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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. a) Die Unterhaltspflicht des Ehemannes im Sinne von Art. 160 A ...
3. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich fest ...
4. Unter dem Gesichtswinkel der gleichberechtigten Partnerschaft  ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli 1984 i.S. L. H. gegen A. H. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Unterhaltspflicht in getrennter Ehe (Art. 160 Abs. 2 ZGB).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 110 II 116 (116)A.- A. H. und L. S. haben am 27. Dezember 1971 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.
Am 22. September 1981 erhob die Ehefrau Klage auf Trennung der Ehe für unbestimmte Zeit nach Massgabe der Art. 137, 142 und 146 ZGB. Sie forderte vom Ehemann einen monatlich vorschüssigen und indexierten Unterhaltsbeitrag von Fr. 800.-, verlangte die Anordnung der Gütertrennung und das Begleichen einer Sondergutsforderung von Fr. 8'500.- nebst ihrem Vorschlagsdrittel.
Der Ehemann beantragte die Abweisung der Klage und widerklageweise die Scheidung der Ehe gemäss Art. 142 ZGB. Er erklärte sich bereit, der Ehefrau einen Vorschlagsdrittel von Fr. 3'867.70 auszuzahlen.
BGE 110 II 116 (116) BGE 110 II 116 (117)Das Bezirksgericht entsprach am 5. Oktober 1982 dem Ehetrennungsbegehren der Ehefrau und wies die Widerklage des Ehemannes ab. Es regelte die güterrechtlichen Fragen im Sinne der Parteianträge, sprach jedoch der Ehefrau keinen Unterhaltsbeitrag zu.
B.- Das Obergericht des Kantons X. wies die Appellation der Ehefrau, mit welcher sie die Verpflichtung des Ehemannes zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von Fr. 600.- während der Dauer der Ehetrennung sowie die Neuverteilung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung verlangt hatte, mit Urteil vom 1. Dezember 1983 ab.
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts reichte die Ehefrau Berufung beim Bundesgericht ein und forderte die Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von Fr. 600.- nach Massgabe von Art. 160 Abs. 2 ZGB.
 
b) Auf der anderen Seite besteht auch in getrennter Ehe die Beitragspflicht der Ehefrau aus ihrem Arbeitserwerb gemäss Art. 192 Abs. 2 ZGB. Dabei sind unter den vom Gesetz genannten Bedürfnissen des Haushaltes die ehelichen Lasten insgesamt zu verstehen (LEMP, N. 16 zu Art. 192 ZGB).
3. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Parteien schon vor der Heirat acht Jahre zusammengelebt haben und dass während dieser Zeit beide einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Abgesehen von einer kurzen krankheitsbedingten Unterbrechung, habe die Klägerin auch während der Ehe immer gearbeitet. Ihr EinkommenBGE 110 II 116 (117) BGE 110 II 116 (118)sei stets grösser gewesen als die Einkünfte des Ehemannes, der seit einigen Jahren ein eigenes Geschäft betreibt. Die Klägerin verdient heute monatlich Fr. 2'880.-, während das Nettoeinkommen des Beklagten zwischen Fr. 2'000.- und Fr. 2'300.- beträgt.
Unter diesen Umständen betrachtet es die Vorinstanz als stossend, wenn der Beklagte der von ihm getrennt lebenden Ehefrau noch einen Unterhaltsbeitrag entrichten müsste. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die getrennt lebende Ehefrau insofern entlastet werde, als sie nur noch einen reduzierten Haushalt zu besorgen habe. Zudem gehe im vorliegenden Fall die Klägerin auch güterrechtlich nicht leer aus, weil ihr der Beklagte aus Güterrecht noch Fr. 8'500.- und Fr. 3'867.70 schulde. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin, selbst in beschränktem Umfang, bestehe daher nicht.
Allein, die Unterhaltspflicht des Ehemannes nach Massgabe von Art. 160 Abs. 2 ZGB ist grundsätzlicher Natur; sie besteht in getrennter Ehe nicht weniger als in ungetrennter (oben E. 2a). Ihr steht die nicht weniger grundsätzliche Pflicht der Ehefrau zur Beitragsleistung - auch und gerade in getrennter Ehe - gegenüber (oben E. 2b). So gesehen, kann das Einkommen der Ehefrau den Ehemann nur soweit entlasten, als es zur Beitragsleistung im Sinne von Art. 192 Abs. 2 ZGB beizuziehen ist. Die Ehefrau sollBGE 110 II 116 (118) BGE 110 II 116 (119)jedoch ihren von Gesetzes wegen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht deswegen einbüssen, weil sie während der Ehe erwerbstätig gewesen ist und aus freien Stücken die ehelichen Lasten wesentlich mitgetragen hat.
Im übrigen verändern sich mit der gerichtlichen Trennung die Verhältnisse unter den Ehegatten insofern, als erhöhte eheliche Lasten eintreten und die Ehefrau daran einen geringeren Beitrag in der Gestalt der Haushaltführung zu leisten hat. Es rechtfertigt sich daher, von der Ehefrau einen Beitrag gemäss Art. 192 Abs. 2 ZGB zu verlangen, der etwas höher liegt, als dies bei ungetrennter Ehe zuträfe. Er kann im vorliegenden Fall auf ungefähr zwei Drittel ihres Einkommens festgesetzt werden; das sind höchstens Fr. 1'900.-. Vom Ehemann anderseits ist im Urteil der Vorinstanz gesagt worden, dass er seine Einkünfte noch bis etwa Fr. 2'500.- im Monat steigern könnte. Teilt man die Differenz der beiden Beträge, so ergibt sich ein Unterhaltsbeitrag zugunsten der in getrennter Ehe lebenden Ehefrau von monatlich Fr. 300.-.
Die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages in dieser Höhe trägt den beschränkten finanziellen Möglichkeiten des Beklagten Rechnung. Sie übersieht aber auch nicht, dass an sich keine Pflicht der Ehefrau zur Ausübung einer regelmässigen Erwerbstätigkeit besteht und dass bei deren Wegfall der Beklagte in noch weitergehendem Umfang zahlungspflichtig würde. Die Unterhaltspflicht des Ehemannes gemäss Art. 160 Abs. 2 ZGB ist vom Gesetzgeber gewollt; sie kann auch in einem etwas ausserhalb des Üblichen liegenden Fall wie dem vorliegenden vom Richter nicht ignoriert werden.BGE 110 II 116 (119)