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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig und zu prüfen ist, welche Instanz darüber z ...
Erwägung 2.3
Erwägung 2.4
Erwägung 2.5
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Billag AG und vice versa je auch gegen Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) sowie Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gegen X. und Billag AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_936/2013 und andere vom 31. Januar 2014
 
 
Regeste
 
Art. 1 Abs. 3 lit. c, Art. 6 und 81 Abs. 1 MWSTG; Rechtsweg bei Streitigkeiten über die Überwälzung der Mehrwertsteuer im privatrechtlichen und im öffentlich-rechtlichen Verhältnis (hier: Beleihung).
 
Beruhen die steuerbaren Leistungen auf öffentlichem Recht, richtet sich entgegen dem Wortlaut von Art. 6 MWSTG auch die Überwälzung nach dem öffentlichen Recht.
 
Das Rechtsverhältnis zwischen der Billag AG und den Gebührenpflichtigen ist öffentlich-rechtlicher Natur. Streitigkeiten bei der Überwälzung der etwaigen Mehrwertsteuer auf der Empfangsgebühr sind verfügungsweise zu regeln (E. 2.5).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 140 II 80 (81)Am 1. Juli 2011 stellte die Billag AG als Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehgebühren X., wohnhaft in A./BE, die Gebühren für die Empfangskonzession in Rechnung. Demzufolge schuldete X. mit Fälligkeit per 3. Oktober 2011 der Billag AG für den privaten Radio- und Fernsehempfang eine Jahresgebühr von Fr. 462.40 (inkl. 2,5 Prozent MWST). X. entrichtete zwar die Gebühr (netto Fr. 451.12), nicht aber die darauf lastende Mehrwertsteuer von Fr. 11.28 (2,5/102,5 von Fr. 462.40). Er stellte sich auf den Standpunkt, es handle sich bei den Empfangskonzessionsgebühren um hoheitliche Abgaben, sodass für diese keine objektive Mehrwertsteuerpflicht bestehe. X. verlangte von der Billag AG bzw. dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) eine anfechtbare Verfügung.
Nachdem zunächst die Billag AG ihre Zuständigkeit verneint und auf Beschwerde hin das BAKOM die Sache an die Billag AG zurückgewiesen hatte, verfügte die Billag AG am 12. Februar 2013, dass X. die Empfangsgebühren (Fr. 451.12) nebst Mehrwertsteuer (Fr. 11.28) schulde. X. erhob dagegen am 17. März 2013 Beschwerde an das BAKOM mit dem Antrag, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei die Billag AG anzuweisen, die unter dem Titel Mehrwertsteuer geleisteten Zahlungen zurückzuerstatten. Er erklärte, die Beschwerde sei an die nächsthöhere Instanz weiterzuleiten, sollte das BAKOM der Billag AG entsprechende Weisungen erteilt haben.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2013 überwies das BAKOM die Eingabe als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses trat mit Urteil A-4130/2013 vom 11. September 2013 auf die Beschwerde nicht ein und stellte fest, die Verfügung der Billag AG vom 12. Februar 2013 sei nichtig, soweit sie im Sinne derBGE 140 II 80 (81) BGE 140 II 80 (82)Erwägungen im Streit gelegen sei. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, nicht die Billag AG, sondern das Zivilgericht sei zuständig, über die streitige (Mehrwertsteuer-)Forderung zu befinden. Die Verfügung der Billag AG vom 12. Februar 2013 sei infolge Unzuständigkeit nichtig und könne deshalb kein taugliches Anfechtungsobjekt bilden.
X. (zwecks Aufhebung des angefochtenen Urteils und Neubeurteilung durch die Vorinstanz, eventuell das BAKOM), die Billag AG (zwecks Aufhebung des angefochtenen Urteils und Bestätigung der Verfügung vom 12. Februar 2013, eventuell zwecks Neubeurteilung durch die Vorinstanz) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), vertreten durch das BAKOM (zwecks Aufhebung des angefochtenen Urteils und Neubeurteilung durch die Vorinstanz) erheben drei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, soweit darauf einzutreten ist, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur materiellen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
 
2.1 Gemäss Art. 130 Abs. 1 BV und Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MWSTG (SR 641.20) erhebt der Bund eine Mehrwertsteuer, d.h. eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Netto-Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug. Charakteristisch für die Mehrwertsteuer ist der Austausch von Leistungen (das "Leistungsverhältnis"). Ein mehrwertsteuerlich relevantes Leistungsverhältnis ist anzunehmen, soweit zwischen der (Haupt-)Leistung (Lieferung oder Dienstleistung gemäss Art. 3 lit. d und e MWSTG) und der Gegenleistung (Entgelt im Sinne von Art. 24 MWSTG) ein hinreichender Konnex besteht (Urteil 2C_576/2013 vom 20. Dezember 2013 E. 2.2.1; zum Ganzen CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/PROBST, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 3. Aufl. 2012, N. 648; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 4 N. 20; MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO, Traité TVA, 2009, Kap. 2 N. 176; DANIEL RIEDO, Vom Wesen der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer, 1999, S. 230). Mit derBGE 140 II 80 (82) BGE 140 II 80 (83)Mehrwertsteuer will die Eidgenossenschaft den Konsum der (End-) Verbraucher erfassen; das Gesetz von 2009 nennt den "nicht unternehmerischen Verbrauch" als Besteuerungsziel (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 MWSTG). Aus Praktikabilitätsgründen erfolgt der Bezug der Mehrwertsteuer indessen nicht bei den Leistungsbezügern, den eigentlichen Destinatären der Mehrwertsteuer, sondern bei den Leistungserbringern (BGE 138 II 251 E. 2.1 S. 253; BGE 123 II 295 E. 5a S. 301; zum Gesetz von 2009 namentlich CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/PROBST, a.a.O., N. 403).
 
Erwägung 2.3
 
    1Die Überwälzung der Steuer richtet sich nach privatrechtlichen Vereinbarungen.
    2Zur Beurteilung von Streitigkeiten über die Steuerüberwälzung sind die Zivilgerichte zuständig.
Die Vorinstanz erwog, gemäss Art. 6 Abs. 2 MWSTG sei nicht die Billag AG, sondern das Zivilgericht zuständig, über die streitige (Mehrwertsteuer-)Forderung zu befinden. Die Verfügung der Billag AG sei infolge Unzuständigkeit nichtig und könne deshalb kein taugliches Anfechtungsobjekt bilden. Dies erfordert Ausführungen zu Charakter und Form der Überwälzung.BGE 140 II 80 (83)
BGE 140 II 80 (84)2.3.2 Gemäss Art. 1 Abs. 3 lit. c MWSTG erfolgt die Erhebung der Mehrwertsteuer u.a. auch nach dem Grundsatz der Überwälzbarkeit. Erst die Überwälzung sorgt dafür, dass das Besteuerungsziel, die Erfassung der privaten Einkommens- und Vermögensverwendung, erreicht wird (Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885, insb. 6911 Ziff. 1.3.2). Wird die Mehrwertsteuer überwälzt, stellt sie auf Ebene des Unternehmensträgers oder Gemeinwesens lediglich noch einen Durchlaufposten dar (vgl. CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/PROBST, a.a.O., N. 124). Gesetzlich besteht weder ein Anspruch der leistungsempfangenden Partei noch eine Pflicht der leistungserbringenden Partei auf bzw. zur Überwälzung der Steuer (vgl. Botschaft, a.a.O., 6910 f. Ziff. 1.3.2; Urteil 2A.320/2002 /2A.326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.2.1 mit Hinweisen, in: ASA 74 S. 666, RDAF 2004 II S. 100). Wäre eine Überwälzung möglich, unterbleibt eine solche aber, ergibt sich kein Anspruch der steuerpflichtigen Person auf Befreiung von der Mehrwertsteuer (BGE 123 II 385 E. 8 S. 394 f). Insofern besteht Parallelität mit der Verrechnungssteuer: Auch diese bleibt geschuldet, selbst wenn sie - entgegen der in diesem Bereich herrschenden gesetzlichen Pflicht (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 63 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer [VStG; SR 642.21]) - nicht überwälzt wird (BGE 118 Ib 317 E. 3b S. 324; BGE 108 II 490 E. 5 S. 494; vgl. auch BGE 131 III 546 E. 2.1 S. 549).
 
Erwägung 2.4
 
BGE 140 II 80 (86)2.4.4 Praxis und Doktrin gehen indes davon aus, dass ausschliesslich die Steuerpflichtigen, gegebenenfalls auch die Mithaftenden (Art. 15 ff. MWSTG) zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen Steuerverfügungen legitimiert sind (BGE 124 II 193 E. 3b S. 197 [Berufsverband]; CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/PROBST, a.a.O., N. 86; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 125; MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO, a.a.O., Kap. 6 N. 339; ISABELLE HOMBERGER GUT, in: mwst.com, Kompetenzzentrum MWST der Treuhand-Kammer [Hrsg.], 2000, N. 7 f. zu Art. 63 MWSTG 1999; vgl. für die direkten Steuern Urteile 2C_748/2013 / 2C_749/2013 vom 17. Oktober 2013 E. 3.2, in: ASA 82 S. 309; 2C_1158/2012 vom 27. August 2013 E. 2.3, in: ASA 82 S. 229). Der wirtschaftlich die Steuer tragende Endverbraucher hat somit keine direkte Möglichkeit, mit steuerrechtlichen Rechtsmitteln die subjektive Steuerpflicht der steuerpflichtigen Partei oder die objektive Steuerbarkeit einer Leistung zu bestreiten. Aus diesem Grund hat der Gebührenpflichtige von der Billag AG eine Verfügung über die streitige Steuerbarkeit der Empfangsgebühren verlangt. Die Billag AG hat in ihrer Verfügung vom 12. Februar 2013 festgehalten, dass auf den Empfangsgebühren Mehrwertsteuer zu bezahlen sei, wogegen sich der Gebührenpflichtige mit seiner Beschwerde wehrte.
 
Erwägung 2.5
 
2.5.2 Systemkonform und analog zur Situation bei privatrechtlichen Verhältnissen (vorne E. 2.4) muss die Billag AG daher auch über die mit der Hauptleistung verbundene Mehrwertsteuer verfügungsweise entscheiden können. Wäre der Vorinstanz zu folgen, hiesse dies, dass die Billag AG zwar über die Empfangsgebühr eine Verfügung erlässt, zur Frage der akzessorisch mit der Hauptleistung verbundenen Mehrwertsteuer aber klageweise die Ziviljustiz anrufen müsste; diese hätte einerseits darüber zu befinden, ob im Rahmen desBGE 140 II 80 (86) BGE 140 II 80 (87)jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses eine öffentlich-rechtliche Mehrwertsteuerpflicht besteht, und, bejahendenfalls, ob die Überwälzung zulässig ist. Dies wäre - bei grammatikalischer Auslegung von Art. 6 Abs. 1 MWSTG - auch in solchen Fällen alleine eine Frage der Parteidisposition. Bei teleologischer und systematischer Auslegung springt jedoch ins Auge, dass der Wortlaut der Bestimmung nicht massgebend sein kann.