59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1992 i.S. Heinz L. gegen Alfred B. und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste | |
Überprüfung von Kündigungsanfechtungen durch den nach Art. 274g OR zuständigen Ausweisungsrichter.
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Sachverhalt | |
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Als willkürlich rügt der Beschwerdeführer, dass die kantonalen Gerichte angenommen hätten, über die Gültigkeit der während laufender Zahlungsfrist ausgesprochenen Kündigung vom 14. August 1991 liege klares Recht im Sinne von § 222 ZPO/ZH und damit ein im summarischen Befehlsverfahren zu entscheidendes Ausweisungsbegehren vor.
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3. Das Befehlsverfahren vor dem Einzelrichter im summarischen Verfahren ist zulässig zur schnellen Handhabung klaren Rechts bei nicht streitigen oder sofort beweisbaren ![]() ![]() | |
Die neue Regelung von Art. 257d OR unterscheidet sich erheblich von der früheren (Art. 265 aOR), die nach unbenütztem Ablauf der Zahlungsfrist die Vertragsauflösung automatisch eintreten liess und nicht zusätzlich eine auf Monatsende auszusprechende Kündigung mit einer weiteren dreissigtägigen Frist verlangte (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985, BBl 1985 I S. 1389 ff., S. 1427). Der Wortlaut von Art. 257d äussert sich nicht zur Frage der Gültigkeit einer vor unbenütztem Ablauf der Zahlungsfrist ausgesprochenen Kündigung, deutet aber darauf hin, dass der Gesetzgeber davon ausging, der Vermieter werde erst nach Ablauf dieser Frist kündigen ("androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist ... gekündigt werde", "bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter ... kündigen"). Auch die Botschaft beantwortet die Frage nicht. Eine gefestigte Gerichtspraxis zu der am 1. Juli 1990 in Kraft gesetzten neuen Regelung besteht keine. Eine Lehrmeinung hält während laufender Zahlungsfrist ausgesprochene Kündigungen für ungültig (LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 2. A., S. 136 Rz. 6.5 und S. 137 Rz. 6.7). Die übrige Literatur nimmt zu dieser Frage nicht Stellung (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, S. 143 ff., N. 24 ff. zu Art. 257d OR; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, S. 150 f.; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, S. 53; TRACHSEL, Leitfaden zum Mietrecht, S. 134 f., 140).
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Das Kassationsgericht verkennt dies nicht, gelangt aber nach ausführlichen historischen, gesetzessystematischen und teleologischen Erwägungen zum Schluss, die vom Beschwerdeführer beim ![]() ![]() | |
Das führt aber noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschwerdeentscheids. Damit ein kantonaler Entscheid wegen Willkür aufgehoben wird, muss er in seinem Ergebnis unhaltbar sein (BGE 117 Ia 139 E. 2c). Zu prüfen ist daher, ob sich die vom Ausweisungsrichter in Anspruch genommene Zuständigkeit, auch in Fällen fehlenden klaren Rechts Kündigungsanfechtungen nach Art. 274g OR im Befehlsverfahren zu beurteilen, anders begründen lässt.
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4. a) Grundsätzlich bleiben die Kantone auch unter dem neuen Mietrecht zuständig, die Behörden zu bezeichnen und das Verfahren auszugestalten (Art. 274 OR). Jedoch wird diese Zuständigkeit durch die zwingende Ordnung eingeschränkt, welche Art. 274g OR für vorzeitige Kündigungen u.a. wegen Zahlungsrückständen des Mieters vorschreibt. Sie verpflichtet Kantone, die wie der Kanton Zürich das Ausweisungs- und das Anfechtungsverfahren verschiedenen Behörden zuweisen, dafür zu sorgen, dass der Ausweisungsrichter in Fällen, wo neben dem Ausweisungsbegehren eine Kündigungsanfechtung hängig ist, auch über die Gültigkeit der Kündigung entscheidet (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, S. 843 f., N. 3 zu Art. 274g OR; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 353 Rz. 5.3; LACHAT/MICHELI, ![]() ![]() | |
Jedoch ist nicht zu verkennen, dass die Zuständigkeit des Ausweisungsrichters zur gleichzeitigen Beurteilung von Kündigungsanfechtungen die Gefahr birgt, die mit der Gesetzesrevision ausgebauten Mieterrechte wieder zu verkürzen. Denn das in den Kantonen für Ausweisungen übliche summarische oder beschleunigte Verfahren führt zu erheblichen Einschränkungen. Aus diesem Grund hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 18. Dezember 1991 erkannt, dass der von Bundesrechts wegen zum Entscheid über Kündigungsanfechtungen zuständige Ausweisungsrichter unbekümmert um die Ausgestaltung des Ausweisungsverfahrens verpflichtet ist, die angefochtene Gültigkeit der Kündigung sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht umfassend zu überprüfen. Das ergibt sich einerseits aus der Untersuchungsmaxime gemäss Art. 274d Abs. 3 OR und anderseits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass ein definitiver, der materiellen Rechtskraft teilhaftiger Entscheid über einen bundesrechtlichen Anspruch eine erschöpfende Abklärung der tatsächlichen wie rechtlichen Grundlagen voraussetzt (zitiertes Urteil E. 2d; ZIHLMANN, a.a.O.).
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b) Vorliegend verpflichtete deshalb die zwingende Ordnung des Art. 274g OR den mit dem Ausweisungsbegehren des Beschwerdegegners befassten Ausweisungsrichter auch zum Entscheid über die vom Beschwerdeführer anhängig gemachte Kündigungsanfechtung. Es war dem Ausweisungsrichter von Bundesrechts wegen verwehrt, die im Befehlsverfahren zu beurteilende Ausweisung wegen der Kündigungsanfechtung für illiquid zu erklären und den Beschwerdeführer an das für Kündigungsanfechtungen ausserhalb von Art. 274g OR zuständige Mietgericht zu verweisen. Ein solcher Nichteintretensentscheid hätte das Verfahren vor dem Ausweisungsrichter ![]() ![]() | |
c) Wie bereits das Obergericht hat auch das Kassationsgericht zur bestrittenen Gültigkeit der während laufender Zahlungsfrist ausgesprochenen Kündigung des Beschwerdegegners einlässlich Stellung genommen und sie bejaht; im erstinstanzlichen Entscheid des Einzelrichters steht zwar nichts darüber, jedoch tut der Beschwerdeführer auch nicht dar, dass er die Gültigkeit der Kündigung bereits vor der ersten Instanz mit diesem Einwand bestritten hat. Der bundesrechtlichen Pflicht zur umfassenden Prüfung der Kündigungsanfechtung sind die beiden kantonalen Rechtsmittelinstanzen nachgekommen. Davon geht der Beschwerdeführer selbst aus, rügt er doch als willkürlich, dass sich der Ausweisungsrichter im Widerspruch zu § 222 ZPO/ZH eine umfassende Prüfung der Kündigungsanfechtung angemasst habe. Auch wenn diese umfassende Überprüfung nicht vor dem kantonalen Prozessrecht standhält, haben damit die kantonalen Gerichte getan, was ihnen von Bundesrechts wegen vorgeschrieben war. In seinem Ergebnis war das Vorgehen des Ausweisungsrichters daher richtig, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist. ![]() |