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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Der Beschwerdegegner begründet seinen Nichteintretensantr ...
4. Der Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur vom 17. November  ...
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21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Juni 1987 i.S. Stadt Illnau-Effretikon gegen A.T. und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 287 Abs. 1 ZGB.
 
2. Der Vertrag, mit dem der gerichtlich oder vertraglich festgesetzte Kinder-Unterhaltsbeitrag nachträglich aufgehoben wird, bedarf zu seiner Gültigkeit der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde. Der Umstand, dass der Vertragsgegner in guten Treuen annehmen durfte, die Vormundschaftsbehörde sei mit der Aufhebung des Unterhaltsbeitrags einverstanden, vermag das Erfordernis der Genehmigung nicht zu ersetzen (E. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 113 II 113 (114)A.- Mit Beschluss vom 17. November 1982 stellte das Bezirksgericht Winterthur fest, dass A. T. der Vater der von M. L. geborenen Kinder Sergio Antonio und Veronica Marianne sei. Ferner genehmigte es einen Vergleich der Parteien, in welchem sich A. T. zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für die Kinder verpflichtet hatte. Am 13. Mai 1983 trat die Mutter, die sich inzwischen mit M. G. verheiratet hatte, die Unterhaltsforderungen der Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon ab, welche diese Forderungen in der Folge bevorschusste. Am 4. Januar 1985 richtete das Jugendsekretariat des Bezirkes Pfäffikon, Zweigstelle Effretikon, ein Schreiben an A. T., worin es folgenden Vorschlag machte:
"Herr G. - Ehemann der Mutter ihrer beiden Kinder - ist
grundsätzlich bereit, Veronica und Sergio zu adoptieren. Herr und Frau G.
sind darüber hinaus bereit, mit sofortiger Wirkung auf die Alimente von
Ihnen zu verzichten, wenn Sie Ihrerseits auf das Besuchsrecht verzichten."
Mit Schreiben vom 11. Januar 1985 erklärte sich A. T. mit diesem Vorschlag einverstanden. Die Vormundschaftsbehörde bevorschusste aber die Unterhaltsbeiträge weiterhin und setzte sie am 13. Mai 1986 in Betreibung. A. T. erhob Rechtsvorschlag, soweit die Betreibung die von Januar 1985 an bevorschussten Unterhaltsbeiträge betraf, d.h. im Umfang von Fr. 7'200.--.
B.- Am 14. August 1986 ersuchte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Winterthur in der Betreibung gegen A. T. um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für Fr. 7'200.-- nebst Zins und Kosten. Mit Verfügung vom 30. September 1986 wies der Einzelrichter das Gesuch ab. Er nahm an, mit dem Briefwechsel vom 4./11. Januar 1985 sei ein gültiger Alimentenverzichtsvertrag zustandegekommen. Eine Nichtigkeitsbeschwerde der Vormundschaftsbehörde gegen diese Verfügung wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Dezember 1986 abgewiesen.
C.- Die Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Sie beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, ihr die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Der Beschwerdegegner beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
BGE 113 II 113 (114)
BGE 113 II 113 (115)Über die Frage der Parteifähigkeit der Beschwerdeführerin wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
 
Der Beschwerdegegner macht freilich geltend, die Vormundschaftsbehörde sei zur Vertretung der Stadt nicht berechtigt. Nach der Gemeindeordnung sei es vielmehr Aufgabe des Stadtrats, über die Erhebung einer gerichtlichen Klage zu beschliessen. Ein solcher Beschluss sei innert der Beschwerdefrist nicht gefasst worden. Der Stadtrat von Illnau-Effretikon hat indessen mit Beschluss vom 19. März 1987 festgestellt, dass der Vollzug des kantonalen Jugendhilfegesetzes (worunter auch die Alimentenbevorschussung fällt) im Rahmen der Aufgaben der Exekutive der Stadt Sache der Vormundschaftsbehörde sei; diese Behörde sei damit beauftragt und verantwortlich, namens der Stadt über alle Fragen im RahmenBGE 113 II 113 (115) BGE 113 II 113 (116)dieser Zuständigkeit abschliessend zu entscheiden; dazu gehöre unter anderem auch die Führung von Prozessen und die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde. In diesem durch das vorliegende Verfahren veranlassten Beschluss ist zumindest eine Genehmigung der Prozessführung durch die Vormundschaftsbehörde zu erblicken. Dass der Beschluss erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gefasst worden ist, ist ohne Belang. Art. 18 Abs. 3 BZP, der nach Art. 40 OG auf das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde analog anwendbar ist, schreibt nämlich vor, dass Prozesshandlungen, die von einem nicht bevollmächtigten Vertreter vorgenommen wurden und vom Vertretenen nicht genehmigt werden, von Amtes wegen nichtig zu erklären sind. Daraus folgt umgekehrt, dass Prozesshandlungen des vollmachtlosen Stellvertreters gültig sind, wenn sie vom Vertretenen nachträglich genehmigt werden, wie dies hier der Fall war (vgl. auch BGE 101 Ia 394 /395 E. 1, BGE 96 I 467 E. 1, sowie Art. 29 Abs. 1 OG).
Auf die Beschwerde ist somit unter diesem Gesichtspunkt einzutreten. Als Beschwerdeführerin ist jedoch die Stadt Illnau-Effretikon zu betrachten. Das Rubrum ist entsprechend zu berichtigen.
BGE 113 II 113 (116) BGE 113 II 113 (117)Diese Argumentation wird in der Beschwerde zu Recht als willkürlich beanstandet. Aus dem Umstand, dass Jugendsekretär Schwarz in der Betreibung und im Rechtsöffnungsverfahren als Vertreter der Vormundschaftsbehörde auftrat, ableiten zu wollen, die Vormundschaftsbehörde sei mit dem Alimentenverzicht einverstanden gewesen, ist an sich schon fragwürdig, weil die Betreibung ja gerade die Ungültigkeit dieser Vereinbarung voraussetzte. Im Schreiben vom 4. Januar 1985 ist Schwarz sodann nicht ausdrücklich als Vertreter der Vormundschaftsbehörde aufgetreten, sondern er hat seinen Vorschlag im Namen der Eheleute G. gemacht bzw. deren Offerte übermittelt. Auch wenn es sich aber anders verhalten hätte, könnte dies die Genehmigung der Vereinbarung durch die Vormundschaftsbehörde selbst nicht ersetzen. Die der Vormundschaftsbehörde von Gesetzes wegen zustehende Genehmigungskompetenz kann nicht an einen Vertreter und auch nicht an die mit dem Inkasso von bevorschussten Unterhaltsbeiträgen beauftragte Amtsstelle delegiert werden. Ob die Genehmigung eines Unterhaltsvertrages auch stillschweigend erfolgen dürfe, kann im übrigen dahingestellt bleiben. Eine solche Genehmigung würde auf jeden Fall voraussetzen, dass die Mitglieder der Vormundschaftsbehörde vom Vertragsabschluss Kenntnis erhalten haben. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, wurde nie behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners kommt es auch nicht darauf an, ob er in guten Treuen habe annehmen dürfen, die Vormundschaftsbehörde sei mit dem Vorgehen des Jugendsekretärs einverstanden. Die Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde kann nicht durch den guten Glauben des Vertragsgegners ersetzt werden. Art. 287 Abs. 1 ZGB will das Kind schlechthin, unabhängig von allfälligen Vorstellungen des Vertragsgegners, vor nachteiligen Unterhaltsverträgen schützen. Dieser Schutz wäre nicht gewährleistet, wenn im Falle der Gutgläubigkeit des Vertragsgegners vom Erfordernis der Genehmigung des Unterhaltsvertrags durch die Vormundschaftsbehörde abgesehen würde. Indem das Obergericht den Alimentverzichtsvertrag als gültig erachtete, hat es sich somit über den klaren Wortlaut und den Sinn von Art. 287 Abs. 1 ZGB hinweggesetzt, weshalb sein Entscheid als willkürlich aufzuheben ist.BGE 113 II 113 (117)