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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BV statuiert die allgemeine Wehrpflicht. ...
2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf den besonderen Chara ...
3. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auch auf den  ...
4. Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand des Beschwe ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. August 1995 i.S. D. gegen Militärpflichtersatzverwaltung und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 4 MPG, Art. 81 Ziff. 2 MStG; Befreiung vom Militärpflichtersatz.
 
Anerkennung der Arbeitsleistung als dem Militärdienst gleichwertige Dienstleistung?
 
- Voraussetzungen der Abgabepflicht (E. 1).
 
- Rechtsnatur der Arbeitsleistung (E. 2 u. 4).
 
- Verhältnis zum künftigen Zivildienst (E. 3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 121 II 166 (167)Am 4. Mai 1992 sprach das Militärappellationsgericht 2A D. unter Zubilligung einer schweren Gewissensnot der Dienstverweigerung schuldig, verpflichtete ihn zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse und verurteilte ihn zum Ausschluss aus der Armee (Art. 81 Ziff. 2 des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927 [MStG, SR 321.0] in der Fassung vom 5. Oktober 1990).
Mit Verfügung vom 19. März 1993 wurde D. zum Militärpflichtersatz für das Jahr 1992 herangezogen. Gegen diese Verfügung erhob er Einsprache und beantragte, die Ersatzabgabe sei aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, er stehe im Arbeitsdienst und sehe nicht ein, weshalb er Militärpflichtersatz zu bezahlen habe. Sinngemäss forderte er die Anerkennung der Arbeitsleistung im Sinne von Art. 81 Ziff. 2 MStG als dem Militärdienst gleichwertige Dienstleistung.
Gegen den abweisenden Einspracheentscheid der Militärpflichtersatzverwaltung des Kantons St. Gallen führte der Ersatzpflichtige erfolglos Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen.
Die gegen das Urteil der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen erhobene verwaltungsgerichtliche Beschwerde wird vom Bundesgericht abgewiesen.
 
Diese Ordnung in der Verfassung und im Gesetz ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 114bis Abs. 3 BV). Nach der gesetzlichen Regelung kann aber unter der persönlichen Dienstleistung nur der Militärdienst, d.h. die Dienstleistung in der Armee, verstanden werden (Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 MO, Art. 1 MPG). Aus der Armee ausgeschlossene Wehrpflichtige schulden demnach die Ersatzabgabe. Vorbehalten bleiben die Ersatzbefreiungsgründe des Art. 4 MPG, doch fällt die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht darunter. Der Beschwerdeführer kann nicht wegen seiner Gewissensnot vom Militärpflichtersatz befreit werden.
Diese Auffassung beruht auf einer Verkennung der verfassungsmässigen und gesetzlichen Ordnung. Nach Art. 81 Ziff. 2 MStG in der Fassung vom 5. Oktober 1990 werden Dienstverweigerer, die unter Berufung auf ethische Grundwerte glaubhaft darlegen, dass sie den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, seit dem 15. Juli 1991 nicht mehr zu Gefängnis verurteilt, sondern sie werden zu einer Arbeitsleistung verpflichtet, die im öffentlichen Interesse liegt. Die Änderung von Art. 81 Ziff. 2 MStG wurde im Jahre 1990 in das Militärstrafgesetz eingeführt, um die Dienstverweigerung teilweise zu entkriminalisieren; die Verpflichtung zur Arbeitsleistung wird denn auch nicht in die Strafregister eingetragen (Art. 226 MStG in der Fassung vom 5. Oktober 1990). Sie stellt jedoch keinen Ersatz für den Militärdienst dar, sondern wird anstelle von Gefängnis angeordnet. Es handelt sich um eine Ersatzmassnahme zur Gefängnisstrafe, die ihren Strafcharakter beibehalten hat, auch wenn sie durch die zivilen Behörden vollzogen wird (Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1987 über die Änderung des Militärstrafgesetzes, BBl 1987 II 1317). Alle anderen Militärdienstverweigerer werden nach wie vor zu Gefängnisstrafen verurteilt. Handelt es sich aber bei der Arbeitsdienstleistung nicht um eine Form der Erfüllung der persönlichen Dienstpflicht, sondern um eine Sanktion für deren Verletzung, so kann sie auch ersatzrechtlich nicht dem Militärdienst gleichgestellt werden. Wenn daher im Zuge der Revision des Militärstrafgesetzes im Jahre 1990 dieBGE 121 II 166 (168) BGE 121 II 166 (169)Militärpflichtersatzabgabe keiner Änderung unterzogen wurde, so liegt darin kein Versehen des Gesetzgebers, keine Lücke des Gesetzes, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Der Wehrpflichtige, der aus Gewissensgründen den Militärdienst verweigert, schuldet deshalb den Militärpflichtersatz auch für den Zeitraum, da er zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Dauer der Arbeitsdienstverpflichtung. Die Arbeitsleistung wird in der Regel auf das Anderthalbfache des verweigerten Dienstes festgelegt (Art. 81 Ziff. 2 Abs. 2 MStG). Diese Dauer des Arbeitsdienstes bildet indessen nicht den Ausgleich zur persönlichen Dienstleistung, sondern die Sanktion dafür, dass der Dienstverweigerer die persönliche Dienstleistung nicht erfüllt. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung trugen die Militärgerichte bei der Bemessung der Gefängnisstrafe der Dauer des insgesamt verweigerten Dienstes Rechnung. Nicht anders verhält es sich bei der Bemessung der Dauer des Arbeitsdienstes.
Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse nach Art. 81 Ziff. 2 MStG bilde ebenfalls eine Form der Erfüllung der Wehrpflicht. Am 26. Februar 1984 hatten Volk und Stände zum zweitenmal innert sechs Jahren die Einführung eines Zivildienstes abgelehnt. Mit der Revision des Militärstrafgesetzes im Jahre 1990 wurde daher nur bezweckt, "im Rahmen der Bundesverfassung einen Beitrag zur Entschärfung des Dienstverweigererproblemes zu leisten" und den Strafvollzug für Dienstverweigerer aus Gewissensgründen zu entkriminalisieren. Nach dem erklärten Willen des Bundesrates sollte mitBGE 121 II 166 (169) BGE 121 II 166 (170)der Änderung von Art. 81 MStG die Einführung eines Zivildienstes nicht vorweggenommen werden. Allenfalls sollten damit Erfahrungen gesammelt werden, um später dem Souverän eine neue Vorlage zur Einführung eines Zivildienstes auf Verfassungsstufe unterbreiten zu können (Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1987, BBl 1987 II S. 1313 Ziff. 11 f.), was inzwischen auch erfolgt ist. Aus der Regelung des Zivildienstes, wie sie im Entwurf zu einem Bundesgesetz vorgesehen ist, lässt sich daher nicht ableiten, beim Arbeitsdienst nach Art. 81 Ziff. 2 MStG handle es sich ebenfalls um einen Ersatzdienst zum Militärdienst.