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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. b) Die Standeskommission hat den Beschwerdeführer gest&uu ...
3. Das Binnenmarktgesetz will gewährleisten, dass Personen m ...
4. a) Da vorliegend keine besonderen Umstände ersichtlich si ...
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40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1999 i.S. H. gegen Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Berufsausübungsbewilligung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Fähigkeitsausweis; Kostenfreiheit des Zulassungsentscheids (Art. 2 ÜbBest.BV; Art. 4 Abs. 2 Binnenmarktgesetz, BGBM).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 125 II 406 (407)Das Obergericht des Kantons Zürich erteilte lic.iur. H. im Jahr 1994 das Fähigkeitszeugnis für den Rechtsanwaltsberuf. H. ersuchte die Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. gestützt auf Art. 5 ÜbBest.BV und Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) um kostenlose Erteilung der Bewilligung zur Ausübung der Advokatur im Kanton Appenzell I.Rh. Die Standeskommission entsprach dem Gesuch mit Beschluss vom 2. März 1999; dabei auferlegte sie H. für die administrativen Umtriebe eine Kanzleigebühr von Fr. 50.--.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. April 1999 beantragte H., den Beschluss der Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. aufzuheben, soweit ihm Kosten auferlegt werden. Er rügte, dass in seinem Fall die Gebührenerhebung mit Art. 4 Abs. 2 BGBM nicht vereinbar sei und damit den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gemäss Art. 2 ÜbBest.BV verletze. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Entscheid der Standeskommission insofern auf, als damit H. eine Kanzleigebühr von Fr. 50.-- auferlegt wurde.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Auferlegung einer Kanzleigebühr von Fr. 50.-- im Verfahren über den freien Marktzugang sei mit Art. 4 Abs. 2 BGBM nicht vereinbar. Die Standeskommission anerkennt, dass über die Zulassung eines ausserkantonalen Anwalts in einem kostenlosen Verfahren entschieden werden muss, also gegebenenfalls in Abweichung von kantonalen Vorschriften über die Erhebung von Verwaltungsgebühren. Zulässig sein soll hingegen eine reine Kanzleigebühr für administrative Umtriebe. Streitig ist somit, was unter einem «kostenlosen Verfahren» im Sinne von Art. 4 Abs. 2 BGBM zu verstehen ist.
Die Forderung nach einem einfachen, raschen Verfahren über die Zulassung von Anwälten mit ausserkantonalem Patent verpflichtet die Kantone nicht dazu, auf ein Bewilligungsverfahren überhaupt zu verzichten. Der Kanton kann zwar von einem solchen Verfahren absehen und lediglich eine Anzeigepflicht bei erstmaligem Tätigwerden vorschreiben; er kann die Berufsausübungsbewilligung formfrei erteilen oder aber über die Zulassung eben in einem förmlichen Verfahren bzw. mit ausformulierter Verfügung entscheiden (BGE 125 II 56 E. 5a S. 62 f.). Die vom Kanton getroffene Wahl darf jedoch im Ergebnis den freien Zugang zum kantonalen Markt nicht beeinträchtigen, und es darf für den Marktteilnehmer, da ein kostenloses Verfahren erforderlich ist, keinen Unterschied ausmachen,BGE 125 II 406 (408) BGE 125 II 406 (409)ob der Kanton ein eigentliches Bewilligungsverfahren durchführt oder nicht; die durch ein solches Prozedere verursachten Kosten müssen grundsätzlich zu Lasten des Kantons gehen. Der Zweck des Binnenmarktgesetzes würde in der Tat nur unvollkommen verwirklicht, wenn ein Anbieter, der seine Leistungen in einem anderen Kanton erbringen will, bei der Überprüfung von Zulassungsbeschränkungen mit der Erhebung von «Verfahrenskosten» irgendwelcher Art rechnen müsste (BGE 123 I 313 E. 5 S. 323).
Das Bundesgericht hat denn auch entschieden, dass die vom Kanton Luzern für die Zulassung eines ausserkantonalen Anwalts erhobene «reine Verwaltungsgebühr» von Fr. 250.-- im Lichte von Art. 4 Abs. 2 BGBM nicht zulässig war, und zwar selbst dann nicht, wenn die umstrittene Verwaltungsgebühr dem massgeblichen Aufwand der Behörde entsprochen haben sollte (BGE 125 II 56 E. 6 S. 64). Dass der Gesetzgeber für jegliches Zulassungsverfahren grundsätzlich und ohne nähere Präzisierung «Kostenlosigkeit» vorschrieb, kann in Berücksichtigung des Gesetzeszweckes nur bedeuten, dass jegliche Art von Kostenerhebung unzulässig sein soll, unabhängig davon, welcher Natur die Gebühr ist und welche Aufwendungen damit beglichen werden sollen. Genauso wenig wie der Kanton Luzern eine «Verwaltungsgebühr» erheben darf, ist der Kanton Appenzell I.Rh. dazu berechtigt, vom ausserkantonalen Anwalt, der auf seinem Kantonsgebiet tätig werden will, die Bezahlung einer «reinen Kanzleigebühr» zu verlangen. Darauf, dass damit tatsächlich gehabter Aufwand («administrative Umtriebe») abgegolten werden soll, kann es, wie erwähnt, gerade nicht ankommen. Es ist auch nicht erheblich, dass die vom Kanton Appenzell I.Rh. erhobene Gebühr niedriger ist als die seinerzeit vom Kanton Luzern erhobene Verwaltungsgebühr; die Gebührenerhebung widerspricht dem Prinzip der Kostenfreiheit so oder so, wäre doch jede Grenzziehung zwischen noch zulässiger und nicht mehr geduldeter Gebührenhöhe willkürlich, wenn das Verfahren eben kostenlos sein soll. Soweit mit dem letzten Satz von Erwägung 5 in BGE 125 II 56 der Eindruck erweckt worden sein sollte, eine Kostenerhebung in geringem Ausmass sei zulässig, ist klarzustellen, dass dem nicht so ist. Es wurde bloss darauf hingewiesen, dass die Kantone mehrheitlich der neuen Rechtslage bereits Rechnung tragen und die Bewilligung in 16 Kantonen bereits vollumfänglich kostenlos sei, im Kanton Uri eine «Kanzleigebühr» von bloss noch Fr. 20.-- erhoben werde und der Kanton Wallis eine Abgeltung der Auslagen (in der Grössenordnung von weniger als zehn Franken) verlange. Dass die beidenBGE 125 II 406 (409) BGE 125 II 406 (410)letztgenannten Kantone damit den Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 BGBM gerecht würden, sollte damit nicht gesagt werden. Dem gesetzlichen Erfordernis der Kostenlosigkeit wird nur Genüge getan, wenn von der Erhebung jeglicher Kosten - unter welchem Titel auch immer - selbst in geringer Höhe abgesehen wird.