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Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
2. ... Art. 67 OG in der Fassung gemäss Art. 118 PatG stellt ...
3. Art. 67 OG bestimmt, das "Bundesgericht" könne Beweismass ...
4. Nach Art. 67 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 OG sind Anträge auf &U ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Februar 1965 i.S. The Dow Chemical Company gegen Cliché AG und Gebr. Ritter.
 
 
Regeste
 
Berufung im Patentprozess.
 
Befugnisse des Instruktionsrichters und der Gerichtsabteilung hinsichtlich der Anordnung von Beweismassnahmen zur Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse und hinsichtlich der Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel, die sich auf solche Verhältnisse beziehen.
 
Wann haben die Parteien Gelegenheit, Beweismassnahmen und die Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel zu beantragen? Wann ist über solche Anträge zu entscheiden? Art. 67 BZP ist nicht anwendbar.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 91 II 68 (69)Die Beklagte legte gegen das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 15. Oktober 1963, das ihr Patent Nr. 338'669 mangels Erfindungshöhe für nichtig erklärte, Berufung ein und beantragte in der Berufungsschrift u.a. die Ernennung eines neuen chemischen Sachverständigen durch das Bundesgericht. Der Instruktionsrichter wies diesen Antrag am 25. Mai 1964 ab und ersuchte die bisherigen Sachverständigen um eine Ergänzung ihres Gutachtens. Am 25. September 1964 liess er den Parteien das Ergänzungsgutachten zustellen, und mit Verfügung vom 7. Oktober 1964 gab er ihnen durch Ansetzung einer Frist Gelegenheit, unter den Voraussetzungen von Art. 67 Ziff. 3 OG und Art. 60 Abs. 1 BZP Anträge im Sinne dieser Bestimmungen zu stellen. Die Beklagte beantragte hierauf mit Eingabe vom 27. Oktober 1964 die Anordnung einer Oberexpertise. Der Instruktionsrichter holte bei den Sachverständigen eine Vernehmlassung ein und liess sie am 11. Dezember 1964 den Parteien zugehen mit dem Bemerken, er ordne keine weitern Beweismassnahmen, insbesondere keine Oberexpertise an. Hierauf beantragte die Beklagte mit Eingabe von 21. Dezember 1964 unter Berufung auf Art. 67 BZP, die I. Zivilabteilung möge in Abänderung der Verfügung des Instruktionsrichters vom 11. Dezember 1964 über die Frage der Erfindungshöhe eine Oberexpertise anordnen. Zu dieser Eingabe holte der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 30. Dezember 1964 für den Fall, dass sie nicht aus den Akten gewiesen werden sollte, Gegenbemerkungen der Kläger ein. Am 11. Januar 1965 richtete die Beklagte an den Präsidenten der I. Zivilabteilung das Gesuch, ihren Antrag vom 21. Dezember 1964 vor der Berufungsverhandlung der Abteilung vorzulegen. Vom Instruktionsrichter mit Schreiben vom 13. Januar 1965 u.a. darauf hingewiesen, dass sie nicht berechtigt sei, den in der Berufungsschrift und in der Eingabe vom 27. Oktober 1964 gestellten und begründeten, der I. Zivilabteilung auf die Hauptverhandlung hin zur Kenntnis gelangenden Antrag auf Einholung eines Obergutachtens zum Gegenstand weiterer Eingaben zu machen, hat sie dem Bundesgericht in der mündlichen Parteiverhandlung beantragt, vor der Verhandlung über die Sache selbst über ihren Beweisantrag zu entscheiden. Diesen Begehren wurde nicht entsprochen.
Das (die Berufung abweisende) Urteil des BundesgerichtesBGE 91 II 68 (69) BGE 91 II 68 (70)enthält über die durch die Beweisanträge der Beklagten aufgeworfenen Fragen des Verfahrensrechtes folgende
 
Wie schon in BGE 85 II 514 ausgeführt, macht Art. 67 OG die Weiterziehung kantonaler Urteile in Patentprozessen nicht zur Appellation. Vielmehr bleibt diese Weiterziehung eine Berufung, wie schon aus der Stellung von Art. 67 OG im Gesetz und aus der Erwähnung der Berufungsschrift und -antwort in Ziffer 3 Abs. 1 hervorgeht. Die einzelnen Vorschriften des Art. 67 OG sind daher im Geiste dieses Rechtsmittels auszulegen. Soweit sie keine Sonderregelung enthalten, sind die allgemeinen Vorschriften über die Berufung auch in Patentprozessen anwendbar (vgl. z.B. BGE 85 II 594 f., wonach das Bundesgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbständig treffen darf, sondern die Sache gemäss Art. 64 OG an die Vorinstanz zurückzuweisen hat, wenn es zur Auffassung gelangt, ein von der Vorinstanz nicht beurteilter Nichtigkeitsgrund müsse geprüft werden, und BGE 89 II 163 BGE 91 II 68 (70) BGE 91 II 68 (71)und 173, wonach Art. 63 Abs. 2 OG massgebend bleibt, soweit nicht Art. 67 OG eingreift).
Der Instruktionsrichter entscheidet jedoch nicht endgültig, ob und in welchem Umfang gemäss Antrag einer Partei oder von Amtes wegen ein Beweisverfahren durchzuführen und ob Anträgen auf Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel und Gesuchen um Einräumung einer Frist für solche Anträge zu entsprechen sei. Der abschliessende Entscheid hierüber steht vielmehr der für die Urteilsfällung zuständigen Gerichtsabteilung zu. Das folgt schon daraus, dass diese die Berufung umfassend zu prüfen hat, und wird durch den gemäss Art. 67 Ziff. 4 OG für die Beweismassnahmen entsprechend anwendbaren Art. 68 BZP bestätigt. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nämlich, dass das "Gericht", womit nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes (vgl. z.B. Art. 15 Abs. 1 und 44 Abs. 4 BZP) die zuständige Gerichtsabteilung im Gegensatz zum Instruktionsrichter gememt ist, über die Vollständigkeit der Beweiserhebungen befindet und dass auch nach den ordentlichen Parteivorträgen auf Anordnung der Abteilung noch Beweise aufgenommen werden können.
BGE 91 II 68 (71)
BGE 91 II 68 (72)Das Gericht nimmt zu den vorerst vom Instruktionsrichter geprüften Fragen der Tatbestandsermittlung von Amtes wegen Stellung. Die betreffenden Verfügungen des Instruktionsrichters unterliegen nicht etwa einer förmlichen Weiterziehung an das Gericht, wie Art. 15 Abs. 1 BZP sie mit Bezug auf Verfügungen über die Zulassung des Beitritts eines Dritten zum Prozess im Verfahren vor Bundesgericht als einziger Instanz ausnahmsweise vorsieht.
4. Nach Art. 67 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 OG sind Anträge auf Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse und auf Anordnung von Beweismassnahmen im Sinne von Ziff. 1 sowie Anträge auf Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Ziff. 2 Abs. 2 in der Berufungsschrift oder -antwort zu stellen und zu begründen. Anträge auf Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel sind gemäss Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 auch noch innert der auf Gesuch hin hiefür eingeräumten weitern Frist zulässig (vgl. BGE 86 II 197 unten). Falls vom Bundesgericht ein Gutachten angeordnet wurde, sind die Parteien gemäss Ziff. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 BZP ausserdem befugt, innert der Frist, die ihnen nach der zuletzt genannten Bestimmung zu eröffnen ist, die Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens oder eine neue Begutachtung und die Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel zu beantragen. Diese Vorschriften bestimmen abschliessend, bei welchen Gelegenheiten die Parteien im Berufungsverfahren in Patentprozessen schriftliche Anträge mit Bezug auf die Anordnung von Beweismassnahmen und die Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel stellen dürfen. Hier nicht vorgesehene Eingaben zu diesem Gegenstande sind unzulässig. Die Parteien sind entgegen der Auffassung der Beklagten namentlich nicht berechtigt, binnen zehn Tagen, nachdem der Instruktionsrichter seine Beweiserhebungen als abgeschlossen erklärt hat, eine Ergänzung zu beantragen. Art. 67 BZP, auf den die Beklagte sich beruft, gilt für das Berufungsverfahren in Patentsachen nicht. Art. 67 Ziff. 4 OG erklärt für die Beweismassnahmen des Bundesgerichts in diesem Verfahren nur die Art. 36-65 und 68 BZP als entsprechend anwendbar. Hätte der Gesetzgeber auch Art. 67 BZP angewendet wissen wollen, so hätte er diese Bestimmung in Art. 67 Ziff. 4 OG zweifellos neben Art. 68 BZP aufgeführt. Aus der Nichterwähnung desBGE 91 II 68 (72) BGE 91 II 68 (73)Art. 67 BZP ist also zu schliessen, dass er in diesem Verfahren nicht gelten soll. Dieser Schluss rechtfertigt sich um so eher, als die in Art. 67 Ziff. 4 OG genannten Bestimmungen des BZP für die Regelung der vom Bundesgericht gemäss Art. 67 OG allenfalls zu treffenden Beweismassnahmen durchaus genügen und Art. 67 Ziff. 3 OG den Parteien hinlänglich Gelegenheit bietet, ihre Anträge auf weitere Abklärung des Tatbestandes schriftlich zur Geltung zu bringen.
Den Parteien ist dagegen gestattet, in der Berufungsverhandlung die Anträge, die sie in der Berufungsschrift oder -antwort oder innert der Fristen gemäss Art. 67 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 OG oder 60 Abs. 1 BZP gestellt haben, zu erneuern und sich mit den Verfügungen des Instruktionsrichters über diese Anträge auseinanderzusetzen. Sie haben jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht zu solchen Ausführungen vor der Verhandlung und Beratung über die Sache selbst Stellung nehme. Ob weitere Beweismassnahmen zu treffen und die im Berufungsverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel zuzulassen seien oder nicht, lässt sich in der Regel nur im Zusammenhang mit der Behandlung der Sache selbst zuverlässig entscheiden.
Nach diesen Grundsätzen ist von den schriftlichen Äusserungen der Beklagten, die den Tatbestand und das Beweisverfahren betreffen, neben den bezüglichen Ausführungen in der Berufungsschrift nur die Eingabe vom 27. Oktober 1964 zu beachten, die innert der den Parteien gemäss Art. 60 Abs. 1 BZP eröffneten Frist einging. Die spätern Eingaben vom 21. Dezember 1964 und 11. Januar 1965 wurden vom Instruktionsrichter mit Recht als unzulässig bezeichnet. Dem heutigen Begehren der Beklagten, den in der Berufungsschrift und in der Eingabe vom 27. Oktober 1964 gestellten, heute mündlich wiederholten Antrag auf Bestellung eines neuen chemischen Sachverständigen vor der Verhandlung über die Sache selbst zu beurteilen, war nicht zu entsprechen.BGE 91 II 68 (73)