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Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 3.3
Erwägung 4
Erwägung 4.4
Erwägung 5
Erwägung 5.2
Erwägung 6
Erwägung 6.2
Erwägung 6.3
Erwägung 6.4
Bearbeitung, zuletzt am 08.03.2023, durch: DFR-Server (automatisch)
 
16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt und Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_1024/2021 vom 2. November 2022
 
 
Regeste
 
Art. 13 und 36 BV, Art. 8 EMRK; Übermittlung von Personalakten der Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und von Behandlungsunterlagen der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel an das Basler Staatsarchiv.
 
Dieser beruht im vorliegenden Fall gestützt auf das kantonale Archivgesetz auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (E. 4), liegt mit Blick auf die wesentliche Rolle der Archivierung für das Verständnis der Entwicklung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen bzw. der historischen Aufarbeitung staatlichen Handelns im öffentlichen Interesse (E. 5) und ist mit Blick auf die Schutzmechanismen im kantonalen Archivgesetz (Schutzfristen, Interessenabwägung vor der Einsichtnahme, mögliche Auflagen usw.) auch verhältnismässig (E. 6).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 I 233 (234)A. Die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend: JUGA) führte über A. zwischen 1988 und 1991 eineBGE 148 I 233 (234) BGE 148 I 233 (235)Jugendpersonalakte. Zudem bestand bei der Psychiatrischen Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche (heute: Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel [nachfolgend: UPK]) eine Patientenakte mit Behandlungsunterlagen, psychiatrischen Gutachten und Verlaufsberichten, welche den Zeitraum von 1985 bis Ende Mai 2000 betrafen. Die JUGA bot am 22. August 2008 die Jugendpersonalakte dem Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend: Staatsarchiv) an, welches diese am 11. Dezember 2008 übernahm und am 19. März 2009 im Archivinformationssystem erfasste. Die UPK übermittelten am 3. April 2017 dem Staatsarchiv die Patientenakte, welches diese am 29. September 2017 übernahm und am 20. März 2020 in das Archivierungsinformationssystem einfügte.
B. A. ersuchte am 12. bzw. am 13. November 2018 das Staatsarchiv darum, ihm seine Patientenakte und seine Jugendpersonalakte sowie allfällige Kopien hiervon herauszugeben bzw. die entsprechenden Akten zu sperren. Das Staatsarchiv lehnte dies am 29. März 2019 ab. Der hiergegen gerichtete Rekurs an das Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt blieb am 28. Dezember 2020 ohne Erfolg. (...) Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht (nachfolgend: Appellationsgericht) bestätigte den entsprechenden Entscheid am 11. November 2021. (...)
C. A. beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Appellationsgerichts vom 11. November 2021 aufzuheben; eventuell sei die Sache an dieses zurückzuweisen. Der Kanton Basel-Stadt sei anzuhalten, ihm die "Patientenakte" sowie die "Jugendpersonalakte" persönlich zu übergeben (kein Versand per Post) und alle Daten zu löschen, die durch die Bearbeitung entstanden seien. Allenfalls sei das Staatsarchiv anzuweisen, den Zugang zu seinen Akten "komplett zu sperren", sodass ausser ihm persönlich niemand diese einsehen könne. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Art. 13 BV schützt - wie Art. 8 EMRK - die verschiedenste Aspekte umfassende Privatsphäre mit ihren spezifischen Bedrohungsformen (BGE 133 I 77 E. 3.2 mit Hinweisen); er schützt insbesondere auch vor dem Missbrauch persönlicher Daten (Art. 13 Abs. 2BGE 148 I 233 (235)BGE 148 I 233 (236)BV; BGE 147 I 463 E. 6.4). In diesem Bereich garantiert das verfassungsmässige Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Schutz der "informationellen Integrität"), dass - grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wie sensibel die fraglichen Informationen tatsächlich sind - jede Person gegenüber fremder, staatlicher oder privater Bearbeitung von sie betreffenden Informationen bestimmen können muss, ob und zu welchem Zweck diese Informationen über sie bearbeitet werden dürfen (BGE 147 I 346 E. 5.3.1; BGE 146 I 11 E. 3.1.1; BGE 145 IV 42 E. 4.2; BGE 144 I 126 E. 4.1; BGE 144 II 91 E. 4.4; BGE 142 II 340 E. 4.2; BGE 140 I 2 E. 9.1; BGE 138 II 346 E. 8.2; je mit weiteren Hinweisen).
 
Erwägung 3.3
 
BGE 148 I 233 (237)3.3.2 Dies schliesst die Vereinbarkeit der Weitergabe mit Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK jedoch nicht von vornherein aus (vgl. BGE 147 I 346 E. 5.4; BGE 147 II 408 E. 6.3; HERTIG RANDALL/MARQUIS, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, Martenet/Dubey [Hrsg.], 2021, N. 64 zu Art. 13 BV; GIOVANNI BIAGGINI, BV Kommentar, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2017, N. 15 zu Art. 13 BV; OLIVER DIGGELMANN, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, Waldmann/Belser/Epiney [Hrsg.], 2015, N. 34 zu Art. 13 BV; BREITENMOSER/SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 79 ff. zu Art. 13 BV): Gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK darf in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingegriffen werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zu den dort genannten Zwecken erforderlich ist. Nach Art. 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Eingriffe müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein (Abs. 1). Einschränkungen von Grundrechten haben zudem durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt (Abs. 2) und verhältnismässig zu sein (Abs. 3; BGE 147 I 346 E. 5.4). Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar (Abs. 4). Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, was der Beschwerdeführer bestreitet, ist im Folgenden zu prüfen.
 
Erwägung 4
 
4.2 Das Gebot der Bestimmtheit rechtlicher Normen darf dabei aber nicht absolut verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht daraufBGE 148 I 233 (237) BGE 148 I 233 (238)verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss (BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 310 E. 3.3.1; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 3. Aufl. 2020, Rz. 642 ff.; GONIN/BIGLER, in: Convention européenne des droits de l'homme [CEDH], Gonin/Bigler [Hrsg.],2018, N. 142 ff. zu Art. 8 EMRK; MEYER-LADEWIG/NETTESHEIM, in: EMRK, Handkommentar, Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 105 zu Art. 8 EMRK). Der Grad der im Rahmen von Art. 36 BV bzw. dem Legalitätsprinzip erforderlichen Bestimmtheit der Rechtsgrundlage lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 253 E. 6.1; BGE 141 I 201 E. 4.1; BGE 139 I 280 E. 5.1). Beim Sammeln und Speichern von Daten muss die gesetzliche Grundlage so gefasst sein, dass es jeder Person möglich ist - erforderlichenfalls bei einer entsprechenden Rechtsberatung -, die möglichen Auswirkungen ihres Verhaltens auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzuschätzen (vgl. Urteile des EGMR L.H. gegen Lettland vom 29. April 2014 [Nr. 52019/07] § 47 und Rotaru gegen Rumänien vom 4. Mai 2000 [Nr. 28341/95], Recueil CourEDH 2000-V S. 61 § 55; VILLIGER, a.a.O., Rz. 644 f.; GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Aufl. 2021, § 22 Rz. 40; MEYER-LADEWIG/NETTESHEIM, a.a.O., N. 34 zu Art. 8 EMRK). Die gesetzliche Grundlage muss einen angemessenen Rechtsschutz gegen Willkür bieten (GRABENWARTER/PABEL, a.a.O., § 22 Rz. 40; EGMR-Urteil L.H., § 47).
 
Erwägung 4.4
 
4.4.2 Es ist verfassungsrechtlich nicht verboten, für zeitlich offene Dauersachverhalte in Zukunft andere Rechtsfolgen vorzusehen, sofern dem nicht wohlerworbene Rechte bzw. der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegenstehen (Art. 9 BV; BGE 144 I 81 E. 4.1 S. 86; BGE 138 I 189 E. 3.4; vgl. auch WIEDERKEHR/RICHLI, a.a.O., Rz. 867). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und allenfalls inwiefern dies hier der Fall wäre (vgl. nicht publ. E. 1.2). Die umstrittenen Akten bestanden fort und ihr Schicksal richtete sich ab dem Inkrafttreten des Archivgesetzes nach dessen Bestimmungen. Im Übrigen bestand aufgrund der früheren Rechtsgrundlagen (§ 18 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 18. März 1992 über den Schutz von Personendaten [Datenschutzgesetz] bis zum Inkrafttreten des Archivierungsgesetzes; Ratschlag und Entwurf zu einem Gesetz über das Archivwesen [Archivgesetz] vom 9. Juli 1996, nachfolgend: Ratschlag und Entwurf, STA DS BS 9 8687, S. 4 ff., Ziff. 1.2.5 S. 6) bereits eine analoge Pflicht, Dokumente dem Staatsarchiv anbieten zu müssen, womit bereits vor Inkrafttreten des Archivgesetzes davon auszugehen war, dass auch persönlichkeitsbezogene Daten archiviert werden könnten. Die therapeutische Begleitung des Beschwerdeführers blieb im Übrigen über das Inkrafttreten des Archivgesetzes hinaus erhalten; ein letzter telefonischer Kontakt fand gemäss den medizinischen Unterlagen im Februar 2000 und damit unter dem neuen Recht statt, das somit anwendbar ist.BGE 148 I 233 (239)
BGE 148 I 233 (240)4.5 Das Archivgesetz genügt auch hinsichtlich der Zugänglichkeit und Vorhersehbarkeit den Erfordernissen an die gesetzliche Grundlage für den mit der Archivierung der Jugendpersonalakte bzw. der Patientenakte verbundenen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers.
4.5.3 Das Staatsarchiv entscheidet über deren Archivwürdigkeit (§ 5 Abs. 1 lit. a Archivgesetz) unter Vorbehalt des Rechtsmittelwegs (§ 19 Archivgesetz; Ratschlag und Entwurf, a.a.O., zu § 20 des Entwurfs, S. 39). Archivwürdig sind Unterlagen, welche voraussichtlich von bleibendem Wert sind für (a) die Dokumentierung der Tätigkeit der öffentlichen Organe, für (b) Zwecke der Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung, für (c) die Sicherung berechtigter Interessen betroffener Personen oder Dritter, für (d) WissenschaftBGE 148 I 233 (240) BGE 148 I 233 (241)und Forschung und für (e) das Verständnis der Gegenwart und der Geschichte (§ 3 Abs. 4 Archivgesetz). Das Staatsarchiv bewahrt kulturelles Erbe, hilft Rechte zu sichern und dient der Verwaltung. Es gewährleistet für die öffentlichen Organe des Kantons und der Gemeinden sowie für die Öffentlichkeit, insbesondere für die Forschung und Bildung, eine dauerhafte dokumentarische Überlieferung (§ 1 Archivgesetz).
BGE 148 I 233 (241)
 
BGE 148 I 233 (242)Erwägung 5
 
 
Erwägung 5.2
 
    "Die öffentlichen Archive erfüllen ein wesentliches Anliegen jedes demokratischen Rechtsstaates, indem sie staatliches Handeln dokumentieren und so für alle Bürgerinnen und Bürger überprüfbar machen. Sie sind das kollektive Gedächtnis unseres Staates und belegen die Entstehung und Entwicklung unserer individuellen und kollektiven Freiheiten und Rechte. Archive bilden die Infrastruktur, welche es Bürgerinnen und Bürgern, Forscherinnen und Forschern ermöglicht, Einsicht in vergangeneBGE 148 I 233 (242) BGE 148 I 233 (243)staatliche und gesellschaftliche Vorgänge zu gewinnen, Geschichte zu schreiben. Einsicht in die Entstehung der Gegenwart schafft eine wichtige Voraussetzung für demokratisch-politisches Handeln. Überlieferungsbildung und Sicherung des möglichst offenen Zugangs zur Information sind zentrale Aufgaben der Archive".
BGE 148 I 233 (244)5.2.5 Potentiell kann die im öffentlichen Interesse liegende Archivierung allen in Art. 8 Ziff. 2 EMRK genannten öffentlichen Zwecken dienen; welcher Zweck konkret jeweils im Vordergrund steht, ergibt sich erst aus dem künftigen Gebrauch der Daten und ist heute noch nicht definitiv absehbar (vgl. z.B. "Fichenaffäre", Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg, Problematik der "Kinder der Landstrasse" oder der "Verdingkinder", Umgang mit jüdischen Vermögenswerten usw.; s. auch COUTAZ/JEANMONOD, La place de la donnée personnelle dans les archives historiques, Essai d'interprétation à travers les archives de santé aux Archives cantonales vaudoises, 2017, S. 9 ff.).
 
Erwägung 6
 
6.1 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Archivierung seiner Jugendpersonalakte bzw. seiner Patientenakte sei unverhältnismässig. Sein Individualinteresse am Schutz seiner Privatsphäre sei höher zu gewichten als ein noch gar nicht vorhandenes "mögliches zukünftiges öffentliches Interesse". Das Staatsarchiv sei gar nicht in der Lage seine Gesundheitsdaten zu schützen. In seinemBGE 148 I 233 (244) BGE 148 I 233 (245)konkreten Fall stehe mit dem "Schutz von hochsensiblen Daten aus den Akten des Psychiaters" ein ausserordentlich grosses Individualinteresse einem besonders geringen öffentlichen Interesse gegenüber. Selbst wenn man davon ausgehe, dass an der Aufbewahrung der Jugendpersonalakte in der Vergangenheit ein öffentliches Interesse bestanden habe, habe dieses inzwischen nach über 30 Jahren deutlich abgenommen, zumal die Jugendpersonalakte "grösstenteils nur noch aus einem ärztlichen Bericht" bestehe, bei dem sein Individualinteresse besonders hoch zu gewichten sei. Die Vorinstanz habe die im Einzelfall vorzunehmende konkrete Güterabwägung ungenügend bzw. falsch vorgenommen.
 
Erwägung 6.2
 
 
Erwägung 6.3
 
6.3.2 Hinzu kommt die Schutzfristenregelung (vgl. hierzu: RUDIN, a.a.O., S. 247 ff., Rz. 54 ff.; Ratschlag und Entwurf, a.a.O., S. 29 ff.): Das Archivgut kann in der Regel erst nach einer Schutzfrist von 30 Jahren benützt werden (§ 10 Abs. 1 Archivgesetz). Abzustellen ist dabei jeweils auf das Jahr, in welchem die Unterlagen durch Vervollständigung oder den letzten organischen Zuwachs abgeschlossen wurden (§ 10 Abs. 3 Archivgesetz). Unterlagen, die sich - wie dieBGE 148 I 233 (246) BGE 148 I 233 (247)hier umstrittenen - ihrer Zweckbestimmung oder ihrem wesentlichen Inhalt nach auf natürliche Personen beziehen, dürfen zudem erst 10 Jahre nach deren Tod benützt werden. Ist das Todesdatum nicht bekannt oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand zu eruieren, endet die Schutzfrist 100 Jahre nach der Geburt. Sind weder Todes- noch Geburtsdatum festzustellen, endet die Schutzfrist 80 Jahre nach Abschluss der Unterlagen (§ 10 Abs. 2 Archivgesetz). Die entsprechenden Schutzfristen können um höchstens 20 Jahre verlängert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass eine kürzere Schutzfrist überwiegende schutzwürdige Interessen einer betroffenen Person oder Dritter beeinträchtigen würde (§ 10 Abs. 4 Archivgesetz).
BGE 148 I 233 (248)6.3.5 Das Archivgesetz sieht als Rechte der betroffenen Person vor, dass ihr auf Antrag Auskunft über ihre personenbezogenen Daten gegeben wird, soweit das Archivgut durch Personennamen erschlossen ist oder Angaben gemacht werden, die das Auffinden der Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen (§ 13 Abs. 1 Archivgesetz). Anstelle von Auskunft kann Einsicht in das Archivgut gewährt werden (§ 13 Abs. 2 Archivgesetz). Diese Rechte stehen unter dem Vorbehalt zwingender öffentlicher Interessen und überwiegender schutzwürdiger Interessen Dritter (§ 13 Abs. 3 Archivgesetz). Es besteht zudem ein Gegendarstellungsrecht (§ 14 Archivgesetz). Schliesslich unterliegen die Verfügungen des Staatsarchivs dem Beschwerderecht nach den allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsrechtspflege (§ 19 Archivgesetz).
 
Erwägung 6.4
 
6.4.2 Die entsprechende Auffassung ist nachvollziehbar, überzeugt indessen im Hinblick auf Sinn und Zweck der Archivierung von personenbezogenen Daten nicht: Es ist dabei zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Archivierung nicht mit Sicherheit absehbar ist, ob, wann und unter welchen Vorgaben die personenbezogenen Daten künftig überhaupt je gebraucht werden. Die Interessenabwägung zwischen dem Datenschutz und der mit der Archivierung bezweckten Möglichkeit der kollektiven Auseinandersetzung mit Vergangenem erfolgt im Wesentlichen erst im Rahmen der Zugangsverfügung des Staatsarchivs oder nach Ablauf der (absolutenBGE 148 I 233 (248) BGE 148 I 233 (249)oder relativen) Schutzfristen. Würde dem Einzelnen bereits im Zeitpunkt der Archivierung ein Recht auf Herausgabe bzw. Vernichtung seiner personenbezogenen (etwa medizinischen) Unterlagen zugestanden, wie der Beschwerdeführer dies postuliert, wäre das Archivgut nicht mehr vollständig und wegen des Gleichheitsgrundsatzes eine umfassende und einheitliche Erfassung von archivierungswürdigem Material bei personenbezogenen Daten praktisch kaum mehr möglich.