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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 5
Erwägung 6
Erwägung 7
Bearbeitung, zuletzt am 23.11.2023, durch: DFR-Server (automatisch)
 
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Demokratische JuristInnen der Schweiz (DJS) Regionalgruppe Basel und Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_537/2021 vom 13. März 2023
 
 
Regeste
 
Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2, Art. 16, 27 und 36 BV; Art. 8, 10 und 14 EMRK; Grund- und Menschenrechtskonformität eines partiellen Bettelverbots; abstrakte Normenkontrolle.
 
Das Verbot organisierten Bettelns ist verfassungs- und menschenrechtskonform auszulegen. Das Verbot von passivem Betteln in Parks ist aufzuheben. Passives Betteln mit einer Busse zu bestrafen, die bei Nichtleistung in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird, ist nur zulässig, wenn vorweg angemessene Administrativmassnahmen ergriffen worden sind, um die Sanktionsfolge abzumildern. Im Übrigen ist die erlassene Regelung eines partiellen Bettelverbots mit Blick auf die persönliche Freiheit bzw. den Schutz des Privatlebens nicht zu beanstanden (E. 5).
 
Das Bettelverbot verstösst nicht gegen Freizügigkeitsrecht (E. 6).
 
Das partielle Bettelverbot bewirkt als Gesetzesbestimmung keine indirekte Diskriminierung; bei der Umsetzung des Verbots ist jedoch den Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Rechtsanwendung gebührend Rechnung zu tragen (E. 7).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 I 248 (250)A. Im Rahmen der Totalrevision des Übertretungsstrafgesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 13. Februar 2019 (ÜStG; SG 253.100) hob der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt das zuvor geltende umfassende Bettelverbot auf und ersetzte es durch die Regelung, dass nur noch bestraft wird, wer "andere Personen zum Betteln schickt" oder "als Mitglied einer Bande bettelt". Begründet wurde die Änderung im Wesentlichen damit, es sei sozialpolitisch umstritten, Betteln zu kriminalisieren; mit der Neuregelung könnten jedoch weiterhin vom Ausland her operierende kriminelle Banden verfolgt werden. In der Folge kam es zu einer Zunahme der Bettelei im Kanton Basel-Stadt, was zu einer entsprechenden öffentlichen und politischen Debatte führte. Beanstandet wurden dabei insbesondere eine hohe Dichte bettelnder Personen an neuralgischen Orten wie Ein- und Ausgängen von Geschäften und öffentlichen Anlagen, aufdringliches Verhalten und Begleiterscheinungen wie das Hinterlassen von Abfällen und der Verrichtung der Notdurft im öffentlichen Raum. Knapp drei Monate nach Inkrafttreten des revidierten Bettelverbots überwies der Grosse Rat eine Motion an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt zur Prüfung der Wiedereinführung des Bettelverbots. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 beauftragte der Grosse Rat den Regierungsrat, innert sechs Monaten eine entsprechende Änderung des Übertretungsstrafgesetzes vorzulegen.
Am 19. Januar 2021 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil Nr. 14065/15 Lacatus gegen Schweiz. Er erkannte darin einen Verstoss gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK, dass im Kanton Genf eine Bettlerin wegen der Missachtung des Bettelverbots mit einer Busse von Fr. 500.- bestraft worden war, die wegen Uneinbringlichkeit in eine Freiheitsstrafe von fünf Tagen umgewandelt worden war. Im Wesentlichen hielt der Gerichtshof fest, es gebe mildere Massnahmen als ein umfassendes Bettelverbot, das aufgrund der prekären finanziellen Verhältnisse der Bettelnden im Ergebnis zu einer Freiheitsstrafe führe. Im Anschluss daran schlug der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat vor, auf die Wiedereinführung eines umfassenden Bettelverbots zu Gunsten eines partiellen zu verzichten. Gestützt darauf erliess der Grosse Rat am 23. Juni 2021 die nachfolgende Neufassung von § 9 ÜStG, die am 1. September 2021 in Kraft trat:BGE 149 I 248 (250)
    BGE 149 I 248 (251)"§ 9 Betteln
    1 Mit Busse wird bestraft, wer:
    a) in organisierter Art und Weise bettelt;
    b) andere Personen zum Betteln schickt;
    c) beim Betteln täuschende oder unlautere Methoden anwendet.
    2 Mit Busse wird bestraft, wer im öffentlichen Raum oder an allgemein zugänglichen Orten bettelt und dabei die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung stört, namentlich wer:
    a) in aufdringlicher oder aggressiver Art und Weise bettelt;
    b) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Bahnhöfen sowie innerhalb von fünf Metern um Haltestellen des öffentlichen Verkehrs und Schiffsanlegestellen bettelt;
    c) innerhalb von fünf Metern um Geld-, Zahlungs- und Fahrkartenautomaten oder Parkuhren bettelt;
    d) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Ladengeschäften, Banken, Poststellen, Museen, Theatern, Kinos, Wohn- und Bürogebäuden oder öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen bettelt;
    e) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Hotels, Restaurants sowie auf oder innerhalb von fünf Metern um deren Boulevardbereich bettelt;
    f) auf Märkten sowie innerhalb von fünf Metern um Verkaufsstände oder Buvetten bettelt;
    g) in öffentlichen Parks, Gärten, Friedhöfen, Spielplätzen, Schulanlagen, Unterführungen sowie innerhalb von fünf Metern um deren Ein- und Ausgänge bettelt.
    3 Die durch strafbares Betteln nach Abs. 1 erlangten Vermögenswerte können sichergestellt und eingezogen werden."
B. Gegen diesen Beschluss des Grossen Rates führen die Demokratischen JuristInnen der Schweiz (DJS) Regionalgruppe Basel, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, A. sowie B. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht im Sinne der Erlassbeschwerde (abstrakte Normenkontrolle). Sie beantragen die Aufhebung von § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG (betreffend Betteln in organisierter Art und Weise), von § 9 Abs. 2 lit. b-g ÜStG unter entsprechendem Einschluss des Einleitungssatzes (betreffend verschiedene Modalitäten des Bettelns ohne des Verbots des Bettelns in aufdringlicher oder aggressiver Art und Weise) sowie von § 9 Abs. 3 ÜStG (betreffend Sicherstellung und Einziehung der Vermögenswerte). Gerügt wird ein Verstoss gegen die Bundesverfassung, die Europäische MenschenrechtskonventionBGE 149 I 248 (251) BGE 149 I 248 (252)und das Freizügigkeitsabkommen sowie gegen weitere völkerrechtliche Bestimmungen, insbesondere eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK, der Meinungsfreiheit nach Art. 16 BV und Art. 10 EMRK, der Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV sowie des Diskriminierungsverbots gemäss Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, handelnd für den Grossen Rat und vertreten durch das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
In Replik und Duplik halten die Beschwerdeführenden einerseits und der Regierungsrat andererseits im Wesentlichen an ihren jeweiligen Standpunkten fest.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
 
 
Erwägung 3
 
3.3 Steht die Vereinbarkeit eines kantonalen Erlasses mit übergeordnetem Recht in Frage, so ist im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen übergeordneten Normen vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder Auslegung entzieht, die mit dem übergeordneten Recht vereinbar ist, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Es ist grundsätzlich vom Wortlaut der Gesetzesbestimmung auszugehen und deren Sinn nach den anerkannten Auslegungsmethoden zu bestimmen. Eine mit übergeordnetem Recht konforme Auslegung ist namentlich zulässig, wenn der Normtext lückenhaft, zweideutig oder unklar ist. Der klare und eindeutige Wortsinn darf indes nicht durch eine mit übergeordnetem Recht konforme Interpretation beiseite geschoben werden. Für die Beurteilung, ob eine kantonale Norm aufgrund materieller Prüfung aufzuheben oder mit übergeordnetem Recht konform auszulegen sei, ist im Einzelnen auf die Tragweite des Grundrechtseingriffs, die Möglichkeit eines hinreichenden Schutzes bei einer späteren Normenkontrolle, die konkreten Umstände der Anwendung und die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit abzustellen. Der blosse Umstand, dass die angefochtene Norm in einzelnen Fällen gegen übergeordnetes Recht verstossen könnte, führt für sich allein noch nicht zu deren Aufhebung (Urteil 1C_39/2021 vom 29. November 2022 E. 2.1, nicht publ. in BGE 149 I 218; BGE 147 I 308 E. 3; BGE 144 I 306 E. 2; BGE 143 I 1 E. 2.3, BGE 143 I 426 E. 2; je mit Hinweisen).
 
Erwägung 4
 
BGE 149 I 248 (254)4.2 Die Beschwerdeführenden berufen sich verschiedentlich auf andere Rechtsnormen als die angefochtene Bestimmung von § 9 ÜStG und die entsprechenden Verwaltungspraxen, welche die Lebensverhältnisse von Bettelnden im Kanton Basel-Stadt zusätzlich erschweren würden. So wird beispielsweise eine strikte Wegweisungspraxis in Anwendung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) oder ein Ungenügen der sozial- bzw. nothilferechtlichen Unterstützungsleistungen im Kanton geltend gemacht. Dass in der Regel bei Bettelnden von einer prekären Lebenssituation auszugehen ist, steht ausser Frage. Zu prüfen sind jedoch im vorliegenden Fall weder die ausländerrechtliche Wegweisungspraxis noch die Umsetzung von Art. 12 BV im Kanton noch sonstige Rechtsregeln oder -handlungen ausserhalb des Anwendungsbereichs von § 9 ÜStG, sondern einzig die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem angerufenen Bundesrecht. Das gilt auch für die geäusserte Kritik am Strafbefehlsverfahren, bei dem als bekannt vorausgesetzt werden kann, dass es in Fachkreisen zu Diskussionen Anlass gibt, was aber weder mit § 9 ÜStG unmittelbar zusammenhängt noch dafür besonders kennzeichnend ist. Für solche, nicht unmittelbar § 9 ÜStG in Frage stellende, sondern auf anderen Rechtsregeln beruhende Rügen sind die Beschwerdeführenden auf die entsprechenden Verfahren zu verweisen.
4.3 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts und in Übereinstimmung mit dem juristischen Schrifttum stellt Bettelei eine elementare Freiheit der Lebensgestaltung dar und fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV bzw. des Rechts auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK. Das Verbot der Bettelei bewirkt einen Eingriff in dieses Grund- bzw. Menschenrecht (BGE 134 I 214 E. 5.3; Urteile des Bundesgerichts 1C_443/2017 vom 29. August 2018 E. 4.2; 6B_530/2014 vom 10. September 2014 E. 1.1; 6B_368/2012 vom 17. August 2012 E. 4; Urteil Lacatus, § 50 ff. und 91 f.; RAPHAELA CUENI, EGMR Lacatus gegen die Schweiz 19. Januar 2021, Jusletter 19. Januar 2021 Rz. 9 ff.; HERTIG RANDALL/LE FORT, L'interdiction de la mendicité revisitée, Plädoyer 2012 4 S. 35 f.; HERTIG RANDALL/MARQUIS, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, 2021, N. 71 zu Art. 10 BV; MARIA LUDWICZAK GLASSEY, L'influence de la CEDH sur le droit suisse: éléments de droit pénal spécial et de droit de la coopération internationale en matière pénale, ZSR 141/2022 II S. 93 ff.; DANIEL MÖCKLI,BGE 149 I 248 (254) BGE 149 I 248 (255)Bettelverbote: Einige rechtsvergleichende Überlegungen zur Grundrechtskonformität, ZBl 111/2010 S. 548 ff.; AXEL TSCHENTSCHER, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 244 zu Art. 10 BV), was unabhängig davon gilt, ob es sich um ein umfassendes oder nur partielles Verbot handelt. Berührt wird dabei auch die Menschenwürde (vgl. das erwähnte Urteil Lacatus, § 107), d.h. für die Schweiz Art. 7 BV.
4.4 Die Beschwerdeführenden berufen sich zusätzlich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 16 BV und Art. 10 EMRK. Das Bundesgericht lehnte es bisher ab, ein Bettelverbot als Eingriff in die Meinungsfreiheit zu beurteilen (Urteile 1C_443/2017 vom 29. August 2018 E. 6 und 6B_530/2014 vom 10. September 2014 E. 2). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte liess die Frage im bereits erwähnten Urteil Lacatus gegen Schweiz offen (§ 118 ff.); in ihrer Minderheitsmeinung (im Sinne einer concurring opinion) äusserte sich die Schweizer Richterin HELEN KELLER, unter anderem unter ausdrücklichem Verweis auf ein Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2012 (VfGH G 155/10-9) sowie ein Urteil des High Court von Irland vom 4. Dezember 2007 (Dillon v. Director of Public Prosecutions [2008], 11R 383), in dem Sinne, dass der Gerichtshof zusätzlich ausdrücklich einen Eingriff in denSchutzbereich der Meinungsfreiheit hätte anerkennen sollen (§ 3 ff. der Minderheitsmeinung; siehe auch § 27 des Urteils des EGMR). In zwei weiteren Minderheitsvoten wird ebenfalls die Auffassung vertreten, der Gerichtshof hätte auf die Frage der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK zumindest eingehen sollen (Voten Lemmens, § 2 und Ravarani, § 15 ff.). In der schweizerischen wissenschaftlichen Literatur wird dies wenigstens vom Bundesgericht gefordert (CUENI, a.a.O., Rz. 31 ff.; HERTIG RANDALL/LE FORT, a.a.O., S. 36; MÖCKLI, a.a.O., S. 550 ff.). Die Beschwerdeführenden legen jedoch nicht ausreichend dar, inwiefern ihnen die Anerkennung eines Eingriffs in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit eine bessere Rechtsstellung verschaffen würde, deren Schutzwirkung über diejenige der persönlichen Freiheit hinausreichte. Allfällige kommunikative Elemente des Bettelns könnten auch bei der Beurteilung von Eingriffen in die persönliche Freiheit berücksichtigt werden (vgl. MAYA HERTIG, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 11 zu Art. 16 BV). Auf die Rechtsprechung zum Verhältnis eines Bettelverbots zur Meinungsfreiheit ist daher im vorliegenden Fall nicht zurückzukommen.BGE 149 I 248 (255)
BGE 149 I 248 (256)4.5 Analoges gilt für die von den Beschwerdeführenden ebenfalls angerufene Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV.
4.5.2 Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich insoweit eine besondere Schutzwirkung mit Blick auf eine eventuelle wirtschaftliche Nutzung des öffentlichen Bodens und auf die Einschränkung des zulässigen öffentlichen Interesses gemäss Art. 94 BV auf Eingriffe in dieses Grundrecht, die mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit vereinbar sind, ergeben könnte. Allerdings wird in der Literatur teilweise auch darauf verwiesen, dass im Gegenteil ideelle Nutzungen des öffentlichen Grundes in der Praxis oft grosszügiger behandelt werden als ökonomische (vgl. UHLMANN, a.a.O., N. 79 zu Art. 27 BV; vgl. auch ein analoges Zitat von HANS GEORG SEILER, in: Plädoyer 2022 6 S. 12). Im Übrigen wäre in Betracht zu ziehen, dass sich, im Unterschied zu Schweizerinnen und Schweizern, nicht alle ausländischen Personen auf die Wirtschaftsfreiheit berufen können, sondern nur solche, denen ein Anspruch auf Erwerbstätigkeit bzw. eine Anwesenheitsbewilligung mit Arbeitsberechtigung zusteht oder dieBGE 149 I 248 (256) BGE 149 I 248 (257)bereits über eine Erwerbsbewilligung verfügen (vgl. insb. BGE 123 I 214 E. 2; UHLMANN, a.a.O., N. 29 zu Art. 27 BV; MARCO WEISS, § 27 Ausländische Personen als selbstständig Erwerbende, in: Ausländerrecht, Eine umfassende Darstellung der Rechtsstellung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz, Handbücher für die Anwaltspraxis [nachfolgend: Ausländerrecht], Uebersax und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2022, Rz. 27.11). Wird in diesem Sinne ein freizügigkeitsrechtlicher Anspruch auf Anwesenheit zwecks Bettelns verneint (siehe hinten E. 6), entfällt beispielsweise für den Beschwerdeführer 4 die Möglichkeit, sich auf die Wirtschaftsfreiheit zu berufen. Anders verhält es sich immerhin für Schweizerinnen und Schweizer und allenfalls für auf sonstiger Grundlage, z.B. aufgrund von Bestimmungen über den Familiennachzug (so etwa Art. 42 ff. i.V.m. Art. 46 AIG), anwesenheits- und erwerbsberechtigte ausländische Personen.
4.6.1 Erforderlich ist zunächst eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Diese muss sich hier in einem Gesetz im formellen Sinne befinden, da das angefochtene Bettelverbot, auch wenn es bloss partiell ist, einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit bewirkt (Art. 36 Abs. 1 BV). Mit dem Erlass von § 9 ÜStG wird diese Voraussetzung grundsätzlich erfüllt. Zu beachten ist aber auch das strafrechtliche Legalitätsprinzip nach Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK, das ebenfalls für das kantonale Übertretungsstrafrecht gilt (BGE 138 IV 13 E. 4.1 mit Hinweisen). Daraus wird unter anderem das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) abgeleitet. Danach muss eineBGE 149 I 248 (257) BGE 149 I 248 (258)Strafnorm hinreichend bestimmt sein. Welche Anforderungen daran zu stellen sind, hängt unter anderem von der Komplexität der Regelungsmaterie und der angedrohten Strafe ab. Das Gesetz muss so präzise formuliert sein, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können. Das Bestimmtheitsgebot darf jedoch nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden müssen. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressatinnen und -adressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 144 I 126 E. 6.1; BGE 143 I 253 E. 6.1, BGE 143 I 310 E. 3.3.1; je mit Hinweisen).
4.6.2 Das strittige Bettelverbot muss sich sodann durch ein ausreichendes öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter rechtfertigen lassen (Art. 36 Abs. 2 BV). Dazu zählen namentlich die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, die Verteidigung dieser Ordnung sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl. Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Gemäss dem erwähnten Urteil Lacatus gegen Schweiz kann ein Bettelverbot verschiedene zulässige Ziele verfolgen, so insbesondere den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie den Schutz von Grundrechten Dritter. Das kann vor allem auf aufdringliche oder aggressive Formen des Bettelns zutreffen. Darunter fällt aber auch das Betteln in der unmittelbaren Nähe von Zahlstellen und Bankautomaten, von Geschäftseingängen sowie Bahnhöfen oder sonstigen öffentlichen Gebäuden. Erfasst wird schliesslich das Vorgehen in Netzwerken, mit denen Menschen und insbesondere Kinder zum Betteln gezwungen oder sonst wie ausgenutzt werden. Keine legitimen Interessen bilden demgegenüber das Ziel, Armut aus der öffentlichen Sichtbarkeit zu verdrängen, oder das Anliegen, Passantinnen und Passanten vor unangenehm empfundener Konfrontation mit bedürftigen Menschen zu bewahren (vgl. das genannte Urteil des EGMR, § 95 ff., mit ausdrücklichem Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6C_1/2008 vom 9. Mai 2008 [BGE 134 I 214] in § 96, vgl.BGE 149 I 248 (258) BGE 149 I 248 (259)dort insb. E. 5.6 und 5.7; CUENI, a.a.O., Rz. 12 und 28; vgl. ferner HERTIG RANDALL/LE FORT, a.a.O., S. 36 f.; MÖCKLI, a.a.O., S. 559 ff.; SCHAUB, a.a.O., S. 291 ff.).
4.6.3 Das Bettelverbot hat schliesslich verhältnismässig zu sein (Art. 36 Abs. 3 BV) bzw. muss sich als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erweisen (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Auszugehen ist von den üblichen Elementen des Verhältnismässigkeitsprinzips, d.h. der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit im Sinne des Übermassverbots (bzw. der angemessenen Mittel-Zweck-Relation) des Eingriffs. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass bettelnde Personen in der Regel besonders bedürftig und vulnerabel und auf das Betteln als Mittel der Existenzsicherung angewiesen sind. Damit verbunden ist die Möglichkeit, die prekäre Lebenssituation mit dem Betteln zum Ausdruck zu bringen und ohne Aufdringlichkeit an die Hilfsbereitschaft anderer zu appellieren (so schon BGE 134 I 214 E. 5.3). Je nach Ausgestaltung vermag eine strafrechtliche Sanktion besonders ins Gewicht zu fallen. Mit Blick auf die prekäre Lebenslage von Bettelnden sind dabei hohe Bussen oder Freiheitsstrafen besonders zu hinterfragen. Zu prüfen sind gegebenenfalls mildere Massnahmen wie die Beschränkung eines Bettelverbots in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht oder die Anwendung leichterer Sanktionsfolgen (dazu etwa TSCHENTSCHER, Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes, in: Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2018 und 2019, ZBJV 155/2019 S. 680 f.). Nicht zulässig ist es schliesslich, Betteln als unwürdiges Verhalten zu beurteilen und in diesem Sinne die grundrechtliche Schutzwirkung zu Lasten der Bettelnden umzukehren (vgl. das erwähnte Urteil Lacatus, § 99 ff., sowie das dortige Minderheitsvotum Ravarani, insb. § 2 ff. und 13; CUENI, a.a.O., Rz. 15 ff. und 23 ff.; vgl. sodann HERTIG RANDALL/LE FORT, a.a.O., S. 37 ff.; MÖCKLI, a.a.O., S. 562 ff.; SCHAUB, a.a.O., S. 291 ff.).
 
BGE 149 I 248 (260)Erwägung 5
 
5.2.3 Aus diesen Ausführungen geht an sich mit zureichender Klarheit hervor, dass der Gesetzeszweck auf die Verfolgung organisierten Verhaltens mit einer gewissen kriminellen Energie gerichtet sein soll, namentlich von solchem, das sich in ausbeuterischen oder die wahren Beweggründe oder Lebensverhältnisse verbergenden Handlungen manifestiert, auch wenn der kantonale Gesetzgeber von einer konkretisierenden Einschränkung ausdrücklich abgesehen hat. Der Organisationsbegriff findet sich ebenfalls im ordentlichen Strafrecht, namentlich in Art. 260ter StGB beim Tatbestand der kriminellen oder terroristischen Organisationen. Wie dort geht es hier, wenn auch mit grundsätzlich geringerer Intensität, um die Bekämpfung organisierter kollektiver Handlungsformen, die mit zusätzlich erschwerenden Auswirkungen auf davon betroffene Menschen und die Gesellschaft verbunden sind. Allerdings kommt in Art. 260ter StGB bereits im Wortlaut ein qualifizierendes Element hinzu, indem es sich um kriminelle oder terroristische Organisationen handeln muss. Ein solches erschwerendes Kriterium fehlt im Wortlaut von § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG. Nach diesem würde bereits eine einzelne Absprache oder die Verteilung mehrerer volljähriger Mitglieder einer Kern- oder Grossfamilie auf verschiedene Bettelplätze für sich allein ohne ausbeuterisches oder sonst wie erschwerendes Element vom Straftatbestand erfasst. Die systematische Einordnung in Abs. 1 der Gesetzesbestimmung zeigt aber, dass es vom Gesetzeszweck her um eine mit lit. b und c vergleichbare Stossrichtung geht, was auch die nicht unerhebliche Strafdrohung rechtfertigt. Eine extensive Auslegung wäre überdies gemessen an den verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie angesichts der einschlägigen Strafdrohung unzulässig. Der Regierungsrat stellt denn auch eine einschränkende Auslegung in Aussicht. Zuhanden der Strafverfolgungsbehörden ist das hier zu unterstreichen.
5.2.4 § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG ist in diesem Sinne so zu verstehen, dass davon einzig Organisationsformen erfasst werden, die nicht bloss das Betteln koordinieren, sondern dass ein zusätzlicher Unrechtsgehalt hinzukommen muss, wie er sich insbesondere in ausbeuterischen oder täuschenden Verhaltensweisen manifestiert. Dabei ist eine gewisse Überschneidung, nicht aber Deckungsgleichheit mit lit. b und c des gleichen Gesetzesabsatzes in Kauf zu nehmen. Als zusätzlicherBGE 149 I 248 (261) BGE 149 I 248 (262)Anwendungsbereich ist etwa an Verhaltensweisen territorialer Dominanz zu denken, wie beispielsweise an Gruppen, die sich die vorhandenen oder allenfalls erfolgversprechendsten Bettelplätze aufteilen und dabei andere bettelnde Personen, Familien oder Gruppen verdrängen. Zwar wäre es vorzuziehen, ergäbe sich ein solches Gesetzesverständnis ausdrücklich aus dem Wortlaut der Bestimmung, auch wenn sich offenbar der Begriff der Bandenmässigkeit, der in einer früheren Gesetzesfassung vorhanden war, als für die Bettelei ungeeignet erwiesen zu haben scheint. Im Ergebnis ist aber das gesetzgeberische Grundanliegen verfassungs- und konventionskonform.
5.3.1 Nach lit. b-g wird bestraft, wer jeweils an bestimmten, abstrakt bezeichneten Orten auf dem Kantonsgebiet bettelt. Genannt werdenBGE 149 I 248 (262) BGE 149 I 248 (263)unter anderem die Örtlichkeiten in einer Distanz von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Bahnhöfen, von Haltestellen des öffentlichen Verkehrs und Schiffsanlegestellen, von Ladengeschäften, von Wohn- und Bürogebäuden oder öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, von Hotels, Restaurants unter Einschluss von deren Boulevardbereichen sowie von Verkaufsständen und Buvetten. Aufgeführt werden sodann Geld- und Zahlungsautomaten und ähnliche Geräte, Märkte sowie öffentliche Parks, Gärten, Friedhöfe, Spielplätze, Schulanlagen und Unterführungen und ein Bereich von wiederum fünf Metern um deren Ein- und Ausgänge. Die Beschwerdeführenden beanstanden diese Tatbestände erneut als zu offen; überdies sei die Regelung zu einschränkend, da auf dem Kantonsgebiet, namentlich in der Innenstadt, kaum noch Platz zum Betteln verbleibe. Insbesondere sei die wiederholt verwendete Distanz von fünf Metern viel zu gross.
5.3.2 Der basel-städtische Gesetzgeber hat mit Blick auf das Urteil Lacatus gegen Schweiz von der Wiedereinführung eines umfassenden Bettelverbotes abgesehen und sich für ein genauer definiertes partielles Verbot entschieden. Der öffentliche Raum wird damit nicht gänzlich von der Nutzung durch bettelnde Personen ausgeschlossen. Der entsprechende schlichte Gemeingebrauch bleibt vielmehr grundsätzlich gewährt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden sind die vorgesehenen Tatbestände, unter Berücksichtigung der Generalklausel im Einleitungssatz von Abs. 2 und mit Blick auf § 9 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a ÜStG, verständlich und ausreichend bestimmt. Es ist für die Normadressaten und -adressatinnen erkennbar, wo und wie sie betteln dürfen bzw. wo und mit welchem verpönten Verhalten nicht, zumal ihnen vom Kanton auch entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Beschreibung der Orte, wo ein Verbot gilt, handelt es sich grossmehrheitlich um solche, bei denen Betteln geeignet ist, die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit oder die zu schützenden Interessen Dritter zu beeinträchtigen. Es geht um den Zugang zu öffentlichen und privaten Gebäuden und Anlagen sowie den Schutz des Privatbereichs bei der gewinnstrebigen wie auch persönlichen Nutzung solcher Einrichtungen. Dabei kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Distanz fünf oder zwei Meter beträgt, solange die Regelung nicht auf ein weitgehendes Bettelverbot bzw. eine Schikane hinausläuft, wofür es hier keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Rahmen der Massnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-PandemieBGE 149 I 248 (263) BGE 149 I 248 (264)musste die gesamte Bevölkerung mit vergleichbaren Distanzregelungen umgehen, weshalb nicht erkennbar ist, weshalb das für bettelnde Personen nicht zumutbar sein sollte. Die angefochtene Bestimmung belässt, wie der Regierungsrat nachvollziehbar darlegt, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden ausreichende Möglichkeiten zum Betteln im Kantonsgebiet und insbesondere auch in der Innenstadt. Gleichzeitig werden neuralgische und besonders sensible Örtlichkeiten, namentlich bei beengten oder unübersichtlichen Platzverhältnissen, im Interesse der Passantinnen und Passanten sowie der Gewerbetreibenden entlastet. Angesichts der verbleibenden Örtlichkeiten, an denen Betteln zulässig ist, bestehen überdies genügend Ausweichmöglichkeiten für die bettelnden Personen, um für sie allenfalls ungünstige Konzentrationen zu vermeiden. Im Grundsatz sind die Regelungen von § 9 Abs. 2 lit. b-g ÜStG daher nicht zu beanstanden. Sie bedürfen auch keiner Konkretisierung im Verordnungsrecht.
5.3.3 In Frage zu stellen ist jedoch ein kritisches Kriterium in lit. g. Für Gärten, Friedhöfe, Spielplätze, Schulanlagen und, angesichts der regelmässig engen Verhältnisse, Unterführungen sowie im Bereich von fünf Metern um deren Ein- und Ausgänge lässt sich das Bettelverbot durch überwiegende öffentliche Interessen wie die geordnete bestimmungsgemässe und bei Friedhöfen ungestörte pietätvolle Nutzung der Anlagen sowie den Schutz von Kindern rechtfertigen. Für öffentliche Parks trifft dies indessen nicht zu. Wer dort Erholung sucht, ist durch § 9 Abs. 2 lit. a ÜStG vor aufdringlichem oder aggressivem Betteln ausreichend geschützt. Im Übrigen handelt es sich bei Parkanlagen nicht um Ruhezonen, sondern diese sind oft durch Sport und Spiel, gesellschaftliche Diskussionen oder Musik lärmbelastet. Für einen Ausschluss von rein passivem Betteln bestehen insofern keine ausreichenden öffentlichen Interessen. Soweit es darum ginge, was jedoch selbst der Regierungsrat verneint, unerwünschte Nebenerscheinungen wie wildes Campieren oder die Verrichtung der Notdurft zu verhindern, so kann solchen Verhaltensweisen unmittelbar durch entsprechende Nutzungsordnungen und andere Strafnormen begegnet werden (vgl. § 7 ÜStG [Missachtung von Benützungsvorschriften und Verboten] und § 8 ÜStG [Verrichten der Notdurft]). Bestehen konkret Hinweise auf Sicherheitsrisiken, kann ebenfalls auf polizeiliche Kontrollmassnahmen und allenfalls sonstige Strafbestimmungen zurückgegriffen werden (vgl. insb. § 3 ÜStG [Ungebührliches Verhalten] und erneut § 7 ÜStG). Ein BettelverbotBGE 149 I 248 (264) BGE 149 I 248 (265)braucht es dafür nicht. Der Regierungsrat beruft sich hingegen darauf, es sei für ältere und die Ruhe suchende oder Sport treibende Menschen unangenehm, wenn sie in Parks um Almosen angegangen würden. Auch an solchen Orten ist jedoch lediglich passives Betteln zulässig; aufdringliches untersteht bereits dem Verbot nach § 9 Abs. 2 lit. a ÜStG. Ein mögliches Gefühl der Unsicherheit auf Seiten der Parkbenutzerinnen und -benutzer vermag ein Verbot passiven Bettelns nicht zu rechtfertigen. Das Bettelverbot in Parkanlagen erweist sich als überschiessend und damit als unverhältnismässig. In § 9 Abs. 2 lit. g ÜStG ist demnach das Wort "Parks" zu streichen.
5.4.2 Wird im Kanton Basel-Stadt die im Ordnungsbussenverfahren ausgesprochene Busse innert einer Bedenkfrist von 30 Tagen nicht geleistet, wird die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft überwiesen, die anschliessend das ordentliche Strafverfahren einleitet (vgl. § 27 ÜStG), das in der Regel zu einem entsprechenden Strafbefehl führt. Für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht beglichen wird, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von mindestens einem Tag und höchstens drei Monaten anzuordnen (Art. 106 Abs. 2 StGB). Busse undBGE 149 I 248 (265) BGE 149 I 248 (266)Ersatzfreiheitsstrafe richten sich in angemessener Weise nach den Verhältnissen und dem Verschulden der Täterschaft (Art. 106 Abs. 3 StGB). In der Praxis ist es üblich, jeweils Fr. 100.- einer nicht bezahlten Busse in eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag umzuwandeln. Blosse Uneinbringlichkeit genügt nach der geltenden gesetzlichen Ordnung nicht für die Umwandlung einer Busse (Art. 106 Abs. 5 i.V.m. Art. 36 StGB). Seit der Revision des Sanktionenrechts in der Gesetzesnovelle vom 19. Juni 2015 (in Kraft seit dem 1. Januar 2018; AS 2016 1249) besteht insofern eine gewisse Inkohärenz im Gesetz. Das Bundesgericht entschied dazu bisher einzig, dass die Nichtbezahlung einer Busse nur dann als nicht schuldhaft gilt, wenn die betroffene Person sie nicht bezahlen kann, weil sich ohne ihr Verschulden die für die Bussenbemessung massgebenden Verhältnisse seit dem Urteil erheblich verschlechtert haben; es liess aber offen, welche Rechtsfolgen bei nicht schuldhafter Begleichung einer Busse greifen, weil es im zu beurteilenden Fall die Schuldhaftigkeit bejahte und daher nicht darüber zu entscheiden hatte, was bei gegenteiliger Ausgangslage zu gelten hätte (vgl. das Urteil 6B_889/2022 vom 2. November 2022 E. 2.3). Das wirft an sich die Frage auf, ob die Nichtbezahlung einer Busse, die einer mittellosen bettelnden Person auferlegt wird und von dieser mangels der nötigen Mittel nicht geleistet werden kann, schuldhaft erfolgt und eine Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe überhaupt zulässig wäre. Eine Verneinung dieser Frage hätte allerdings zur Folge, dass das verbotene Verhalten im Ergebnis sanktionslos verliefe. Bei der Festlegung und Umwandlung einer Busse sind zwar die finanziellen Verhältnisse der zu Verurteilenden mitzuberücksichtigen. Umgekehrt ist aber auch die allenfalls geringe Höhe der Busse in Rechnung zu stellen. Die Sanktionierung eines vom Gesetzgeber als strafwürdig erkannten Verhaltens einer mittellosen Person als überhaupt ausgeschlossen zu beurteilen, würde im Übrigen Fragen der Durchsetzbarkeit des Rechts und der Gleichbehandlung aufwerfen. Im vorliegenden Zusammenhang gehen jedoch alle Verfahrensbeteiligten übereinstimmend davon aus, dass Ersatzfreiheitsstrafen grundsätzlich in Frage kommen und die Regel sind. Auch die Beschwerdeführenden behaupten nicht, eine Ersatzfreiheitsstrafe sei bei Mittellosigkeit überhaupt ausgeschlossen. Mangels ausreichender entsprechender Rüge ist auf die diesbezügliche Problematik daher nicht einzugehen.
5.4.3 Aus dem Urteil Lacatus gegen Schweiz geht hervor, dass sich der Gerichtshof vor allem an der Schwere der Sanktion von damalsBGE 149 I 248 (266)BGE 149 I 248 (267)fünf Tagen Freiheitsstrafe als Ersatz einer nicht geleisteten Busse von Fr. 500.- gestört hat. Eine solche Bestrafung habe angesichts der besonderen Vulnerabilität der betroffenen Bettlerin und ihres lediglich passiven Bettelverhaltens gegen deren Menschenwürde verstossen und sei unverhältnismässig gewesen. Überdies seien mildere Massnahmen nicht ausgeschlossen, wie insbesondere der Vergleich mit weniger strengen Regelungen in anderen Mitgliedstaaten des Europarates belege (vgl. § 108 ff. des Urteils sowie das Minderheitsvotum Ravarani, § 14). Zwar fällt in Betracht, dass der Gerichtshof im Urteil Lacatus gegen Schweiz ein umfassendes Bettelverbot zu beurteilen hatte, wohingegen im vorliegenden Fall lediglich ein partielles angefochten ist. Die im Gesetz vorgesehenen Strafdrohungen sind aber auch bei einem lediglich teilweisen Verbot an der jeweils zu sanktionierenden Verhaltensweise zu messen.
5.4.6 Heikler erscheint die Rechtslage hingegen bei der Strafdrohung für die Tatbestände von § 9 Abs. 2 lit. b-g ÜStG. In diesen Fällen wird einzig passives Betteln sanktioniert, insbesondere an bestimmten Örtlichkeiten. Auszusprechen ist dabei unmittelbar eine Busse von Fr. 50.-, die bei Uneinbringlichkeit grundsätzlich bereits bei einmaliger Tatbegehung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt wird und bei wiederholter Tatbegehung zu mehreren Tagen Freiheitsentzug führen kann. Dabei erscheint die Eignung einer Busse als Sanktionsmittel fraglich. Der Regierungsrat führt in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht selbst aus, seit dem Inkrafttreten am 1. September 2021 seien bis Ende November 2021 154 auf § 9 Abs. 2 ÜStG gestützte Ordnungsbussen ausgestellt worden, wovon 21 beglichen worden seien. Auch wenn im Zeitpunkt dieser Aussage noch nicht bei allen dieser Bussen die Zahlungs- bzw. Bedenkfrist (nach § 27 Abs. 1 ÜStG) abgelaufen war und die jeweiligen genaueren Umstände unbekannt sind, kann zumindest davon ausgegangen werden, dass bei einem Grossteil der Anwendungsfälle im Ergebnis eine Freiheitsstrafe droht. Daraus lässt sich schliessen, dass offenbar bei einer deutlichen Mehrheit der Anwendungsfälle die Ersatzfreiheitsstrafe zur eigentlichen Sanktionsfolge wird. Überdies erscheinen gerade bei bettelnden Personen angesichts ihrer prekären Lebensverhältnisse die gesetzlichen Möglichkeiten, eine Busse durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten (Art. 79a i.V.m. Art. 104 StGB) oder in Raten oder erst nach einer Fristerstreckung zu zahlen (Art. 35 i.V.m. Art. 106 Abs. 5 StGB), nicht situationsadäquat und damit tendenziell ebenfalls ungeeignet. Da eine Busse als Sanktion für den Verstoss gegen ein Bettelverbot regelmässig gegen mittellose Personen ausgesprochen wird und ebenfalls regelmässig zu einem Freiheitsentzug führt, auch wenn sie wie hier nur Fr. 50.- beträgt, trifft sie bedürftige Menschen deutlich härter als andere in vergleichbaren Situationen, in denen Ordnungsbussen verfügt werden. Die Busse bildet demnach häufig einen blossen Zwischenschritt zum Freiheitsentzug, der damit verbreitet die eigentliche Sanktionsfolge des Verstosses gegen das Bettelverbot darstellt. Dies kann mit Blick auf die Bedürftigkeit und besondere Vulnerabilität von bettelnden Menschen nicht zulässig sein. Überdies ist die Ersatzfreiheitsstrafe nach Art. 106 Abs. 2 StGBBGE 149 I 248 (268) BGE 149 I 248 (269)zwingend für mindestens einen Tag auszusprechen. Damit löst sich die Unterscheidung der Straffolge von § 9 Abs. 2 lit. a und lit. b-g ÜStG im Ergebnis auf, wenn beide zu vergleichbaren Freiheitsentzügen führen. Die im Vergleich zu den Straftatbeständen von lit. b-g qualifizierte Strafdrohung von lit. a verliert dadurch an Wirkkraft. Die Aussprechung einer Busse kommt daher beim Verbot rein passiven Bettelns nur als letztes Mittel in Frage, wenn andere geeignetere Massnahmen versagt haben.
5.4.7 Zu prüfen ist im vorliegenden Zusammenhang nur die gesetzliche Strafnorm als solche. Für § 9 Abs. 2 ÜStG fällt die Aufhebung der Strafdrohung schon deshalb ausser Betracht, weil sie sich jedenfalls mit Blick auf lit. a als zulässig erweist. Für lit. b-g lässt sich die Verfassungs- und Konventionskonformität hingegen nur dann bejahen, wenn die vorgesehene Strafsanktion den Abschluss geeigneter milderer Massnahmen zur Durchsetzung des davon erfassten Bettelverbots bildet. Andere Strafsanktionen kommen dafür mangels ausreichender formellgesetzlicher Grundlage nicht in Frage. In Betracht fallen aber verwaltungsrechtliche Vorkehren, die insbesondere im Rahmen einer Kaskadenregelung Anwendung finden könnten. Zu denken wäre etwa an eine polizeiliche Wegweisung aus der Verbotszone mit Registrierung bei erstmaliger Übertretung, eine administrative Verwarnung mit Androhung einer Busse beim zweiten Mal, bevor beim dritten Verstoss die Straffolge greift, die gemäss § 27 f. ÜStG wie bisher zunächst im Ordnungsbussenverfahren und erst in der Folge bei Nichtleistung im ordentlichen Verfahren angeordnet würde. Die Strafsanktion als solche verfügt in diesem Sinne über eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Deren Anwendung erfordert jedoch eine verfassungs- und konventionskonforme Umsetzung, die nicht bloss der Praxis überlassen werden kann. Die der Strafsanktion voranzustellenden verwaltungsrechtlichen Massnahmen können freilich angesichts des politischen Spielraums bei der Ausgestaltung der möglichen Vorkehren nicht unmittelbar vom Bundesgericht festgelegt werden. Das ist vielmehr Aufgabe entweder des kantonalen Gesetzgebers oder des Regierungsrates, der die bestehende Gesetzesregelung im Verordnungsrecht entsprechend zu konkretisieren hätte. Die Ausführung im Verordnungsrecht wäre diesfalls in maiore minus als den Grundrechtseingriff gemäss § 9 Abs. 2 ÜStG mildernde Regelung zulässig. In § 5 der bereits erwähnten Verordnung betreffend Strassenmusik und -kunst (vgl. vorne E. 5.2.5) ist denn auch beispielsweise eine vergleichbare polizeiliche Wegweisung ausdrücklich vorgesehen.BGE 149 I 248 (269)
BGE 149 I 248 (270)5.4.8 Daraus ergibt sich, dass die Sanktionsdrohung von § 9 Abs. 2 ÜStG mit Blick auf lit. a vorbehaltlos zulässig ist, im Übrigen jedoch nur unter dem Vorbehalt angewendet werden darf, dass vorher in maiore minus erfolglos mildere Administrativmassnahmen ergriffen worden sind. Diese sind vom Gesetz- oder Verordnungsgeber zu konkretisieren. Solange eine solche Regelung nicht in Kraft getreten ist, darf gestützt auf § 9 Abs. 2 lit. b-g keine Busse ausgesprochen werden.
 
Erwägung 6
 
6.2 Gemäss Art. 3 FZA in Verbindung mit Art. 1 Anhang I FZA verfügen freizügigkeitsberechtigte ausländische Personen gegen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses über das Recht auf Einreise in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien. Es gelten keine weiteren Voraussetzungen; insbesondere müssen sie keinen Nachweis über ausreichende finanzielle Mittel für den geplanten Aufenthalt erbringen (BGE 143 IV 97 E. 1). Was diesen Aufenthalt betrifft, ist allerdings zu unterscheiden: In der EU gilt für Unionsbürgerinnen und -bürger ein umfassendes Recht auf Freizügigkeit aufgrund von Art. 21 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, AEUV, ABl. C 115 vom 9. Mai 2008 S. 47). Art. 6 der für die Schweiz nicht geltenden UnionsbürgerrichtlinieBGE 149 I 248 (270) BGE 149 I 248 (271)(Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004, ABl. L 158 vom 30. April 2004 S. 77) sieht für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein - abgesehen vom Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses - bedingungsloses Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten vor. Dieses ist gesondert zu den in Art. 7 ff. der Richtlinie geordneten Rechten auf Anwesenheiten von längerer Dauer geregelt. Im Unterschied dazu enthält das Freizügigkeitsabkommen bloss spezifische und keine allgemeinen Freizügigkeitsrechte. Es gibt darin insbesondere keine spezielle Bestimmung für Aufenthalte bis maximal drei Monate, ausser in Art. 5 Abs. 3 FZA in Verbindung mit Art. 23 Anhang I FZA das Recht auf Einreise und Aufenthalt von höchstens drei Monaten für Dienstleistungsempfängerinnen und -empfänger. Im Übrigen gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für sonstige unterjährige Aufenthalte.
6.3 Allerdings benötigen alle rechtmässig in die Schweiz eingereisten ausländischen Personen nach Art. 10 AIG keine Bewilligung für einen erwerbslosen Aufenthalt bis zu drei Monaten oder einen allenfalls gemäss des erteilten Visums kürzeren erwerbslosen Aufenthalt; die letztere Variante ist hier wegen der freizügigkeitsrechtlichen Visumsfreiheit nicht von Belang (vgl. Art. 1 Abs. 1 Anhang I FZA). Art. 4 Abs. 4 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten, zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung über den freien Personenverkehr, VFP; SR 142.203) befreit Staatsangehörige der EU und der EFTA, die innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt nicht länger als drei Monate in der Schweiz erwerbstätig sind, auch bei Erwerbstätigkeit von der Bewilligungspflicht; es gilt diesfalls jedoch eine Meldepflicht, wenn die Erwerbstätigkeit länger als acht Tage pro Kalenderjahr dauert (vgl. Art. 2 Abs. 4 Anhang I FZA i.V.m. Art. 9 Abs. 1bis und Art. 4 Abs. 4 VFP unter sinngemässem Verweis auf Art. 6 der Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, EntsV; SR 823. 201; WEISS, a.a.O., Rz. 27.13). Weder Art. 10 AIG noch das Verordnungsrecht verschaffen freilich einen direkten Anspruch auf Anwesenheit. Eine Verordnungsbestimmung würde dafür ohnehin nicht genügen (BGE 145 I 308 E. 3.3.2 mit Hinweisen; UEBERSAX/SCHLEGEL, § 9 Einreise und Anwesenheit, in: Ausländerrecht, a.a.O., Rz. 9.226).BGE 149 I 248 (271) BGE 149 I 248 (272)Wenn das Verordnungsrecht die Grundlage für eine feste Praxis bildet, Freizügigkeitsberechtigten einen bewilligungsfreien dreimonatigen Aufenthalt im Sinne von Art. 10 AIG erleichtert zu gewähren, kann sich daraus jedoch mit Blick auf das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV ein indirekter Anspruch aller Freizügigkeitsberechtigten auf einen solchen Aufenthalt ergeben. Dieser beruht allerdings mit Ausnahme der freizügigkeitsrechtlichen Sonderregelung über den Dienstleistungsempfang lediglich auf nationalem Recht. Soweit hingegen freizügigkeitsrechtliche Ansprüche auf die Ausgestaltung der Anwesenheit in Frage stehen, ist so oder so auf die Vorgaben des Freizügigkeitsabkommens abzustellen. Das bedeutet, dass das Landesrecht zwar zusätzliche Ansprüche schaffen kann, dass aber für die Geltendmachung freizügigkeitsrechtlicher Ansprüche auch einzig das Freizügigkeitsrecht massgeblich bleibt.
6.4.1 So hielt das Bundesgericht in BGE 136 II 65 E. 4.2 fest, das voraussetzungslose Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten sei für die Schweiz nicht verbindlich. Demgegenüber ging es in BGE 143 IV 97 E. 1 davon aus, Freizügigkeitsberechtigte verfügten über ein Recht auf Einreise und Aufenthalt von bis zu drei Monaten. Auf diese Unklarheit wurde denn auch im Schrifttum hingewiesen (CHRISTA TOBLER, Personenfreizügigkeit mit und ohne Unionsbürgerrichtlinie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2017/2018, Epiney/Hehemann [Hrsg.], 2018, S. 445 ff.; vgl. auch MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha und andere [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 1 FZA). Die Rechtsprechung muss so verstanden werden, dass das Einreiserecht freizügigkeitsrechtlich begründet ist, das voraussetzungslose Aufenthaltsrecht bis drei Monate jedoch auf Landesrecht beruht.
6.4.2 Dazu wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt ein freizügigkeitsrechtliches Einreiserecht ohne freizügigkeitsrechtlichen Aufenthaltsanspruch geben könne (TOBLER, a.a.O., S. 446 ff.). Ein solcher separater Einreiseanspruch entbehrt aber nicht von vorneherein jeglichen Sinnes, wie sich etwa im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Landesverweisung (vgl. BGE 143 IV 97; GLESS/PETRIG/TOBLER, Ein fachübergreifendes Prüfprogramm für die obligatorische Landesverweisung nach Art. 66a StGB,BGE 149 I 248 (272) BGE 149 I 248 (273)forumpoenale 2/2018 S. 101 f.; TOBLER, a.a.O., S. 447 f.; PETER UEBERSAX, Freizügigkeitsabkommen und Landesverweisung, Plädoyer 2018 1 S. 37 ff.) oder bei einer allfälligen Einreise zwecks Erlangens einer nicht freizügigkeitsrechtlichen Bewilligung, z.B. einer Härtefallbewilligung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG, oder wie im vorliegenden Zusammenhang bei einer Einreise zum nach nationalem Recht bewilligungsfreien Aufenthalt zeigen kann. Die Wahrnehmung des freizügigkeitsrechtlichen Einreiserechts darf denn auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Voraussetzungen eines legalen Aufenthalts erfüllt sind (EPINEY/BLASER, in: Code annoté de droit des migrations, Bd. III: Accord sur la libre circulation des personnes [ALCP] [nachfolgend: Code annoté de droit des migrations], Amarelle/Nguyen [Hrsg.], 2014, N. 3 zu Art. 3 FZA).
6.5 Der freizügigkeitsrechtliche Begriff der Erwerbstätigkeit gemäss Art. 4 FZA und verschiedenen Bestimmungen, namentlich Art. 2, im Anhang I des Abkommens ist nicht zwingend deckungsgleich mit dem tendenziell weiteren Wirtschaftsbegriff der Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV. Ob jemand subjektiv über eine Erwerbsabsicht verfügt, ist dabei nicht entscheidend. Massgeblich sind vielmehr die konkreten wirtschaftlichen Umstände. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt Erwerbstätigkeit quantitativ wie qualitativ eine echte und tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit voraus (BGE 141 II 1 E. 2.2.4 mit Hinweisen). Dazu gehört eine planmässige Verwirklichung der Erwerbsabsicht in der Form von Arbeitsleistung. Selbstständige Erwerbstätigkeit liegt in der Regel vor, wenn durch Einsatz von Arbeit und Kapital in frei bestimmter Selbstorganisation und nach aussen sichtbar am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen wird mit dem Ziel, Dienstleistungen zu erbringen oderBGE 149 I 248 (273) BGE 149 I 248 (274)Produkte zu schaffen, deren Inanspruchnahme oder Erwerb durch finanzielle oder geldwerte Gegenleistungen abgegolten werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; BGE 125 V 383 E. 2a; WEISS, a.a.O., Rz. 27.21). Dazu bedarf es des Nachweises der Errichtung eines Unternehmens oder einer Betriebsstätte mit einer effektiven und möglichst existenzsichernden Geschäftstätigkeit, die gegebenenfalls namentlich durch Businesspläne, Geschäftsbücher, Aufträge und Kundenverzeichnisse zu belegen ist. Durch die selbstständige Erwerbstätigkeit muss sich grundsätzlich ein Einkommen erzielen lassen, das die Bestreitung des Lebensunterhalts der erwerbstätigen Person und ihrer Familie erlaubt (vgl. das Urteil das Bundesgerichts 2C_430/2020 vom 13. Juli 2020 E. 4.1 und 4.2.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat gestützt auf diese Rechtslage bereits wiederholt entschieden, dass Betteln keine Erwerbstätigkeit im Sinne des Freizügigkeitsabkommens darstellt (vgl. BGE 143 IV 97 E. 1; Urteile des Bundesgerichts 6B_839/2015 vom 26. August 2016 E. 3.4 und 1C_443/2017 vom 29. August 2018 E. 5.4). Diese Auffassung wird geteilt vom Bundesrat (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zur Interpellation 10.3274 vom 19. Mai 2010 auf Curia Vista) sowie vom Staatssekretariat für Migration SEM (vgl. die Weisungen VFP, Weisungen und Erläuterungen zur Verordnung über den freien Personenverkehr, Fassung vom Januar 2023, Ziff. 8.4.3, Zugriff über www.sem.admin.ch). Es besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, darauf zurückzukommen.
6.6 Ein erwerbsloser Aufenthalt nach Art. 6 FZA setzt für Freizügigkeitsberechtigte gemäss Art. 24 Anhang I FZA unter anderem ausreichende finanzielle Mittel voraus, wovon bei Bettelnden in der Regel nicht auszugehen ist. Ob dies beim seltenen Phänomen bettelnder wohlhabender Personen ("bettelnde Millionäre") anders zu beurteilen wäre, kann hier im Rahmen der zu leistenden abstrakten Normenkontrolle offenbleiben, schlösse diese eine entsprechende Abweichung im Anwendungsfall doch nicht aus. Für das Aufenthaltsrecht von Dienstleistungsempfängerinnen und -empfängern (gemäss Art. 5 Abs. 3 FZA und Art. 23 Anhang I FZA) verlangt die schweizerische Praxis gleich wie beim erwerbslosen Aufenthalt ausreichende finanzielle Mittel und eine gültige Krankenversicherung (vgl. die Weisungen VFP des Staatssekretariats für Migration SEM, Weisungen und Erläuterungen zur Verordnung über den freien Personenverkehr, Fassung vom Januar 2023, Ziff. 6.4, Zugriff überBGE 149 I 248 (274) BGE 149 I 248 (275)www.sem.admin.ch; ALVARO BORGHI, La libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE, 2010, N. 295 zu Art. 5 FZA; PROGIN-THEUERKAUF/OUSMANE, in: Code annoté de droit des migrations, a.a.O., N. 68 zu Art. 5 FZA), was auch für Aufenthalte zwecks Bettelns gilt (vgl. die genannten Weisungen VFP, a.a.O., Ziff. 8.4.3). Unter Dienstleistungsempfang wird überdies namentlich der Bezug touristischer und medizinischer Leistungen verstanden. Die Praxis verneint, dass Betteln als Entgegennahme von Almosen unter den freizügigkeitsrechtlichen Begriff des Dienstleistungsempfangs fällt (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zur Interpellation 10.3274 vom 19. Mai 2010 auf Curia Vista). Verwaltungsweisungen und -praxis binden das Bundesgericht zwar nicht (vgl. BGE 146 I 83 E. 4.5 mit Hinweis), doch vermögen die Beschwerdeführenden keinen überzeugenden Grund aufzuzeigen, weshalb hier davon abzuweichen wäre.
6.7 Beim Freizügigkeitsabkommen handelt es sich im Übrigen um ein statisches Abkommen, das auf der Rechtslage (acquis communautaire) im Zeitpunkt seines Abschlusses am 21. Juni 1999 beruht. An nachträglich ergangene Rechtserlasse der EU im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsrechts, wie etwa die bereits genannte Unionsbürgerrichtlinie, ist die Schweiz nicht gebunden (vgl. Art. 16 Abs. 1 FZA; BGE 136 II 65 E. 4.2). Bei der Auslegung von Begriffen, die dem europäischen Gemeinschaftsrecht entsprechen, ist die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGH) vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 2 FZA). Für spätere Urteile des EuGH gilt lediglich ein Beachtungsgebot, um eine möglichst parallele Rechtslage zu gewährleisten, solange keine triftigen Gründe dagegen sprechen, aber keine Befolgungspflicht (BGE 144 II 113 E. 4.1; BGE 143 II 57 E. 3.6; BGE 139 II 393 E. 4.1.1; je mit Hinweisen). Dass sich in diesem Sinne aus für die Schweiz verbindlichen Erlassen der EU oder Urteilen des EuGH ein freizügigkeitsrechtlicher Schutz gegen Bettelverbote ergeben würde, vermögen die Beschwerdeführenden nicht darzutun. Im Gegenteil findet sich in § 19 ff. des Urteils Lacatus gegen Schweiz eine Übersicht über die Rechtslage in 38 Mitgliedstaaten des Europarates. Daraus geht hervor, dass namentlich in den EU-Mitgliedstaaten Estland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Polen, Slowenien, Ungarn und Zypern Bettelverbote auf nationaler Ebene sowie in Belgien, Deutschland, Lettland, Litauen, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien und Tschechien solche auf lokaler Stufe gelten bzw. im Zeitpunkt desBGE 149 I 248 (275) BGE 149 I 248 (276)Urteils des EGMR galten. Wenn in diesem Sinne 19 (von 27) Mitgliedstaaten der EU ein Bettelverbot kennen bzw. im Jahre 2021 noch kannten und darin, soweit ersichtlich und bekannt, keine Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit erkennen, muss dies umso mehr für die assoziierungsrechtliche sektorielle Freizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU und ihren Mitgliedstaaten gelten. Schliesslich ist auch nicht erkennbar, inwiefern die angefochtene Regelung das freizügigkeitsrechtliche Diskriminierungsverbot gemäss Art. 2 FZA verletzen sollte, was die Beschwerdeführenden auch noch vorbringen. Das basel-städtische Bettelverbot verstösst mithin nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen.
 
Erwägung 7
 
7.2 Gemäss dem in Art. 8 Abs. 2 BV verankerten Diskriminierungsverbot darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Das Diskriminierungsverbot schliesst die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal jedoch nicht absolut aus. Eine solche begründet vielmehr den Verdacht einer unzulässigen Differenzierung, der durch eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden kann (BGE 147 I 1 E. 5.2; BGE 138 I 217 E. 3.3.3; BGE 136 I 297 E. 7.1 mit Hinweisen). Die Hürde für dieBGE 149 I 248 (276) BGE 149 I 248 (277)Rechtfertigung einer unter Art. 8 Abs. 2 BV fallenden Unterscheidung liegt dabei je nach dem verwendeten verpönten Merkmal höher oder tiefer, jedenfalls aber höher als bei einer einfachen Ungleichbehandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV (BGE 147 I 1 E. 5.2; BGE 138 I 217 E. 3.3.5 mit Hinweis). Art. 8 Abs. 2 BV verbietet nicht nur die direkt an das Merkmal der Behinderung anknüpfende Ungleichbehandlung (sog. direkte Diskriminierung); verboten ist vielmehr auch die indirekte Diskriminierung. Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung, die an sich neutral formuliert ist, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer spezifisch gegen Diskriminierung geschützten Personengruppe benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (BGE 141 I 241 E. 4.3.2; BGE 135 I 49 E. 4.1). Um in den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 2 BV zu fallen, muss eine solche Benachteiligung jedoch signifikante Bedeutung erreichen, zumal das Verbot der indirekten Diskriminierung nur dazu dienen kann, die offenkundigsten negativen Auswirkungen einer staatlichen Regelung zu korrigieren (BGE 142 V 316 E. 6.1.2; BGE 138 I 265 E. 4.2.2; BGE 138 I 205 E. 5.5; vgl. auch umfassend das Urteil 2C_121/2022 vom 24. November 2022 E. 5.1).
7.3 Art. 14 EMRK garantiert den Genuss der in der Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status. Das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot wirkt nicht absolut, sondern nur akzessorisch; es setzt voraus, dass der Anwendungsbereich eines der Artikel der Konvention oder ihrer Zusatzprotokolle eröffnet ist (BGE 143 I 1 E. 5.5; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Nr. 78117/13 Fábián gegen Ungarn vom 5. September 2017, § 112). Zudem ist nicht jede Ungleichbehandlung unzulässig; von einer konventionswidrigen Diskriminierung ist vielmehr nur auszugehen, wenn andere Personen oder Personengruppen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, besser behandelt werden, die Unterscheidung auf einem verpönten Merkmal beruht und sie nicht durch objektive und vernünftige Gründe gerechtfertigt ist, das heisst, sie kein legitimes Ziel verfolgt oder kein vernünftiges Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und dem angestrebten Ziel besteht (Urteile des EGMR Nr. 23040/13 Ryser gegen Schweiz vom 12. Januar 2021, § 46 f.;BGE 149 I 248 (277) BGE 149 I 248 (278)Nr. 65550/13Belli und Arquier-Martinez gegen Schweiz vom 11. Dezember 2018, § 89 f.; Fábián, § 113 mit Hinweisen; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 2C_121/2022 vom 24. November 2022 E. 5.2). Im bereits mehrfach erwähnten Urteil Lacatus gegen Schweiz liess der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte offen, ob das damals strittige Bettelverbot des Kantons Genf gegen Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK verstiess (§ 121 ff. des Urteils); in zwei Minderheitsvoten wurde die Frage aber als ernsthaft prüfenswert bezeichnet (Voten Lemmens, § 2 und Ravarani, § 15 ff.). Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird auf die Gefahr einer indirekten Diskriminierung durch Bettelverbote hingewiesen (so etwa bei CUENI, a.a.O., Rz. 37 ff.; HERTIG RANDALL/LE FORT, a.a.O., S. 39 ff.; MÖCKLI, a.a.O., S. 558 ff.).
7.5 Das Bundesgericht hat sich schon verschiedentlich mit der Frage der indirekten Diskriminierung bei Bettelverboten auseinandergesetzt. Es kam dabei wiederholt zum Schluss, eine solche indirekte Diskriminierung sei zu verneinen, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Bettelverbot auch in der PraxisBGE 149 I 248 (278) BGE 149 I 248 (279)lediglich bzw. in einer stossend ungleichen Weise zulasten einer Ethnie umgesetzt und nicht auch in vergleichbarer Art auf andere Menschen wie beispielsweise Drogenabhängige oder Obdachlose angewandt werde (vgl. die Urteile 1C_443/2017 vom 29. August 2018 E. 8; 6B_31/2012 vom 17. August 2012 E. 3.4 und 6B_368/2012 vom 17. August 2012 E. 3.3). Im Rahmen der hier vorzunehmenden abstrakten Kontrolle der formell diskriminierungsfrei ausgestalteten Gesetzesbestimmung gibt es keine ausreichenden Hinweise auf eine mögliche diskriminierende Gesetzesanwendung, auf die es entscheidend ankäme (vgl. CUENI, a.a.O., Rz. 38 f., insb. Fn. 71). Dafür genügen der Anlass für die Gesetzesänderung sowie die Gesetzesgenese für sich allein nicht. Die Beschwerdeführenden behaupten zwar, die zuständigen Polizeibehörden würden einheimische Bettelnde wohlwollender behandeln als der Ethnie der Roma zugehörige, was der Regierungsrat aber bestreitet und was nicht als zureichend belegt gelten kann. Die das Verbot vollziehenden Behörden werden allerdings bei der Umsetzung der neuen Gesetzesbestimmung den Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Rechtsanwendung gebührend Rechnung zu tragen haben.BGE 149 I 248 (279)