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BGE 133 IV 76 - Garantieerklärung Türkei


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen der Republik Italien ...
2. Im Auslieferungsantrag vertritt das Bundesamt für Justiz  ...
4. Der Verfolgte macht sodann geltend, die "Brigate Rosse" hä ...
5. Im Antrag des Bundesamtes für Justiz wird dargelegt, dass ...
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42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Justiz gegen Nicola Bortone (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
1A.159/2002 vom 18. September 2002
 
 
Regeste
 
Art. 55 Abs. 2 IRSG; Art. 1, Art. 2 Ziff. 1, Art. 3 Ziff. 1 und Art. 9 EAUe; Art. 1 lit. f und Art. 2 Ziff. 3 EÜBT; Art. 260ter Ziff. 1 StGB; Auslieferung eines mutmasslichen Angehörigen der "Brigate Rosse" an Italien.
 
Zuständigkeit und Verfahren für die materielle Beurteilung des Auslieferungsersuchens im Falle der Einrede des politischen Deliktes gemäss Art. 55 Abs. 2 IRSG (E. 1.1).
 
Zuständigkeit und Verfahren für die Prüfung von Haftentlassungsgesuchen des Verfolgten (E. 1.2).
 
Beidseitige Strafbarkeit betreffend den Vorwurf der Unterstützung (bzw. Beteiligung an) einer kriminellen Organisation, Art. 260ter Ziff. 1 StGB (E. 2).
 
Einrede des politischen Deliktes (E. 4).
 
Grundsatz "ne bis in idem" (E. 5).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 128 II 355 (356)A.- Gestützt auf ein italienisches Verhaftsersuchen vom 6. Oktober 1998 wurde Nicola Bortone am 10. März 2002 in Zürich festgenommen. Anlässlich seiner Einvernahme vom 11. März 2002 widersetzte sich Nicola Bortone einer vereinfachten Auslieferung im Sinne von Art. 54 IRSG. Gleichentags erliess das Bundesamt für Justiz (BJ) einen Auslieferungshaftbefehl. Am 22. März 2002 übermittelte die italienische Botschaft in Bern dem BJ das Ersuchen um Auslieferung von Nicola Bortone sowie Sachauslieferung beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte. Das Ersuchen stützt sich auf einen Haftbefehl des Tribunale di Roma vom 12. September 1989, mit welchem der Verfolgte wegen Förderung, Gründung und Organisation der terroristischen Gruppierung "Brigate Rosse" gesucht wird, und auf das Urteil der Corte di Assise di Roma vom 18. September 2001, welche den Verfolgten wegen Beteiligung an einer subversiven Vereinigung gegen die Verfassungsordnung und Beteiligung an einer bewaffneten Bande zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilte.BGE 128 II 355 (356)
BGE 128 II 355 (357)B.- Am 10. Juli 2002 stellte Nicola Bortone beim BJ ein Gesuch um Haftentlassung. Am 23. Juli 2002 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, "die Auslieferung für die dem Verfolgten im Urteil des Schwurgerichtes (Corte di Assise) in Rom vom 18. September 2001 vorgeworfenen Straftaten sei zu bewilligen, eventuell in einem vom Bundesgericht festzulegenden Umfang". Hinsichtlich des hängigen Haftentlassungsbegehrens führte es aus, nach Art. 50 Abs. 3 und 4 IRSG sei zwar das BJ für die Behandlung des Gesuches um Entlassung aus der Auslieferungshaft zuständig. Indessen gehe die Zuständigkeit aufgrund der "devolutiven Wirkung" im Rahmen des gestellten Antrages gemäss Art. 55 Abs. 2 IRSG auf das Bundesgericht über. Mit Teilentscheid vom 29. Juli 2002 wies das Bundesgericht das Haftentlassungsgesuch ab.
C.- Der Verfolge beantragte die Verweigerung der Auslieferung. Die Auslieferung wird vom Bundesgericht bewilligt.
 
1.1.1 Über ausländische Auslieferungsersuchen entscheidet das BJ (Art. 55 Abs. 1 IRSG). Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat,BGE 128 II 355 (357) BGE 128 II 355 (358)so entscheidet das Bundesgericht (darüber) auf Antrag des Bundesamtes und nach Einholung einer Stellungnahme des Verfolgten (Art. 55 Abs. 2 IRSG). Das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 25 IRSG bzw. Art. 97 ff. OG) ist sinngemäss anwendbar (Art. 55 Abs. 3 IRSG).
Es kann grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, in Auslieferungs- und Sachauslieferungsentscheiden die notwendigen Sachabklärungen selber zu treffen. Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat das Bundesamt die Sachabklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen. Deswegen wäre es naheliegend, die erst- und einziginstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichts auf die Frage des politischen Delikts zu beschränken und im Übrigen die Entscheidungsbefugnis beim Bundesamt zu belassen. Dafür würden auch Rechtsschutzgründe bzw. die dem IRSG zugrunde liegende Aufgabenteilung zwischen dem Bundesamt als verfügender Fachbehörde und dem Bundesgericht als Rechtspflegeinstanz sprechen (vgl. Art. 17 Abs. 2, Art. 25 und Art. 55 Abs. 1 IRSG).
1.1.3 Im Bundesgerichtsurteil A.164/1987 vom 10. Juli 1987 (E. 1b) wurde entschieden, dass das Bundesgericht nur über die Einsprache des politischen Deliktes als erste und einzige Instanz entscheidet. In solchen Fällen habe das Bundesamt einen Entscheid über die übrigen Voraussetzungen der Auslieferung zu erlassen. Dieser Entscheid könne mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde (nach Art. 25BGE 128 II 355 (358) BGE 128 II 355 (359)IRSG) beim Bundesgericht angefochten werden. Der Auslieferungsentscheid des Bundesamtes erfolge in solchen Fällen unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheides über die Einsprache des politischen Deliktes (vgl. auch BGE 110 Ib 280 f. sowie Urteil A.189/1986 vom 1. Oktober 1986, E. 1a).
Der in Auslieferungshaft Versetzte kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen und ablehnende Verfügungen des BJ an die Anklagekammer des Bundesgerichtes weiterziehen (Art. 50 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 IRSG). Während eines vor Bundesgericht hängigen Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahrens betreffend Auslieferung bzw. nach Einreichung eines Antrages im Sinne von Art. 55 Abs. 2 IRSG durch das BJ ist die I. öffentlichrechtliche Abteilung für die Behandlung von Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen zuständig (BGE 117 IV 359 E. 1a S. 360 f.).
Im vorliegenden Fall hat der Verfolgte das Haftentlassungsgesuch am 10. Juli 2002 beim BJ eingereicht. Damals lag die Verfahrensherrschaft und damit auch die Zuständigkeit zur Beurteilung des Haftentlassungsgesuches beim BJ. Dieses war gehalten, so rasch wieBGE 128 II 355 (359) BGE 128 II 355 (360)möglich darüber zu entscheiden (vgl. Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK [SR 0.101]). Den Antrag gemäss Art. 55 Abs. 2 IRSG stellte das BJ erst am 23. Juli 2002. Es ging daher nicht an, das Haftentlassungsgesuch solange unbehandelt zu lassen und es zusammen mit dem Auslieferungsantrag dem Bundesgericht zu überweisen.
Bei Personen, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind, kommt nur die Tatvariante der Unterstützung in Frage. Diese verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. Im Gegensatz zur Gehilfenschaft zu spezifischen Straftaten (Art. 25 StGB) ist für die Unterstützung nach Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Nachweis von kausalen TatbeiträgenBGE 128 II 355 (361) BGE 128 II 355 (362)im Hinblick auf ein konkretes Delikt nicht erforderlich (vgl. FORSTER, a.a.O., S. 11, 24; STRATENWERTH, a.a.O., § 40 N. 26). So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Organisationstatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB fallen. Dementsprechend besteht zwischen der Beihilfe zu konkreten Straftaten und dem Organisationstatbestand auch grundsätzlich echte Konkurrenz (vgl. BBl 1993 III 304; FORSTER, a.a.O., S. 13). Der subjektive Tatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Was das Verwalten von Vermögenswerten betrifft, setzt der Organisationstatbestand (im Gegensatz zum Geldwäschereitatbestand, Art. 305bis Ziff. 1 StGB) allerdings nicht voraus, dass der Unterstützende weiss oder annehmen muss, dass die Vermögenswerte aus einem konkreten Verbrechen herrühren. Blosse Sympathisanten oder "Bewunderer" von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber nicht unter den Organisationstatbestand (vgl. BBl 1993 III 302; ARZT, a.a.O., Art. 260ter StGB N. 163 f.; FORSTER, a.a.O., S. 11).
Nach dem Gesagten kann offen bleiben, ob der inkriminierte Sachverhalt nach schweizerischem Recht zusätzlich unter den Tatbestand von Art. 275ter StGB (staatsgefährdende rechtswidrige Vereinigung) fiele.
4. Der Verfolgte macht sodann geltend, die "Brigate Rosse" hätten zwar "ihren Kampf für eine sozialistische Revolution bewaffnet geführt" und "politische Gewalt als Mittel des Kampfes" eingesetzt. Dennoch seien die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe grundsätzlichBGE 128 II 355 (363) BGE 128 II 355 (364)als politisches Delikt zu qualifizieren. Das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da dem Verfolgten keine konkreten Delikte im Sinne dieses Übereinkommens vorgeworfen würden.
Gemäss Art. 2 Ziff. 1 EÜBT, dem Italien und die Schweiz beigetreten sind, kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammenhängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin unter Art. 1 EÜBT fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen, oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 2 Ziff. 3 EÜBT).
Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen (Art. 1 lit. c EÜBT). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden (Art. 1 lit. d und e EÜBT). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 1 lit. f EÜBT).
4.2 In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannten "absolut" politischen und "relativ" politischen Delikten unterschieden. "Absolut" politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat (BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 115 Ib 68 E. 5a S. 85; BGE 113 Ib 175 E. 6a S. 179, je mit Hinweisen). Ein "relativ" politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. DerBGE 128 II 355 (364) BGE 128 II 355 (365)vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen (BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 124 II 184 E. 4b S. 186 ff.; BGE 117 Ib 64 E. 5c S. 89; BGE 115 Ib 68 E. 5 S. 84 ff.; BGE 113 Ib 175 E. 6b S. 180, je mit Hinweisen; vgl. CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, in: ZStrR 103/1986 S. 23 ff.; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Bern 1999, N. 385 S. 300 f.). Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich erscheinen zu lassen (BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 110 Ib 280 E. 6d S. 285). Zu denken ist hier namentlich an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in aller Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines "Tyrannenmordes") das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde (vgl. BGE 109 Ib 64 E. 6a S. 71 f.; ROUILLER, a.a.O., S. 31; ZIMMERMANN, a.a.O., N. 385 S. 301).
4.3 Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition (BGE 125 II 569 E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen (Art. 260ter StGB), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen (Art. 275ter StGB) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten (vgl. dazu FORSTER, a.a.O., S. 8 ff., 15 ff.). Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen (wie in E. 2.2 erwähnt) neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien,BGE 128 II 355 (365) BGE 128 II 355 (366)oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (vgl. BBl 1993 III 296; FORSTER, a.a.O., S. 9 f.; STEFAN TRECHSEL, StGB-Kommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 2 zu Art. 260ter StGB; s. rechtsvergleichend auch KAY HAILBRONNER/VOLKER OLBRICH, Internationaler Terrorismus und Auslieferungsrecht, in: Archiv des Völkerrechts 24/1986 S. 434 ff., 437 f., 445 f.). Die "Brigate Rosse" gehören nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu den kriminellen terroristischen Organisationen (vgl. BGE 125 II 569 E. 5c-d S. 574 f.) und nicht zu den Gruppierungen, die sich mit angemessenen (oder zumindest noch vertretbaren) Mitteln am Kampf um die politische Macht in ihrer Heimat beteiligen. Nach dem Gesagten ist die Beteiligung an (bzw. die Unterstützung) dieser Organisation grundsätzlich nicht als "politisches" Delikt im Sinne von Art. 3 Ziff. 1 EAUe anzusehen.
Im vorliegenden Fall wird dem Verfolgten nicht nur eine Beteiligung an Staatsschutzdelikten bzw. an "staatsgefährdenden Umtrieben" vorgeworfen. Italien ersucht vielmehr um Auslieferung des Verfolgten wegen dessen Beteiligung an einer für schwere Gewaltverbrechen verantwortlichen terroristischen Organisation.
5.1 Der Verfolgte wendet dagegen ein, die Vorwürfe der italienischen Behörden (gestützt auf das Urteil der Corte di Assise di Roma)BGE 128 II 355 (366) BGE 128 II 355 (367)würden sich "exakt" mit dem Sachverhalt decken, der dem Verfolgten "schon in Paris eine mehrjährige (und vollstreckte) Strafe" eingebracht habe. In jedem Fall sei ihm der Strafvollzug in Frankreich (im Rahmen einer "Gesamtstrafe") anzurechnen.
Art. 4 des Protokolles Nr. 7 zur EMRK vom 22. November 1984 (SR 0.101.07; für die Schweiz in Kraft seit 1. November 1988) bestimmt, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf (Abs. 1). Der Grundsatz "ne bis in idem" ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2). Er gilt nach der Praxis des Bundesgerichtes ausserdem als Grundsatz des Bundesstrafrechts und lässt sich direkt aus der Bundesverfassung ableiten (vgl. BGE 120 IV 10 E. 2b S. 12). Gemäss IRSG wird einem Rechtshilfeersuchen nicht entsprochen, wenn der Richter den Verfolgten in der Schweiz oder im Tatortstaat freigesprochen oder wenn er das Verfahren aus materiellrechtlichen Gründen eingestellt hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 IRSG).
Im Gegensatz zum französischen Urteil werden dem Verfolgten im Strafurteil der Corte di Assise di Roma vom 18. September 2001 keine konkreten illegalen Handlungen auf französischem Boden vorgeworfen. Vielmehr wurde er verurteilt, weil er von 1985 bis 1989 in Rom, Florenz, Mailand, Forlì und Neapel als Gründer, Mitglied und Förderer der terroristischen Vereinigung "Brigate Rosse" tätig gewesen sei. Im Strafurteil der Corte di Assise di Roma wird dem französischen Strafurteil vom 23. April 1992 im Übrigen ausdrücklich Rechnung getragen. Nach dem Gesagten steht das französische Urteil einer Auslieferung nach Italien (wo die "Brigate Rosse" ihre Hauptstützpunkte hatten und auch ihre primären verbrecherischen Aktivitäten ausübten) nicht im Wege. Inwieweit der Grundsatz "ne bis in idem" allenfalls eine Anrechnung von bereits vollzogener Untersuchungshaft oder Strafe gebieten würde, ist nicht vom Rechtshilferichter, sondern von den Behörden des ersuchenden Staates zu prüfen.BGE 128 II 355 (368)