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Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
1. Umstritten ist im vorliegenden Fall, inwieweit bei der Bemessu ...
2. Die Beklagte rügt in dieser Hinsicht eine Verletzung von  ...
3. Diese Frage ist zu bejahen, wenn man sich die Rechtslage verge ...
4. Was das Ausmass betrifft, in welchem ein künftiger Verm&o ...
5. Schliesslich hat die Vorinstanz auch nicht gegen Bundesrecht v ...
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19. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. März 1988 i.S. X. gegen X. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Rente der geschiedenen Ehefrau; Art. 151 Abs. 1 ZGB.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 114 II 117 (117)Die Eheleute X. hatten im Jahre 1964 geheiratet. Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. September 1981 wurde die Ehe auf unbestimmte Zeit gerichtlich getrennt. Zu einer Wiedervereinigung der Ehegatten kam es seither nicht mehr.
Am 11. September 1984 machte der Ehemann eine Scheidungsklage beim Bezirksgericht Zürich anhängig. Die Ehefrau erhob daraufhin Widerklage auf Scheidung. Das Bezirksgericht wies mit Urteil vom 11. März 1986 die Hauptklage ab, sprach die ScheidungBGE 114 II 117 (117) BGE 114 II 117 (118)der Ehe der Parteien in Gutheissung der Widerklage aus und regelte die Nebenfolgen der Scheidung.
Der Kläger focht die Regelung seiner Unterhaltsbeitragspflicht für die Beklagte mit einer Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an. Diese wurde am 15. Oktober 1987 teilweise gutgeheissen und der Kläger verpflichtet, der Beklagten gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB eine monatliche, indexierte lebenslängliche Unterhaltsersatzrente von Fr. 1'500.-- bis 31. August 1988, von Fr. 1'600.-- bis 31. August 1990 und von Fr. 1'700.-- ab 1. September 1990 zu entrichten. Sofern die Beklagte in den Genuss eines Erbanfalls, Erbvorbezugs, Erbauskaufs oder einer Schenkung kommt, soll sich der Rentenbetrag je anfallender Fr. 100'000.--, wobei die ersten Fr. 200'000.-- nicht gerechnet werden, um Fr. 100.-- monatlich reduzieren, und zwar ab dem Monat, der dem Anfall folgt.
Die Beklagte legt beim Bundesgericht Berufung ein und beantragt insoweit die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, als ihre Unterhaltsersatzrente bei künftigem unentgeltlichem Vermögensanfall herabgesetzt werden soll.
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
 
1. Umstritten ist im vorliegenden Fall, inwieweit bei der Bemessung einer Rente im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der geschiedenen Ehegatten auch noch deren Vermögensanwartschaften zu berücksichtigen sind. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil danach gefragt, ob auf beiden Seiten mit begründeter Aussicht in absehbarer Zukunft mit einem Erbanfall zu rechnen sei. Beim Kläger ist das Obergericht von einem zu erwartenden Anteil an der Hinterlassenschaft seiner betagten Eltern in der Höhe von Fr. 200'000.-- ausgegangen, während der Beklagten gegenüber ihrem rund 75 Jahre alten Vater ein pflichtteilsgeschützter Erbanspruch von gegen Fr. 800'000.-- in Aussicht steht. Bei Fortdauer der Ehe hätte die Ehefrau mit dem Erbanfall eine bedeutende Steigerung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfahren, die sich auch auf den ehelichen Unterhalt ausgewirkt hätte, indem die entsprechenden Vermögenserträgnisse - wenigstens zum Teil - für diesen hätten verwendet werden müssen. In dem Ausmass, in dem sie der geschiedenenBGE 114 II 117 (118) BGE 114 II 117 (119)Ehefrau künftig allein zufallen werden, erleidet sie nach Auffassung des Obergerichts keinen durch die Ehescheidung bewirkten Schaden, der im Rahmen von Art. 151 Abs. 1 ZGB abgegolten werden müsste. Dass es sich beim zukünftigen Erbanspruch der Beklagten um eine blosse Anwartschaft handelt, sei bei der Ausgestaltung der Rentenverpflichtung in dem Sinne Rechnung zu tragen, dass eine Rentenermässigung nur eintreten soll, wenn der Vermögensanfall tatsächlich erfolgt ist. Die Ermässigung soll zudem von der Höhe des Vermögensanfalls abhängig sein.
a) Das Obergericht bezog sich indessen an dieser Stelle seines Urteils nicht auf Anwartschaften im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Diese werden in der fraglichen Bestimmung neben den Vermögensrechten, insbesondere dem Anspruch auf ehelichen Unterhalt, die durch die Scheidung im Sinne einer Vermögenseinbusse als Schadensposten in Erscheinung treten, erwähnt. Dass auch solche Anwartschaften - unter anderem ein erhöhter Errungenschaftsanteil bei einer späteren Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten und der dabei regelmässig anfallende Erbanteil am Nachlass des verstorbenen Ehegatten - bei den Parteien in Frage stünden, hat die Vorinstanz nicht in Erwägung gezogen. Als Schadensposten berücksichtigte sie ausschliesslich den mit der Scheidung dahinfallenden Anspruch auf ehelichen Unterhalt. Es ist denn auch im vorliegenden Fall nur von einer Unterhaltsersatzrente die Rede.
b) Soweit das Obergericht auch Anwartschaften der geschiedenen Frau in Betracht zog, geschah dies nicht im Sinne eines Schadenspostens, sondern eines durch die Scheidung für die Ehefrau gegenüber der Fortsetzung der Ehe eintretenden Vermögensvorteils, der zu einer Schadensminderung führt. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass das Obergericht zur Stützung seiner Auffassung irrtümlicherweise auf BÜHLER/SPÜHLER, N. 33 zu Art. 151 ZGB, verweist. An dieser Stelle ist zwar von AnwartschaftenBGE 114 II 117 (119) BGE 114 II 117 (120)die Rede, indessen handelt es sich um solche im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB, die als Schadensposten aufzufassen und bei der Schadensminderung - wie dargelegt - gerade nicht zu berücksichtigen sind. Auch den von der Vorinstanz angeführten Bundesgerichtsurteilen BGE 94 II 220 und BGE 85 II 78 liegen Anwartschaften gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB zugrunde, die zu einer Entschädigung Anlass geben können und deshalb schadensvermehrend und nicht schadensmindernd wirken. Indessen erwähnt das Obergericht diese Präjudizien nur, weil sie den Grundsatz festhalten, dass der mit der Anwartschaft verbundenen Unsicherheit des Vermögensanfalls bei der Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs Rechnung zu tragen sei. Dieser Gedanke lässt sich aber durchaus verallgemeinern, so dass er sowohl auf eine Anwartschaft in der Form einer Anspruchsgrundlage als auch einer Schadensminderung Anwendung finden kann.
Dass das Obergericht hier von einer Vorteilsanrechnung ausgeht, ergibt sich nicht nur aus seinem Hinweis auf BÜHLER/SPÜHLER, N. 41 zu Art. 151 ZGB, sondern insbesondere aus seiner Erwägung, der von der Ehefrau zu erwartende unentgeltliche Vermögensanfall komme dieser nach der Scheidung zu uneingeschränkter Nutzung zu, während bei Fortbestand der Ehe auch der Ehemann im Rahmen des ehelichen Unterhalts daran teilgenommen hätte. An dieser klaren Aussage der Vorinstanz vermag auch der gleichzeitige, in diesem Zusammenhang nicht ohne weiteres einleuchtende Hinweis nichts zu ändern, dass der im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB ausgewiesene Schaden auch dann zu ersetzen sei, wenn die geschiedene Ehefrau für ihren Lebensunterhalt nicht auf eine Entschädigung angewiesen sei. Entscheidend bleibt allein, ob und in welchem Umfang sich der Unterhalt der Ehefrau mit der Scheidung zu ihrem Nachteil verändert. Es bleibt daher zu prüfen, ob das Obergericht die nach den konkreten Umständen ernsthaft in Aussicht stehenden Anwartschaften der Beklagten mit Recht als einen mit der Scheidung eintretenden Vermögensvorteil betrachtet hat, der sich bei Fortdauer der Ehe nicht ergeben hätte.
3. Diese Frage ist zu bejahen, wenn man sich die Rechtslage vergegenwärtigt, die ohne die Ehescheidung bzw. die vorangegangene Ehetrennung eingetreten wäre (BÜHLER/SPÜHLER, N. 36 zu Art. 151 ZGB; HAUSHEER, Neuere Tendenzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Bereiche der Ehescheidung, ZBJV 122/1986, S. 58 mit Hinweisen). Bei einer Fortsetzung der Ehe würde der in naher Zukunft mit relativ grosser Sicherheit zu erwartendeBGE 114 II 117 (120) BGE 114 II 117 (121)unentgeltliche Vermögensanfall im Rahmen der Güterverbindung, unter der die Ehegatten offensichtlich bis zur richterlichen Ehetrennung vom 24. September 1981 gelebt haben, zu eingebrachtem Gut der Ehefrau (Art. 195 Abs. 1 aZGB) bzw. zu ihrem Eigengut nach Inkrafttreten des neuen Eherechts am 1. Januar 1988 (Art. 198 Ziff. 2 ZGB). Hätten die Ehegatten ihren bisherigen Güterstand auch nach dem 1. Januar 1988 beibehalten, so hätte der Ehemann die Erträgnisse dieses Vermögensanfalls nach Art. 201 Abs. 1 aZGB beanspruchen können. Wäre es hingegen gestützt auf Art. 155 aZGB zu einer Gütertrennung gekommen, so hätte diese auch übergangsrechtlich gemäss Art. 10c SchlT ZGB unter Anwendung der neuen Bestimmungen über die Gütertrennung weitergegolten. Dabei bliebe die Frage zu entscheiden, ob Art. 246 Abs. 1 aZGB weiterhin zur Anwendung gelange, wonach die Ehefrau dem Ehemann aus ihrem Vermögen zur Tragung der ehelichen Lasten einen angemessenen Beitrag zu leisten hätte. Wäre dies nach dem 1. Januar 1988 nicht der Fall, wäre die gleiche Rechtslage gegeben, wie wenn ein anderer neurechtlicher Güterstand an die Stelle des bisherigen getreten wäre. Die Ehefrau hätte dann gestützt auf Art. 163 ZGB einen ihren wirtschaftlichen Kräften entsprechenden Beitrag an den ehelichen Unterhalt zu leisten. Der Anfall eines bedeutenden Vermögens ins Eigengut der Ehefrau würde somit ungeachtet der verschiedenen güterrechtlichen Verhältnisse bewirken, dass sich die Leistung des Ehemannes für den ehelichen Unterhalt vermindern würde. Mit der Scheidung kann die Ehefrau dagegen den Ertrag ihres Vermögens ganz für sich beanspruchen.
Dieser Entlastung des Ehemannes beim ehelichen Unterhalt ist bei der Berechnung des Schadens im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB grundsätzlich Rechnung zu tragen (hinsichtlich des Vermögensertrags siehe die beiden nicht veröffentlichten Urteile des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1974 i.S. G. c. B. und vom 16. Dezember 1965 i.S. F. c. S., zitiert bei JERMANN, Die Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten nach Art. 151 Abs. 1 und Art. 152 ZGB, Diss. Bern 1980, S. 94; BÜHLER/SPÜHLER, N. 41 zu Art. 151 ZGB). Dagegen spricht auch nicht, dass das Bundesgericht in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Oktober 1970 i.S. G. c. G. (zitiert bei JERMANN, a.a.O., S. 99) es abgelehnt hat, die zu erwartende AHV-Rente der geschiedenen Ehefrau als einen zukünftigen, auf die Unterhaltsersatzrente anzurechnenden Vermögensvorteil, der sich aus der Scheidung ergibt, anzuerkennen.BGE 114 II 117 (121)
BGE 114 II 117 (122)Diese Betrachtungsweise beruht nicht auf grundsätzlichen Überlegungen gegen einen solchen Vorteilsausgleich. Das Bundesgericht hat einen solchen vielmehr im angeführten Urteil in Erwägung gezogen, ihn aber dann verworfen, weil die AHV-Rente im konkreten Fall dazu diente, das bis anhin für den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau erforderliche eigene Erwerbseinkommen wenigstens teilweise zu ersetzen.
4. Was das Ausmass betrifft, in welchem ein künftiger Vermögensertrag bei der Bemessung der Unterhaltsersatzrente der Beklagten berücksichtigt werden soll, hat das Obergericht mit Recht angenommen, dass nicht der volle zu erwartende Ertrag auf die Rente anzurechnen ist. Auch bei bestehender Ehe würden weder die dargelegten güterrechtlichen Gesichtspunkte noch die Anwendung von Art. 163 ZGB dazu führen, dass durchwegs der ganze Vermögensertrag eines Gatten für den ehelichen Unterhalt verwendet werden müsste. Das trifft mindestens auf den hier zu beurteilenden Fall zu, wo überdurchschnittliche Einkommensverhältnisse gegeben sind, die neben der Absicherung des ehelichen Unterhalts auch eine gewisse Vermögensäufnung zulassen. Erfahrungsgemäss nimmt mit steigendem Gesamteinkommen der unterhaltsgebundene Anteil ab. Aus diesem Grunde kann auch die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter dem bisherigen Eherecht aufgestellte Faustregel, wonach der geschiedenen Frau normalerweise rund ein Drittel des ehemännlichen Einkommens zukommen soll, zum vornherein nicht allgemeine Geltung beanspruchen, sondern nur bei mittleren Einkommen, die heute zwischen Fr. 3'500.-- und Fr. 4'500.-- im Monat liegen, in Betracht gezogen werden (BGE 108 II 82 und HAUSHEER, a.a.O., S. 62). Die vom Obergericht konkret vorgenommene Abstufung, dass sich der Unterhaltsbeitrag für die geschiedene Frau je anfallender Fr. 100'000.--, ausgenommen die ersten Fr. 200'000.--, um Fr. 100.-- monatlich reduziert, erscheint demnach entgegen der Meinung der Beklagten als angemessen und verstösst auf jeden Fall nicht gegen Bundesrecht.