4. Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Januar 1962 i.S. Konkursmasse Silkbryner A. G. gegen Tamborini. | |
Regeste | |
Art. 165 OR. Abtretung oder blosses Versprechen der Abtretung?
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Art.213 Abs.2Ziff. 1 SchKG. Wann entsteht die Schadenersatzforderung, die der zu Unrecht an einen Dritten zahlende Schuldner daraus ableitet, dass der Gläubiger ihm bestätigte, er habe die Forderung an den Dritten abgetreten?
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Sachverhalt | |
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Die Firma Tamborini & Co. zahlte im Glauben, die Forderungen der Silkbryner AG gegen sie seien durch Abtretung auf die Seidenweberei Amden AG bzw. die Firma Appenzeller-Herzog & Co. übergegangen, am 4. Juni, 9. Juni, 30. September und 1. Oktober 1958 an die Schweizerische Bankgesellschaft als durch Abtretung ausgewiesene Rechtsnachfolgerin der Seidenweberei Amden AG Fr. 7992.-- und am 9. Juni und 5. Juli 1958 an die Firma Appenzeller-Herzog & Co. Fr. 3442.45.
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Die Verwaltung der Konkursmasse der Silkbryner AG bestritt, dass die Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen Tamborini & Co. rechtsgültig an die Seidenweberei Amden AG und die Firma Appenzeller-Herzog & Co. abgetreten worden seien. Sie klagte anfangs 1961 gegen Jean Tamborini, der seit Februar 1960 das Geschäft der Firma Tamborini & Co. allein fortsetzt, namens der Masse auf Zahlung von Fr. 11'434.45 nebst 5% Zins seit 28. Mai 1958.
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B.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 6. September 1961 ab. Es kam zum Schluss, zwei Briefe der Silkbryner AG an die Seidenweberei Amden AG vom 13. und 21. März 1958 seien als schriftliche Abtretungserklärungen auszulegen. Bryner habe als Zeuge glaubwürdig bestätigt, dass der in diesen Schreiben ausgedrückte Abtretungswille auch tatsächlich bestanden habe. Dagegen lägen schriftliche Erklärungen über Abtretungen an die Firma Appenzeller-Herzog & Co. nicht vor, und Bryner sage aus, er habe dieser Firma solche nicht abgegeben. Da jedoch Bryner dem Beklagten auf dessen besondere Anfragen hin das Vorliegen ordnungsmässiger Abtretungen jeweils höchst fahrlässig bestätigt habe, sei es rechtsmissbräuchlich, dass die Klägerin nunmehr Zahlung an sie verlange, nachdem Tamborini & Co. gutgläubig an die als Abtretungsgläubiger Bezeichneten gezahlt habe. Im Falle der Seidenweberei Amden AG ![]() ![]() | |
C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zur Ergänzung der Akten und zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
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2. Das Schreiben der Silkbryner AG an die Seidenweberei Amden AG vom 13. März 1958 beginnt mit den Worten: "Wie besprochen senden wir Ihnen per Express folgende Zessionen: Tamborini 872.85..." Da sich ![]() ![]() | |
"Abredungsgemäss senden wir Ihnen in der Beilage eine Zession auf die Firma J. Tamborini & Co. Zürich im Betrage von Fr. 5698.95 als Ersatz für die Zession Kirschner. Zusammen mit den Zessionen Tamborini Fr. 872.85 vom 13.3 ....... erhalten Sie somit total Fr. 8933.30."
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In bezug auf die hier erstmals erwähnte Abtretung einer Forderung gegen Tamborini & Co. von Fr. 5698.95 ergibt sich aus dieser Stelle, dass die Silkbryner AG die Abtretungserklärung dem Schreiben angeblìch beilegte. Die Gläubigerin fasste also nicht das Schreiben selbst als Abtretungserklärung auf.
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Die Seidenweberei Amden AG ihrerseits erblickte die Abtretungserklärungen nicht in den Briefen vom 13. und 21. März 1958. Als sie der Firma Tamborini & Co. am 25. März 1958 schrieb, die Silkbryner AG habe ihr neuerdings Forderungen abgetreten, fügte sie bei: "Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen durch unsern Notar eine Abtretungs-Erklärung seitens der Firma Silkbryner AG verschaffen." Am Fusse des Schreibens vermerkte sie: "Beilagen: Fakturen vom 28/2/58 und 20/3/58, wie sie uns von der Firma Silkbryner als Zession abgetreten wurden." Sie verstand also unter den "Zessionen" vorläufig die Doppel der Rechnungen und war der Ansicht, ihr Notar werde erst in der Folge die Abtretungserklärung erhalten und der Schuldnerin davon eine Ausfertigung oder Abschrift zusenden.
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Daher können die Briefe der Silkbryner AG vom 13.
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Da weitere schriftliche Erklärungen der Silkbryner AG gegenüber der Seidenweberei Amden AG, die als Abtretung ausgelegt werden könnten, nicht abgegeben wurden, gehören somit die Forderungen, welche die Firma Tamborini & Co. durch die Zahlungen an die Schweizerische Bankgesellschaft zu tilgen wähnte, noch immer zum Vermögen der Silkbryner AG, über das nunmehr der Konkurs schwebt.
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Diese Auffassung hält nicht stand (BGE 78 II 227, BGE 86 II 232, 401). Art. 2 ZGB enthält objektives Recht. Dieses ist vom Richter von Amtes wegen anzuwenden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen in der vom Prozessrecht vorgeschriebenen Weise vorgetragen wurden und feststehen. Einer besonderen Einrede bedarf es nicht. Wo das Gesetz gewisse Bestimmungen nicht von Amtes wegen berücksichtigt wissen will, sagt es das ausdrücklich (Art. 142 OR).
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Die Schriftlichkeit der Abtretung dient unter anderem dem Schutze der Gläubiger des Abtretenden. In deren Interesse soll festgestellt werden können, ob eine Forderung in einem bestimmten Zeitpunkt zum Vermögen des Abtretenden gehört oder einem andern zusteht. Daher kann man sich fragen, ob überhaupt der Abtretungsschuldner der Konkursmasse des "Abtretenden" gegenüber jemals geltend machen kann, dessen mit der formungültigen "Abtretung" zusammenhangendes Verhalten verstosse gegen Treu und Glauben. Der Rechtsmissbrauch müsste doch wohl der die Interessen der Gläubiger vertretenden Konkursverwaltung vorgeworfen werden können. Es verhält sich ähnlich, wie wenn der Gemeinschuldner, der sich zur Bestellung eines Faustpfandes verpflichtete, die Besitzübertragung unterliess. Das Bundesgericht hat entschieden, die Konkursmasse müsse sich unter allen Umständen auf den Mangel der Besitzübertragung berufen können (BGE 43 II 24).
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Es braucht indessen zu der Frage nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, da nicht nur der Kon- kursverwaltung, sondern auch Kurt Bryner als dem einzigen Verwaltungsrat der Silkbryner AG kein gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten gegenüber dem Beklagten oder dessen Rechtsvorgängerin vorgeworfen ![]() ![]() ![]() ![]() | |
7. Die Klage ist auch nicht deshalb abzuweisen, weil der Beklagte für den Fall der Verneinung gültiger Abtretungen Anspruch auf Schadenersatz zu haben glaubt und seine Forderung mit seiner Schuld verrechnen will. Wer erst nach der Konkurseröffnung Gläubiger des Gemeinschuldners wird, kann gemäss Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG seine Forderung nicht mit der Gegenforderung der Konkursmasse verrechnen. Diese Bestimmung trifft hier zu. Die angeblichen Schadenersatzforderungen des Beklagten können entgegen der Auffassung des Handelsgerichts nicht schon im Zeitpunkt entstanden sein, als Bryner ihm bestätigte, er habe seine Forderungen an die Seidenweberei Amden AG und die Firma Appenzeller-Herzog & Co. abgetreten. Diese Bestätigung hatte nur die ![]() ![]() | |
Der Hinweis des Handelsgerichts auf JAEGER, Art. 213 SchKG N. 12, wonach der Zeitpunkt, in dem der Rechtsgrund der Forderung entsteht, für die Zulässigkeit oder den Ausschluss der Verrechnung massgebend sei, führt nicht zu einer anderen Würdigung. Der Kommentator äussert sich an dieser Stelle zum Fall des Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG und denkt z.B. an "Schulden, die der Masse gegenüber aus einem vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung abgeschlossenen Vertrag entstehen, in den sie nach Konkurseröffnung eingetreten ist". Dieses Beispiel betrifft eine durch den Abschluss eines Vertrages entstandene Forderung. Es sagt nichts darüber, in welchem Zeitpunkt eine auf fahrlässiger Täuschung beruhende Schadenersatzforderung entsteht, ob schon mit der Irreführung oder erst wenn der Getäuschte die ihn schädigende Handlung vornimmt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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