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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Firma der Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der Sc ...
2. Aktiengesellschaften können unter Wahrung der allgemeinen ...
3. Im vorliegenden Falle liegt auf der Hand, dass sich die Wö ...
4. Der Entscheid darüber, ob die Firma der Beklagten sich vo ...
5. Die Beklagte und das Handelsgericht glauben, an die Unterschei ...
6. Mit dem ersten Rechtsbegehren will die Klägerin der Bekla ...
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16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juni 1966 i.S. Pavag AG gegen Bavag Bau- und Verwaltungs-AG
 
 
Regeste
 
Firmenrecht.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 92 II 95 (95)A.- Die Pavag AG ist eine seit 1926 bestehende Aktiengesellschaft mit Sitz in Nebikon (Luzern). Ihre Geschäftszwecke sind im Handelsregister wie folgt umschrieben: "Verwertung von Kraftpapier, insbesondere Herstellung und Vertrieb vonBGE 92 II 95 (95) BGE 92 II 95 (96)Kraftpapiersäcken, sowie Beteiligung an Unternehmungen verwandter Art." Die Pavag AG verwendet das Wort Pavag schon seit ihrer Gründung als Marke. Es ist im schweizerischen Markenrechtsregister eingetragen.
Am 28. Oktober 1964 gründete Georges Theiler die Bavag Bau- und Verwaltungs-AG mit dem Zweck "Bau und Verwaltung von Liegenschaften und Tätigung aller damit zusammenhängenden Geschäfte". Ihr Sitz befindet sich in seinem Architekturbüro in Zürich. Theiler ist Hauptaktionär dieser Gesellschaft.
B.- Im Juli 1965 klagte die Pavag AG gegen die Bavag Bau- und Verwaltungs-AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit den Begehren:
"1. Es sei der Beklagten - unter der Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe im Widerhandlungsfall - gerichtlich zu verbieten, das Wort ,BAVAG' in irgendeinem Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu verwenden.
2. Es sei die Beklagte - unter der Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe im Unterlassungsfalle - gerichtlich zu verurteilen, den Bestandteil ,BAVAG' aus ihrer Firma zu entfernen."
Das Handelsgericht wies am 15. Dezember 1965 die Klage ab.
C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Klage gutzuheissen.
 
Ob diesem Erfordernis Genüge geleistet sei, beurteilt sich grundsätzlich unter Berücksichtigung der ganzen Firma. Bestandteilen, die durch ihren Klang oder Sinn hervorstechen, kommt jedoch bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erhöhte Bedeutung zu, da sie in der Erinnerung besser haften bleiben und im Verkehr, sei es von der Gesellschaft selber, sei es von Dritten, oft allein verwendet werden, besonders im Gespräch. Daher kann schon der Gebrauch oder die Nachahmung des Hauptbestandteiles einer Firma die Unterscheidung so erschweren, dass Verwechslungen möglich werden (BGE 25 II 37f. Erw. 4,BGE 36 II 70Erw. 2,BGE 38 II 644Erw. 2,BGE 53 II 34,BGE 59 II 158,BGE 61 II 123,BGE 72 II 185,BGE 73 II 112,BGE 77 II 324, BGE 82 II 154, 341, BGE 88 II 36, BGE 90 II 319).
An die Unterscheidbarkeit von Phantasiebezeichnungen stellt die Rechtsprechung strengere Anforderungen als an die Unterscheidbarkeit von Firmen, die ganz oder teilweise aus Sachbezeichnungen, Ortsangaben oder ähnlichen zum gemeinsamen Sprachgebrauch gehörenden Ausdrücken bestehen (BGE 37 II 538,BGE 40 II 603ff. Erw. 3,BGE 54 II 128,BGE 72 II 186,BGE 77 II 325, BGE 82 II 154, 341, BGE 90 II 319).
Das Bundesgericht hat ferner wiederholt hervorgehoben, dass die Verwechselbarkeit zweier Firmen von der AufmerksamkeitBGE 92 II 95 (97) BGE 92 II 95 (98)abhängt, die in den Kreisen üblich ist, mit denen die beiden Inhaber geschäftlich zu verkehren pflegen (BGE 59 II 158,BGE 58 II 45,BGE 73 II 113,BGE 74 II 237f.,BGE 77 II 324, BGE 82 II 154, BGE 88 II 295, BGE 90 II 201). Wenden sich beide an die gleichen Kreise, so sind naturgemäss an die Unterscheidbarkeit ihrer Firmen strengere Anforderungen zu stellen. Verschiedenheit der Geschäftszwecke und des Geschäftssitzes verringern die Gefahr von Verwechslungen oft schon deshalb, weil sie abweichende Kundenkreise zur Folge haben. Zudem können sie Dritten zum Bewusstsein bringen, dass sie nicht ein und demselben Geschäftsinhaber gegenüberstehen. Schlechthin ausschlaggebend ist das aber nicht. Dass die Rechtsprechung bei der Firmenwahl besondere Rücksichtnahme auf die am gleichen Orte niedergelassenen und gleiche Zwecke verfolgenden Geschäftsleute verlangt (BGE 63 II 25,BGE 73 II 115,BGE 76 II 87f., BGE 82 II 154, BGE 88 II 36, 181, 295), hat nicht den Sinn, die Firmen von Gesellschaften mit abweichenden Sitzen und Zwecken brauchten sich voneinander nicht deutlich zu unterscheiden.
Beiden Firmen ist ferner die Angabe der Gesellschaftsform durch die Buchstaben AG gemeinsam.
Wenn die Beklagte, sei es von ihr selbst, sei es von Dritten, als Bavag AG oder auch bloss als Bavag bezeichnet wird. ist die Gefahr der Verwechslung mit der Klägerin so gross, dass selbst bei weitester Nachsicht von einer deutlichen Unterscheidbarkeit im Sinne des Gesetzes nicht die Rede sein kann.
BGE 92 II 95 (98) BGE 92 II 95 (99)Dass die Klägerin in Nebikon, die Beklagte dagegen in Zürich niedergelassen ist, ändert nichts. Einmal hat die Klägerin nachgewiesen, dass auch sie in Zürich ein Büro unterhält. Aber auch abgesehen hievon leuchtet ein, dass sich ihre geschäftliche Tätigkeit nicht auf den Ort ihres Sitzes Nebikon beschränkt und dass anderseits die Beklagte nicht bloss in Zürich tätig wird. Die Natur der Geschäftszwecke der Parteien ermöglicht ohne weiteres, dass sie an den gleichen Orten auftreten. Die Nichtübereinstimmung des Sitzes schliesst die Gefahr von Verwechslungen um so weniger aus, als weder der eine noch der andere Firmenname eine Ortsangabe enthält. Auch der Umstand, dass die Klägerin Kraftpapiere verwertet, besonders Säcke aus solchen herstellt und vertreibt, die Beklagte dagegen Liegenschaften baut und verwaltet und damit zusammenhängende Geschäfte tätigt, schützt nicht genügend vor Verwechslungen. Er besagt nur, dass die Parteien nicht miteinander im Wettbewerb stehen. Die Klägerin hat indessen nicht nur Anspruch darauf, dass ihr nicht durch Verwechslungen Kunden verloren gehen, sondern sie darf erwarten, dass ihr überhaupt im Geschäftsverkehr, z.B. im Umgang mit der Post, mit Banken, mit Behörden, die Unannehmlichkeiten und die direkt oder indirekt schädlichen Einflüsse von Verwechslungen erspart bleiben. Sie braucht sich auch nicht gefallen zu lassen, dass Dritte meinen, sie sei eine Tochter- oder Muttergesellschaft der Beklagten oder mit ihr wirtschaftlich verbunden. Berührungspunkte zwischen den beiden Gesellschaften sind um so eher denkbar, als die Klägerin unter anderem Papiersäcke zur Verpackung von Baumaterialien, wie Zement, Gips, Kalk, und solche zur Beseitigung von Kehricht absetzt. Der Zusammenhang mit dem Bau und der Verwaltung von Liegenschaften ist daher hergestellt, wenn auch nur sehr locker. Dazu kommt, dass die "Beteiligung an Unternehmungen verwandter Art" zu den Geschäftszwecken der Klägerin gehört und dass diese in der Pavatex AG eine Tochtergesellschaft hat, welche, wie früher die Klägerin selber, Faserplatten herstellt, die im Baugewerbe verwendet werden. Die Vermutung, auch die Beklagte als Herstellerin von Bauten sei eine Tochtergesellschaft der Klägerin, liegt deshalb nicht ganz fern.
Das ist zu verneinen. "Bau- und Verwaltungs-AG" ist ein schwacher Bestandteil der Firma, weil er die geschäftliche Tätigkeit der Beklagten umschreibt und insofern sprachliches Gemeingut ist. Dritte werden dazu neigen, ihn wegzulassen, weil sie ihn als überflüssig erachten oder nur das Wort Bavag als eigentlichen Namen der Beklagten ansehen. Das Bestreben nach Kürzung wird sich besonders in Anschriften auf Postsendungen und im mündlichen Verkehr durchsetzen. Auch die Beklagte selber wird in Gesprächen ihrer Organe und Angestellten, besonders am Telephon, kaum jemals mit ihrem vollen Namen auftreten. Lange Firmen pflegen mit Vorliebe abgekürzt zu werden (BGE 82 II 156). Beibehalten werden dabei nur die charakteristischen Bestandteile, während man Zusätze, welche den Geschäftszweck, den Sitz und dgl. bezeichnen, als nebensächlich weglässt. Charakteristisch aber ist in der Firma der Beklagten das Wort Bavag. Es ist eine Abkürzung von "Bau- und Verwaltungs-AG". Die Beklagte hat es nicht in die Firma aufgenommen, um diese zu verlängern, sondern um ihr ein auffallendes Gepräge zu verleihen und sie in abgekürzter Form gebrauchen zu können. In zahlreichen Inseraten und auf ihrer Geschäftskarte hebt sie "Bavag" denn auch in besonders grosser und eigenartiger Schrift von dem nur klein geschriebenen übrigen Teil der Firma ab. Dieses Wort eignet sich um so besser, für sich allein zur Bezeichnung der Beklagten verwendet zu werden, als es ein reines Phantasiewort ist.
BGE 92 II 95 (100) BGE 92 II 95 (101)Das Erfordernis deutlicher Unterscheidbarkeit der Firmen geht dem Wunsche vor, ohne besondere Anstrengung einen gefälligen Namen zu finden.
Der Beklagten hilft auch der Einwand nicht, die Firma der Klägerin sei bereits durch andere Firmen, die ihr glichen, abgeschwächt worden, weshalb auch der Name der Beklagten sich ihr nähern dürfe. Gewiss kommen die Wörter Bawag, Bewag, Buwag, Bevag und Bauvag als Hauptbestandteil der Firmen von sechs Aktiengesellschaften vor, die an verschiedenen schweizerischen Orten niedergelassen sind. Es war jedoch Sache der Klägerin, sich schlüssig zu werden, ob sie ihre Verwendung untersagen lassen wolle oder nicht. Indem sie davon absah, den Richter anzurufen, begab sie sich des Klagerechtes gegenüber der heutigen Beklagten nicht. Es kann auch nicht gesagt werden, das Wort Pavag habe durch die wenigen nachgewiesenen Annäherungen seine Unterscheidungskraft verloren und gehöre fortan einem Wortschatz an, der Gemeingut sei. Es ist nach wie vor eine reine Phantasiebezeichnung, die der Klägerin nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu ausschliesslichem Gebrauche zusteht.
Ein unbefugter Gebrauch liegt unter anderem darin, dass das Wort als Teil der Firma der Beklagten im Handelsregister steht (vgl.BGE 79 II 191, BGE 88 II 178 Erw. 1). Die Klägerin hat Anspruch auf Beseitigung dieses Eintrages. Das zweite Rechtsbegehren ist daher ebenfalls begründet. Immerhin ist der Beklagten, wie es in solchen Fällen üblich ist, eine angemessene Frist zu setzen, um das Wort Bavag aus dem Eintrag entfernen zu lassen.
Sowohl das Verbot gemäss Rechtsbegehren 1 als auch das Gebot gemäss Rechtsbegehren 2 sind, wie die Klägerin beantragt, mit der Androhung zu verbinden, dass Widerhandlungen für die Organe der Beklagten die in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen nach sich zögen.
BGE 92 II 95 (101)
BGE 92 II 95 (102)Demnach erkennt das Bundesgericht:
Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 1965 wird aufgehoben und die Klage wie folgt gutgeheissen:
1. Der Beklagten wird verboten, das Wort Bavag in irgend einem Zusammenhang als Firma oder Bestandteil einer solchen zu verwenden.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Handelsregisteramt des Kantons Zürich binnen dreissig Tagen um Entfernung des Wortes Bavag aus ihrer Firma zu ersuchen.
3. Für den Fall der Widerhandlung gegen das vorstehende Verbot (Ziffer 1) oder Gebot (Ziffer 2) wird den Organen der Beklagten gemäss Art. 292 StGB Haft oder Busse angedroht.BGE 92 II 95 (102)