Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Zu prüfen ist zunächst der Anspruch aufgrund von Art ...
Erwägung 3.5
Erwägung 3.6
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Migrationsamt und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_873/2013 vom 25. März 2014
 
 
Regeste
 
Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG; Weiterbestehen des Anspruchs auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Ehegatten, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 140 II 289 (290)A.
A.a. A., geboren 1984, Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste am 23. April 2004 in die Schweiz ein, wo er erfolglos um Asyl nachsuchte. Am 12. Dezember 2005 heiratete er die 1960 geborene Schweizerin B., worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde. Am 10. November 2006 zog das Ehepaar in den Kanton Aargau, wo A. ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Nachdem er am 12. Juli 2007 allein in den Kanton Zürich zurückgekehrt war, beantragte er dort die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Da B. dem Migrationsamt mitgeteilt hatte, dass die Ehegemeinschaft am 19. Januar 2007 aufgegeben worden sei, wies das Amt mit rechtskräftiger Verfügung vom 13. November 2007 das Gesuch ab. Die Ehe von A. und B. wurde am 12. Februar 2008 geschieden.
A.b. Am 7. Mai 2008 heiratete A. die ursprünglich aus Jamaika stammende Schweizer Bürgerin C., worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde, letztmals verlängert bis zum 6. Mai 2012. Am 18. Januar 2011 gebar C. einen Sohn. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 25. Mai 2011 wurde festgestellt, dass A. nicht der Vater des Kindes ist; dieses wurde am 30. Mai 2011 vom Schweizer Bürger D. anerkannt. Auf Anfrage des Migrationsamts teilte C. mit, die eheliche Wohngemeinschaft sei etwa im Dezember 2009 aufgegeben worden. A. seinerseits teilte mit, die Ehegemeinschaft sei im Dezember 2010 aufgegeben worden.
A.c. Mit Verfügung vom 14. Juni 2012 wies das Migrationsamt A.s Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab.
B. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 16. März 2013; Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. August 2013 [...]).
(...)
BGE 140 II 289 (290) BGE 140 II 289 (291)Das Bundesgericht weist die gegen das letztgenannte Urteil erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab.
(Auszug)
 
    "Ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz kann sich etwa dann als erforderlich erweisen, wenn der in der Schweiz lebende Ehepartner verstorben ist oder wenn aufgrund der gescheiterten Ehe die familiäre und soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark erschwert wird. Dies gilt auch, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, zu denen eine enge Beziehung besteht und die in der Schweiz gut integriert sind. Zu berücksichtigen sind jedoch stets auch die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt haben. Steht fest, dass die im Familiennachzug zugelassene Person durch das Zusammenleben in ihrer Persönlichkeit ernstlich gefährdet ist und ihr eine Fortführung der ehelichen Beziehung nicht länger zugemutet werden kann, ist dies beim Entscheid besonders in Rechnung zu stellen.BGE 140 II 289 (292)
    BGE 140 II 289 (293)Demgegenüber ist eine Rückkehr zumutbar, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nur kürzere Zeit gedauert hat, keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft wurden und die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt. Wichtig ist, dass jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Mit der Gewährung eines gesetzlichen Aufenthaltsrechts wird auch die Praxis in den einzelnen Kantonen harmonisiert."
3.4.2 Im Nationalrat als Erstrat (AB 2004 N 1060 ff.) beantragte die Kommissionsmehrheit die Gesetz gewordene Fassung. Die Kommission wollte damit eine ausgewogene Lösung realisieren, die einerseits Missbräuche mit Scheinehen vermeidet und andererseits verhindern soll, dass Ehegatten den ausländerrechtlichen Status ihrer Partner(innen) missbrauchen, um ihnen gegenüber Gewalt auszuüben (a.a.O., 1064, Kommissionssprecher Beck). Dem Antrag der Kommissionsmehrheit standen einschränkendere und weiter gehende Anträge gegenüber. Die weiter gehenden Anträge wurden damit begründet, es gehe vor allem darum, gewaltbetroffene ausländische Ehefrauen vor dem Dilemma zu schützen, bei einem gewalttätigen Gatten verbleiben zu müssen oder die Aufenthaltsbewilligung zu verlieren; es wurde kritisiert, die Dreijahresdauer würde dazu führen, dass diese Frauen drei Jahre lang in einer unzumutbaren Ehe ausharren müssten (AB 2004 N 1062 f., Voten Vermot-Mangold, Menétrey-Savary, Thanei). Einschränkendere Anträge wollten den Anspruch in eine Kann-Formulierung umwandeln oder die Frist auf fünf Jahre verlängern, mit dem Anliegen, Missbräuche oder Scheinehen zu bekämpfen; drei Jahre Ehe, und seien sie auch schlecht, könne man aussitzen, um so ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu erhalten (schriftliche Begründung Antrag Wasserfallen). Der schliesslich obsiegende Antrag wurde als Zwischenlösung bezeichnet, die einerseits einen Anspruch festschreibt, diesen aber an klare Bedingungen knüpft (a.a.O., 1064, Pfister, Kommissionssprecher Beck). Die Dreijahresfrist sei die aktuelle Praxis in den meisten Kantonen (a.a.O., 1064, BR Blocher; vgl. BGE 136 II 113 E. 3.3.1 S. 117 f.). Der Ständerat stimmte diesem Vorschlag diskussionslos zu (AB 2005 S 310 f.; vgl. BGE 136 II 1 E. 5.2 S. 3 f.)
3.4.3 Die Entstehungsgeschichte gibt somit keine direkte Antwort auf die hier zu beantwortende Frage. Sie erlaubt aber Rückschlüsse auf Sinn und Zweck der Regelung: Nach dem Kontext der Entstehungsgeschichte (Parlamentarische Initiative Goll) ging es vor allem um Frauen, die zusammen mit ihrem Mann in die Schweiz gekommen sind oder mit einem in der Schweiz lebenden Mann (zwangs-)BGE 140 II 289 (293) BGE 140 II 289 (294)verheiratet wurden (vgl. auch die seit dem 1. Juli 2013 in Kraft stehende Neufassung von Art. 50 Abs. 2 AuG). Der Gesetzgeber wollte mit Art. 50 AuG in erster Linie die Ehegatten nach Auflösung der Ehe schützen, um sie nicht vor das Dilemma zu stellen, entweder in einer unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft zu verbleiben oder allein in ein gesellschaftliches Umfeld zurückzukehren, wo sie wegen ihrer Trennung oder Scheidung möglicherweise geächtet werden (BGE 140 II 129 E. 3.5 S. 132 f.; vgl. auch BGE 138 II 229 E. 3.1 S. 231 f.). Der Gesetzgeber wollte mit der Statuierung der im Entwurf des Bundesrates noch nicht enthaltenen dreijährigen Ehedauer (vorne E. 3.4.1) aber auch - nebst der beabsichtigten Vereinheitlichung der kantonalen Praxen (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348 f.) - die "wichtigen Gründe" objektivieren in dem Sinne, dass nach dreijähriger Ehegemeinschaft und erfolgreicher Integration solche Gründe von Gesetzes wegen angenommen werden, ohne dass sie für ein Weiterbestehen des Anspruchs auf eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung noch gesondert geltend gemacht werden müssten. Ausser in den Fällen wichtiger persönlicher Gründe soll dafür aber eine kürzere als dreijährige Ehedauer nicht genügen. Derartige Konstellationen - also wichtige persönliche Gründe trotz kürzerer Ehedauer - werden nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr (als nacheheliche Härtefälle) von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG (nicht publ. E. 2, am Ende) erfasst, bei denen sämtliche Umstände des Einzelfalles mitzuberücksichtigen sind (BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348) und die - aufgrund der anspruchsbegründenden Ausgestaltung von Art. 50 AuG - auch der richterlichen Überprüfbarkeit zugänglich sind.
 
Erwägung 3.5
 
 
Erwägung 3.6
 
3.6.1 Art. 50 AuG steht sodann systematisch im Zusammenhang mit Art. 42 und 43 AuG: Für seine Auslegung ist auch die dort massgebende Auslegung zu berücksichtigen (BGE 140 II 129 E. 3.4 S. 132; BGE 136 II 113 E. 3.3.2 S. 118 f.). Der aus Art. 50 AuG fliessende Anspruch schliesst an die Anwesenheitsansprüche von Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 AuG an ("Weiterbestehen") und knüpft nach der gesetzgeberischen Intention an die spezifische Lebenssituation nach dem Dahinfallen dieser abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung anBGE 140 II 289 (295) BGE 140 II 289 (296)(vorne E. 3.4.3; vgl. in Bezug auf Art. 50 Abs. 1 lit. b BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 349 f.; BGE 138 II 393 E. 3.1 S. 394). Ist dieser Zusammenhang unterbrochen und der Anspruch nach Art. 50 AuG untergegangen, weil es am Zusammenwohnen fehlte (ohne dass wichtige Gründe für das Getrenntleben gegeben gewesen wären), kann der Anspruch nach Art. 50 AuG regelmässig nicht wieder aufleben (BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 349 f.; Urteile 2C_365/2010 vom 22. Juni 2011 E. 3.5; 2C_590/2010 vom 29. November 2010 E. 2.5.3).
Der Beschwerdeführer selber zieht in systematischer Auslegung eine Analogie zum Anspruch auf Niederlassungsbewilligung: Ein Ausländer, der z.B. zwei Mal je zwei Jahre verheiratet gewesen sei, könne gemäss Art. 34 Abs. 3 (recte wohl: 4) AuG in dritter Ehe bereits nach einem Jahr die Niederlassungsbewilligung beantragen. Dieser Vergleich hinkt aber schon deshalb, weil Art. 34 Abs. 4 AuG keinen Rechtsanspruch auf die Niederlassungsbewilligung gibt und dies bei den Anspruchsbewilligungen von Art. 42 und 43 AuG ganz anders aussieht (dazu sogleich).
3.6.2 Nach Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 2 AuG haben Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern bzw. Niedergelassenen nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Dazu hat das Bundesgericht mehrmals festgehalten, dass der Anspruch nach Art. 42 Abs. 3 AuG das Bestehen des ehelichen Zusammenlebens bzw. einer Haushaltsgemeinschaft während fünf Jahren in der Schweiz voraussetzt (Urteile 2C_899/2011 vom 20. April 2012 E. 2.1; 2C_568/2011 vom 16. November 2011 E. 3.2; 2C_284/2011 vom 21. September 2011 E. 2.2; 2C_220/2011 vom 1. Juni 2011 E. 2.3), dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu den gleichlautenden Bestimmungen von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 17 Abs. 2 Satz 2 ANAG (AS 1991 1042 f.) (BGE 130 II 49 E. 3.2.2 S. 54; BGE 127 II 60 E. 1c S. 63; BGE 122 II 145 E. 3b S. 147). Die fünfjährige Frist beginnt mit dem Datum der Heirat bzw. der Einreise in die Schweiz, und der Ehegatte muss die ganzen fünf Jahre über das Schweizer Bürgerrecht bzw. eine Niederlassungsbewilligung verfügt haben. Entscheidend ist, ob die betreffenden Personen in der Schweiz fünf Jahre als Ehegatten zusammengelebt haben (BGE 130 II 49 E. 3.2.3 S. 54; BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 149 f.; BGE 122 II 145 E. 3b S. 147; Urteil 2A.491/2006 vom 16. November 2006 E. 2.2.1). Ein Anspruch auf Niederlassungsbewilligung kann nicht entstehen, wenn zwei verschiedene Ehen insgesamt fünf Jahre gedauert haben, da es dabei anBGE 140 II 289 (296) BGE 140 II 289 (297)einem ununterbrochenen auf Art. 7 ANAG gestützten ordnungsgemässen Aufenthalt von fünf Jahren fehlt (Urteil 2C_776/2008 vom 27. Oktober 2008 E. 2.2). Endet die Ehegemeinschaft und wird daraufhin eine neue Ehe eingegangen, so beginnt eine neue Fünfjahresfrist zu laufen (vgl. Urteil 2A.63/2003 vom 4. November 2003 E. 4.2).
Mit dieser systematischen Einordnung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG wird der inhaltliche Konnex zu Art. 42 und 43 AuG gewahrt: In den ersten drei Jahren Ehegemeinschaft - immer ausgehend von ein und derselben Ehe - hat der ausländische Ehegatte einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Nach drei Jahren ununterbrochener Ehegemeinschaft hat er denselben Anspruch auch nach Auflösung dieser Gemeinschaft. Und nach fünf Jahren ununterbrochener Ehegemeinschaft entsteht der Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung.