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Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Das Freizügigkeitsabkommen (Abkommen vom 21. Juni 1999 zw ...
3. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, bei der Dolmets ...
4. Die Beschwerde erweist sich demnach als begründet. Das Au ...
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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Fachgruppe Dolmetscherwesen, Obergericht des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_187/2013 vom 31. Januar 2014
 
 
Art. 4 FZA; Art. 16 Abs. 1 und 2 FZA; Art. 16 und 10 Anhang I FZA.
 
 
Vorbehalt der Ausübung öffentlicher Gewalt bzw. der Ausübung hoheitlicher Befugnisse im Rahmen der selbstständigen bzw. unselbstständigen Erwerbstätigkeit (Art. 16 und 10 Anhang I FZA). Ständige Rechtsprechung des EuGH zur Tragweite der Bereichsausnahme "Ausübung öffentlicher Gewalt": Hoheitlichen Tätigkeiten müssen Entscheidungsautonomie und eine gewisse Letztverantwortung inhärent sein (E. 3.2.2 und 3.2.3). Anwendung auf Gerichtsdolmetscher (E. 3.2.4).
 
 
Präambel, Art. 16 Abs. 1 und 2 FZA.
 
 
Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe zu faktischen Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Primärrecht der EU (E. 3.6.1) sind auch im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens einschlägig (E. 3.6.2). Sie sind stets verhältnismässig und ihrerseits nicht diskriminierend anzuwenden (E. 3.6.3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 140 II 112 (113)A. A. ist lettischer Staatsangehöriger. Er beantragte mit Schreiben vom 21. Februar 2012 die "Aufnahme in das Justizdolmetscherverzeichnis Zürich" für die Sprache Lettisch. Mit Beschluss des Ausschusses der Fachgruppe/Zentralstelle Dolmetscherwesen des Obergerichts des Kantons Zürich (nachfolgend: Fachgruppe) vom 15. Juni 2012 wurde dieser Antrag abgewiesen. Einen gegen den negativen Entscheid gerichteten Rekurs an die Verwaltungskommission am Obergericht des Kantons Zürich lehnte diese am 4. Februar 2013 ab.
B. Die Rekursinstanz begründete ihren Entscheid im Wesentlichen dahin gehend, A. erfülle die persönlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in das Dolmetscherverzeichnis nicht. Er verfüge erst seit Juli 2012 über eine Kurzaufenthaltsbewilligung. Weil er seinen Lebensmittelpunkt nicht in der Schweiz habe, sei nicht gewährleistet, dass er auch kurzfristig für Dolmetschereinsätze zur Verfügung stehe; aufgenommen werden könne nur, wer tatsächlich auch vor Ort Dolmetschereinsätze leisten könne. Die Verwaltungskommission am Obergericht des Kantons Zürich stellt sich überdies auf denBGE 140 II 112 (113) BGE 140 II 112 (114)Standpunkt, A. könne keine Ansprüche aus dem Freizügigkeitsabkommen für sich ableiten. Da es sich bei der Dolmetschertätigkeit um eine hoheitliche Tätigkeit handle, sei das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten "nicht anwendbar".
C. Mit Eingabe vom 16. Februar 2013 beantragt A. dem Bundesgericht, der Beschluss der Verwaltungskommission am Obergericht des Kantons Zürich (Vorinstanz) vom 4. Februar 2013 sei aufzuheben. Die Fachgruppe sei in Anwendung des Freizügigkeitsabkommens mit der EU und ihren Mitgliedstaaten anzuweisen, ihn als Dolmetscher und Übersetzer in das Dolmetscherverzeichnis des Kantons Zürich aufzunehmen. (...)
Das Bundesgericht hebt in Gutheissung der Beschwerde den Beschluss der Verwaltungskommission am Obergericht des Kantons Zürich auf und weist die Sache zur Neubeurteilung an die Fachgruppe zurück.
(Auszug)
 
BGE 140 II 112 (116)3. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, bei der Dolmetschertätigkeit handle es sich um eine "hoheitliche staatliche Tätigkeit", sodass der Beschwerdeführer keine Ansprüche gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen für sich ableiten könne. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, die Vorinstanz habe die Ausnahmebestimmung im Sinne von Art. 16 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens zu den hoheitlichen Tätigkeiten zu Unrecht für anwendbar erklärt. Dies habe zu einer "rechtsfehlerhaften Ungleichbehandlung" des Beschwerdeführers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit (Diskriminierung) und damit zu einer Verletzung des Abkommens geführt.
In BGE 138 I 196 ff. hatte das Bundesgericht die Tätigkeit von vereidigten Übersetzern im Kanton Genf unter dem Gesichtswinkel des Legalitätsprinzips zu beurteilen. Es hat festgehalten, ein vereidigter Übersetzer nehme Staatsaufgaben wahr (E. 4.3). Jedoch bilde er nichtBGE 140 II 112 (116) BGE 140 II 112 (117)Teil der Genfer Staatsverwaltung, sondern sei ihr ausgelagert. Die Auslagerung staatlicher Aufgaben an einen Privaten bedürfe einer Grundlage in einem formellen Gesetz; da keine gesetzliche Grundlage für eine entsprechende Tätigkeit bestand, verletzte eine entsprechende Übersetzertätigkeit Verfassungsrecht (BGE 138 I 196 E. 4.4 S. 200 ff.).
Gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA ist für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens - soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Unionsrechts herangezogen werden - die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni 1999) massgebend. Da es Ziel des Abkommens ist, die Freizügigkeit auf der Grundlage der in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen (Präambel), und die Vertragsstaaten übereingekommen sind, in den vom Abkommen erfassten Bereichen alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit in ihren Beziehungen eine möglichst parallele Rechtslage besteht (Art. 16 Abs. 1 FZA), weicht das Bundesgericht praxisgemäss von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH nach dem Unterzeichnungsdatum nicht leichthin, sondern nur beim Vorliegen "triftiger" Gründe ab (BGE 139 II 393 E. 4.1.1 S. 397 f.; BGE 136 II 65 E. 3.1 S. 70 f., BGE 136 II 5 E. 3.4 S. 12 f.; je mit zahlreichen Hinweisen).BGE 140 II 112 (117)
BGE 140 II 112 (118)Art. 16 Anhang I FZA zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist der Ausnahmebestimmung zum Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit von Art. 51 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; ABl. C 326 vom 26. Oktober 2012 S. 47 ff. [ehemals Art. 45 EGV]) nachgebildet; die Formulierung dieser Bestimmung des Freizügigkeitsabkommens ("Ausübung öffentlicher Gewalt") stimmt wörtlich mit derjenigen des AEUV bzw. EGV überein. Für ihre Interpretation wie auch für die Auslegung der unter dem Begriff der Niederlassungsfreiheit gewährten Rechte (Art. 4 und 7 FZA in Verbindung mit Art. 12 ff. Anhang I FZA) ist die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union heranzuziehen (Art. 16 Abs. 2 FZA; vgl. BGE 139 II 393 E. 4.1.1 S. 397 f. mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 203/03 vom 21. Dezember 2006 E. 6.1; vgl. auch EPINEY/METZ/PIRKER, Zur Parallelität der Rechtsentwicklung in der EU und in der Schweiz, Ein Beitrag zur rechtlichen Tragweite der "Bilateralen Abkommen", 2012, S. 157 ff.).
3.2.1 Im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in der EU - d.h. der "tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbeschränkte Zeit" (Urteil des EuGH vom 25. Juli 1991 C-221/89 Factortame, Slg. 1991 I-3905 Randnr. 20) - sind Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten (Art. 49 ff. AEUV; ehemals Art. 43 ff. EGV). Die Gleichbehandlungsgebote verbieten nach der bei der Auslegung des FZA zu berücksichtigenden Rechtsprechung des EuGH nicht nur unmittelbare (offene) Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle mittelbaren (verdeckten) Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale zum Ergebnis einer unterschiedlichen Behandlung je nach Staatszugehörigkeit führen würden (Urteile des EuGH vom 12. Februar 1974 C-152/73 Sotgiu, Slg. 1974 153 Randnr. 11; vom 8. Mai 1990 C-175/88 Biehl, Slg. 1990 I-1779 Randnrn. 13 f.; vom 14. Januar 1988 C-63/86 Kommission gegen Italien, Slg. 1988 29 Randnrn. 18 ff.; vgl. BGE 131 V 209 E. 6.2 S. 215; BGE 130 I 26 E. 3.2.3 S. 35 f.; Urteil 2C_244/2011 vom 3. Februar 2012 E. 3.2.2; WINFRIED BRECHMANN, in: EUV/AEUV, Kommentar, Calliess/Ruffert [Hrsg.], 4. Aufl. 2011, N. 20 zu Art. 49 AEUV; TOBIAS JAAG, Europarecht, 3. Aufl. 2010, Rz. 1517a). Massnahmen, die nicht diskriminierend sind, sich jedoch beschränkend auswirken, stellen im Binnenrecht der EU ebenfalls einen zu rechtfertigenden Eingriff inBGE 140 II 112 (118) BGE 140 II 112 (119)die Niederlassungsfreiheit dar (vgl. Urteile des EuGH vom 7. Mai 1991 C-340/89 Vlassoupoulou, Slg. 1991 I-2357 Randnrn. 15 ff.; vom 31. März 1993 C-19/92 Kraus Slg. 1993 I-1663 Randnr. 32; vgl. auch vom 19. Mai 2009 C-171/07 Doc Morris II, Randnrn. 18, 22 ff.; vgl. BIEBER/EPINEY/HAAG, Die Europäische Union, 10. Aufl. 2013, § 11 N. 120).
Vom Anwendungsbereich des Niederlassungsrechts bleiben hingegen Tätigkeiten ausgeschlossen, "die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind" (Art. 51 AEUV; ehemals Art. 45 Abs. 1 EGV). Tätigkeiten, die in diese sog. "Bereichsausnahme" fallen, sind vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgenommen und dürfen - auch ohne Anrufung von Rechtfertigungsgründen - eigenen Staatsangehörigen vorbehalten bleiben (vgl. hierzu JÜRGEN BRÖHMER, in: EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, N. 1 zu Art. 51 AEUV; ULRICH FORSTHOFF, in: Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], Stand Juli 2010, N. 6 zu Art. 51 AEUV; HENSSLER/KILIAN, Die Ausübung hoheitlicher Gewalt im Sinne des Art. 45 EG, EuR 2005 S. 192 ff.; JAAG, a.a.O., Rz. 3142 f.).
3.2.2 Nach der Praxis des EuGH ist der Begriff der "öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art. 51 AEUV eng auszulegen: Um die praktische Wirksamkeit (vgl. hierzu BGE 133 V 367 E. 11 S. 386 ff.) der Niederlassungsfreiheit zu wahren, müsste die vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränkt sein, welche "unmittelbar und spezifisch" mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind (vgl. Urteile des EuGH vom 21. Juni 1974 2/74 Reyners, Slg. 1974 631 Randnrn. 44/45, 54/55; vom 13. Juli 1993 C-42/92 Thijssen, Slg. 1993 I-4047 Randnr. 8; vom 29. Oktober 1998 C-114/97 Kommission gegen Spanien, Slg. 1998 I-6717 Randnr. 35; vgl. auch vom 30. März 2006 C-451/03 Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Slg. 2006 I-2941 Randnr. 46; vom 29. November 2007 C-404/05 Kommission gegen Deutschland, Slg. 2007 I-10239 Randnr. 38; und vom 22. Oktober 2009 C-438/08 Kommission gegen Portugal, Slg. 2009 I-10219 Randnr. 36). Die öffentliche Gewalt manifestiere sich etwa in der Ausübung von gerichtlichen Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnissen (Urteil Reyners, Randnrn. 51 bis 53, 54/55). Auch die mit dem Einsatz von Zwangsmitteln bzw. der regelmässigen Ausübung polizeilicher Befugnisse verbundenen Tätigkeiten stellen eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse dar, sofern sie nicht bloss einen sehr geringen Teil jener Tätigkeit ausmachen (UrteileBGE 140 II 112 (119)BGE 140 II 112 (120) Kommission gegen Portugal, Randnr. 44; vom 30. September 2003 C-47/02 Anker u. a. gegen Deutschland, Slg. 2003 I-10447 Randnrn. 61, 63, 69; Kommission gegen Spanien, Randnr. 37).
Hoheitlichen Tätigkeiten müssen demnach Entscheidungsautonomie und eine gewisse Letztverantwortung inhärent sein, damit sie als Ausübung hoheitlicher Gewalt qualifiziert werden können. Nicht unter die Bereichsausnahme von Art. 51 AEUV fallen hingegen Tätigkeiten, deren Ausübung die Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnisse von Verwaltungsbehörden oder Gerichten unberührt lässt (Urteile Thijssen, Randnr. 22; Kommission gegen Spanien, Randnr. 38; vgl. auch Urteil des EuGH vom 24. Mai 2011 C-54/08 Kommission gegen Deutschland, Slg. 2011 I-04355 Randnr. 87). Personen, die entsprechende Hilfstätigkeiten ausüben, können sich auf ihre Freizügigkeitsrechte berufen, und umgekehrt steht es den Vertragsstaaten nicht zu, die Freizügigkeitsrechte einzuschränken und entsprechende Hilfstätigkeiten den eigenen Staatsangehörigen vorzubehalten (vgl. MARIE- CHRISTINE FUCHS, Kein Staatsangehörigkeitsvorbehalt für den Zugang zum Notarberuf [EuGH, GrosseKammer, Urteil vom 24. Mai 2011BGE 140 II 112 (120) BGE 140 II 112 (121)C-54/08, Kommission/Deutschland], Europ. Zeitschrift für Wirtschaftsrecht [EuZW] 12/2011 S. 468 ff.,dort 475 f.; MATTHIAS OESCH, Niederlassungsfreiheit und Ausübung öffentlicher Gewalt im EU-Recht und im Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, SZIER 2011 S. 583 ff., dort 596; vgl. auch ETIENNE POLTIER, RDAF 2013 I 427).
Der EuGH hat in einem Urteil aus dem Jahr 2011 in Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung zum eng auszulegenden Begriff der öffentlichen Gewalt (E. 3.2.2; Urteile Reyners, Randnrn. 44/45, 54/55; Kommission gegen Griechenland, Randnr. 7) denn auch festgestellt, dass die Tätigkeit von "Gerichtssachverständigen auf dem Gebiet der Übersetzung" darin bestehe, eine neutrale und hochwertige Übersetzung aus einer Sprache in eine andere zu erbringen, ohne dass die Meinung der Sachverständigen in die Entscheidungsfindung der Behörden mit einfliessen würde. Die Übersetzungsleistung lasse die gerichtliche Würdigung und die freie Ausübung der rechtsprechenden Gewalt ungeschmälert, sodass sie nicht unter die Bereichsausnahme der öffentlichen Gewalt falle, sondern vielmehr eine Hilfstätigkeit hierzu darstelle (Urteil des EuGH vom 17. März 2011 C-372/09 und 373/09 Josep Penarroja Fa, Slg. 2011 I-1785 Randnrn. 41-45).
Im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens stellt die Dolmetschertätigkeit, die darin besteht, eine neutrale und hochwertige Übersetzung zuhanden der Gerichte zu erbringen, ohne dass die Meinung des Dolmetschers in die Entscheidungsfindung der Behörden mit einfliesst (vgl. oben E. 3.2.3), keine "unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt" (BGE 128 I 280 E. 3 S. 282) im Sinne von Art. 16 Anhang I FZA dar. DerBGE 140 II 112 (121) BGE 140 II 112 (122)Beschwerdeführer kann - weil seine Aufgabe nicht (unmittelbar) mit derAusübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, sondern eine Hilfsfunktion für die entsprechende Bereichsausnahme darstellt - Ansprüche aus dem Freizügigkeitsabkommen für sich ableiten.
3.3 Diese Auslegung steht begrifflich, nicht jedoch inhaltlich im Widerspruch zur bisherigen, in Anwendung des nationalen Rechts ergangenen Rechtsprechung zur Qualifikation der Dolmetscher- bzw. Übersetzertätigkeiten (oben E. 3.1): Wenn die Dolmetscher gestützt auf die Wirtschaftsfreiheit keinen Anspruch darauf haben, staatliche Entschädigungen über die Entschädigungsregel in der Dolmetscherverordnung hinaus zu verlangen, können sie unter dem Blickwinkel der Freizügigkeit gleichwohl berechtigt sein, sich zur Berufsausübung in der Schweiz niederzulassen (oben E. 3.1.1). Die Auslegung tangiert auch nicht den Grundsatz, wonach die Übertragung staatlicher Aufgaben an Dritte ausserhalb der Behördenorganisation auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen muss (BGE 138 I 196 E. 4.4 S. 200 ff. mit Hinweisen; oben E. 3.1.1; vgl. hierzu auch ZÜND/ERRASS, Privatisierung von Polizeiaufgaben, Sicherheit & Recht 3/2012 S. 162 ff., 183; TOBIAS JAAG, Dezentralisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Formen, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, in: Dezentralisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 2000, S. 37 ff.). Zwar ist es geboten, die Dolmetscher zur Wahrung prozessualer Rechte der Bürgerinnen und Bürger in die Unparteilichkeit, Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit der gerichtlichen Behörden und damit in die Grundrechtsbindung staatlichen Handelns mit einzubeziehen (Art. 30 Abs. 1 BV bzw. Art. 29 Abs. 1 BV; BGE 125 II 541 E. 4a S. 544; BGE 120 V 357 E. 3a S. 364 f.; Urteile 2C_991/2011 vom 18. Juli 2012 E. 2.2; 2C_121/2011 vom 9. August 2011 E. 3.3.2; 2P.78/2005 21. Juli 2005 E.2.1; GEROLD STEINMANN, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 8 zu Art. 30 BV). Umgekehrt sollten freizügigkeitsberechtigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher nicht unter Berufung auf jenen Zweck daran gehindert werden, entsprechende Dienste (auch) an Schweizer Gerichten und vor Schweizer Behörden anzubieten. Die funktionelle Betrachtung der Dolmetschertätigkeit im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (vgl. Urteil C-54/08 Kommission gegen Deutschland, Randnr. 109, und die oben E. 3.2.2 f. zitierte Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch OESCH, a.a.O., S. 595 mit Hinweisen) mindert die institutionelle Unabhängigkeitsgarantie gerichtlicher Behörden nicht (Art. 30 BV).BGE 140 II 112 (122)
BGE 140 II 112 (123)3.4 Nach dem Gesagten geniesst der Beschwerdeführer - dessen fachliche Qualifikationen gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen von der Fachgruppe vollumfänglich anerkannt sind (vgl. hierzu Art. 9 in Verbindung mit Anhang III FZA) - hinsichtlich des Zugangs zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung Inländerbehandlung. Jede Ungleichbehandlung aufgrund der Staatszugehörigkeit ist untersagt (Art. 15 Abs. 1 Anhang I FZA; vgl. auch Art. 2 FZA). Die Vorinstanz durfte demnach im Auswahlverfahren nicht auf das in § 10 Abs. 2 lit. c der Dolmetscherverordnung genannte Kriterium der Staatszugehörigkeit ("in der Regel Schweizer Bürgerin oder Bürger") abstellen. Die Vorinstanz legt nicht dar, was die in § 10 Abs. 2 lit. c der Dolmetscherverordnung festgehaltene weitere Voraussetzung bezweckt, wonach die Bewerber "seit mehreren Jahren über eine Aufenthaltsbewilligung" verfügen müssten. Die Dauer des bisherigen Aufenthalts bzw. die Tatsache, dass der Beschwerdeführer erst seit kurzer Zeit im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung ist, darf für sich ebenfalls kein Kriterium sein, ihm die Aufnahme ins Dolmetscherverzeichnis zu verweigern.
Die Fachgruppe wird das Aufnahmegesuch demnach neu zu prüfen haben, ohne dabei auf die genannten, an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden und damit im Anwendungsbereich des FZA unzulässigen Kriterien zurückzugreifen. Die Beschwerde ist aus diesem Grund gutzuheissen und im Sinne der Erwägungen an die Fachgruppe als Erstinstanz zurückzuweisen.
Allerdings sind gewisse Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Binnenrecht der EU zu rechtfertigen. So sind die Mitgliedstaaten befugt, Sonderregelungen für EU-Ausländer vorzusehen oder Einschränkungen der Grundfreiheiten zuzulassen, die Vertragsausländer faktisch vermehrt treffen, jedoch aus Gründen der öffentlichenBGE 140 II 112 (124) BGE 140 II 112 (125)Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu rechtfertigen sind (Art. 52 Abs. 1 AEUV bzw. Art. 46 Abs. 1 EGV; vgl. etwa Urteile des EuGH vom 30. November 1995 C-55/94 Gebhard, Slg. 1995 I-4165 ff. Randnr. 33 ff., 37; Kraus, Randnr. 32; Anker, Randnr. 67; Kommission gegen Deutschland, Randnr. 98); als Rechtfertigungsgründe kommen auch Grundrechte Dritter in Betracht (vgl. etwa Urteile des EuGH vom 12. Juni 2003 C-112/00 Schmidberger, Slg. 2003 I-5659 Randnr. 71; vom 14. Oktober 2004 C-36/02 Omega, Slg. 2004 I-09609 Randnr. 40). Entsprechende Einschränkungen sind jedoch zusätzlich nicht diskriminierend und unter dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit auszulegen (vgl. Urteil Gebhard, Randnr. 37). Auch ungeschriebene, in der Terminologie des EuGH "zwingende Erfordernisse" des Allgemeininteresses können faktische Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit rechtfertigen (Urteile vom 20. Februar 1979 120/78 Rewe-Zentral AG, Slg. 1979 S. 649 ff., "Cassis de Dijon", Randnrn. 8, 13 f.; Kraus, Randnr. 32; vgl. vom 3. Oktober 2000 C-58/98 Corsten, Slg. 2000 I-7919 Randnr. 35;BRÖHMER, a.a.O., N. 32 zu Art. 49 AEUV;FORSTHOFF,a.a.O., N. 122 und 124 zu Art. 49 AEUV). Beim Heranziehen von inhärenten Rechtfertigungsgründen ist gleichermassen der Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu beachten und sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewendet werden (vgl. Urteil Gebhard, Randnr. 37; vgl. heute Art. 5 Abs. 4 EUV, Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta der EU).
3.6.3 Die Vorinstanz hat weder die Abwesenheiten des Beschwerdeführers festgestellt, noch dargelegt, wie die Fachgruppe dasBGE 140 II 112 (125) BGE 140 II 112 (126)Kriterium der Verfügbarkeit gegenüber inländischen Bewerbern anwendet. Eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers aufgrund möglicher anderer Tätigkeiten im Ausland ist grundsätzlich unzulässig. Ob der Beschwerdeführer gegenüber inländischen Bewerbern aufgrund seiner Verfügbarkeiten faktisch schlechtergestellt wird, lässt sich den Ausführungen der Vorinstanz nicht entnehmen. Es liegt auch nicht auf der Hand, Personen generell vom Eintrag in das Dolmetscherverzeichnis auszuschliessen, bloss weil sie eine gewisse Vorausplanung benötigen. So ist eine kurzfristige Verfügbarkeit für die in der Regel frühzeitig angesetzten Behörden- und Gerichtsverhandlungen, die den Grossteil der Übersetzungsaufträge ausmachen dürften, nicht erforderlich.
Allerdings kann das Kriterium der Verfügbarkeit für gewisse Einsätze sachgerecht erscheinen, um etwa haftrichterliche Überprüfungen oder Einvernahmen von Angeschuldigten zu ermöglichen und damit Grundrechte von Dritten, zum Beispiel effektive Verteidigungsrechte von Angeklagten, zu gewährleisten (vgl. Art. 29 BV; Art. 6 EMRK; vgl. etwa BGE 118 Ia 462 E. 2a S. 464 f. mit zahlreichen Hinweisen; Urteil 6B_190/2008 vom 20. Mai 2008 E. 3.1; Urteile des EGMR Luedicke, Belkacem und Koç gegen Deutschland vom 28. November 1978, Serie A Bd. 62 § 48, sowie Kamasinski gegen Österreich vom 19. Dezember 1989, Serie A Bd. 168 § 74) oder die Funktionsweise der Gerichte zu wahren. Für solche Einsätze darf demnach die Fachgruppe die Voraussetzung der Verfügbarkeit heranziehen, selbst wenn es ausländische Dolmetscher faktisch stärker in der Ausübung ihrer Freizügigkeitsrechte einschränken würde. Das Kriterium der Verfügbarkeit steht für derartige Einsätze - soweit es seinerseits nicht diskriminierend angewandt wird und verhältnismässig ist - dem Freizügigkeitsabkommen nicht entgegen (vgl. Urteile Gebhard, Randnr. 37; Ramrath, Randnrn. 29 f.; JAAG, a.a.O., 2010, N. 314 f., 3150 f.; FORSTHOFF, a.a.O., N. 122 zu Art. 49 in Verbindung mit N. 371 ff. zu Art. 45 AEUV; vgl. in anderem Kontext des FZA auch ASTRID EPINEY, Vorübergehende Wiedereinführung der bedarfsabhängigen Zulassung frei praktizierender Ärzte, Jusletter 22. April 2013 Rz.12 mit zahlreichen Hinweisen; COTTIER/LIECHTI-MCKEE, KVG-Teilrevision, Zur Vereinbarkeit mit dem bilateralen Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, Jusletter 10. Juni 2013 Rz. 25 ff., 29).
4. Die Beschwerde erweist sich demnach als begründet. Das Aufnahmeverfahren ist für den Beschwerdeführer neu zu eröffnen undBGE 140 II 112 (126) BGE 140 II 112 (127)auf der Grundlage des Freizügigkeitsabkommens zu beurteilen. Dabei geniesst der Beschwerdeführer Inländerbehandlung (oben E. 2 und 3): Die Staatsangehörigkeit und die Frage, wie lange er bereits über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, können nicht massgeblich sein für die Beurteilung seines Gesuchs um Aufnahme in das Dolmetscherverzeichnis. Soweit Erfordernisse der Verfügbarkeit beim Beschwerdeführer zu faktischen Ungleichbehandlungen gegenüber schweizerischen Bewerbern führen, lassen sich diese nur durch überwiegende öffentliche Interessen ("zwingende Erfordernisse") rechtfertigen, die ihrerseits - im Sinne der vorhergehenden Ausführungen - nicht diskriminierend sowie verhältnismässig angewandt werden.BGE 140 II 112 (127)