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Regeste
Sachverhalt
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2. Die Beschwerdeführer bringen vor, das Kreisamt Oberengadi ...
4. b) Die Beschwerdeführer rügen im weiteren, den Verf& ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Juli 1992 i.S. F. Treuhand und Mitbeteiligte gegen V.-A. und Kreisamt Oberengadin (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Umfang der Auskunftspflicht beim Sicherungsinventar. Durchsetzung der Auskunftspflicht gegenüber Personen, die in einem anderen Kanton wohnen. Androhung von Ungehorsamsstrafe. (Art. 553 ZGB, Konkordat über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe in Zivilsachen und Art. 292 StGB).
 
2. Beim Sicherungsinventar nach Art. 553 ZGB besteht gegenüber der Inventurbehörde eine Auskunftspflicht der Erben und Dritter, die gegebenenfalls auch mit Zwangsmassnahmen durchgesetzt werden kann (E. 4b.aa).
 
3. Es ist mit dem Zweck von Art. 553 ZGB unvereinbar, die Auskunftspflicht über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes hinaus auf lebzeitige Zuwendungen und Veräusserungen auszudehnen (E. 4b.bb).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 118 II 264 (265)A.- Am 14. Juli 1989 starb an seinem Wohnsitz in St. Moritz der italienische Staatsangehörige C. A. Er hinterliess den Sohn Riccardo A. und die Ehefrau Virginia V.-A.
B.- Auf Begehren der Witwe ordnete das Kreisamt Oberengadin am 20. Juli 1989 im Sinne von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB die Aufnahme eines Sicherungsinventars über den Nachlass des Verstorbenen an und beauftragte damit Notar X. in St. Moritz. Da der Notar nicht alle gewünschten Informationen erhielt, erliess das Kreisamt Oberengadin am 18. November 1991 Verfügungen, mit denen es die F. Treuhandgesellschaft und vier weitere Personen anwies, Auskunft zu erteilen. Das Dispositiv der gleich lautenden Verfügungen war folgendermassen abgefasst:
"1. ... (Adressat) wird angewiesen, dem Kreisamt Oberengadin umfassend Auskunft über Vermögenswerte des Nachlasses C. A. zu geben sowie sämtliche Auskünfte über Vermögenstransaktionen, wie zum Beispiel Veräusserungen, Schenkungen, Erbvorbezüge und dgl., die vor oder nach dem Tode desBGE 118 II 264 (265) BGE 118 II 264 (266)Erblassers C. A., sei es von diesem persönlich, sei es von natürlichen oder juristischen Personen in seinem Auftrag, vorgenommen wurden und die mit dem Erbgang im Zusammenhang stehen oder möglicherweise stehen könnten, zu erteilen.
2. Zur Erteilung der gewünschten Auskünfte wird eine Frist von dreissig Tagen seit der Mitteilung dieser Verfügung angesetzt.
3. Diese Anordnung ergeht unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 292 StGB, wonach mit Haft oder Busse bestraft wird, wer einer an ihn erlassenen
Verfügung nicht Folge leistet.
4. und 5. (Kosten und Mitteilungen)"
C.- Mit staatsrechtlichen Beschwerden gelangen die F. Treuhand und die mitbeteiligten Personen an das Bundesgericht und verlangen die Aufhebung der sie betreffenden Verfügungen.
Virginia V.-A. beantragt, die Beschwerden abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt auch das Kreisamt Oberengadin, soweit auf die Beschwerden überhaupt einzutreten sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt, aus folgenden
 
a) Die angefochtenen Verfügungen verpflichten die Beschwerdeführer unter Strafandrohung, Auskünfte zu geben. Diese Auskünfte sind am Wohnort der Verfügungsadressaten zu erteilen. Da diese nicht im Prozesskanton wohnen, handelt es sich um Prozesshandlungen in einem andern Kanton. Sie sind damit nur rechtmässig, soweit auf Grund des Konkordates solche auswärtigen Handlungen zulässig sind.
b) Das Konkordat sieht vor, dass Zustellungen an Adressaten in einem Konkordatskanton direkt durch die Post erfolgen können (Art. 6). Zudem haben Zeugen und Sachverständige, die den ihnenBGE 118 II 264 (266) BGE 118 II 264 (267)erteilten Auftrag angenommen haben, der Vorladung Folge zu leisten. Sie sind dem Recht der ladenden Behörde unterstellt (Art. 7). Überdies können Behörden in einem anderen Kanton Sitzungen abhalten und Augenscheine oder Einvernahmen durchführen, wobei sie ihr eigenes Recht anwenden (Art. 8). Die Vornahme anderer prozessleitender Handlungen, wie die Zustellung gerichtlicher Akten durch den Gerichtsboten oder die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe, fällt demgegenüber in die ausschliessliche Zuständigkeit der Behörden am Vollzugsort (Art. 9). Es stellt sich damit die Frage, ob die angefochtenen Verfügungen zu den in Art. 7 und 8 des Konkordates aufgeführten Handlungen gehören, die dem Recht des Prozesskantons unterstehen, oder ob sie den anderen prozessleitenden Handlungen nach Art. 9 des Konkordates zuzurechnen sind, die nur von den Behörden am Vollzugsort vorgenommen werden dürfen.
Das Konkordat erlaubt es einem Gericht, Personen in einem anderen Kanton zu Aussagen zu zwingen, sei es, dass sie in den Prozesskanton geladen und dort befragt werden oder dass sich das Gericht in den Wohnsitzkanton der betreffenden Personen begibt und diese dort einvernimmt. Zudem kann das Gericht das sich mit der Sache befasst, dort auch einen Augenschein durchführen. Die Zulässigkeit all dieser Handlungen wie auch die Pflichten der betroffenen Personen bestimmen sich nach dem Recht des Prozesskantons. In welcher Form die Einvernahme durchzuführen ist und ob die zu befragende Person zur Aussage verpflichtet ist oder diese verweigern kann, richtet sich somit nach dem Recht des Prozesskantons. Dieses Recht bestimmt auch, ob die betreffende Person als Zeuge oder Sachverständiger oder aber in einer anderen Weise (z.B. als Auskunftsperson) einzuvernehmen ist. Während bei Vorladungen die Pflicht, sich in den Prozesskanton zu begeben, nur Zeugen und Sachverständige trifft - letztere zudem nur, wenn sie den erteilten Auftrag angenommen haben -, fehlt diese Einschränkung mit Bezug auf die auswärtigen Einvernahmen. Das Ersuchen um Auskunftserteilung am Wohnsitz der ersuchten Person kann ohne weiteres als eine besondere Form einer auswärtigen Einvernahme im Sinne von Art. 8 des Konkordates angesehen werden. Von daher ist nichts dagegen einzuwenden, wenn das Kreisamt Oberengadin die Verfügungen nach seinem eigenen Prozessrecht erlassen und direkt mit der Post den Beschwerdeführern zugestellt hat (Art. 6 Konkordat). Die Rüge der Konkordatsverletzung erweist sich damit als unbegründet.
4. b) Die Beschwerdeführer rügen im weiteren, den Verfügungen liege eine willkürliche Auslegung des Zivilrechts zugrunde. EineBGE 118 II 264 (267) BGE 118 II 264 (268)allfällige Auskunftspflicht dürfe nicht mit Zwangsmassnahmen wie einer Strafandrohung durchgesetzt werden. Aus Art. 581 Abs. 2 ZGB ergebe sich, dass eine Auskunftsverweigerung nur Haftpflichtfolgen haben könne. Zudem erfasse das Inventar nach Art. 553 ZGB nur die Vermögensverhältnisse am Todestag, nicht auch Zuwendungen unter Lebenden, selbst wenn diese der Herabsetzung oder Ausgleichung unterlägen. Deshalb könne auch keine Auskunftspflicht über solche Vorgänge bestehen.
aa) Im Gegensatz zur Regelung beim öffentlichen Inventar (Art. 581 Abs. 2 ZGB) schweigt sich die Bestimmung über das Sicherungsinventar (Art. 553 ZGB) über die Auskunftspflicht der Erben und Dritter aus. Das Kreisamt Oberengadin hat, der herrschenden Meinung (ESCHER, Zürcher Kommentar, 1960, N. 6 zu Art. 553 ZGB; TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 6 zu Art. 553 ZGB; mit Zweifeln: PIOTET, Das Erbrecht, SPR Bd. IV/2, Basel 1981, S. 704) folgend und in Übereinstimmung mit dem im Rahmen der Inventarisation bei Prof. D. eingeholten sowie dem im Auftrag der Beschwerdeführer von Prof. P. erstellten Gutachten, angenommen, dass daraus nicht geschlossen werden könne, es bestehe für das Sicherungsinventar keine Auskunftspflicht. Vielmehr seien nicht nur die Erben, sondern auch Dritte grundsätzlich zur Auskunftserteilung verpflichtet. Das bestreiten auch die Beschwerdeführer nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die Folge einer Verletzung dieser Pflicht nur die zivilrechtliche Haftung, nicht aber irgendwelche Zwangsmassnahmen sein könnten. Die Beschwerdeführer stützen sich für ihre Ansicht auf einen Entscheid des Zürcher Obergerichts aus dem Jahre 1938 (ZR 1939, Nr. 78). Den von ihnen überdies zum öffentlichen Inventar zitierten Meinungsäusserungen in der Lehre kann indessen nichts entnommen werden, was den Schluss zuliesse, die Androhung von Ungehorsamsstrafe sei willkürlich. Während den Werken von PIOTET (Erbrecht, SPR Bd. IV/2, S. 803) und TUOR/PICENONI (Berner Kommentar, N. 15 f. zu Art. 581 ZGB) diesbezüglich nichts Eindeutiges zu entnehmen ist, weil sie sich nur zur zivilrechtlichen Haftung äussern, vertritt ESCHER (Zürcher Kommentar, N. 15 zu Art. 581 ZGB) die Meinung, Zwangsmassnahmen seien nicht zulässig, verweist aber gleichzeitig darauf, dass auch die gegenteilige Ansicht vertreten werden könne. Überdies hält dieser Autor dafür, dass sich beim Sicherungsinventar die Frage weiterer, nicht zivilrechtlicher Folgen einer Auskunftsverweigerung nach dem kantonalen Recht richte (ESCHER, N. 6a zu Art. 553 ZGB). Die Meinung ESCHERS und des Zürcher Obergerichts, Zwangsmassnahmen seienBGE 118 II 264 (268) BGE 118 II 264 (269)ausgeschlossen, stützt sich auf das wenig überzeugende Argument, das Gesetz erwähne nur die zivilrechtliche Haftbarkeit und schliesse mit qualifiziertem Schweigen jede weitere Sanktion aus. Demgegenüber kommt dem Grundsatz, dass Pflichten in der Regel auch durchsetzbar sein müssen, ein erhebliches Gewicht zu, das die Auffassung des Kreisamtes auf jeden Fall als nicht willkürlich erscheinen lässt.
Dem widerspricht auch die bundesgerichtliche Praxis zur Zulässigkeit von Zwangsmitteln beim Arrest nicht. Nach der neueren Rechtsprechung kann dem zur Auskunft verpflichteten Gewahrsamsinhaber von Vermögenswerten eines Schuldners, gegen den ein Arrest bewilligt worden ist, zur Durchsetzung dieser Pflicht eine Ungehorsamsstrafe nur angedroht werden, wenn der Gläubiger einen Vollstreckungstitel vorweisen kann (BGE 109 III 24). Dies zeigt aber, dass das Fehlen eines Hinweises auf die Ungehorsamsstrafe im Gesetz nicht zum Schluss führen darf, sie könne nicht angedroht werden. Vielmehr sind die Interessen an der Auskunft gegen die Schwere des Eingriffs abzuwägen. Für das Bundesgericht ist im Zusammenhang mit der Auskunftspflicht im Betreibungsverfahren ausschlaggebend, ob der Zwangsvollstreckung ein Vollstreckungstitel zugrunde liegt oder nicht (BGE 107 III 99). Vorliegend geht es aber nicht um etwas Vergleichbares. Vielmehr ist rechtskräftig entschieden, dass der Beschwerdegegnerin ein Anspruch auf Aufnahme eines Erbschaftsinventars zusteht. Auch wenn damit ihre Erbenqualität noch nicht verbindlich feststeht, ist doch zu beachten, dass sie, falls sie sich als Erbin erweisen sollte, an den im Inventar aufgeführten Vermögenswerten als Gesamteigentümerin berechtigt ist und nicht nur einen Sicherungsanspruch hat, der überdies von verschiedenen weiteren Bedingungen (z.B. Arrestprosequierung) abhängt. Das Ergebnis der für den Arrestgläubiger ohne Vollstreckungstitel vorgenommenen Interessenabwägung kann somit nicht auf die vorliegende Frage übertragen werden.
Der Beschwerde kann in diesem Punkt deshalb kein Erfolg beschieden sein.
bb) Schliesslich sehen die Beschwerdeführer eine willkürliche Rechtsanwendung darin, dass das Kreisamt Auskunft auch über Vermögenstransaktionen unter Lebenden verlange, wie beispielsweise Veräusserungen, Schenkungen, Erbvorbezüge und dergleichen. Damit habe das Kreisamt die Funktion des Sicherungsinventars aus dem Auge verloren.
Die systematische Einordnung zeigt mit aller Deutlichkeit, dass das Inventar nach Art. 553 ZGB die Aufgabe hat, die Erbschaft zuBGE 118 II 264 (269) BGE 118 II 264 (270)sichern. Mit diesem Inventar soll der Bestand der Erbschaft festgestellt und damit verhindert werden, dass Vermögenswerte zwischen Erbgang und Teilung unbemerkt verschwinden können. Diese Aufgabe beschränkt aber das Inventar auf die im Zeitpunkt des Erbganges vorhandenen Vermögenswerte (BGE 116 II 265 E. 5 am Ende). Es dient insbesondere nicht der Berechnung der Erbteile und Pflichtteile und kann nicht Rechnungsgrundlage für die Erbteilung bilden. Letzteres ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass es - im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach Art. 581 ZGB - nicht mit einer Schätzung der Vermögenswerte zu verbinden ist, sondern auch aus der Ordnungsvorschrift, dass es in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen sei (Art. 553 Abs. 2 ZGB). Dieser zeitliche Rahmen führt dazu, dass sich bis zur häufig erst wesentlich später stattfindenden Erbteilung die Zusammensetzung des Nachlasses erheblich verändern kann. Einerseits können Erträge anfallen, Vermögenswerte verbraucht werden oder untergehen und neue Verpflichtungen dazukommen, andererseits können aber auch Vermögenswerte ausgetauscht werden, wobei der neue Wert durch Vermögenssurrogation in die Erbmasse fällt (BGE 116 II 261 f.). Schon mit Rücksicht darauf kann es nicht Aufgabe des Inventars sein, Grundlage für Herabsetzungsprozesse zu bilden. Dies entspräche aber auch in keiner Weise der Sicherungsfunktion. Die Einreihung im Gesetz zwischen der Siegelung (Art. 552 ZGB) und der Erbschaftsverwaltung (Art. 554 ZGB) macht deutlich, dass mit dem Inventar verhindert werden soll, dass ein Erbe oder ein Aussenstehender die Erbmasse unbemerkt verändern kann. Diesem Zweck kann aber ein Inventarisieren von Schenkungen und Erbvorbezügen gar nicht dienen. Die durch solche Vorgänge begünstigte Person ist auch zwischen Erbgang und Erbteilung berechtigt, uneingeschränkt alleine über die betreffenden Vermögenswerte zu verfügen. Auch eine unbemerkte Veränderung der erfolgten Vermögensverschiebung ist nicht möglich; ein in der Vergangenheit liegender Vorgang kann nicht mehr verändert werden. Diesbezüglich wäre höchstens eine Beseitigung von Beweismitteln möglich. Diese werden aber gar nicht inventarisiert. Der Sicherung von Beweismitteln für die Herabsetzung oder Ausgleichung dienen andere Prozessvorkehren, wie beispielsweise vorsorgliche Massnahmen im Herabsetzungs- oder Erbteilungsprozess.
Die Ausdehnung des Inventars über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes hinaus auf alle möglichen lebzeitigen Zuwendungen und Veräusserungen erweist sich somit als mit dem ZweckBGE 118 II 264 (270) BGE 118 II 264 (271)von Art. 553 ZGB völlig unvereinbar. Sie verstösst deshalb in krasser Weise gegen die Natur des Sicherungsinventars. Die Verfügungen erweisen sich damit in diesem Punkt als willkürlich.
Soweit die Auskunftspflicht über Schenkungen und Erbvorbezüge hinaus allgemein auf Veräusserungen des Erblassers bezogen wird, fehlt es den angefochtenen Verfügungen überdies an jeglicher Begründung. Es ist auch nicht zu sehen, wie eine Veräusserung, die nicht gleichzeitig unter eine der beiden andern Kategorien fällt, etwas mit dem Erbgang zu tun haben könnte.
Die Ausdehnung der Auskunftspflicht auf Erbvorbezüge und Schenkungen wird in den angefochtenen Verfügungen damit begründet, dass das Inventar nicht nur den Nachlass im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges feststellen, sondern die ganze Nachlassabwicklung sichern soll. Es müsse auch für die Erbteilung und die Herabsetzung eine unverrückbare Grundlage bilden. Den für diese Aussagen aufgeführten Literaturstellen kann indessen nichts Entsprechendes entnommen werden. PIOTET (S. 703) hält ausdrücklich fest, dass das Inventar nach Art. 553 ZGB bezwecke, durch eine Aufstellung der Aktiven und Passiven den Bestand des Nachlasses festzuhalten. Dazu gehören aber lebzeitige Zuwendungen gerade nicht. Nichts anderes findet sich bei ESCHER (N. 1 zu Art. 553 ZGB). Nach diesem Autor soll das Inventar die Aktiven und Passiven des Nachlasses festhalten und die "Sicherung des Nachlasses durch behördliche Feststellung seines Bestandes unmittelbar nach dem Erbgang" ermöglichen. Für die in den angefochtenen Verfügungen vertretene Auffassung, das Inventar habe "nicht nur einen zuverlässigen Vermögensstatus zu gewährleisten, sondern den Erbschaftsstand für den ganzen Erbgang festzustellen", lassen sich auch nicht TUOR/PICENONI (N. 1 zu Art. 553 ZGB) anführen. Diese Autoren führen nämlich aus, "dieses Inventar soll den genauen Erbschaftsstand, d.h. vor allem die Zahl und Art der hinterlassenen Vermögensstücke (...) für den Zeitpunkt des Erbganges feststellen". Auch nach diesem Zitat beschränkt sich das Inventar somit auf den Vermögensstand im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Daran ändert die Aussage nichts, das Inventar bezwecke "für alle späteren erbrechtlichen Operationen (...) eine feste, durch Übergriffe von Erben oder Fremden nicht mehr zu verrückende Grundlage" zu geben (TUOR/PICENONI, N. 1 zu Art. 553 ZGB). Dies bedeutet nämlich nicht, dass das Sicherungsinventar auch Teilungsinventar sei. Damit kann nur gemeint sein, dass das Sicherungsinventar einen wesentlichen Ausgangspunkt für alle weiteren Operationen darstellt und verhindert, dass einzelneBGE 118 II 264 (271) BGE 118 II 264 (272)Vermögenswerte verschwinden. Das Kreisamt Oberengadin kann somit seine Verfügungen nicht auf die Lehre abstützen, wie es dies vorgibt.
Überdies vermag aber auch die Begründung in den angefochtenen Verfügungen für eine über den Vermögensstand bei Eröffnung des Erbganges hinausgehende Inventarisation in keiner Weise zu überzeugen. Richtig, und auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten ist, dass in das Inventar auch Vermögenswerte aufzunehmen sind, deren Zugehörigkeit zum Nachlass umstritten ist. Dass somit Vermögenswerte aufzuführen sind, bei denen streitig ist, ob der Erblasser sie durch Verfügung unter Lebenden veräussert oder ob er sie durch eine Verfügung von Todes wegen jemandem zugewendet habe, folgt daraus ohne weiteres. Liegt eine Verfügung von Todes wegen vor, gehören sie ohne Einschränkung zu den Nachlassaktiven. Daraus ergibt sich aber in keiner Weise, dass auch Vermögenswerte, die unter Lebenden zugewendet worden sind, in das Inventar aufzunehmen seien. Hat der Verstorbene einen Vermögenswert unter Lebenden veräussert, so hat dies zur Folge, dass dieser Wert eben gerade nicht zum Nachlass gehört. Entsprechend hält auch Prof. D. in seinem Gutachten, auf das sich das Kreisamt in den angefochtenen Verfügungen beruft, fest, dass Schenkungen unter Lebenden nicht Inhalt des Inventars bilden, selbst wenn sie der Herabsetzung unterliegen.
Fraglich mag allerdings sein, ob Zuwendungen unter Lebenden in das Inventar aufzunehmen seien, wenn sie der Ausgleichung unterliegen. In dem in den angefochtenen Verfügungen zitierten Gutachten von Prof. D. wird diesbezüglich festgehalten, die Ausgleichung könne nach Art. 628 ZGB durch Einwerfung (Kollation) geschehen, so dass der entsprechende Vermögenswert dann in den Nachlass falle. Deshalb lasse sich die Inventarisation hier rechtfertigen. Prof. P. schliesst dies in seinem von den Beschwerdeführern eingereichten Gutachten aus, weil auch die Ausgleichung nur eine Forderung und nicht ein dinglicher Anspruch sei. Der von Prof. D. vertretenen Ansicht ist überdies entgegenzuhalten, dass die Einwerfung des erhaltenen Vermögenswertes (Kollation) von den Miterben nicht verlangt werden kann. Nur der Ausgleichungspflichtige hat die Wahl, ob er den Vermögenswert sich bloss rechnerisch anrechnen lassen oder ob er ihn einwerfen will (TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 13 zu Art. 628 ZGB). Von daher ist kein rechtliches Interesse der Miterben an einer Aufnahme dieser Vermögenswerte in das Inventar zu sehen. Auch wenn der von Prof. D. angeführte Grund für eineBGE 118 II 264 (272) BGE 118 II 264 (273)Aufnahme der ausgleichungspflichtigen Vermögenswerte in das Inventar kaum zu überzeugen vermag, lässt sich doch nicht sagen, diese Ansicht sei geradezu willkürlich. Insofern halten die angefochtenen Verfügungen dem Willkürvorwurf stand.BGE 118 II 264 (273)