9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Februar 1972 i.S. Standard Commerz Bank gegen Commerzbank Aktiengesellschaft. | |
Regeste | |
Firmenbildung, Schutz des Handelsnamens, unlauterer Wettbewerb.
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2. Art. 1 UWG. Wettbewerbsverhältnis zwischen einem ausländischen und einem schweizerischen Bankunternehmen (Erw. 2).
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3. Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Unlauterer Wettbewerb durch Führung einer Firma, die teils aus dem zum Individualzeichen gewordenenBestandteil einer älteren Firma besteht; Rechtsfolgen (Erw. 3-5).
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4. Art. 29 Abs. 2 ZGB. Verletzung des Namensrechtes durch den Gebrauch einer unzulässigen Geschäftsfirma (Erw. 6).
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Sachverhalt | |
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B.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Die Klägerin geniesst daher - und genoss schon vor dem Inkrafttreten der neuesten Fassung der Übereinkunft - in der Schweiz in bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die gleichen Vorteile, welche die schweizerischen Gesetze den Schweizern gewähren (Art. 2 Abs. 1 PVUe). Insbesondere ist ihr Handelsname in der Schweiz ohne Verpflichtung zur Hinterlegung oder Eintragung geschützt (Art. 8 PVUe) und hat sie Anspruch auf einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (Art. 10 bis PVUe).
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Art. 8 PVUe hat nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht den Sinn, der ausländische Handelsname sei auch ohne Eintragung in das Handelsregister wie ein im Inland eingetragener zu schützen. Die Bestimmung verlangt nur, dass jedes Verbandsland dem nicht eingetragenen Handelsnamen des Angehörigen eines anderen Verbandslandes auch ohne Eintragung den gleichen Schutz gewähre, den es dem nicht eingetragenen Handelsnamen der eigenen Staatsangehörigen bietet. Es verhält sich auch dann nicht anders, wenn der Handelsname im Ursprungslande förmlich registriert worden ist. Diese Eintragung ist nicht kraft der Verbandsübereinkunft einer Eintragung in den anderen Verbandsländern gleichzustellen (BGE 79 II 307ff., BGE 90 II 197, 318).
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Auch Art. 956 OR stellt die ausländische Eintragung einer Eintragung in der Schweiz nicht gleich. Da die Klägerin hier nicht im Handelsregister eingetragen ist - sie unterhält keine schweizerische Zweigniederlassung -, steht ihr daher das in dieser Bestimmung vorgesehene Recht zum ausschliesslichen ![]() ![]() | |
Die Klägerin hat denn auch ihre Rechtsbegehren nur aus unlauterem Wettbewerb (Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG) und aus dem Persönlichkeitsrecht auf ihren Namen (Art. 29 ZGB) abgeleitet, und das Obergericht hat sie nur unter ersterem Gesichtspunkt geschützt.
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a) Das Obergericht ist der Auffassung, die räumliche Voraussetzung eines Wettbewerbes sei schon dann erfüllt, wenn der Kunde das Tun des einen Unternehmens dem anderen zurechnet oder eine Verbindung zwischen beiden annimmt, so dass er sich auf Grund der Leistungen oder Handlungen des einen sein Urteil über jene des andern bilde, die beiden Unternehmen also in einen Zusammenhang bringe, der nicht besteht. Es bejaht deshalb ein räumliches Wettbewerbsverhältnis im vorliegenden Falle schon mit der Begründung, es bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass deutsche Touristen in Luzern die Dienste der Beklagten in Anspruch nehmen und wegen der Ähnlichkeit der beiden Handelsnamen auf eine Verbindung zwischen den Unternehmen der Parteien schliessen. Es beruft sich auf TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 1. Auflage S. 896 (= 2. Auflage S. 1040 f.).
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Diese Auffassung ist zu verdeutlichen. Zwei Unternehmen stehen nur dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie für ihre (gleichartigen) Leistungen wenigstens teilweise im gleichen geographischen Gebiete Kunden suchen oder die Gefahr besteht, dass jemand sich trotz der getrennten Werbegebiete statt vom einen vom anderen Unternehmen bedienen lasse (vgl.BGE 76 II 96,BGE 79 II 314, BGE 88 II 32 Erw. 2, BGE 90 II 323 f.). Der Schluss, den das Publikum aus der Ähnlichkeit der beiden Namen ziehen mag, sagt nichts darüber aus, ob die eine oder andere Voraussetzung ![]() ![]() | |
Der Klägerin können schon ausserhalb der Schweiz Kunden entgehen, wenn sie die Namen der Parteien verwechseln oder zu Unrecht auf wirtschaftlich enge Beziehungen unter den Parteien schliessen. Statt dass sich ein Kunde an die Klägerin im Ausland wendet, nimmt er die Dienste der Beklagten in der Schweiz in Anspruch in der Meinung, die Beklagte sei eine Zweigniederlassung der Klägerin oder werde von dieser beherrscht. Es verhält sich anders als im Beispiel der Lichtspieltheater, deren Kunden aus einem geographisch kleinen Gebiet kommen und nicht wegen einer Verwechslung das im Ausland liegende Theater eines anderen Unternehmens besuchen. Die Klägerin ist nicht eine kleine Lokalbank, sondern eine Grossbank ![]() ![]() | |
Die Parteien stehen daher schon unter diesem Gesichtspunkt miteinander im Wettbewerb, gleichgültig ob die Klägerin in der Schweiz Geschäfte abzuschliessen pflegt.
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b) Das Fehlen schweizerischer Betriebsstätten der Klägerin bedeutet zudem nicht, dass diese in der Schweiz keine Kunden habe. Das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen verbietet ihr nicht, an Personen in der Schweiz heranzutreten und mit ihnen Geschäfte zu tätigen. Es ist nur anwendbar auf die schweizerischen Banken und auf die in der Schweiz bestehenden Sitze, Zweigniederlassungen, Agenturen und Vertreter ausländischer Banken (Art. 1 und 2). Ausländische Banken dürfen auch dann, wenn sie diesem Gesetz nicht unterstehen, in der Schweiz Kunden werben und mit solchen Geschäfte abschliessen, sei es, dass sie vom Auslande aus selber handeln, sei es, dass sie die Dienste schweizerischer Banken in Anspruch nehmen. Wenn die Klägerin in der Schweiz wirbt oder unmittelbar oder mittelbar Bankgeschäfte einzugehen pflegt, steht sie hier mit der Beklagten im Wettbewerb (BGE 91 II 123 Erw. 2).
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Werbung der Klägerin in der Schweiz ist nachgewiesen. Es steht fest, dass die Klägerin sich schon oft in schweizerischen Finanz- und Tageszeitungen durch Inserate als deutsche Grossbank mit weiten internationalen Verbindungen empfohlen hat.
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Konkrete Geschäfte zwischen der Klägerin und schweizerischen Kunden sind begreiflicherweise keine namhaft gemacht worden. Die Parteien sind sich aber einig, dass die Klägerin in der Schweiz mit Korrespondenzbanken verkehrt. Das Obergericht stellt ferner fest, dass sie hier in Wirtschafts- und Finanzkreisen bekannt ist und auch nennenswerte Geschäftsbeziehungen zur Zentralschweiz unterhält, denn es sei notorisch, dass die Wirtschaft der Schweiz mit jener der Bundesrepublik Deutschland verflochten sei.
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Die Klägerin steht somit auch dank ihrer Werbung und ihrer ![]() ![]() | |
Wie das Firmenrecht (Art. 956 Abs. 2 OR) verlangt aber auch das Wettbewerbsrecht, dass durch gleichartige Hinweise nicht die Gefahr von Verwechslungen geschaffen werde (Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG). Wer in der Firma die Natur seines Geschäftes angibt, muss durch einen Zusatz oder sonstwie dafür sorgen, dass es dennoch genügend vom Geschäft des Mitbewerbers unterschieden werden kann (BGE 36 II 71,BGE 37 II 538,BGE 40 II 605Erw. 4,BGE 54 II 128,BGE 59 II 159,BGE 63 II 25Erw. 3, BGE 90 II 204).
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Eine weitere Schranke ist der Verwendung einer Sachbezeichnung ferner dann gesetzt, wenn sie in der Firma des anderen durch langen Gebrauch zum Individualzeichen geworden ist, d.h. die Bedeutung eines schlagwortähnlichen Hinweises auf den Firmeninhaber und sein Geschäft erlangt hat (BGE 59 II 160f.,BGE 77 II 326, BGE 82 II 341 f., BGE 87 II 351 Erw. 3, BGE 90 II 205, BGE 97 II 158 Erw. f.). Sie darf dann selbst in Verbindung mit Zusätzen nicht als charakteristischer Bestandteil in die jüngere Firma aufgenommen werden; deren Inhaber muss sich damit begnügen, seine geschäftliche Tätigkeit rein beschreibend in einer Art und Weise bekanntzugeben, die nicht zu Verwechslungen führen kann (BGE 59 II 161ff. Erw. 3 und 4).
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4. Der Ausdruck "Commerz", der vom lateinischen Wort "commercium" abstammt, war ursprünglich in Deutschland eine Sachbezeichnung. Er wurde dort noch im 19. Jahrhundert ![]() ![]() | |
Das Obergericht schliesst nämlich aus dem Umstand, dass das Wort "Commerz" im deutschen Sprachraum normalerweise nicht mehr gebraucht wird, es habe als Firmenbestandteil der Klägerin kennzeichnenden Charakter erlangt. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet daher das Bundesgericht (BGE 90 II 205). Sie leuchtet auch ein. Die Klägerin ist die Nachfolgerin der im Jahre 1870 gegründeten "Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg", die später "Commerz- und Disconto-Bank AG" hiess. Als dieses Unternehmen im Jahre 1920 mit der Mitteldeutschen Privatbank AG verschmolzen wurde, hiess die neue Firma "Commerz- und Privatbank AG" (Das Grosse Duden-Lexikon, 2. Auflage, unter "Commerzbank AG"). Anlässlich der Grossbanken-Reform im Jahre 1952 nahm eine der drei Nachfolgebanken die Firma "Commerz- und Credit-Bank AG" an (Der Grosse Brockhaus, unter "Commerzbank"). Als im Jahre 1958 die drei Nachfolge-Institute sich wieder zusammenschlossen, wählte die Klägerin die Firma "Commerzbank Aktiengesellschaft". Der Bestandteil "Commerz" kommt also in der Firma der Klägerin und ihrer Vorgängerinnen seit hundert Jahren vor. Während dieser Ausdruck in der Umgangs- und Geschäftssprache nach und nach veraltete, konnte er sich zum Schlagwort für die Klägerin und ihr Unternehmen entwickeln. Die Beklagte versucht das in der Berufung nicht zu widerlegen.
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Dass es in der Schweiz Grossbanken gibt, deren Namen sich nach der Auffassung der Beklagten nur unwesentlich voneinander unterscheiden, bürgt nicht notwendigerweise für ein hochentwickeltes Unterscheidungsvermögen aller Bankkunden. Namentlich aber sagt dieser Umstand nicht, dass jene Kunden, die sich der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der betreffenden schweizerischen Grossbanken bewusst sind, ohne weiteres auch den Gedanken verwerfen, die kleine "Standard Commerz Bank" sei ein von der grossen deutschen "Commerzbank Aktiengesellschaft" beherrschtes oder benütztes Institut.
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Wenn die Beklagte sodann aufBGE 40 II 123ff. verweist, wo in der Führung der Firma "Alliance Horlogère" kein firmenrechtlicher oder wettbewerbsrechtlicher Verstoss gegen die Rechte der älteren Genossenschaft "Union Horlogère" gesehen wurde, so verkennt sie, dass das Bundesgericht in allen Bestandteilen dieser Firmen reine Sachbezeichnungen (Hinweise auf den Geschäftszweig und die genossenschaftliche Organisation) sah und ausführte, die Namen seien nur deshalb ähnlich, weil ![]() ![]() | |
Unnötig war es, der Beklagten für den Fall, dass sie gegen das Verbot über die Drucksachen verstossen sollte, auch deren Beschlagnahme anzudrohen. Art. 292 StGB verlangt nur den Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels. Das Gesetz ist jedoch durch die Aufnahme der überflüssigen Androhung nicht verletzt, da der Strafrichter frei zu entscheiden haben wird, ob die Drucksachen zu beschlagnahmen seien. Die Beklagte beschwert sich denn auch über diese Androhung nicht.
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Die Frage geht indessen nicht dahin, ob die Beklagte das Wort "Commerz" im mündlichen oder schriftlichen Umgang mit Dritten in irgendwelchem Zusammenhang gebrauchen dürfe, ![]() ![]() | |
Indessen kommt nichts darauf an, dass die Beklagte das Namensrecht der Klägerin verletzt hat und weiterhin verletzen würde, wenn sie auch in Zukunft als "Standard Commerz Bank" aufträte, denn das ist ihr schon auf Grund des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb verboten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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