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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Nach Art. 282 ZGB hat der Vaterschaftsbeklagte auf Begehren de ...
4. Der Willkürvorwurf der Beschwerdeführerinnen ist beg ...
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69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Mai 1991 i.S. B. gegen E. und Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 282 ZGB; Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des Vaterschaftsprozesses.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 117 II 374 (375)A.- A. B. brachte am 9. März 1990 die Tochter C. zur Welt. Als Vater bezeichnete sie D. E., mit welchem sie vom Oktober 1988 bis 23. Januar 1990 befreundet gewesen war. A. B. gab dem von der Vormundschaftsbehörde ernannten Beistand an, mit D. E. vom Oktober 1988 bis Herbst 1989 Geschlechtsverkehr unterhalten zu haben. Die gesetzliche Empfängniszeit dauerte vom 13. Mai bis 10. September 1989.
B.- Am 4. April 1990 erhoben A. und C. B. beim Bezirksgericht X. Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen C. B. und D. E. Im Rahmen dieses Verfahrens ersuchten A. und C. B. den Gerichtspräsidenten von X. um Erlass vorsorglicher Massnahmen und beantragten, der angebliche Kindsvater sei ab März 1990 zu verhalten, für C. einstweilen einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 600.--, nebst allfälligen Kinderzulagen, zu bezahlen, eventuell sei dieser zu hinterlegen. Dieses Begehren wurde mit Verfügung vom 3. September 1990 abgewiesen.
Den gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs wies die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau am 5. November 1990 ab.
C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht beantragen A. und C. B. die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts, soweit darin das Gesuch um Hinterlegung angemessener Unterhaltsbeiträge nach Art. 282 ZGB abgewiesen werde.
BGE 117 II 374 (375)
BGE 117 II 374 (376)Das Obergericht und der Beschwerdegegner D. E. beantragen die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
 
a) Das Obergericht hat die Anwendung von Art. 282 ZGB, wie auch diejenige von Art. 283 ZGB, abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass die Vaterschaft im Sinne von Art. 282 ZGB nicht schon dann glaubhaft sei, wenn die Beiwohnung glaubhaft gemacht worden sei; dem Vaterschaftsbeklagten stehe vielmehr im Rahmen der Glaubhaftmachung das Recht zu, sich auf Mehrverkehr der Kindsmutter zu berufen, und zwar letztlich in analoger Anwendung von Art. 262 Abs. 3 ZGB. Es sei nämlich nicht einzusehen, weshalb dem Beklagten nach Art. 282 ZGB weniger Rechte zustehen sollten als nach Art. 283 ZGB. Wenn er nach Art. 283 ZGB im Rahmen eines Beweises die Vaterschaftsvermutung zerstören könne, so müsse er auch im Rahmen der Glaubhaftmachung nach Art. 282 ZGB die Möglichkeit haben, die Glaubhaftigkeit der Vaterschaft zu widerlegen, indem u.a. durch Behauptung des Mehrverkehrs und Glaubhaftmachung desselben seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich erscheine als die eines Dritten. Aufgrund der konkreten Sachlage im vorliegenden Fall gelangte die Rekurskommission des Obergerichts zum Schluss, die Vaterschaft des Beschwerdegegners sei nicht glaubhaft gemacht worden. Zwar sei es durchaus möglich, dass zwischen den Parteien während der massgebenden Zeit Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, doch erscheine die Behauptung des Beschwerdegegners, die Kindsmutter habe während der fraglichen Zeit noch mit andern Männern verkehrt, auf den ersten Blick und im Vergleich mit der Bestreitung der Gegenpartei als glaubhafter. Die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beschwerdegegners sei jedenfalls geringer als 50% und damit nicht mehr glaubhaft im Sinne von Art. 282 ZGB.
BGE 117 II 374 (376)
BGE 117 II 374 (377)b) Die Beschwerdeführerinnen wenden dagegen ein, die These der kantonalen Instanzen, wonach es genüge, dass der Beklagte glaubhaft mache, dass seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich sei als diejenige eines Dritten, laufe darauf hinaus, den Zweck von Art. 282 ZGB zu vereiteln. Darin liege eine willkürliche Anwendung dieser Bestimmung. Dazu komme aber, dass der Richter - soweit nicht konkrete und glaubwürdige Daten für die Beiwohnung des Vaterschaftsbeklagten und eines Dritten vorlägen - ohne Gutachten gar nicht imstande sei, die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des einen oder des andern gegeneinander abzuwägen. Der Schluss der ersten Instanz, welche von der Rekurskommission gedeckt werde, die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beschwerdegegners sei jedenfalls geringer als 50%, sei demnach nichts anderes als eine leere, rational nicht nachvollziehbare und damit willkürliche Spekulation. Sie stütze sich auf die pauschale Behauptung des Mehrverkehrs, ohne jede nähere Angabe über das Verhältnis des Beschwerdegegners oder des Dritten zur Kindsmutter im Zeitpunkt der Konzeption. Die Beweiswürdigung der kantonalen Instanzen, die der in keiner Weise belegten Behauptung des Beschwerdegegners über den Mehrverkehr der Kindsmutter Glauben geschenkt hätten, halte vor Art. 4 BV nicht stand. Sie sei in jeder Hinsicht willkürlich, da sie auch noch weitere Umstände, welche für die Glaubhaftigkeit der Vaterschaft des Beschwerdegegners sprächen, ausser acht gelassen habe.
Im vorliegenden Fall können sich die kantonalen Instanzen, vor allem der Massnahmerichter, der im zitierten Entscheid vom Bundesgericht geäusserten Auffassung nicht anschliessen. Sie versuchen daher, über die Analogie zu Art. 262 Abs. 3 ZGB eine Art Mehrverkehrseinrede gegenüber der im Sinne von Art. 282 ZGB erfolgten Glaubhaftmachung einzuführen, um schon die blosse Hinterlegung von Unterhaltsleistungen für das Kind zu verhindern. Es kann freilich dahingestellt bleiben, wie es sich verhielte, wenn tatsächlich Mehrverkehr nachgewiesen, zugestanden oder ein solcher ernsthaft zu vermuten wäre. Denn es geht jedenfalls nicht an - wie dies vorliegend geschieht -, dem Beschwerdegegner im Rahmen von Art. 282 ZGB zu gestatten, einfach durch blosse Behauptung die allfällige Glaubhaftigkeit seiner Vaterschaft zu widerlegen; zumindest wäre zu fordern, dass er seine Behauptung mit konkreten Anhaltspunkten oder mit Indizien zu untermauern sucht, die vom Massnahmerichter ernsthaft gegenüber jenen abzuwägen wären, die von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen werden. Die Hinterlegung im Sinne von Art. 282 ZGB dient lediglich als Sicherheit für das Kind, und ein Entscheid darüber hätte für den Beschwerdegegner, sollte er tatsächlich nicht der Vater des Kindes sein, keine schwerwiegenden Folgen; wird allzu leichthin die Zerstörung der Glaubhaftmachung angenommen, besteht tatsächlich die Gefahr, das Sicherungsinstitut des Art. 282 ZGB auszuhöhlen bzw. dessen Zweck zu vereiteln, wie die Beschwerdeführerinnen mit Recht darlegen.
Indessen genügt diese abweichende Auffassung wohl noch nicht, um mit den Beschwerdeführerinnen der Rekurskommission des Obergerichts Willkür anzulasten. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Rekurskommission im angefochtenen Entscheid in Übereinstimmung mit BGE 109 II 201 festgehalten hat, dass in Fällen, in denen die Beiwohnung, aber auch der Mehrverkehr nachgewiesen ist, entgegen der Meinung der ersten Instanz nicht davon ausgegangen werden dürfe, die Vaterschaft sei nicht glaubhaft. Schwerer ins Gewicht fallen daher die Vorwürfe, welche die Beschwerdeführerinnen gegen die Beweiswürdigung der RekurskommissionBGE 117 II 374 (378) BGE 117 II 374 (379)erheben. Diese hat in der Tat nur gerade die gegen die Kindsmutter sprechenden Argumente des Massnahmerichters hervorgehoben, hingegen völlig und ohne jede Begründung ausser Betracht gelassen, dass der Beschwerdegegner gegenüber der Beschwerdeführerin 1 vorerst seine Vaterschaft schriftlich bestätigt und auch gegenüber dem Beistand den verschiedentlich erfolgten Intimverkehr zugegeben hat. Die Rekurskommission hat sich auch nicht die Mühe genommen, die Antwort der Beschwerdeführerin 1 auf den Brief des Rechtsvertreters des Beschwerdegegners vom 2. März 1990 ernsthaft zu würdigen, aber auch das Verhalten des Beschwerdegegners nach diesem Datum gegenüber seinen früheren Zugaben einigermassen sachgerecht zu werten. Schliesslich hat die Rekurskommission des Obergerichts auch das Gutachten des Gerichtlich-medizinischen Instituts der Universität Zürich vom 8. Oktober 1990 unter dem Gesichtswinkel des Glaubhaftmachens ganz offenkundig falsch gewürdigt, wenn sie davon spricht, dass dieses Gutachten bei weitem keinen Beweis für die Vaterschaft des Beschwerdegegners erbringe; damit hat sie an die Glaubhaftmachung viel zu hohe Anforderungen gestellt.
Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde daher als begründet. Der Willkürvorwurf ist aber nicht nur hinsichtlich der Beweiswürdigung berechtigt, sondern der angefochtene Entscheid lässt sich auch im Ergebnis nicht halten; denn mehr den mutmasslichen Vater belastende Indizien vorzutragen, wird in solchen Fällen kaum je möglich sein. Mit der von den kantonalen Instanzen angestrebten einseitigen Praxis wird verhindert, dass die vor allem zugunsten des Kindes im Gesetz vorgesehene Sicherungsmassnahme überhaupt zum Zuge kommen kann.BGE 117 II 374 (379)