994, § 229b EG zum ZGB auf den 1. November 1994 in Kraft zu setzen. Zugleich stellte er fest, dass der Leerwohnungsbestand im ganzen Kanton am 1. Juni 1994 0,59% betragen habe und daher Wohnungsmangel im Sinne von § 229b EG zum ZGB herrsche. Dementsprechend erklärte er die Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrags im ganzen Kanton Zürich für obligatorisch.
Am 28. Mai 1997 traf der Regierungsrat bezüglich der Pflicht, beim Abschluss eines neuen Mietvertrags das offizielle Formular zu verwenden, folgenden Beschluss:
I. Wohnungsmangel gemäss Art. 270 Abs. 2 OR und § 229b EG zum ZGB liegt vor, wenn im ganzen Kanton ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht. Der Regierungsrat legt gestützt auf den durch das kantonale Statistische Amt per 1. Juni ermittelten Leerwohnungsbestand fest, wenn sich eine Änderung bezüglich der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrages ergibt. Eine Änderung tritt jeweils am 1. November des gleichen Jahres in Kraft.
II. Die Verpflichtung, das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene offizielle Formular beim Abschluss eines neuen Mietvertrages zu verwenden, wird mit Inkrafttreten dieses Beschlusses aufgehoben.BGE 124 I 127 (128)
BGE 124 I 127 (129)III. Dieser Beschluss tritt am 1. Juni 1997 in Kraft.
IV. Veröffentlichung im Dispositiv im Amtsblatt und in der Gesetzessammlung.
V. Mitteilung an die politischen Gemeinden, das Obergericht, an die Direktionen des Innern und der Justiz sowie die Staatskanzlei.
Niklaus Scherr sowie der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich haben gegen den wiedergegebenen Beschluss des Regierungsrats vom 28. Mai 1997 eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhoben und beantragen dessen Aufhebung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
 
a) Art. 270 Abs. 2 OR enthält einen ermächtigenden Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts (BGE 120 II 341 E. 2b S. 343). Die Kantone dürfen im Falle von Wohnungsmangel für ihr Gebiet oder für einen Teil davon die Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrags vorschreiben. Sie müssen von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch machen. Diesfalls gelten allein die bundesrechtlichen Bestimmungen, nach denen beim Abschluss eines neuen Mietvertrags die Verwendung des offiziellen Formulars nicht vorgeschrieben ist.
Die den Kantonen in Art. 270 Abs. 2 OR eingeräumte Kompetenz zur Aufstellung eigener Regelungen ist relativ eng begrenzt: Sie können einzig im Falle von Wohnungsmangel beim Abschluss eines neuen Mietvertrags die Verwendung des offiziellen Formulars obligatorisch erklären und den Begriff des Wohnungsmangels näher umschreiben. Dagegen wird der Inhalt des offiziellen Formulars durch das Bundesrecht festgelegt (vgl. Art. 19 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen vom 9. Mai 1990 [VMWG; SR 221.213.11]). Auch die Wirkungen eines allfälligen Formmangels bei der Mitteilung des Anfangsmietzinses ergeben sich aus dem Bundesrecht (BGE 120 II 341 E. 2c S. 344).
b) Die Freiheit der Kantone, den Begriff des Wohnungsmangels näher zu definieren, besteht allerdings ebenfalls nur innerhalb des von Art. 270 Abs. 2 OR vorgegebenen bundesrechtlichen Rahmens.BGE 124 I 127 (129)
BGE 124 I 127 (130)Die Kantone können die Pflicht zum Gebrauch des offiziellen Formulars wohl an einen engeren Begriff des Wohnungsmangels knüpfen als jenen, den das Bundesrecht in Art. 270 Abs. 2 OR verwendet. Sie dürfen aber nicht einen weiteren Begriff des Wohnungsmangels als das Bundesrecht einführen und die Benützung des offiziellen Formulars auch in Fällen vorschreiben, in denen nach Art. 270 Abs. 2 OR kein Wohnungsmangel herrscht.
Das bedeutet zunächst, dass die Kantone die Pflicht, beim Abschluss neuer Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden, nicht in allen Fällen des Wohnungsmangels im Sinne von Art. 270 Abs. 2 OR vorzuschreiben brauchen, sondern sie nur bei Vorliegen eines enger verstandenen Wohnungsmangels vorsehen können. Denn wenn es das Bundesrecht zulässt, dass die Kantone ganz auf die Einführung der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars verzichten, so steht es ihnen auch frei, den Gebrauch des offiziellen Formulars nur in einem beschränkteren Umfang als nach Bundesrecht möglich zu verlangen und damit die ihnen eingeräumte Kompetenz nur teilweise auszuschöpfen. Die Kantone können aber auch den gleichen Begriff des Wohnungsmangels wie in Art. 270 Abs. 2 OR gebrauchen und die Benützung des offiziellen Formulars damit in allen Fällen vorschreiben, in denen dies das Bundesrecht zulässt. Diesfalls schöpfen sie die ihnen vorbehaltene Kompetenz voll aus. Nicht befugt sind die Kantone dagegen, die Verwendung des offiziellen Formulars auch in Fällen zu verlangen, in denen nach Art. 270 Abs. 2 OR kein Wohnungsmangel mehr vorliegt. Sie dürfen daher die Pflicht zum Gebrauch des Formulars nicht an einen weiteren Begriff des Wohnungsmangels knüpfen, als ihn das Bundesrecht in Art. 270 Abs. 2 OR verwendet.
c) Der bundesrechtliche Begriff des Wohnungsmangels gemäss Art. 270 Abs. 2 OR wurde in der bisherigen Rechtsprechung nicht konkretisiert. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass das Vorliegen von Wohnungsmangel unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht werden könne und überdies zu beachten sei, dass sich die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt rasch ändern könnten (BGE 117 Ia 328 E. 4 S. 335). In der Botschaft des Bundesrates betreffend die Ergänzung der Bundesverfassung durch Art. 34sexies und Art. 34septies vom 30. Juli 1971 wird erklärt, man pflege zur Ermittlung des Wohnungsmangels regelmässig auf die Leerwohnungsziffer - d.h. den prozentualen Anteil der leerstehenden, vermietbaren Wohnungen am gesamten Wohnungsbestand - abzustellen, da sich der Wohnungsbedarf statistisch nicht direkt erfassen lasse. Im allgemeinenBGE 124 I 127 (130) BGE 124 I 127 (131)werde von Wohnungsmangel gesprochen, wenn die Zahl der leerstehenden Wohnungen unter 1-1,5% des gesamten Wohnungsbestands sinke, während bei einer Leerwohnungsquote von unter 0,5% Wohnungsnot herrsche (BBl 1971 I 1668). Bei der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit einer gesetzlichen Regelung im Kanton Genf, welche die Enteignung missbräuchlich leergelassener Wohnungen vorsieht, hielt das Bundesgericht fest, es liege im Ermessen des kantonalen Gesetzgebers, Wohnungsmangel nicht nur bei Unterschreitung einer Leerwohnungsquote von 1,5%, sondern bereits einer solchen von 2% anzunehmen (BGE 119 Ia 348 E. 4a S. 357).
d) Ob der bundesrechtliche Begriff des Wohnungsmangels gemäss Art. 270 Abs. 2 OR an einen bestimmten Wert des Leerwohnungsbestands zu knüpfen ist (so DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 1997, S. 262 Anm. 38 in Verbindung mit Anm. 24; vgl. AUCH MARK MULLER, La contestation du loyer initial et sa notification sur formule officielle, Cahiers du bail 1/95, S. 6) oder ob er gerade nicht von festen Zahlen abhängt (so SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 36 zu Art. 270 OR), kann hier offenbleiben. Auch ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob für den Fall, dass auf eine feste Leerwohnungsquote abzustellen wäre, Wohnungsmangel schon bei Unterschreitung eines Werts von 2% oder erst von 1,5% anzunehmen wäre.
Nach dem angefochtenen Beschluss liegt Wohnungsmangel, der zum Gebrauch des offiziellen Formulars verpflichtet, nur vor, wenn im ganzen Kanton Zürich ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht. Diese Regelung überschreitet den von Art. 270 Abs. 2 OR gezogenen bundesrechtlichen Rahmen offensichtlich nicht. Da sie von einem Wert ausgeht, der deutlich tiefer liegt als die bisher diskutierten Prozentsätze für die Annahme von Wohnungsmangel, ist vielmehr im Gegenteil davon auszugehen, dass mit der angefochtenen Norm die vom Bundesrecht den Kantonen vorbehaltene Kompetenz nicht voll ausgeschöpft wird. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist der Regierungsrat indessen aufgrund des Bundesrechts nicht gehalten, die den Kantonen vorbehaltene Kompetenz voll auszuschöpfen und den Begriff des Wohnungsmangels gleich weit wie in Art. 270 Abs. 2 OR zu fassen.
Die Rüge, die angefochtenen Bestimmungen stünden im Widerspruch zum Bundesrecht, erweist sich damit als unbegründet.
3. Mit Nachdruck kritisieren die Beschwerdeführer, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der GewaltenteilungBGE 124 I 127 (131) BGE 124 I 127 (132)verstosse. Einmal habe der Regierungsrat in die Zuständigkeiten des Parlaments und des Stimmbürgers eingegriffen, da er zum Erlass von Ausführungsbestimmungen zu § 229b EG zum ZGB nicht befugt sei. Ausserdem habe er sich Auslegungskompetenzen angeeignet, die richtigerweise allein den Gerichten zustünden.
a) Nach Art. 40 Ziff. 2 der Verfassung des eidgenössischen Standes Zürich vom 18. April 1869 (KV/ZH) steht dem Regierungsrat die Sorge für die Vollziehung der Gesetze und der Beschlüsse des Volkes und des Kantonsrates zu. Der Regierungsrat verfügt damit nach feststehender Lehre und Praxis über die Befugnis, selbständig Vollzugsverordnungen zu erlassen. Dagegen kennt das zürcherische Recht kein allgemeines, unmittelbar auf die Verfassung gestütztes Recht des Regierungsrats zum Erlass gesetzesvertretender Verordnungen (BGE 121 I 22 E. 3c S. 26; TOBIAS JAAG, Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 1997, S. 9; ders., Der Gesetzesbegriff im zürcherischen Staatsrecht, in: Das Gesetz im Staatsrecht der Kantone, hrsg. Andreas Auer/Walter Kälin, 1991, S. 369 f.).
Der Regierungsrat hat die angefochtenen Bestimmungen gestützt auf Art. 40 Ziff. 2 KV/ZH erlassen. Er leitet seine Kompetenz zur näheren Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels und des Verfahrens zu dessen Feststellung somit nicht aus einer besonderen gesetzlichen Delegationsnorm und auch nicht aus Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB ab. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer misst der Regierungsrat den umstrittenen Regelungen keinen gesetzesvertretenden Charakter zu, sondern betrachtet sie als blosse Vollzugsverordnung. Trifft diese Ansicht zu, so kann von einer Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht gesprochen werden.
b) Vollzugsverordnungen kommt die Funktion zu, die gesetzlichen Bestimmungen zu konkretisieren und gegebenenfalls untergeordnete gesetzliche Lücken zu füllen, soweit dies zur Vollziehung des Gesetzes erforderlich ist. Die Ausführungsbestimmungen müssen sich jedoch an den gesetzlichen Rahmen halten und dürfen insbesondere keine neuen Vorschriften aufstellen, welche die Rechte der Bürger beschränken oder ihnen neue Pflichten auferlegen, selbst wenn diese Regeln mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar wären (BGE 117 IV 349 E. 3c S. 354 f.; BGE 103 IV 192 E. 2a S. 194; BGE 99 Ib 159 E. 1a S. 165).
Der angefochtene Regierungsratsbeschluss begründet für Vermieter und Mieter keine neuen Rechte und Pflichten. Er legt lediglich den Schwellenwert fest, ab welchem nach kantonalem RechtBGE 124 I 127 (132) BGE 124 I 127 (133)Wohnungsmangel herrscht und deshalb gemäss § 229b EG zum ZGB beim Abschluss eines neuen Mietvertrags das offizielle Formular zu verwenden ist. Ferner regelt er, wie der massgebliche Schwellenwert des Leerwohnungsbestands zu bestimmen ist. Es handelt sich bei diesen Regelungen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer um typische Vollzugsbestimmungen, welche die gesetzliche Ordnung präzisieren.
c) Vollzugsbestimmungen sind freilich nur in dem Umfang zulässig, als das Gesetz dafür Raum lässt und nicht bewusst auf eine präzisere Regelung der betreffenden Frage verzichtet. Eine gewollte gesetzliche Unbestimmtheit darf nicht durch eine Vollzugsverordnung ausgefüllt werden (GEORG MÜLLER, Möglichkeiten und Grenzen der Verteilung der Rechtssetzungsbefugnisse im demokratischen Rechtsstaat, ZBl 99/1998 15; vgl. auch BGE 112 Ia 107 E. 3c/ee S. 116).
Nach Ansicht der Beschwerdeführer überlässt § 229b EG zum ZGB die nähere Konkretisierung des Begriffs des Wohnungsmangels bewusst den Zivilgerichten. Der kantonale Gesetzgeber verwende in der genannten Bestimmung den gleichen Begriff des Wohnungsmangels wie Art. 270 Abs. 2 OR und schöpfe die den Kantonen vorbehaltene Kompetenz ganz aus. Die damit aufgeworfene Frage nach der Tragweite von § 229b EG zum ZGB betrifft die Auslegung kantonalen Rechts, die das Bundesgericht auch bei Beschwerden wegen Verletzung der Gewaltenteilung nur auf Willkür hin überprüft (BGE 121 I 22 E. 3a S. 25; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 191 f.).
d) Der Wortlaut von § 229b Abs. 1 EG zum ZGB lässt offen, wie der Begriff des Wohnungsmangels zu verstehen ist, und schliesst damit eine nähere Konkretisierung auf Verordnungsebene nicht aus. Für die Behauptung der Beschwerdeführer, der kantonale Gesetzgeber habe die den Kantonen vorbehaltene Kompetenz ganz ausschöpfen wollen und damit den Begriff des Wohnungsmangels gleich weit wie Art. 270 Abs. 2 OR fassen wollen (vgl. E. 2b-d), finden sich im Text von § 229b EG zum ZGB keine Anhaltspunkte. Auch aus der Tatsache, dass die Einführung der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss neuer Mietverträge im Vorfeld der Volksabstimmung politisch sehr umstritten war, lässt sich nicht ableiten, eine Konkretisierung des unbestimmten Begriffs des Wohnungsmangels in einer Verordnung sei von vornherein ausgeschlossen.BGE 124 I 127 (133)
BGE 124 I 127 (134)Der Regierungsrat hat die angefochtenen Bestimmungen im Interesse der Rechtssicherheit erlassen. Er verweist darauf, dass die Parteien eines Mietverhältnisses im voraus wissen müssten, ob beim Abschluss eines neuen Vertrags das offizielle Formular zu verwenden sei oder nicht. Es sei nicht befriedigend, wenn darüber erst im nachhinein durch die Gerichte befunden werde.
Diese einleuchtende Begründung für den Erlass des angefochtenen Beschlusses stellen die Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Wie aus einer vom Regierungsrat unternommenen Umfrage hervorgeht, wird in den anderen Kantonen, die vom Vorbehalt gemäss Art. 270 Abs. 2 OR Gebrauch machen, der Begriff des Wohnungsmangels regelmässig in einer Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung konkretisiert. Ferner ist anerkannt, dass eine nähere Ausführung von Gesetzesbestimmungen durch eine Verordnung vor allem dann angezeigt ist, wenn es - wie im vorliegenden Fall - darum geht, das Gesetz durch eine Regelung zu ergänzen, die das Verhalten der Adressaten voraussehbar macht und damit der Rechtssicherheit dient und überdies die Gleichbehandlung erleichtert, indem ein Massstab für die Beurteilung der Einzelfälle zur Verfügung gestellt wird (MÜLLER, a.a.O., S. 15).
Bei dieser Sachlage konnte der Regierungsrat ohne Willkür davon ausgehen, § 229b Abs. 1 EG zum ZGB lasse eine nähere Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels in einer Verordnung zu. Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung erweist sich somit als unbegründet.
a) Das Bundesrecht gestaltet den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen bei laufenden Mietverhältnissen und bei neuen Verträgen ungleich aus. Die Beschwerdeführer weisen selber auf die bestehenden materiellrechtlichen Unterschiede hin. Entgegen ihren Darlegungen ist jedoch auch die Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars im Bundesrecht bei Alt- und Neumieten verschieden geregelt (vgl. Art. 269d und Art. 270 Abs. 2 OR). Eine Ungleichbehandlung zwischen Alt- und Neumietern liegt darin nicht, da zwischen dem Schutzbedürfnis der beiden Mietergruppen Unterschiede bestehen, denen der Gesetzgeber Rechnung tragen darf. DementsprechendBGE 124 I 127 (134) BGE 124 I 127 (135)verletzt es Art. 4 BV auch nicht, wenn im angefochtenen Beschluss der Begriff des Wohnungsmangels enger als in Art. 270 Abs. 2 OR möglich umschrieben wird und dadurch die Neumieter nicht den nach Bundesrecht maximal zulässigen Schutz erfahren.
b) Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid die Schwierigkeit, den Begriff des Wohnungsmangel zu umschreiben, ausführlich dargelegt. Er gelangte zum Schluss, dass der Leerwohnungsbestand trotz gewisser Mängel ein tauglicher Indikator dafür sei, ob der Wohnungsmarkt funktioniere. Er verwies darauf, dass in allen Kantonen der Leerwohnungsbestand das massgebliche Kriterium zur Feststellung von Wohnungsmangel und damit zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars darstelle.
Die Einwände, welche die Beschwerdeführer gegen das Abstellen auf den Leerwohnungsbestand erheben, sind dem Regierungsrat nicht entgangen. Er hat sich vielmehr damit eingehend auseinandergesetzt und schliesslich mangels einer besseren Alternative den Leerwohnungsbestand zum massgeblichen Kriterium bei der Bestimmung des Wohnungsmangels erklärt. Auch die Beschwerdeführer vermögen nicht darzulegen, wie sich das Vorliegen von Wohnungsmangel in zuverlässigerer Weise feststellen liesse, sondern beschränken sich weitgehend auf die Behauptung, dass trotz der inzwischen eingetretenen Erhöhung des Leerwohnungsbestands im Kanton Zürich immer noch ein Wohnungsmangel herrsche. Ob diese Ansicht zutrifft, ist jedoch nur anhand eines objektiven und möglichst einfachen Kriteriums zu beurteilen. Trotz gewisser Mängel kann jedenfalls nicht gesagt werden, der Leerwohnungsbestand sei geradezu ein untaugliches und daher willkürliches Kriterium zur Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels.
c) Der weitere Vorwurf, der massgebliche Schwellenwert des Leerwohnungsbestands werde im angefochtenen Beschluss willkürlich festgelegt, ist ebenfalls nicht begründet. Der Regierungsrat geht zu Recht davon aus, dass ihm bei der Bestimmung des Prozentsatzes des Leerwohnungsbestands, bis zu welchem nach kantonalem Recht von Wohnungsmangel auszugehen ist, ein erhebliches Ermessen zusteht. Er berücksichtigte die in den anderen Kantonen geltenden Werte und die Äusserungen von Fachleuten und setzte den für die Annahme von Wohnungsmangel massgeblichen Schwellenwert bei 1% des Leerwohnungsbestands fest. Dieser Wert ist zwar - was die Beschwerdeführer zu Recht bemerken - vergleichsweise tief (vgl. auch E. 2c), aber nicht willkürlich. So wird auch bei diesemBGE 124 I 127 (135) BGE 124 I 127 (136)tiefen Wert die gesetzliche Regelung von § 229b EG zum ZGB keineswegs ihrer praktischen Wirkung beraubt. So lag die Leerwohnungsziffer nach den sich bei den Akten befindlichen Angaben des statistischen Amts im Kanton Zürich in den Jahren 1985-1995 stets deutlich unter 1%.
Nach Ziffer I des Beschlusses liegt Wohnungsmangel vor, wenn im ganzen Kanton ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht (Abs. 1). Der Regierungsrat legt gestützt auf den durch das kantonale Statistische Amt per 1. Juni ermittelten Leerwohnungsbestand fest, wenn sich eine Änderung bezüglich der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrags ergibt. Eine Änderung tritt jeweils am 1. November des gleichen Jahres in Kraft (Abs. 2).
An diese Regelung hat sich der Regierungsrat bei Erlass der Ziffer II des angefochtenen Beschlusses offensichtlich nicht gehalten. So hat er am 28. Mai 1997 gestützt auf einen Leerwohnungsbestand von 0,98% per 1. Juni 1996 die Pflicht, beim Abschluss eines neuen Mietvertrags das offizielle Formular zu verwenden, mit Wirkung ab dem 1. Juni 1997 aufgehoben. Er hat damit nicht wie in Ziffer I seines Beschlusses vorgesehen das Vorliegen der Leerwohnungsziffer am 1. Juni 1997 abgewartet und gegebenenfalls die Pflicht zur Benützung des offiziellen Formulars per 1. November 1997 aufgehoben. Vielmehr antizipierte er gestützt auf die per 1. Juni 1996 festgestellte Leerwohnungsquote von 0,98% und die seitherige mutmassliche Entwicklung des Wohnungsangebots den erst später zu treffenden Entscheid. Ferner hob er die Pflicht zur Verwendung des Formulars bereits auf den 1. Juni 1997 auf. Auch wenn die Annahme des Regierungsrats, die Leerwohnungsquote werde am 1. Juni 1997 über 1% liegen, zutreffend war, hätte er nach seiner eigenen Regelung die Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars erst mit einer fünfmonatigen Verzögerung, d.h. auf den 1. November 1997 aufheben dürfen. Zwar war der Regierungsrat bei seinem Entscheid am 28. Mai 1997 noch nicht an die von ihm gleichentags erlassenen Regeln gebunden, da diese erst am 1. Juni 1997 in Kraft traten. Doch ist es sachlich schlechthin nicht vertretbar, in demselben Beschluss Bestimmungen über die Umschreibung und Feststellung des Wohnungsmangels zu erlassen und gleichzeitig einen Entscheid zu treffen, der diesen Bestimmungen klar widerspricht.BGE 124 I 127 (136)
BGE 124 I 127 (137)Da die Leerwohnungsquote am 1. Juni 1996 unter 1% lag, ist die Ziffer II des angefochtenen Beschlusses insoweit verfassungswidrig, als für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 die Pflicht, beim Abschluss neuer Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden, aufgehoben wurde. Demgegenüber betrug die Leerwohnungsquote am 1. Juni 1997 im Kanton Zürich 1,17%, was ab dem 1. November 1997 die Aufhebung der Formularpflicht rechtfertigte. Der angefochtene Beschluss erweist sich daher für den Zeitraum ab dem 1. November 1997 als verfassungskonform.
a) In der Lehre bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ab welchem Zeitpunkt die Aufhebung von Rechtssätzen durch das Bundesgericht wirksam wird. Die wohl herrschende Ansicht misst der Aufhebung lediglich eine Wirkung ab dem Urteilszeitpunkt (ex nunc) zu (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 398 f.; RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, N. 1902; PETER ALEXANDER MÜLLER, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen, EuGRZ 1988 228; BARBARA STREHLE, Rechtswirkungen verfassungsgerichtlicher Normenkontrollentscheidungen, Diss. Zürich, 1980, S. 99 und 132). Nach einer anderen Ansicht wirkt die Aufhebung von Rechtssätzen dagegen auf den Zeitpunkt zurück, in dem sie erlassen wurden (ex tunc), da die Verfassungswidrigkeit von Normen für ihre ganze Geltungsdauer zu beseitigen sei (ZACCARIA GIACOMETTI, Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweizerischen Bundesgerichts, 1993, S. 244; HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl. 1979, S. 166). Einzelne Autoren nehmen schliesslich eine vermittelnde Position ein und verweisen darauf, dass die Wirkungen der Aufhebung einer Norm auf die damit zusammenhängenden Akte nicht generell beurteilt werden könnten (PHILIPPE GERBER, La nature cassatoire du recours de droit public, Diss. Genf, S. 180; vgl. auch ANDREAS AUER, L'effet des décisions d'inconstitutionnalité du Tribunal fédéral, AJP 1992 560; PIERRE MOOR, Droit administratif, Band I, 2. Aufl. 1994, S. 102 f.).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht vom Grundsatz aus, dass mit der Aufhebung des angefochtenen Akts der verfassungsmässige Zustand wiederhergestellt wird. Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, kann das Bundesgericht neben der AufhebungBGE 124 I 127 (137) BGE 124 I 127 (138)auch andere Anordnungen treffen (BGE 118 Ia 184 E. 1d S. 188). Es hat auch die Möglichkeit, die Wirkung der Aufhebung eines Rechtsakts näher zu umschreiben. Ab welchem Zeitpunkt die Aufhebung einer Rechtsnorm wirkt, ist bisher dort, wo dies erforderlich war, aufgrund einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise festgelegt worden (vgl. BGE 116 Ia 359 E. 10d S. 381; BGE 113 Ia 46 E. 7b S. 60 ff.; kritisch zum letzteren Entscheid indessen GERBER, a.a.O., S. 185). Auch im vorliegenden Fall sind die Wirkungen der festgestellten Verfassungswidrigkeit aufgrund der konkreten Umstände zu bestimmen.
b) Der angefochtene Beschluss widerspricht wie dargelegt insoweit der Verfassung, als er für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis zum 31. Oktober 1997 den Gebrauch des offiziellen Formulars beim Abschluss neuer Mietverträge nicht mehr vorschrieb. In diesem Umfang muss er daher grundsätzlich aufgehoben werden. Von einer Aufhebung abzusehen, geht nicht an, da andernfalls die festgestellte Verfassungswidrigkeit sanktionslos bliebe. Es ist jedenfalls nicht auszuschliessen, dass die rückwirkende Aufhebung des angefochtenen Entscheids bei Mietverträgen, die im streitigen Zeitraum ohne Formular abgeschlossen wurden, Konsequenzen haben könnte. Zu denken ist an den Mieter, der geltend machen wollte, er habe mangels Verwendung des Formulars und damit mangels Angaben über den vom Vormieter bezahlten Zins einen Vertrag mit einem zu hohen Mietzins abgeschlossen. Es ist allerdings fraglich, ob die Berufung auf die Teilnichtigkeit der ohne Verwendung des offiziellen Formulars abgeschlossenen Verträge (vgl. BGE 120 II 341 E. 5d S. 349) auch bei einem nachträglichen Wiederaufleben der Formularpflicht, wie sie hier gegeben ist, zulässig wäre. Der Verfassungsrichter hat zu diesen Fragen jedoch nicht Stellung zu nehmen. Vielmehr wird gegebenenfalls der Zivilrichter darüber zu befinden haben. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass der angefochtene Beschluss für die Mieter die erwähnten Konsequenzen haben kann. Er ist daher aufzuheben, soweit er vorstehend als verfassungswidrig erkannt wurde.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen und Ziffer II des Beschlusses des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 28. Mai 1997 aufzuheben, soweit für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 festgelegt wurde, die Pflicht, beim Abschluss neuer Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden, bestehe nicht. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.BGE 124 I 127 (138)