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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Die beim Bundesgericht eingereichte Rechtsschrift richtet sich ...
Erwägung 2
Erwägung 3
Erwägung 3.4
4. In seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht hält das Bu ...
Erwägung 4.2
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5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Regierungsrat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
2A.395/2005 vom 22. November 2005
 
 
Regeste
 
Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 4, 6, 8 Abs. 1 und 3 ANAG; Art. 14 Abs. 1, 3 und 4 ANAV; Niederlassungs- und Handelsvertrag vom 26./ 14. Dezember 1872 zwischen der Schweiz und Russland; Ableitung eines Anspruchs auf Kantonswechsel aus einem Niederlassungsvertrag; Sukzession der Ukraine in bilaterale Verträge der Sowjetunion bzw. des zaristischen Russlands.
 
Auswirkungen der Wandlung des Zarenreichs zur Sowjetunion auf bilaterale Verträge (E. 3.3). Sukzession der Ukraine in die zwischen der Schweiz und der Sowjetunion geltenden bilateralen Vereinbarungen (E. 3.4 und 3.5).
 
Folgen der Kündigung des Niederlassungs- und Handelsvertrag vom 26./ 14. Dezember 1872 zwischen der Schweiz und Russland durch eine provisorische russische Regierung im Jahre 1917 (E. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 132 II 65 (66)Die ukrainische Staatsangehörige X. (geb. 1970) heiratete 1996 einen in der Schweiz lebenden Türken. Aus dieser Ehe ging der Sohn Y. (geb. 2000) hervor, welcher in die Niederlassungsbewilligung des Vaters für den Kanton St. Gallen einbezogen wurde und die Staatsangehörigkeit der Mutter erhielt. X. ist seit Mai 2003 ebenfalls im Besitz der Niederlassungsbewilligung für den Kanton St. Gallen. Wegen ehelicher Probleme begab sich X. im Sommer 2003 in ein Frauenhaus im Kanton Zürich. Anfang 2004 wurde der Sohn Y. eheschutzrichterlich unter ihre Obhut gestellt.
Die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich lehnte es in der Folge jedoch ab, X. und Y. eine Niederlassungsbewilligung für den Kanton Zürich zu erteilen, und forderte sie auf, das Kantonsgebiet zu verlassen. Den hiergegen gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 8. September 2004 ab. Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 11. Mai 2005 nicht ein.
X. und Y. haben am 17. Juni 2005 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragen, den EntscheidBGE 132 II 65 (66) BGE 132 II 65 (67)des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Kantonswechsel zu bewilligen.
Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein.
 
 
Erwägung 2
 
BGE 132 II 65 (67) BGE 132 II 65 (68)Allerdings kann sich ein Anspruch auf Kantonswechsel ergeben, wenn der Ausländer aus einem Land stammt, mit dem die Schweiz einen Niederlassungsvertrag abgeschlossen hat. Gemäss Art. 14 Abs. 4 ANAV kann bei einem Kantonswechsel die Bewilligung im neuen Kanton dem niedergelassenen Ausländer, der heimatliche Ausweispapiere eines Staates besitzt, mit dem ein Niederlassungsvertrag besteht, nur verweigert werden, wenn ein Widerrufs- oder Erlöschensgrund gemäss Art. 9 Abs. 3 und 4 ANAG besteht (BGE 127 II 177 E. 2b S. 180; BGE 123 II 145 E. 2b S. 149).
    "(1) Zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem russischen Kaiserreich soll gegenseitige Niederlassungs- und Handelsfreiheit bestehen. Die Schweizerbürger dürfen auf dem Gebiete des russischen Kaiserreichs unter den nämlichen Bedingungen und auf dem nämlichen Fusse sich aufhalten, wie die russischen Staatsangehörigen; ebenso dürfen die Unterthanen Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen sich in jedem schweizerischen Kanton unter den nämlichen Bedingungen und auf dem nämlichen Fusse aufhalten wie die Bürger der andern schweizerischen Kantone.
    (2) Infolge dessen können die Bürger und die Unterthanen jedes der beiden kontrahirenden Staaten, sowie ihre Familien, wenn sie den Gesezen des Landes nachkommen, in jedem Theile des Staatsgebietes des Andern frei eintreten, sich aufhalten, wohnen und sich niederlassen. (...)
    (3) Dabei bleibt indessen verstanden, dass die vorstehenden Bestimmungen den in jedem der beiden Staaten bestehenden besondern Gesezen, Verfügungen und Reglementen über Handel, Industrie und Polizei, die auf alle Fremden überhaupt ihre Anwendung finden, keinen Eintrag thun."
Die obigen Grundsätze entsprechen denjenigen, welche die Schweiz damals in gleichartigen Verträgen mit anderen europäischen Staaten vereinbarte (vgl. Botschaft vom 10. Juli 1873 zum erwähnten Vertrag, in: BBl 1873 III 89).
2.3 Seit dem Ersten Weltkrieg werden diese Vertragsbestimmungen grundsätzlich, und meist ohne dass dies in zusätzlichen Abkommen festgelegt wurde, in stillschweigendem gegenseitigen Einverständnis restriktiv ausgelegt. Sie werden nur noch auf diejenigenBGE 132 II 65 (68) BGE 132 II 65 (69)Staatsangehörigen der Vertragspartner angewandt, die eine Niederlassungsbewilligung besitzen, was hier der Fall ist. Für alle anderen ausländischen Staatsangehörigen gelten die alten Staatsverträge nur unter dem Vorbehalt entgegenstehenden Landesrechts (BGE 119 IV 65 E. 1 S. 67 ff.; BGE 111 Ib 169 E. 2 S. 171 f.; BGE 110 Ib 63 E. 2a S. 66; BGE 108 Ib 125 E. 2b S. 128; BGE 106 Ib 125 E. 2b S. 128, mit Hinweisen; vgl. auch WALTER A. STOFFEL, Die völkervertraglichen Gleichbehandlungsverpflichtungen der Schweiz gegenüber den Ausländern, Diss. Freiburg 1978/1979, S. 122 ff. und 253 ff.; HELEN KELLER, Rezeption des Völkerrechts, Berlin etc. 2003, S. 671 f.; BBl 1 BGE 924 II 495 ff.; Postulat Stähelin vom 27. September 2004, Ziff. 04.3464, und Antwort des Bundesrates vom 17. November 2004, in: AB 2004 S 879 sowie Beilagen der Wintersession 2004 S. 42 f.). Trotz eingeschränkter Tragweite könnten die Beschwerdeführer, die bereits über eine Niederlassungsbewilligung für den Kanton St. Gallen verfügen, demnach einen Anspruch auf Kantonswechsel aus diesem Abkommen ableiten.
 
Erwägung 3
 
3.2 Das Verwaltungsgericht verweist darauf, dass Weissrussland, die Ukraine und Russland zwar am 8. Dezember 1991 im Minsker Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) erklärt hätten, deren Teilnehmer würden das Einhalten der internationalen Verpflichtungen gewährleisten, die für sie aus den Verträgen der früheren Sowjetunion flössen. In der Deklaration von Alma-Ata vom 21. Dezember 1991, anlässlich derer sich auch zentralasiatische Staaten der GUS anschlossen, sei diese Erklärung um den Passus "in Übereinstimmung mit ihren Verfassungsprozeduren" ergänzt worden (französische Übersetzungen der Erklärungen von Minsk und Alma-Ata in: ROMAIN YAKEMTCHOUK, L'indépendance de l'Ukraine, Studia Diplomatica Bd. 46, Brüssel 1993, S. 366 und 375 f.). Am 20. März 1992 hätten die Staatschefs der GUS (ausser jenem Turkmenistans) anerkannt, deren MitgliederBGE 132 II 65 (69) BGE 132 II 65 (70)seien Rechte- und Pflichtennachfolger der ehemaligen Sowjetunion; sie hätten eine Kommission zwecks Durchführung von Verhandlungen sowie Vorbereitung von Vorschlägen eingesetzt, um Fragen der Rechtsnachfolge zu entscheiden (hierzu THEODOR SCHWEISFURTH, Vom Einheitsstaat [UdSSR] zum Staatenbund [GUS], in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, Heidelberg 1992, S. 673 f.). Daraus schliesst das Verwaltungsgericht unter Berufung auf zwei Bundesgerichtsentscheide (BGE 123 II 511 E. 5d S. 518 f.; Urteil 1A.54/2000 vom 3. Mai 2000, E. 6f/bb), dass es einer speziellen Annahme der Verträge durch die Nachfolgestaaten nach Einholung der verfassungsrechtlich notwendigen Zustimmung bedürfe. Eine entsprechende Anfrage beim Bundesamt für Migration sei hierzu ergebnislos verlaufen. Daher sei davon auszugehen, dass "die Ukraine den Niederlassungsvertrag mit Russland - wenn er denn überhaupt noch besteht - nicht sonst wie ausdrücklich oder stillschweigend übernehmen" wolle.
 
Erwägung 3.4
 
3.4.1 Das Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111), das für die Schweiz am 6. Juni 1990 und für die Ukraine am 13. Juni 1986 in Kraft getreten ist, lässt gemäss seinem Art. 73 Fragen unberührt, die sich hinsichtlich eines Vertrages aus der Nachfolge von Staaten ergeben können. InBGE 132 II 65 (70) BGE 132 II 65 (71) BGE 105 Ib 286 E. 1c S. 291 hat das Bundesgericht festgehalten, es könne nicht auf eine gewohnheitsrechtliche Regel geschlossen werden, wonach Verträge, die ein Gebietsvorgänger abgeschlossen hat, ohne weiteres im Verhältnis zwischen einem neu entstandenen Staat und der Gegenpartei des Gebietsvorgängers Gültigkeit behalten. Ein bilateraler Vertrag behalte seine Gültigkeit nur, wenn der neu entstandene Staat und die Gegenpartei übereinkommen, den Vertrag aufrechtzuerhalten; dies könne ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln erfolgen (ebenso BGE 111 Ib 52 E. 2a S. 53, BGE 120 Ib 138 E. 2 S. 141; BGE 120 Ib 120 E. 1b S. 123, BGE 120 Ib 189 E. 2b S. 190; anders noch in BGE 78 I 124 E. 4 S. 131). Inzwischen ist am 6. November 1996 die Wiener Konvention vom 22. August 1978 über die Staatennachfolge in Verträge in Kraft getreten. Die Ukraine gehört zu den Unterzeichnerstaaten, die Schweiz hat sich diesem Übereinkommen hingegen bislang nicht angeschlossen. Dieses Übereinkommen enthält in Art. 24 eine der zuvor zitierten Praxis des Bundesgerichts vergleichbare Regelung (vgl. BGE 120 Ib 189 E. 2b S. 190 f.). Bei Staatennachfolge infolge der Teilung eines Staates sieht Art. 34 dieses Übereinkommens hingegen grundsätzlich ein automatisches Eintreten in die bereits bestehenden Verträge vor.
3.5 Ob die in Erwägung 3.3 erwähnten Erklärungen der Ukraine für eine Nachfolge in die bilateralen Verträge mit der SchweizBGE 132 II 65 (71) BGE 132 II 65 (72)genügen, was das Verwaltungsgericht verneint hat, braucht hier nicht abschliessend beurteilt zu werden (vgl. die nicht einheitliche Literatur dazu: ANDREAS ZIMMERMANN, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, Habilitationsschrift Heidelberg 1999, Berlin etc. 2000, S. 372 ff., insbes. S. 376, 378 f. und 421 f.; THEODOR SCHWEISFURTH, Vom Einheitsstaat [UdSSR] zum Staatenbund [GUS], a.a.O., S. 675; ders., Ausgewählte Fragen der Staatensukzession im Kontext der Auflösung der UdSSR, in: Archiv des Völkerrechts 32/1994 S. 99 ff., insbes. S. 113; ders., Das Recht der Staatensukzession, Die Staatenpraxis der Nachfolge in völkerrechtliche Verträge, Staatsvermögen, Staatsschulden und Archive in den Teilungsfällen Sowjetunion, Tschechoslowakei und Jugoslawien, in: Ulrich Fastenrath et al. [Hrsg.], Das Recht der Staatensukzession, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heidelberg 1996, S. 63-66; BRIGITTE STERN, La succession d'Etats, in: Recueil des cours de l'Académie de droit international de La Haye, Bd. 262, Den Haag 1996, S. 242-244 und 252-255; CLAUDIA WILLERSHAUSEN, Zerfall der Sowjetunion, Diss. Marburg 2002, S. 324 ff.; PHOTINI PAZARTZIS, La succession d'Etats aux traités multilatéraux, Paris 2002, S. 78 ff. und 215 ff.; vgl. Urteil 1A.54/2000 vom 3. Mai 2000, E. 6f nicht publ. in BGE 126 II 212). Offenbar sind die Europäische Gemeinschaft, Deutschland, die USA, Grossbritannien, Italien, die Slowakei, Tschechien und Österreich in der Praxis von einer (zumindest vorübergehenden) Weitergeltung bilateraler Verträge der Sowjetunion für GUS-Staaten ausgegangen, während Frankreich eher dem Prinzip der tabula rasa zuneigt und verlangt, dass der neue Staat und Frankreich zunächst Erklärungen zur Übernahme der bilateralen Verträge abgeben müssen (vgl. MICHAEL SILAGI, a.a.O., S. 89 ff., insbes. S. 93 f.; BRIGITTE STERN, a.a.O., S. 314-321; ANDREAS ZIMMERMANN, a.a.O., S. 400 ff.). Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls Folgendes in seine Ausführungen nicht einbezogen:
3.5.2 In einem Dokument der Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten vom 30. März 1992 wurde unter anderem in Bezug auf die Ukraine (und die übrigen GUS-Staaten sowie Georgien, Slowenien und Kroatien) festgehalten, dass auf dem Gebiet der Sukzession von Staaten in Abkommen keine weltweit allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze bestünden; ebenso wenig würden Nachfolgestaaten automatisch in die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Staates treten. Für jedes Abkommen müsse geprüft werden, ob die Übernahme der Rechte und Pflichten des ursprünglichen Staates durch den neu gebildeten Staat den Bedürfnissen der beiden Vertragsstaaten entspreche. Diese Prüfung beanspruche oftmals einige Zeit. Während dessen sollten die betreffenden Abkommen weniger aus juristischen als vielmehr aus praktischen Gründen provisorisch weiterhin zur Anwendung gelangen (Dokument in französischer Sprache auszugsweise publiziert in: LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1992, SZIER 1993 S. 709 f.). In einer weiteren Note vom 20. Januar 1994 wurde erklärt, dass es zwar nicht zu einer automatischen Fortgeltung komme. Die betroffenen Staaten könnten aber jederzeit eine Sukzessionserklärung abgeben oder aber ihre Absicht erklären, an den fraglichen Vertrag nicht gebunden sein zu wollen (auszugsweise abgedruckt in: LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1993, SZIER 1994 S. 611; ähnlich die weitere Note vom 4. April 1995, auszugsweise abgedruckt in: LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière de droit international public 1995, SZIER 1996 S. 619; vgl. auch THEODOR SCHWEISFURTH, Das Recht der Staatensukzession, Die Staatenpraxis der Nachfolge in völkerrechtliche Verträge, Staatsvermögen, Staatsschulden und Archive in den Teilungsfällen Sowjetunion, Tschechoslowakei und Jugoslawien, a.a.O., S. 88 ff., insbes. S. 97 f. bezüglich der Schweiz; ANDREAS ZIMMERMANN, a.a.O., S. 416 f.).
Ohne hierauf ausdrücklich Bezug zu nehmen, äusserte sich das Bundesamt für Migration in seiner Stellungnahme vom 20. JanuarBGE 132 II 65 (73) BGE 132 II 65 (74)2005 gegenüber dem Verwaltungsgericht noch ähnlich: Es könnten hinsichtlich der heutigen Geltung des Niederlassungsvertrages mit Russland zwar Vorbehalte angebracht werden; diese rechtfertigten es zum heutigen Zeitpunkt jedoch nicht, die Gültigkeit bzw. Anwendbarkeit dieses Vertrages auszuschliessen; der Niederlassungsvertrag gelte dabei auch für die Folgestaaten, so also insbesondere auch für die Ukraine.
    "Le Département fédéral des affaires étrangères présente ses compliments à l'Ambassade de l'Ukraine et, considérant qu'à la suite de la disparition de l'Union des Républiques Socialistes Soviétiques l'Ukraine est un Etat successeur de l'ex-URSS, se réfère aux entretiens d'experts qui ont eu lieu à Berne, le 21 mai 1997 au sujet de la succession aux traités bilatéraux conclus entre la Suisse et l'Union des Républiques Socialistes Soviétiques et a l'honneur de lui proposer que les accords suivants demeurent en vigueur dans le cadre des relations bilatérales entre la Suisse et l'Ukraine:
    1.-3. (...)
    [Unter den Ziff. 1 bis 3 sowie 5 bis 7 werden verschiedene zwischen der Schweiz und der Sowjetunion von 1966 bis 1990 getroffene Vereinbarungen aufgeführt.]
    4. Echange de lettres du 1er décembre 1990 relatif à l'édition d'un recueil commun de documents en Suisse et en Union des Républiques Socialistes Soviétiques sur le développement des relations bilatérales entre 1815 et 1955, entré en vigueur le 1er décembre 1990.
    5.-7. (...)"
Die Botschaft der Ukraine in Bern antwortete dem Eidgenössischen Department für Auswärtige Angelegenheiten hierzu am 4. August 1997:
    "L'Ambassade de l'Ukraine a l'honneur de notifier au Département que ce qui précède rencontre l'agrément des autorités ukrainiennes, et que la Note du Département ainsi que la présente réponse constituent la confirmation du maintien en vigueur des Accords susmentionnés dans les relations entre l'Ukraine et la Suisse."BGE 132 II 65 (74)
BGE 132 II 65 (75)Im erwähnten Notenaustausch vom 1. Dezember 1990 zwischen der Schweiz und der Sowjetunion war Folgendes festgehalten worden (an den damaligen sowjetischen Aussenminister Schewardnadse gerichtetes Schreiben):
    "Suite à l'échange de vues entre divers représentants de nos pays respectifs sur la possibilité de l'édition d'un recueil commun de documents en Suisse et en URSS, concernant les rapports entre nos deux pays, j'ai l'honneur de communiquer à Votre Excellence ce qui suit:
    I. Le Département fédéral des affaires étrangères de la Confédération Suisse, en étroite collaboration avec le Département fédéral de l'intérieur, et le Ministère des affaires étrangères de l'Union des Républiques Socialistes Soviétiques en étroite collaboration avec la Direction principale des archives auprès du Conseil des Ministres de l'URSS, conviennent de préparer en commun un recueil de documents sur le développement de leurs relations bilatérales et de le publier en Suisse et en URSS. La période couverte par cette publication s'étend de 1815 à 1955.
    II. (...) Les documents qui se trouvent dans les archives des deux pays seront étudiés et sélectionnés par les autorités compétentes et par les chercheurs des deux pays respectifs. Les deux parties s'efforceront de proposer pour le recueil non seulement des documents déjà publiés, mais en premier lieu des documents inédits.
    III. - V. (...)"
 
Erwägung 4.2
 
In einem Urteil vom 10. Dezember 1924 hatte das Bundesgericht ausgeführt, die Nichtanerkennung der sowjetischen Regierung habe zur Folge, dass dieser Regierung auf internationaler Ebene nicht die Handlungsfähigkeit zukomme, Russland gegenüber der Schweiz zu vertreten (BGE 50 II 507 S. 512). Demnach werden Akte nicht anerkannter ausländischer Regierungen gegenüber der Schweiz als nichtig behandelt (vgl. EDUARD ZELLWEGER, Die völkerrechtliche Anerkennung nach schweizerischer Staatenpraxis, in: Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Bd. 11/1954, S. 24; anders in Bezug auf die Wirkungen der sowjetrussischen Gesetzgebung: BGE 51 II 259; 52 I 218; 54 II 225; 60 I 67; vgl. auch PETER STIERLIN, Die Rechtsstellung der nichtanerkannten Regierung im Völkerrecht, Diss. Zürich 1940, S. 91 ff.).
4.2.4 Unter dem Druck der so genannten Februarrevolution vom 12. März 1917 (27. Februar nach dem russischen Kalender)BGE 132 II 65 (77) BGE 132 II 65 (78)verzichtete der damalige russische Zar am 15. März 1917 auf den Thron. In der Folge wurde eine provisorische Regierung unter Ministerpräsident Georgi Fürst Lwow gebildet, die über ihren Geschäftsträger in der Schweiz das Eidgenössische Politische Departement mit Note vom 19. März 1917 entsprechend informierte. Hierauf befasste sich der Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. März 1917 erstmals mit der Frage der Anerkennung der neuen revolutionären Regierung in Russland (bei PAUL GUGGENHEIM et al., a.a.O., S. 468 Rz. 3.62, und HEINZ KLARER, a.a.O., S. 104 f. auszugsweise wiedergegebenes Dokument). Er beschloss, geschäftliche Beziehungen zur provisorischen Regierung aufzunehmen. Von einer formellen Anerkennung nahm er damals "im Hinblick auf die provisorischen Verhältnisse" aber ausdrücklich Abstand.
4.2.5 Auch wenn die Schweiz "geschäftliche" Beziehungen zur ersten provisorischen Regierung aufgenommen hatte, ging sie zunächst davon aus, dass sie die Letztere nicht formell bzw. de iure anerkannt hatte. Wegen der provisorischen Verhältnisse wollte sie mit einer formellen Anerkennung zuwarten. Dementsprechend erkannte sie auch nie offiziell den neuen Vertreter in Bern an, den die provisorische Regierung Ende März 1917 zur Ablösung des bisherigen russischen Geschäftsträgers entsandt hatte (DIETRICH DREYER, Schweizer Kreuz und Sowjetstern, 1989, S. 14 f.). Es erwies sich in der Folge, dass die erste provisorische Regierung keine feste Grundlage zu schaffen vermochte, die Gewähr für ihre Dauerhaftigkeit bot; sie konnte sich weder effektiv noch endgültig durchsetzen. Im Juli 1917 wurde Alexander Kerensky neuer Ministerpräsident der provisorischen Regierung in Petrograd; im September 1917 proklamierte er die Republik Russland. In der Zwischenzeit hatte sich eine Doppelherrschaft der provisorischen Regierung und des Petrograder Arbeiter- und Soldatensowjets etabliert. Die provisorische Regierung verlor immer mehr an Ansehen und Autorität. Schliesslich nahmen die Bolschewiken anlässlich der so genannten Oktoberrevolution am 7. November 1917 (25. Oktober nach dem russischen Kalender) alle wichtigen Zentren Petrograds ein und setzten die Mitglieder der provisorischen Regierung ab. Hierauf wurde ein Rat der Volkskommissare unter Vorsitz Lenins (als neue provisorische Arbeiter- und Bauernregierung) eingesetzt. Kerensky tauchte unter und floh 1918 ins Ausland.
4.2.6 Damit waren die Voraussetzungen für eine formelle Anerkennung der ab Juli 1917 von Alexander Kerensky geführtenBGE 132 II 65 (78) BGE 132 II 65 (79)Regierung nicht gegeben (vgl. allgemein: EDUARD ZELLWEGER, a.a.O., S. 12; GEORG DAHM/JOST DELBRÜCK/RÜDIGER WOLFRUM, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 190 und 195; KNUT IPSEN, Völkerrecht, 5. Aufl., München 2004, S. 263 f. Rz. 13-17 und S. 273 f. Rz. 39-43). Nach dem Gesagten erscheint die Schlussfolgerung des Eidgenössischen Politischen Departements in der Mitteilung vom 6. Januar 1920 (vgl. E. 4.2.2 hiervor) als verständlich (vgl. auch EDUARD ZELLWEGER, a.a.O., S. 25 lit. g). In eine ähnliche Richtung mag auch der Bericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements aus dem Jahre 1919 stossen, wonach eine klare Bestätigung der Kündigung von den späteren Regierungen nicht erlangt werden konnte (vgl. BBl 1919 II 690 f., aber mit einer E. 3.2 hievor widersprechenden Schlussfolgerung).
Allerdings ist es während der gesamten Sowjetzeit zu keiner Aktualisierung des Niederlassungsvertrags gekommen. Ende 1918 wurden gar die (damals ohnehin schon prekären) Kontakte zwischen der Schweiz und der Sowjetregierung abgebrochen, als der Bundesrat im Zusammenhang mit Unruhen im Lande die Sowjetmission in Bern zum Verlassen des Landes aufforderte (vgl. WALTHER BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. 1, Frauenfeld 1930, S. 191 f., N. 81; PAUL GUGGENHEIM et al., a.a.O., S. 472 ff. Rz. 3.66 und 3.67). Doch auch als sich die diplomatischen Beziehungen später wieder normalisierten und die Schweiz die Sowjetunion sowie ihre Regierung anerkannt hatte (vor allem ab 1946; vgl. HEINZ KLARER, a.a.O., S. 105 ff.; EDGAR BONJOUR, Geschichte der schweizerischen Neutralität, Basel 1965 ff., Bd. 2 S. 686-707, Bd. 3 S. 360-376, Bd. 5 S. 373-425, Bd. 9 S. 324-370), berief sich keiner der beiden Staaten je gegenüber dem anderen auf den Niederlassungsvertrag von 1872. Dementsprechend wird er im Gegensatz zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Russland vom 17. November 1873 auch im Notenaustausch vom 2. September 1993 zwischen Russland und der Schweiz betreffend die mit der Sowjetunion abgeschlossenen bilateralen Verträge nicht namentlich erwähnt. Ausserdem wurde der Niederlassungsvertrag im 1955 erschienenen Registerband der Bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen für die Jahre 1848-1947 (BS 15 S. 99) zusammen mit dem Hinweis (in AS XXXIII [1917] S. 954) auf die Note der russischen Gesandtschaft vom 2. November 1917, mit welcher die Kündigung ausgesprochen worden war, aufgeführt. Eine spätere Klarstellung im Sinne der erwähnten internenBGE 132 II 65 (79) BGE 132 II 65 (80)Mitteilung des Eidgenössischen Politischen Departements vom 6. Januar 1920 erfolgte nicht. Ebenso wenig ist eine Verständigung mit der sowjetischen Regierung hierzu bekannt geworden. Vielmehr wurde der Niederlassungsvertrag mit Russland in den Verzeichnissen der in Kraft stehenden bzw. nach Art. 14 ANAV zu berücksichtigenden Niederlassungsverträge in der Folge nicht mehr aufgeführt (Vertrag noch erwähnt bei PAUL MARX, Systematisches Register zu den geltenden Staatsverträgen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Kantone mit dem Ausland, Zürich 1918, S. 368; sodann nicht mehr erwähnt unter anderem bei: WALTHER BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. 4, Frauenfeld 1931, S. 365 f., N. 1859; MAX RUTH, Das Fremdenpolizeirecht der Schweiz, Zürich 1934, S. 156; PETER KOTTUSCH, Die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 6 ANAG, ZBl 87/1986 S. 553; Bundesamt für Migration, Weisungen und Erläuterungen über Einreise, Aufenthalt und Arbeitsmarkt [ANAG-Weisungen], Anhang 0/1, letzte Änderung der Liste am 8. Juli 2003).