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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin rügt unter dem Titel "offensi ...
4. Die Beschwerde ist aber auch aus einem anderen Grund gutzuheis ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Migrationsamt des Kantons Zürich und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_1026/2019 vom 16. Juli 2020
 
 
Regeste
 
Art. 12 KRK; Art. 8 EMRK; persönliches Anhörungsrecht des Kindes; umgekehrter Familiennachzug.
 
Die Voraussetzungen für den umgekehrten Familiennachzug (BGE 144 I 91) müssen gerichtlich abgeklärt werden. Namentlich zur Abklärung des bisher persönlich ausgeübten Kontaktes ist die Befragung des Sohnes zweckdienlich. Auch aus diesem Grund Rückweisung zu neuem Entscheid (E. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 147 I 149 (150)A.
A.a A., geb. 1987, libanesische Staatsangehörige, heiratete im September 2005 im Libanon einen ursprünglich von dort stammenden Schweizer Bürger und reiste am 13. November 2006 in die Schweiz ein, wo sie eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann erhielt. Anfang Juli 2007 verliess A. ohne ihren Ehemann die Schweiz und gebar im März 2008 in Libanon den Sohn B., welcher auch die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt. Am 23. Oktober 2008 wurde die Ehe durch ein Schariagericht in Libanon geschieden. Der Sohn blieb im Libanon, wo er von seiner Mutter und deren Eltern betreut wurde.
A.b Am 21. Juni 2013 reiste B. zum Vater in die Schweiz, wo er seither mit diesem, seiner Stiefmutter und seinen beiden Stiefschwestern lebt. Mit Verfügung vom 14. September 2017 stellte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Zürich B. unter die gemeinsame elterliche Sorge und die alleinige Obhut des Vaters. Die Mutter A. wurde für berechtigt erklärt, ihren Sohn jährlich während der Sommerferien für fünf Wochen zu sich oder mit sich in den Libanon zu nehmen oder, wenn sie in der Schweiz zu Besuch ist, so oft wie möglich zu sehen, mindestens an vier Tagen pro Woche. Ergänzend wurde Vormerk genommen, dass die Eltern für den Fall, dass die Mutter in der Schweiz Wohnsitz begründen sollte, eine paritätische alternierende Obhutsregelung getroffen haben.
B. Am 14. Juni 2018 ersuchte A. um eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des umgekehrten Familiennachzugs zum Verbleib bei ihrem Sohn. Mit Verfügung vom 14. September 2018 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch ab. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel wurden unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 25. Juni 2019; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Oktober 2019).
C. Mit Eingabe vom 9. Dezember 2019 erhebt A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei das Verfahren zwecks rechtsgenüglicher Feststellung des Sachverhalts und Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen, eventualiterBGE 147 I 149 (150) BGE 147 I 149 (151)sei das Migrationsamt anzuweisen, ihr im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Sohn auszustellen. Die Vorinstanzen verzichten auf Vernehmlassung.
 
Es drängt sich daher in der vorliegenden besonderen Konstellation auf, gestützt auf Art. 12 KRK den Sohn persönlich anzuhören. Die Vorinstanz wird dies nachzuholen haben.
Die Beschwerdeführerin leitet ihren Anspruch aus Art. 8 EMRK ab, nämlich auf den umgekehrten Familiennachzug zu ihrem in der Schweiz lebenden Sohn mit Schweizer Bürgerrecht. Dieser steht unter der Obhut des Vaters, doch hat die Beschwerdeführerin nebst der gemeinsamen elterlichen Sorge ein Besuchsrecht. Die diesbezügliche Rechtsprechung hat das Bundesgericht vor kurzem in BGE 144 I 91 zusammengefasst. Danach ist es zur Wahrnehmung des Besuchsrechts grundsätzlich nicht erforderlich, dass der ausländische Elternteil über ein dauerndes Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfügt, da das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann, wobei allenfalls die Modalitäten des Besuchsrechts entsprechend auszugestalten sind. Ein weitergehender Anspruch fällt in Betracht, wenn in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zum Kind besteht, diese Beziehung wegen der Distanz zum Heimatland des Ausländers praktisch nicht aufrecht erhalten werden könnte und dessenBGE 147 I 149 (152) BGE 147 I 149 (153)bisheriges Verhalten in der Schweiz zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat, wobei eine Gesamtbeurteilung zu erfolgen hat (BGE 144 I 91 E. 5.1 und 5.2 S. 97 f.). Diese Anforderungen müssen gerichtlich abgeklärt werden. Zu beachten ist zudem, dass bei einem gemeinsamen Sorgerecht die Beziehungen der Eltern zum Kind weitergehen und faktisch die Form einer alternierenden Obhut annehmen können (BGE 143 I 21 E. 5.5 und 6). Vorliegend hat die Vorinstanz zwar in allgemeiner Weise die Voraussetzungen für eine auf Art. 8 EMRK gestützte "Obligation positive" zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung dargestellt; sie hat aber nicht spezifisch die Voraussetzungen im Lichte der dargelegten Rechtsprechung geprüft. Namentlich für die Abklärung des faktisch bisher ausgeübten persönlichen Kontakts zwischen Mutter und Sohn (s. zu diesen Anforderungen BGE 139 I 315 E. 2.5) ist die Befragung des Sohnes, die sich ohnehin schon aufgrund von Art. 12 KRK aufdrängt, zweckdienlich. Auch aus diesem Grund besteht Anlass zur Rückweisung zu neuem Entscheid.BGE 147 I 149 (153)