18. Auszug aus dem Urteil der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Stadt Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
8C_740/2021 vom 19. Januar 2023 | |
Regeste | |
Art. 49 BV; Art. 65 Abs. 3 Satz 1 KVG; Prämienverbilligung durch die Kantone; Berücksichtigung der aktuellsten Einkommensverhältnisse.
| |
Sachverhalt | |
A.a Am 1. April 2020 traten im Kanton Zürich das totalrevidierte Einführungsgesetz vom 29. April 2019 zum Krankenversicherungsgesetz (EG KVG; LS 832.01) und die Verordnung vom 25. März 2020 zum EG KVG (VEG KVG; LS 832.1) in Kraft.
| |
A.b Am 14. Februar 2021 beantragte der 1989 geborene A. bei den Gesundheitsdiensten der Stadt Zürich (nachfolgend: Gesundheitsdienste oder Beschwerdegegnerin) Prämienverbilligungen für das Jahr 2020. Mit Schreiben vom 11. März 2021 verwiesen die Gesundheitsdienste auf ihre E-Mail vom 16. Februar 2021, in welcher sie vermerkt hatten, dass die revidierten Bestimmungen des EG KVG und der VEG KVG erstmals auf das Prämienverbilligungsjahr 2021 anwendbar seien und A. gemäss den massgebenden altrechtlichen Bestimmungen keinen Anspruch auf Prämienverbilligungen für das Jahr 2020 habe. Daran hielten sie mit Verfügung vom 31. März 2021 und Einspracheentscheid vom 7. Juni 2021 fest.
| |
B. Die dagegen erhobene Beschwerde des A. wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 28. September 2021).
| |
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 31. März 2021 seien sein Antrag auf Prämienverbilligung für das Jahr 2020 gutzuheissen und die ihm zustehende Prämienverbilligung vollumfänglich auszuzahlen. Eventualiter sei die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz, subeventualiter an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Weiter lässt A. beantragen, es sei vorfrageweise im Sinne ![]() ![]() | |
Während die Gesundheitsdienste auf eine Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichten die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
| |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
| |
Erwägung 3 | |
3.2.1 Gemäss § 9 Abs. 1 der bis am 31. März 2020 gültigen Fassung des EG KVG (nachfolgend: aEG KVG) beurteilte sich der Anspruch auf Prämienverbilligung nach den persönlichen Verhältnissen am 1. April des dem Auszahlungsjahr vorangehenden Jahres (Stichtag) und den am Stichtag bekannten wirtschaftlichen Verhältnissen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmten sich nach dem steuerbaren Gesamteinkommen und steuerbaren Gesamtvermögen gemäss der am Stichtag im Kanton vorliegenden jüngsten Steuereinschätzung (§ 9 Abs. 2 aEG KVG). Wichen die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person von dem gemäss § 9 Abs. 1 und 2 aEG KVG ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
4.1 Im Einspracheentscheid vom 7. Juni 2021 hielten die Gesundheitsdienste fest, gemäss den auf das Prämienverbilligungsjahr 2020 anwendbaren altrechtlichen Bestimmungen sei der Stichtag betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers der 1. April 2019. Zu diesem Zeitpunkt sei die jüngste im Kanton ![]() ![]() | |
Im Weiteren erkannte die Vorinstanz, dass der Übergang von den alten zu den neuen Bestimmungen des totalrevidierten EG KVG und der VEG KVG in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Jahres 2020 zu einer Bemessungslücke führe: Zwar würden die Verhältnisse dieses Jahres gemäss § 6 Abs. 1 VEG KVG grundsätzlich zur provisorischen Bestimmung der Prämienverbilligung für eines der nachfolgenden Anspruchsjahre herbeigezogen. Es treffe jedoch zu, dass bei der definitiven Bestimmung der Prämienverbilligung für kein Anspruchsjahr darauf abgestellt werde. Unter Hinweis auf das Urteil 9C_154/2008 vom 18. August 2008 sowie auf das Urteil des damaligen Eidg. Versicherungsgerichts H 319/01 ![]() ![]() | |
Erwägung 5 | |
5.2 Der Beschwerdeführer verlangt eine konkrete Normenkontrolle, d.h. die vorfrageweise Überprüfung des kantonalen Rechts auf seine Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht (vgl. BGE 146 III 377 E. 3.3; BGE 145 V 380 E. 1.2.2). Im Wesentlichen macht er geltend, die Nichtberücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Jahres 2020 für die Bemessung der Prämienverbilligung 2020 verstosse gegen Bundesrecht und damit gegen Art. 49 Abs. 1 BV. Gemäss Art. 65 Abs. 3 Satz 1 KVG hätten die Kantone dafür zu sorgen, dass bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Prämienverbilligung insbesondere auf Antrag der versicherten Person die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt würden. Erforderlich sei demgemäss, dass die Vollzugsorgane jedenfalls dann auf die persönlichen und finanziellen Umstände des betreffenden Prämienverbilligungsjahres abstellten, wenn dies von der berechtigten Person verlangt werde. Das Überspringen der Einkommensverhältnisse des Jahres 2020, so der Beschwerdeführer weiter, widerspreche dieser Zielsetzung. Im Rahmen einer ![]() ![]() | |
Erwägung 5.3 | |
![]() | |
![]() | |
5.5 Vorliegend beantragte der Beschwerdeführer am 14. Februar 2021 rückwirkend für das Jahr 2020 Prämienverbilligungen, wobei er geltend machte, in Letzterem neu ein steuerbares Einkommen von deutlich unter Fr. 5'000.- erzielt zu haben. Soweit er mit seiner Beschwerde als bundesrechtswidrig beanstandet, dass diese Einkommenseinbusse bei der Beurteilung seines Anspruchs auf Prämienverbilligungen für das Jahr 2020 nicht berücksichtigt wurde, dringt er durch. Im Zeitpunkt des Antrags im Februar 2021 hätten seine tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des bereits abgeschlossenen Jahres 2020 anhand aktueller Ausweise über seine ![]() ![]() | |
Dass das Bundesgericht bzw. das damalige Eidg. Versicherungsgericht in den von der Vorinstanz zitierten Urteilen die Gesetzes- und Verfassungskonformität einer Bemessungslücke bejahten, welche sich infolge der Änderung der zeitlichen Bemessungsgrundlagen für die Beiträge der Selbstständigerwerbenden an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ergab (Urteile 9C_154/2008 vom 18. August 2008 E. 3.3; H 319/01 vom 28. Januar 2003 E. 5.2), vermag daran nichts zu ändern. Aus den genannten Urteilen lässt sich ![]() ![]() | |
5.7 Die Bundesrechtswidrigkeit kantonaler Normen hat deren Nichtanwendbarkeit im Einzelfall zur Folge (BGE 138 I 356 E. 5.4.6; BGE 135 V 134 E. 4.5; BGE 129 I 346 E. 3.1). Im hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass die Gesundheitsdienste den Anspruch des Beschwerdeführers auf Prämienverbilligungen für das Jahr 2020 nicht mit dem Verweis auf § 62 Abs. 2 VEG KVG i.V.m. § 16 Abs. 2 aVEG KVG bzw. die Steuereinschätzungen der Jahre 2017 und 2019 hätten verneinen dürfen. Das Bundesgericht kann reformatorisch oder kassatorisch entscheiden. Es entscheidet eher reformatorisch, wenn dies im Einzelfall aufgrund der konkreten Sach- und Rechtslage möglich ist (Art. 107 Abs. 2 BGG). Zu den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers im Jahr 2020 bzw. dem daraus (allenfalls) resultierenden Anspruch auf Prämienverbilligungen haben sich bis anhin indes weder die Beschwerdegegnerin noch die Vorinstanz geäussert. Mithin ist ein reformatorischer Entscheid nicht möglich. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie die relevanten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers im Jahr 2020 nach Massgabe der bundesrechtlichen Vorgaben abkläre und anschliessend über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Prämienverbilligungen neu entscheide. ![]() |