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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
3. Der Beschwerdeführer rügt, die Entzugsverfügung ...
Erwägung 3.2
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
 
 
1C_522/2011 vom 20. Juni 2012
 
 
Regeste
 
Art. 83 lit. t und Art. 113 BGG; Art. 29 Abs. 2 lit. a und Art. 30 VZV; Einheit des Verfahrens; Nichtigkeit einer Entzugsverfügung wegen fehlender Unterschrift?
 
Die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts über den vorsorglichen Führerausweisentzug ist nicht unterschrieben und damit mangelhaft. Sie ist aber nicht nichtig, weil es sich einerseits um den blossen Nachvollzug der vom Experten getroffenen und mündlich eröffneten Entscheidung über das Ergebnis der Kontrollfahrt handelt und sich anderseits die Annahme von Nichtigkeit aus Gründen der Verkehrssicherheit verbietet (E. 3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 138 II 501 (502)A. Gestützt auf das Ergebnis einer ärztlichen Kontrolluntersuchung ordnete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern am 7. Juli 2011 an, X. habe sich einer Kontrollfahrt zur Abklärung seiner Fahreignung zu unterziehen.
X. absolvierte die Kontrollfahrt am 23. September 2011. Der Verkehrsexperte A. beurteilte die Leistung von X. als ungenügend. Er beanstandete insbesondere eine massiv übersetzte Geschwindigkeit im Quartier, diverse ungenügend vorbereitete Fahrstreifenwechsel und das Übersehen eines Rotlichts. Der Verkehrsexperte behielt den Führerausweis von X. bei sich. Mit Verfügung vom gleichen Tag entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt X. den Führerausweis vorsorglich. Einer allfälligen Beschwerde entzog es die aufschiebende Wirkung.
X. reichte am 27. September 2011 Beschwerde gegen diese Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts ein.
Am 12. Oktober 2011 bestätigte der Präsident der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern (im Folgenden: Rekurskommission) den vorsorglichen Führerausweisentzug und stellte die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht wieder her.
Am 21. Oktober 2011 reichte X. eine zweite, nunmehr von einem Anwalt verfasste Beschwerde ein. Darauf trat der Präsident der Rekurskommission am 4. November 2011 nicht ein mit der Begründung, sein erster Entscheid in dieser Sache habe die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 23. September 2011 ersetzt, weshalb kein Anfechtungsobjekt mehr bestehe.BGE 138 II 501 (502)
BGE 138 II 501 (503)B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X., die beiden Präsidialentscheide der Rekurskommission aufzuheben und sie anzuweisen, auf die fristgerecht eingereichten Beschwerdeteile vom 27. September und vom 21. Oktober 2011 als einheitliche Beschwerde einzutreten. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
 
 
Erwägung 1
 
(...)
 
Erwägung 3.2
 
BGE 138 II 501 (505)Bei erheblichen Bedenken an der Fahreignung eines Lenkers kann ihm der Führerausweis vorsorglich entzogen werden (Art. 30 VZV; SR 741.51). Besteht ein Lenker die Kontrollfahrt nicht, muss ihm der Ausweis entzogen werden (Art. 29 Abs. 2 lit. a VZV). Beurteilt der Verkehrsexperte die Kontrollfahrt als nicht bestanden, so bestehen damit jedenfalls per sofort ernsthafte Zweifel an der Fahreignung, auch wenn der Lenker mit dieser Beurteilung nicht einverstanden ist und gegen das Ergebnis der Kontrollfahrt Rechtsmittel ergreift. Damit ist der Führerausweis grundsätzlich unmittelbar nach der missglückten Kontrollfahrt vorsorglich solange einzuziehen, bis deren Ergebnis rechtskräftig feststeht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Verkehrsexperte den Führerausweis des Beschwerdeführers einbehielt, nachdem er ihm das negative Ergebnis der Kontrollfahrt mündlich erläutert und das Protokoll der Fahrt ausgehändigt hatte. Dem Beschwerdeführer musste somit von Anfang an bewusst sein, dass der vorsorgliche Entzug inhaltlich auf der ihm eröffneten Beurteilung der Kontrollfahrt des Verkehrsexperten beruht und es sich bei der umstrittenen Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts um den reinen Nachvollzug der vom Experten getroffenen Entscheidung handelt. Insofern wiegt der Mangel der fehlenden Unterschrift weniger schwer, als wenn das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt eine in eigener Verantwortung getroffene Verfügung nicht unterschrieben hätte. Zudem erscheint es aus Gründen der Verkehrssicherheit ausgeschlossen, Nichtigkeit anzunehmen mit der Folge, dass dem Beschwerdeführer der Ausweis wieder ausgehändigt werden müsste, bevor feststeht, dass die negative Beurteilung seiner Fahreignung durch den Verkehrsexperten im Rechtsmittelverfahren keinen Bestand hat. Die Rüge, der vorsorgliche Entzug des Führerausweises durch das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt sei mangels Unterschrift nichtig, ist unbegründet.BGE 138 II 501 (505)