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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Zu prüfen bleiben die mit den beiden Einspracheentscheide ...
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41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen Coop Genossenschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_693/2009 vom 4. Mai 2010
 
 
Regeste
 
Art. 9 Abs. 1 lit. c, Art. 33 Abs. 1, Art. 34 Abs. 1 lit. a, Art. 36 und 43 Abs. 1 aMWSTG; Mehrwertsteuer; Kundenbindungsprogramm; Abgabe von Treueprämien; Steuersatzberichtigung.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 136 II 441 (442)Die im Detailhandel tätige Coop Genossenschaft (nachfolgend: Coop) führte im Jahr 2000 das neue Kundenbindungsprogramm SUPERCARD ein. Durch Vorweisen der SUPERCARD an der Kasse erhält der Kunde je nach Höhe seines Einkaufs SUPERCARD-Punkte gutgeschrieben, die er zu einem beliebigen Zeitpunkt gegen eine Ware oder Dienstleistung (Prämie) aus dem Prämienkatalog einlösen kann. Die Prämien werden den Kunden durch Drittparteien erbracht. Diese stellen der Coop die ausgehändigten Prämien zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung vertrat die Ansicht, dass es sich bei den Treueprämien um umsatzabhängige Geschenke handle, die aufgrund einer Vereinbarung abgegeben werden und Naturalrabatte darstellen. Da die Umsätze von Coop, für welche die Punkte vergeben werden, überwiegend dem reduzierten Steuersatz für Lebensmittel unterliegen, während die durch die Drittparteien erbrachten Treueprämien überwiegend zum Normalsatz steuerbar seien, müsse das steuerbare Entgelt für die zum reduzierten Satz gelieferten Waren (Prämien) nachträglich auf die verschiedenen Steuersätze aufgeteilt werden. Die Eidgenössische Steuerverwaltung forderte daher mit Ergänzungsabrechnungen für die Jahre 2000 bis 2003 die zu wenig bezahlte Mehrwertsteuer nach.
Die Coop bestritt die Nachforderungen. Mit Entscheiden je vom 7. Juni 2007, bestätigt auf Einsprachen hin am 18. August 2008, hielt die Eidgenössische Steuerverwaltung an den Nachforderungen fest.
Gegen die Einspracheentscheide führte die Coop je Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 16. September 2009BGE 136 II 441 (442) BGE 136 II 441 (443)vereinigte das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren, hiess die Beschwerden gut und hob die Einspracheentscheide vom 18. August 2008 auf. Das Gericht erachtete zwar die Nachforderungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung als materiellrechtlich begründet, gab jedoch den Beschwerden aus anderen Gründen (Vertrauensschutz) statt.
Hiergegen führt die Eidgenössische Steuerverwaltung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Die Coop schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde vollumfänglich gut.
(Zusammenfassung)
 
Die Beschwerdeführerin geht in ihren Leistungsentscheiden davon aus, dass es sich bei der Abgabe der Treueprämien um Naturalrabatte handelt. Da die Treueprämien vorwiegend aus Gütern bestünden, die mehrheitlich der Mehrwertsteuer zum Satz von 7,5 % resp. 7,6 % unterliegen, während die zum Erwerb der SUPERCARD-Punkte erforderlichen Verkaufsumsätze vorwiegend zum reduzierten Satz von 2,3 % resp. 2,4 % (Lebensmittel) steuerbar seien, habe eine Aufteilung des Entgelts aus den Verkaufsumsätzen auf die verschiedenen Steuersatzkategorien zu erfolgen.
Demgegenüber vertritt die Beschwerdegegnerin die Ansicht, die hier in Frage stehenden Treueprämien stellten umsatzabhängige Geschenke dar, die aufgrund einer Vereinbarung abgegeben werden und aus diesem Grund als Naturalrabatte zu qualifizieren sind. Wirtschaftlich gesehen wolle die Beschwerdegegnerin die Treueprämien nichtBGE 136 II 441 (443) BGE 136 II 441 (444)verkaufen, sondern aus Werbungsgründen verschenken. Es fehle damit an einem Leistungsaustausch. Da es sich um unentgeltliche Zuwendungen handle, seien sie im Eigenverbrauch zu versteuern, sofern der Freibetrag für Geschenke überschritten werde (Art. 9 Abs. 1 aMWSTG [AS 2000 1300 ff.], Art. 8 Abs. 1 MWSTV [AS 1994 1464 ff.]).
Mehrwertsteuerrechtlich sind vorliegend allerdings zwei Umsätze auseinanderzuhalten. Beim ersten erwirbt der Coop-Kunde in einem Verkaufsgeschäft der Beschwerdegegnerin Waren und Artikel, vornehmlich Nahrungsmittel, die zum reduzierten Steuersatz abgerechnet werden. Hierfür erhält er gegen Vorweisen der SUPERCARD eine Anzahl SUPERCARD-Punkte gutgeschrieben. Beim zweiten, unter Umständen erst sehr viel später erfolgenden Umsatz handelt es sich um die Einlösung der SUPERCARD-Punkte durch Bezug der im Prämienkatalog aufgeführten Artikel. Diese sind vornehmlich zum Normalsatz abzurechnen. Da nicht im Voraus feststeht, ob und wann der Kunde die Punkte einlösen wird und ob er sie allenfalls verschenkt oder verfallen lässt, handelt es sich um einen zweiten selbständigen Umsatz, für den der Kaufpreis vorausbezahlt wird. Der Einkauf in einer Coop-Filiale und der Leistungsbezug beim späteren Prämiengeschäft bilden somit zwei eigenständige mehrwertsteuerliche Vorgänge.
3.3 Die Abgabe der Prämien gegen Punkte kann offensichtlich auch nicht als Geschenk qualifiziert werden mit der Folge, dass die BGE 136 II 441 (444) BGE 136 II 441 (445)Regeln über den Eigenverbrauch anzuwenden wären (Art. 9 aMWSTG, Art. 8 MWSTV). Ein Eigenverbrauchstatbestand liegt schon deshalb nicht vor, weil ein mehrwertsteuerrechtlicher Leistungsaustausch stattfindet. Das Entgelt besteht aus dem Gegenwert der Prämienpunkte, die der Käufer durch seine Einkäufe bei Coop erworben und vorausbezahlt hat. Dass es sich um ein Entgelt handelt, bestätigt die Beschwerdegegnerin selbst mit der Feststellung, "dass die entsprechenden Aufwendungen in die Bemessung der Produktepreise einfliessen".
Werden die Punkte eingelöst, ist indes zu unterscheiden: Sofern als Treueprämien Gegenstände oder Leistungen bezogen werden, die dem gleichen Steuersatz unterliegen wie die Erstumsätze, hat dies mehrwertsteuerlich keine weiteren Folgen, weil die Steuer auf der Vorauszahlung (Bemessungsgrundlage, Art. 33 aMWSTG, Art. 26 MWSTV) bereits mit dem richtigen Steuersatz abgerechnet worden ist. Zeigt sich hingegen wie im vorliegenden Fall, dass die Einlösung der Punkte überwiegend für Gegenstände erfolgt, die zum Normalsatz versteuert werden müssen, während die Erstkäufe vornehmlich einem reduzierten Steuersatz unterliegen, so ist der Steuersatz nachträglich zu korrigieren.
Diese Art der Berechnung ist nicht zu beanstanden. Damit wird die Bemessungsgrundlage (Art. 33 aMWSTG) nicht geändert oder gar erweitert. Es handelt sich beim nachbelasteten Betrag lediglich um denjenigen Teil der Steuer, der auf dem ursprünglichen Verkaufsumsatz prozentual geschuldet wäre, wenn Einkauf und Prämiengeschäft zeitlich und örtlich zusammengefallen wären, wenn also von Anfang an auf dem Prämienanteil der richtige Steuersatz angewendet worden wäre. Da das Prämiengeschäft separat und erst viel später abgewickelt wird, muss die Steuersatzdifferenz beim Bezug der Prämienleistung nachträglich erhoben werden. Es wird somit die Steuerforderung auf einem Teil der Bemessungsgrundlage anhand des korrigierten Steuersatzes neu berechnet. Das entspricht dem Gesetz, das die Abrechnung der Steuer zum richtigen Steuersatz vorschreibt (Art. 36 aMWSTG, Art. 27 MWSTV).
Es wird offensichtlich auch kein zusätzlicher Umsatz besteuert, da die Prämienleistung bereits mit der Vorauszahlung besteuert worden ist und die Steuersatzdifferenz auf der gleichen Bemessungsgrundlage nacherhoben wird. Die Vorbringen der Beschwerdegegnerin, die Nachforderung beruhe nicht auf einer gesetzlichen Grundlage und es würden zusätzliche Umsätze besteuert, ist daher falsch.
Unbehelflich ist der Einwand, dass die Steuersatzberichtigung gegen das Selbstveranlagungsprinzip verstosse. Auch wenn der Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach "als Ausfluss des Selbstveranlagungsprinzips die steuerliche Konsequenz für den Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Transaktion klar sein müsse", gefolgt wird, ist ihr Schluss daraus nicht richtig. Die Transaktion ist nämlich erst abgeschlossen, wenn die SUPERCARD-Punkte eingelöst sind. In diesem Zeitpunkt ist für den Steuerpflichtigen die Situation auch insofern klar, dass ein allenfalls von der Vorauszahlung abweichender Steuersatz berichtigt werden muss.