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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Die Beschwerdeführerin kritisiert, der der Verurteilu ...
Erwägung 1.2
2. Die Beschwerdeführerin rügt, als juristische Per ...
3. Die Beschwerdeführerin wirft schliesslich die Frage a ...
Erwägung 3.1
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
21. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. GmbH gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_252/2017 vom 20. Juni 2018
 
 
Regeste
 
Art. 6 OBG i.V.m. Art. 32 Abs. 1 und 35 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Unschuldsvermutung, nemo tenetur; Art. 6 OBG i.V.m. Art. 1, 102, 105 und 333 StGB, Art. 6 und 7 EMRK; Haltereigenschaft und Halterhaftung juristischer Personen für Übertretungen des Strassenverkehrsrechts; Legalitätsprinzip.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 144 I 242 (243)A. Am 2. August 2014 überschritt der Lenker eines auf die X. GmbH zugelassenen Personenwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 14 km/h. Hierauf forderte die Kantonspolizei Obwalden die Firma als Fahrzeughalterin gestützt auf Art. 6 OBG zur Bezahlung einer Ordnungsbusse von Fr. 250.- auf. Nachdem die Firma mitgeteilt hatte, dass sie nicht wisse, wer das Fahrzeug geführt habe, verurteilte sie die zuständige Staatsanwaltschaft mit Strafbefehl vom 24. März 2015 im ordentlichen Verfahren zu einer Busse in vorgenannter Höhe. Auf Einsprache der X. GmbH hin sprach sie der Kantonsgerichtspräsident II Obwalden am 1. März 2016 der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig und auferlegte ihr eine Busse von Fr. 250.-. Die dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Obwalden am 7. Februar 2017 ab.
B. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die X. GmbH, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen. BGE 144 I 242 (243)
BGE 144 I 242 (244)C. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 20. Juni 2018 in einer öffentlichen Sitzung beraten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 7. Februar 2017 auf und spricht die Beschwerdeführerin frei. Das Bundesgericht weist die Sache zur Neufestsetzung der Kosten und der Entschädigung an das Obergericht zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
 
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1 Die Unschuldsvermutung ist in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankert. Demnach ist es als Regel für die Verteilung der Beweislast Sache der Strafverfolgungsbehörden, dem Beschuldigten seine Täterschaft nachzuweisen. Obwohl in der Konvention nicht eigens erwähnt, gehört das Recht zu schweigen und BGE 144 I 242 (244) BGE 144 I 242 (245) sich nicht selbst zu belasten zum allgemein anerkannten internationalen Standard eines fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 EMRK. Das Recht soll den Beschuldigten vor Pressionen schützen und hängt mit der Unschuldsvermutung zusammen. Die Anklage soll gezwungen sein, die notwendigen Beweise ohne Rückgriff auf Beweismittel zu erbringen, die gegen den Willen des Beschuldigten durch ungerechtfertigten Zwang erlangt wurden (MEYER-LADEWIG/HARRENDORF/KÖNIG, in: EMRK, Handkommentar, Meyer-Ladewig und andere [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 131 zu Art. 6 EMRK). Das Recht zu schweigen ist indes kein absolutes Recht. Es ist im Rahmen des Verhältnismässigen beschränkbar, solange sein Wesensgehalt intakt bleibt (FRANK MEYER, in: Konvention zum Schutz der Menschenrechte [...], Kommentar, Karpenstein/Mayer [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 130 zu Art. 6 EMRK).
In der Sache O'Halloran und Francis gegen Grossbritannien (Urteil vom 29. Juni 2007 [Grosse Kammer], Nr. 15809 und Nr. 25624/02; Zusammenfassung der Rechtsprechung, insb. § 53; teilweise publ. in: forumpoenale 1/2008 S. 2 mit Bemerkungen von WOLFGANG WOHLERS) führte der EGMR aus, die unter Strafandrohung erfolgte Aufforderung an einen Fahrzeughalter, die Person zu nennen, die das Fahrzeug während der Geschwindigkeitsüberschreitung gelenkt hatte, verstosse nicht gegen das Recht, zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass sich jeder Halter oder Lenker eines Motorfahrzeugs der Strassenverkehrsgesetzgebung unterwirft (Urteil 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.3).
In der Sache Falk gegen Niederlande (Urteil vom 19. Oktober 2004, Nr. 66273/01) hatte der EGMR über eine Art. 6 OBG sehr ähnliche BGE 144 I 242 (245) BGE 144 I 242 (246) Bestimmung und deren Vereinbarkeit mit Art. 6 EMRK zu befinden. Gemäss der niederländischen Gesetzgebung wird bei Strassenverkehrsdelikten, in welche ein registriertes Fahrzeug verwickelt ist, wenn der zeitaktuelle Lenker nicht identifiziert werden kann, die Busse gegen den Besitzer resp. Halter des Fahrzeugs ausgesprochen. Dieser wird quasi kausal für die mit seinem Fahrzeug begangenen Strassenverkehrsdelikte haftbar gemacht, soweit er nicht beweist, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen von einer Drittperson benutzt wurde. Die Gesetzgebung sieht Bussen bis zu EUR 340.- vor und findet nur auf leichtere Widerhandlungen Anwendung, wobei keine Personen- oder Sachschäden verursacht worden sein dürfen. Der EGMR erwog, dass Tatsachen- und Rechtsvermutungen nicht von vornherein durch die EMRK ausgeschlossen würden, solange die Vertragsstaaten innerhalb vernünftiger Grenzen blieben. Hierbei hätten sie die Bedeutung des verfolgten Anliegens zu berücksichtigen und die Rechte der Verteidigung zu bewahren. Die Mittel müssten in einem vernünftigen Verhältnis zum Zweck stehen, das heisst der Grundsatz der Verhältnismässigkeit müsse gewahrt sein. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die niederländische Bestimmung mit Art. 6 EMRK vereinbar sei und die Unschuldsvermutung nicht verletze.
1.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet weder die Vereinbarkeit der niederländischen Halterhaftung mit Art. 6 EMRK (vgl. oben E. 1.2.2) BGE 144 I 242 (246) BGE 144 I 242 (247) noch deren Ähnlichkeit mit der schweizerischen Regelung. Sie weist im Gegenteil darauf hin, "dass der Text von Art. 6 OBG praktisch wörtlich" mit den niederländischen Gesetzesbestimmungen übereinstimmt. Was sie dennoch gegen die EMRK-Konformität von Art. 6 OBG vorbringt, überzeugt nicht.
1.3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist kein wesentlicher Unterschied zum niederländischen Recht darin zu erblicken, dass die Halterhaftung nach jenem Recht nur anwendbar sein soll, wenn die Polizei keine Möglichkeit hatte, selber vor Ort den Lenker zu eruieren. Solches ergibt sich aus dem von ihr ins Recht gelegten Entscheid des EGMR keineswegs. Darin ist vielmehr davon die Rede, dass die Halterhaftung - analog zur schweizerischen Gesetzgebung - zur Anwendung kommen soll, wenn die Identität des Fahrers nicht ermittelt werden kann. Die Möglichkeit der Bussenauflage an den Fahrzeughalter gemäss Art. 6 Abs. 1 OBG geht somit nicht weiter als diejenige gemäss der niederländischen Regelung, indem sie allgemein voraussetzt, dass der Lenker nicht bekannt ist. Es ist vielmehr offensichtlich, dass die Halterhaftung bei beiden Bestimmungen übereinstimmt und nach dem Willen des Gesetzgebers dann gelten soll, wenn der Täter nicht identifiziert werden kann, unbesehen des konkreten Grundes. Daran ändert auch nichts, dass die ursprüngliche Gesetzesfassung von Art. 6 OBG die Halterhaftung vorsah, wenn der Lenker nicht durch Anhalten vor Ort ermittelt werden konnte (vgl. Botschaft vom 20. Oktober 2010 zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr [nachfolgend: Botschaft], BBl 2010 8486 f. Ziff. 1.3.2.26). Es ist nicht ersichtlich, dass damit eine gegenüber der nun Gesetz gewordenen Regelung einschränkende Anwendung des Prinzips der Halterhaftung beabsichtigt gewesen wäre.
Sodann ist unbestritten, dass sich der Fahrzeughalter gemäss Art. 6 Abs. 4 OBG - zusätzlich zu den Missbrauchsfällen nach Abs. 5 der Bestimmung - einer Bussenzahlung auch dadurch entziehen kann, dass er Namen und Adresse des Fahrzeugführers nennt. Die Beschwerdeführerin verkennt mit ihren Einwänden, dass der von Art. 6 OBG vorgesehene Schutz der Fahrzeughalterrechte gar über denjenigen der niederländischen Regelung hinausgeht. Entgegen ihrer Auffassung ist die Bekanntgabe des Fahrers für den Fahrzeughalter auch nicht mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden. Ihm ist zuzumuten, die Identität dessen zu kennen, dem er sein Fahrzeug BGE 144 I 242 (247) BGE 144 I 242 (248) anvertraut. Dies gilt ebenso für juristische Personen. Es entspricht denn auch dem Willen des Gesetzgebers, die Verantwortung des Fahrzeughalters zu stärken und die Behörden von aufwändiger, unverhältnismässiger Ermittlungsarbeit im Bereich ausgesprochener Bagatelldelikte, wie sie im Ordnungsbussenverfahren beurteilt werden, zu entlasten (Botschaft, a.a.O., S. 8486 f.). Im Übrigen zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und ist nicht ersichtlich, weshalb die Nennung des Fahrers für sie konkret unzumutbar oder objektiv unmöglich gewesen sein soll.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach Art. 6 OBG deshalb gegen Konventionsrecht verstossen soll, weil er im Unterschied zum niederländischen Recht die Möglichkeit vorsehe, das ordentliche Verfahren zu wählen, ist nicht nachvollziehbar. Wäre dem so, ginge die schweizerische Regelung (Art. 6 Abs. 3 OBG) mit Blick auf die Wahrung elementarer Verfahrensrechte der beschuldigten Person ebenfalls über die niederländische Regelung hinaus. Sie würde damit erst recht nicht gegen Art. 6 EMRK verstossen (vgl. oben E. 1.2.3).
1.3.3 Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich einwendet, die schweizerische Regelung widerspreche anders als die vom EGMR BGE 144 I 242 (248) BGE 144 I 242 (249) bisher beurteilten Fälle übergeordnetem innerstaatlichem Recht und verstosse deshalb gegen die EMRK, so verkennt sie in grundsätzlicher Weise, dass der Schutz gemäss Art. 32 Abs. 1 BV nicht über denjenigen nach Art. 6 EMRK hinausgeht (vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 980 ff.). Sie legt zudem nicht dar, worin die geltend gemachte Verletzung der Bundesverfassung konkret bestehen resp. inwieweit der Schutzgehalt von Art. 32 BV über den von Art. 6 EMRK garantierten Schutz hinausgehen soll. Die Beschwerdeführerin kommt insofern ihrer qualifizierten Begründungspflicht nicht nach, sodass auf ihre Rüge nicht einzutreten ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Den Einwänden der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden. Es ist unbestritten, dass sie zum Tatzeitpunkt als Halterin des Personenwagens, womit die Geschwindigkeitsübertretung begangen wurde, eingetragen war. Damit sind die Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 6 OBG grundsätzlich erfüllt. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, kommt es hierfür allein auf die formelle Haltereigenschaft, nicht den materiellen Halterbegriff an (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 8517 zu Art. 6 Abs. 2, sowie Urteil 6B_432/2017 vom 22. November 2017 E. 2.2 mit Hinweis). Davon geht auch die Lehre aus (YVAN JEANNERET, Via sicura: le nouvel arsenal pénal, Strassenverkehr 2/2013 S. 31 ff., 51 Fn. 202 mit Hinweis; STEFAN MAEDER, Sicherheit durch Gebühren?, Zur neuen Halterhaftung für Ordnungsbussen nach Art. 6 OBG, AJP 2014 5/2014 S. 679 ff., 683 f.; FLORENCE M. ROBERT, Werkstattgespräche - Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Motorfahrzeughalters, Strassenverkehr 2/2014 S. 33 ff., 35 mit Hinweis; WOLFGANG WOHLERS, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeughalters, Strassenverkehr 1/2015 S. 5 ff., 12; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 2 f., 6 und 8 f. zu Art. 6 OBG; wohl gl. M. JÜRG BOLL, Verkehrsstrafrecht nach der Via Sicura, Strassenverkehr 4/2014 S. 5 ff., 13 f.). Es ist daher BGE 144 I 242 (249) BGE 144 I 242 (250) unerheblich, ob die Beschwerdeführerin oder ihr Geschäftsführer materiell Halter des gefahrenen Fahrzeugs waren. Entgegen ihrer Auffassung kommen zudem auch juristische Personen als Halter eines Motorfahrzeuges im Sinne von Art. 6 OBG in Frage (vgl. THOMAS PROBST, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 228 zu Art. 58 SVG mit Hinweisen; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. II, 1988, N. 868; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2002, N. 247; zum Ganzen: Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.4). Das OBG sieht mithin die Möglichkeit der Haltereigenschaft juristischer Personen zweifelsfrei vor. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass die Beschwerdeführerin als juristische Person persönlich kein Fahrzeug führen kann.
 
Erwägung 3.1
 
3.1.2 In diesem Zusammenhang ist der in Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK verankerte Grundsatz der Legalität zu beachten. Dieser ist verletzt, wenn jemand wegen einer Handlung, die im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt wird oder wenn eine Handlung, deretwegen jemand strafrechtlich verfolgt wird, zwar in einem Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz selber aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann, oder schliesslich, wenn das Gericht eine Handlung unter eine Strafnorm subsumiert, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden kann ( BGE 139 I 72 E. 8.2.1; BGE 138 IV 13 E. 4.1; je mit Hinweisen). Der Begriff der Strafe im Sinne von Art. 7 Ziff. 1 EMRK ist autonom auszulegen. Er knüpft an eine strafrechtliche Verurteilung an. Er erfasst alle Verurteilungen, welche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gestützt auf eine gegen eine Person erhobene strafrechtliche Anklage erfolgen. Von Bedeutung sind ihre Qualifikation im internen Recht, das Verfahren, in dem sie verhängt und vollstreckt wird, sowie namentlich ihre Eingriffsschwere. Als Teilgehalt des Legalitätsprinzips verlangt das Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa") eine hinreichend genaue Umschreibung der Straftatbestände. Das Gesetz muss so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann ( BGE 138 IV 13 E. 4.1).
Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus auszulegen, das heisst, nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, BGE 144 I 242 (251) BGE 144 I 242 (252) dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen ( BGE 142 IV 401 E. 3.3, BGE 142 IV 1 E. 2.4.1; BGE 141 III 195 E. 2.4; je mit Hinweisen; Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.3.2 f. mit Hinweisen).
Gemäss Ausführungen in der Botschaft zu Via sicura bezweckte der Bundesrat explizit, auch juristische Personen als Fahrzeughalter für geringfügige Verstösse gegen die Strassenverkehrsordnung in die Pflicht zu nehmen. Dadurch sollte unter anderem die Problematik gemildert werden, dass "viele Unternehmen oft nicht in der Lage oder nicht willens sind, der Polizei jene Person anzugeben, die das Fahrzeug zur fraglichen Zeit benutzte". Der für die Feststellung des tatsächlichen Fahrzeugführers in diesen Fällen erforderliche, im Verhältnis zu den Bussen unverhältnismässige Ermittlungsaufwand der Polizei soll nicht zulasten der Allgemeinheit gehen, sondern die Verantwortung der Fahrzeughalter gestärkt werden. Der Bundesrat war sich der mit der Neuerung einhergehenden Schmälerung der Fahrzeughalterrechte bewusst. Er nahm dies aber im Interesse einer ökonomischen Verwaltungs- und Prozessführung in Kauf, zumal die Einschränkung einen ausgesprochenen Bagatellbereich mit Ordnungsbussen bis maximal Fr. 300.- betrifft und die Auferlegung der Busse keinen Strafregistereintrag oder eine Administrativmassnahme zur Folge hat (Botschaft, a.a.O., S. 8486 f. Ziff. 1.3.2.26).