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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
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7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Z. jun. gegen Y. sowie Obergericht des Kantons Zürich (Staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
5P.232/2004 vom 18. November 2004
 
 
Regeste
 
Art. 36 lit. f KSG.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 131 I 45 (45)A.
A.a Am 14. März 1966 schloss die Y. (Grundeigentümerin) mit Z. sen. (Vater von Z. jun., Beschwerdeführer) einen Baurechtsvertrag über die Bestellung eines selbstständigen und dauernden Baurechts auf dem Grundstück altKat.-Nr. x (Kat. Nr. y), Grundbuch A. Das Grundstück wurde mit einem Zweifamilien-Terrassenhaus überbaut (B.strasse).
A.b Am 26. April 2001 stellte der Beschwerdeführer als Bauherr ein Gesuch für den Anbau einer Eingangshalle mit Nutzung des Flachdaches des oberen Hauses. Der Gemeinderat von A. entsprach dem Gesuch. In der Folge teilte die Grundeigentümerin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) dem Beschwerdeführer mit, sie verzichte auf eine Anfechtung der Baubewilligung, behalte sich jedoch vor, dem Baurechtsvertrag gegebenenfalls zivilrechtlich Nachachtung zu verschaffen. Der geplante Terrassenaufgang und dieBGE 131 I 45 (45) BGE 131 I 45 (46)Nutzbarmachung der Dachfläche widerspreche klar dem Inhalt des Baurechtsvertrages.
B. In der Folge klagte der Beschwerdeführer vor dem gemäss Baurechtsvertrag bestellten Schiedsgericht gegen die Beschwerdegegnerin mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass er ihr gegenüber berechtigt sei, beim Wohnhaus Assek.-Nr. z, Kat.-Nr. y, B.strasse in A. einen Dachaufgang sowie eine Dachterrasse gemäss bewilligter Baueingabe vom 26. April 2001 zu realisieren. Die Beschwerdegegnerin beantragte Abweisung der Klage und erhob ihrerseits Widerklage. Das angerufene Schiedsgericht wies die Hauptklage ab und verbot dem Beschwerdeführer in Gutheissung der Widerklage, eine Erweiterung des bestehenden Dachausstiegs vorzunehmen und auf dem Flachdach Windschutzwände oder andere Vorrichtungen anzubringen, welche der Nutzbarmachung der Dachfläche als Dachterrasse dienen und das bestehende 110 cm hohe Brüstungsband überragen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen gemäss Art. 292 StGB sowie der Zwangsvollzug angedroht (Urteil vom 30. Januar 2004). Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 6. Mai 2004 ab, soweit es auf sie eintrat.
C. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben. Er vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, indem das Obergericht auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten sei, habe es Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 36 lit. f des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG; SR 279) verletzt.
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Nach den Ausführungen des Obergerichts hat das Schiedsgericht erwogen, die Baurechtsgeberin habe sich mit dem Baurechtsvertrag vom 14. März 1966 eine geordnete Überbauung nach einheitlichen Kriterien sichern wollen, die auch im Falle nachträglicher Veränderungen gewahrt bleiben sollte. Das Obergericht hält alsdann dafür, die Feststellung des Schiedsgerichts, die Überbauung zeige noch heute ein "einheitliches Erscheinungsbild", sei nicht einfach die Feststellung einer Tatsache, wie der Beschwerdeführer argumentiere. Das Schiedsgericht habe im Rahmen der angeordneten Beweisabnahme von Amtes wegen einenBGE 131 I 45 (46) BGE 131 I 45 (47)Augenschein vor Ort sowie auf dem Grundbuchamt durchgeführt, habe überdies Einsicht in die Grundbuchakten genommen und an verschiedenen Standorten festgestellt, welcher Stellenwert dem Erscheinungsbild des Daches mit der streitbetroffenen Liegenschaft in der B.strasse zukomme. Die Parteien hätten zum protokollierten Ergebnis des Augenscheins Stellung bezogen. Der Beschwerdeführer rüge mit seiner Kritik an den Erwägungen des Schiedsgerichts willkürliche Beweiswürdigung und nicht willkürliche Tatsachenfeststellung. Die willkürliche Anwendung von Verfahrensrecht, hier des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, könne nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 36 lit. f KSG geltend gemacht werden. Insoweit trat das Obergericht auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers in diesem Punkt nicht ein.
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde die Annahme des Schiedsgerichts, das einheitliche Erscheinungsbild der Überbauung habe erhalten werden können, als willkürlich beanstandet. In der Nichtigkeitsbeschwerde sei nirgends die Rede davon gewesen, dass das Schiedsgericht eine Verfahrensvorschrift verletzt habe. Vielmehr sei eine willkürliche tatsächliche Annahme des Schiedsgerichtes gerügt worden, welche nach Art. 36 lit. f KSG nebst der Aktenwidrigkeitsrüge erhoben werden könne. Eine willkürliche tatsächliche Annahme liege namentlich dann vor, wenn das Gericht eine beweispflichtige Tatsache als bewiesen annehme, obwohl die Akten darüber keinen Aufschluss geben, oder wenn das Gericht eine Feststellung aufgrund willkürlicher Beweiswürdigung treffe. Die Auffassung des Obergerichts, bei der Rüge der willkürlichen tatsächlichen Annahme und der Rüge willkürlicher Beweiswürdigung handle es sich um unterschiedliche Nichtigkeitsgründe sei daher nicht nachvollziehbar. Die vor Obergericht erhobene Rüge habe sich auf die letztgenannte Variante, die willkürliche tatsächliche Annahme, bezogen, welche nach dem einschlägigen Kommentator (FRANK/STRÄULI/MESSMER) einen Nichtigkeitsgrund im Sinne von Art. 36 lit. f KSG bilde. Die das Nichteintreten begründenden Erwägungen des Obergerichts äusserten sich nicht zu der von ihm (dem Beschwerdeführer) vorgebrachten Rüge und verletzten damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV.
3.3 Mit seinen Ausführungen beanstandet der Beschwerdeführer einmal im Ergebnis die Auslegung des Schiedsgerichts betreffend Art. 36 lit. f KSG und kritisiert alsdann auf dieser Rüge aufbauendBGE 131 I 45 (47) BGE 131 I 45 (48)eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Aufgrund dieser Konstellation ist die Rüge der Auslegung von Art. 36 lit. f KSG mit Bezug auf die Nichtigkeitsgründe vorweg zu behandeln. Im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. b OG prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung von Konkordatsrecht frei (BGE 112 Ia 350 E. 1 mit Hinweisen).
Nach LALIVE/POUDRET/REYMOND (Le droit de l'arbitrage, 1989, N. 4 zu Art. 36 KSG S. 213 f.) umfasst Art. 36 lit. f KSG auch die Beweiswürdigung, namentlich die Würdigung von Aktenstücken, wie protokollierte Zeugenaussagen und Expertisen. Sie stützen ihre Auffassung auf die besagte Erwägung (5a/aa) des bundesgerichtlichen Urteils.BGE 131 I 45 (48)
BGE 131 I 45 (49)JOLIDON (Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, 1984, S. 517; derselbe, Les motifs du recours en nullité selon le Concordat suisse sur l'arbitrage, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 326), gemäss dem auch die offensichtlich unrichtige Beweiswürdigung Gegenstand der Prüfung gemäss Art. 36 lit. f KSG bildet, beruft sich ebenfalls auf die erwähnte Rechtsprechung, aber auch auf Art. 360 Ziff. 2 ZPO/BE. Diese Bestimmung nennt allerdings den Nichtigkeitsgrund der offenbar unrichtigen Beweiswürdigung ausdrücklich, weshalb daraus für die Auslegung von Art. 36 lit. f KSG nichts zu gewinnen ist.
Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf den Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2000, N. 106 vor §§ 238-258 ZPO/ZH), wo ausgeführt wird, die Aktenwidrigkeitsrüge decke sich mit dem Nichtigkeitsgrund von § 281 Ziff. 2, erster Teil (aktenwidrige tatsächliche Annahme) und die willkürliche tatsächliche Annahme entspreche dem Nichtigkeitsgrund von § 281 Ziff. 2, zweiter Teil (willkürliche tatsächliche Annahme). Richtig ist, dass die willkürliche tatsächliche Annahme auch die Beweiswürdigung umfasst (FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 45 zu § 281 ZPO/ZH). Doch übersehen die Autoren, dass Art. 36 lit. f KSG - im Gegensatz zu § 281 Ziff. 2 - den Nichtigkeitsgrund gerade nicht mit der "willkürlichen tatsächlichen Annahme" umschreibt, sondern mit der Willkür, die auf einer offenbaren Verletzung von Recht und Billigkeit sowie auf "offensichtlich aktenwidrigen Feststellungen" beruht.
3.9 Im vorliegenden Fall wurde über den Augenschein ein Protokoll erstellt. Dazu haben die Parteien Stellung nehmen können, wobei der Beschwerdeführer nach den obergerichtlichen Feststellungen keine Änderungen bzw. Korrekturen beantragt hat. Alle weiter gehenden Ergebnisse des Augenscheins, namentlich die aus den feststehenden Wahrnehmungen zu ziehenden Schlüsse sowie die darauf gestützten Wertungen sind Bestandteil der Beweiswürdigung (BÜHLER, Die Beweiswürdigung, in: Der Beweis im Zivilprozess, 2000, S. 85). Aus dem obergerichtlichen Beschluss und demBGE 131 I 45 (50) BGE 131 I 45 (51)Schiedsgerichtsurteil ergibt sich, dass das Schiedsgericht seine Feststellung, die Überbauung zeige noch heute ein "einheitliches Erscheinungsbild", in Würdigung der Wahrnehmungen anlässlich des Augenscheines getroffen hat. Auf Beweiswürdigung beruhend ist dieser Schluss der Aktenwidrigkeitsrüge nicht zugänglich und daher mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar. Ist aber das Obergericht zu Recht auf die Rüge des Beschwerdeführers nicht eingetreten, bleibt auch die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV erfolglos.BGE 131 I 45 (51)