5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und Mitb. gegen Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK) und Orange Communications SA sowie Eidgenössische Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
1A.12/2006 vom 5. Januar 2007 | |
Regeste | |
Bau von Mobilfunkantennen auf Hochspannungsleitungsmasten; anwendbares Bewilligungsverfahren (Änderung der Rechtsprechung).
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Sachverhalt | |
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Während der öffentlichen Auflage des Gesuchs erhoben 16 Anwohner gemeinsam Einsprache und forderten unter anderem die Prüfung von Alternativstandorten. Nach der am 3. März 2003 erfolglos verlaufenen Einigungsverhandlung überwies das Starkstrominspektorat die Sache dem Bundesamt für Energie (BFE) zum Entscheid. Dieses erteilte mit Verfügung vom 27. Juli 2004 der Planvorlage unter verschiedenen Auflagen die Genehmigung und wies die Einsprache ab.
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Gegen die Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Energie reichten die einsprechenden Anwohner Beschwerde bei der ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Anwohner gut.
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4. Das Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.10) sieht kein bundesrechtliches Plangenehmigungsverfahren für die Errichtung oder Änderung von Fernmeldeanlagen vor. Mobilfunkantennen sind daher im kantonalrechtlichen Baubewilligungsverfahren nach Art. 22 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) oder - sollen sie ausserhalb der Bauzone erstellt werden - im Verfahren nach Art. 24 RPG zu bewilligen. Anderes gelte jedoch, wie das Bundesgericht im Entscheid 1P.38/2000 vom 23. Mai 2000 (publ. in: RDAF 2000 I S. 446, URP 2001 S. 503) dargelegt hat, wenn die Antenne am Mast einer Hochspannungsleitung angebracht werden soll. In ![]() ![]() | |
Diese bundesgerichtlichen Überlegungen sind von der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission INUM; bis 30. Juni 2004: Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Rekurskommission UVEK) übernommen und weiterentwickelt worden (vgl. etwa Entscheid D-2002-29 vom 12. Februar 2003, publ. in: VPB 67/2003 Nr. 87; Entscheide D-2003-26 ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht hat sich seinerseits unlängst mit der zivilrechtlichen Frage befasst, ob der Betrieb eines Glasfaserkabels (Lichtwellenleiter) auf einer Hochspannungsleitung, das einerseits der Erdung der Leitung dient und andererseits Dritten für die Übertragung von Daten der Telekommunikation zur Verfügung gestellt wird, vom - dienstbarkeitsvertraglich vereinbarten - Zweck des Betriebs einer elektrischen Leitung miterfasst werde oder diesen sprenge. Dabei ist festgehalten worden, dass das vertraglich eingeräumte Recht auf Errichtung und Betrieb einer Leitung für die Übertragung elektrischer Energie den Transport von Daten nur insoweit einschliesse, als er für den Betrieb der elektrischen Leitung selbst erforderlich sei. Dagegen werde der Einsatz der Leitung zur Erbringung von Fernmeldediensten (elektrisches, magnetisches, optisches oder anderes elektromagnetisches Senden oder Empfangen ![]() ![]() | |
Diese Erwägungen leuchten ein. Es ist ihnen in dem Sinne Rechnung zu tragen, dass die Errichtung einer Mobilfunkantenne auf einem Hochspannungsleitungsmast nicht mehr (nur) als Änderung einer elektrischen Anlage, sondern als Erstellung einer Fernmeldeanlage auf einer elektrischen Anlage zu betrachten ist. Der Mast, der sowohl elektrische Leiterseile als auch eine Mobilfunkantenne trägt, stellt somit eine "gemischte" Anlage dar. Da der Mast als Bestandteil der elektrischen Leitung erstellt und die Antenne als Zusatz eingebaut wird, ist diese als Nebenanlage zur Hauptanlage, der elektrischen Leitung, zu betrachten. Damit ist aber die Frage, in welchem Verfahren die Antenne zu bewilligen sei, noch nicht beantwortet.
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Erwägung 6 | |
6.1 Verschiedene der eidgenössischen Gesetze über Infrastrukturanlagen enthalten besondere Bestimmungen über Nebenanlagen und deren rechtliche Behandlung. Nach Art. 18m des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) untersteht die Erstellung und Änderung von Bauten und Anlagen, die nicht ganz oder überwiegend dem Bahnbetrieb dienen, nicht dem eidgenössischen, sondern dem kantonalen Recht. Sollen die Nebenanlagen direkt auf Bahngrundstücken errichtet werden, bedarf dies seit der Gesetzesänderung vom 18. Juni 1999 keiner zusätzlichen eisenbahnrechtlichen Genehmigung mehr, aber der vorgängigen Anhörung des Bundesamtes für Verkehr als Aufsichtsbehörde im Eisenbahnwesen (Art. 18m Abs. 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 EBG). Diese ist zudem zur Anfechtung der kantonalen Bewilligung befugt (Art. 18m Abs. 3 EBG; vgl. dazu die Botschaft vom 25. Februar 1998 zu einem Bundesgesetz über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren, BBl 1998 S. 2635 f.). Die eisenbahnrechtliche Regelung gilt ebenfalls für Nebenanlagen, die auf Grundstücken oder Einrichtungen für Trolleybusse oder auf Hafen- und Landungsanlagen für Schiffe erstellt werden sollen (vgl. Art. 11 des Bundesgesetzes vom 29. März 1950 über die Trolleybusunternehmungen [SR 744.21] und Art. 8 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt [BSG; SR 747.201]). ![]() ![]() | |
6.3 Das Elektrizitätsgesetz enthält keine Vorschriften über Nebenanlagen zu Starkstromanlagen, d.h. über Bauten und Anlagen, die auf dem gleichen Boden wie Starkstromanlagen oder sogar auf diesen selbst erstellt werden sollen, aber nicht oder nur nebenbei der Erzeugung, Transformierung, Umformung, Fortleitung und Verteilung der Elektrizität dienen (s. Art. 3 Ziff. 29 der Verordnung vom 30. März 1994 über elektrische Starkstromanlagen [Starkstromverordnung; SR 734.2]). Es fragt sich somit, ob der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung abgesehen habe oder ob das Elektrizitätsgesetz lückenhaft sei. Auszugehen ist von Letzterem. Der eidgenössische Gesetzgeber konnte sich im Jahre 1902 wohl kaum vorstellen, dass Starkstromleitungen für andere Anlagen und Zwecke mitbenutzt werden könnten. Das Problem der Nebenanlagen im ![]() ![]() | |
Hochspannungsleitungen und Mobilfunkantennen hängen weder funktionell noch betrieblich voneinander ab. Der Leitungsmast dient der Antenne nur als Stütze, die Antenne beeinflusst den Betrieb der elektrischen Leitung nicht (vgl. oben E. 5). Können die beiden Teile nicht als Gesamtbauwerk verstanden werden, rechtfertigt sich auch nicht, die für den Mast geltende rechtliche Regelung auf die Antenne auszudehnen und die Kompetenz der Plangenehmigungsbehörde zu erweitern.
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6.5 Schliesslich darf darauf hingewiesen werden, dass mit der Unterstellung sämtlicher - auch der auf elektrischen Anlagen zu errichtenden - Mobilfunkantennen unter das kantonale Baubewilligungsverfahren prozessuale Ungereimtheiten ausgeräumt werden können. Beklagen sich nämlich Nachbarn über übermässige ![]() ![]() | |
7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Bau oder die Änderung von Mobilfunkantennen auf Masten von elektrischen Leitungen oder auf anderen Starkstromanlagen in oder ausserhalb der Bauzone dem kantonalen (Baubewilligungs-)Recht untersteht. Solche Antennen können in analoger Anwendung der Regelungen über Nebenanlagen, die im Bundesgesetz vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren (AS 1999 S. 3071) getroffen worden sind (vgl. E. 6.1), nur mit dem Einverständnis der Inhaberin der elektrischen Anlage und nach Anhörung der Aufsichtsbehörde für elektrische Anlagen errichtet oder geändert werden. Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, gegen entsprechende Verfügungen der kantonalen Behörden die Rechtsmittel des eidgenössischen und des kantonalen Rechts zu ergreifen. ![]() |