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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
Erwägung 2.2
Erwägung 2.3
Erwägung 2.4
Erwägung 3
Erwägung 3.3
Erwägung 3.4
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
46. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Zollkreisdirektion Schaffhausen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_745/2015 vom 23. Oktober 2017
 
 
Regeste
 
Art. 3 lit e VwVG; Art. 12, 18, 25, 28 Abs. 1 lit. a und 59 Abs. 4 ZG; Art. 168 ZV; Art. 6 Abs. 2 lit. a ZV-EZV. Codierungsfehler der zollpflichtigen Person im elektronisch abgewickelten Verfahren der aktiven Veredelung.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 143 II 646 (647)A. Am 24. März 2014 erteilte die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV), handelnd durch die Oberzolldirektion (OZD), der A. AG mit Sitz in U./AG (nachfolgend: die Zollpflichtige) sieben Bewilligungen für die aktive Veredelung. Den Verfügungen zufolge war es der Zollpflichtigen erlaubt, bis spätestens zum 31. März 2015 (Einfuhrfrist ) näher bezeichnete Waren, zumeist Fruchtsaftkonzentrate, in das Verfahren der aktiven Veredelung zu überführen. Weiter ordnete die OZD an, dass die Ausfuhr innerhalb von zwölf Monaten seit der jeweiligen Einfuhr (Ausfuhrfrist) und die Abrechnung mit dem Formular 47.92 ("Aktive Veredelung im Nichterhebungs- oder Rückerstattungsverfahren - Abrechnungsantrag") alsdann innerhalb von 60 Tagen zu erfolgen habe (Abrechnungsfrist). Unter den weiteren Auflagen fanden sich namentlich die Hinweise, dass die Einfuhr- und Ausfuhrzollanmeldungen in der vorgeschriebenen Form (gemäss Formular 47.81, "Aktive Veredelung - Veranlagung Nichterhebung oder Rückerstattung") vorzunehmen seien und die Abgaben zuzüglich Verzugszinsen fällig würden, sofern eine der Fristen versäumt werde.BGE 143 II 646 (647)
BGE 143 II 646 (648)B. Gestützt auf die Bewilligung vom 24. März 2014 führte die Zollpflichtige unter anderem zwischen dem 7. April 2014 und dem 23. Juni 2014 inländisch veredelte Waren aus dem Zollgebiet aus. In ihren elektronischen Ausfuhranmeldungen wies sie dabei im Feld "Warenbezeichnung" auf das Verfahren der aktiven Veredelung hin und gab sie die korrekte Bewilligungsnummer an. Sie setzte indes den Abfertigungscode 21 ("normales Ausfuhrzollverfahren") anstelle des Codes 31 ("Aktive Lohnveredelung [Nichterhebungsverfahren]"), was weder zutreffend war noch den Auflagen entsprach. Dies blieb einstweilen unbemerkt.
C. Am 25. August 2014 übermittelte die Zollpflichtige fristgerecht die Detailabrechnung für die im zweiten Quartal 2014 im Rahmen der aktiven Veredelung erfolgten Ausfuhren. Bei ihrer internen Kontrolle wurde die OZD auf die fehlerhafte Codierung aufmerksam. Am 4. September 2014 teilte die OZD der Zollpflichtigen Folgendes mit:
    "Wie telefonisch besprochen, können alle Ausfuhren mit AC-Code 21 bis zum 23. Mai 2014 nicht abgerechnet werden und müssen verzollt werden. Die Ausfuhren ab dem 24. Mai 2014 können wir gegen Gebühr ändern, da diese noch in der 60-tägigen Beschwerdefrist liegen."
D. In der Folge beantragte die Zollpflichtige mit Schreiben vom 5. September 2014 beim Zollinspektorat Schaffhausen die Korrektur der Ausfuhrzollanmeldungen aus dem Zeitraum vom 7. April bis zum 23. Juni 2014, also für den vollen Zeitraum. Die Zollkreisdirektion Schaffhausen nahm das Schreiben als Beschwerde entgegen. Unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes vom 13. bis und mit dem 27. April 2014 sowie vom 15. Juli bis und mit dem 15. August 2014 erwog sie, bei einer Eingabe vom 25. August 2014 sei die 60-tägige Beschwerdefrist für alle Ausfuhren verstrichen, die sich vor dem 26. Mai 2014 ereignet hätten. Entsprechend trat sie auf die Beschwerde nicht ein, soweit diese die Ausfuhren vom 7. April bis zum 26. Mai 2014 betraf. Im Übrigen hiess sie die Beschwerde gut (Entscheid vom 25. November 2014).
E. Die Zollpflichtige erhob im Nichteintretenspunkt Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses erwog hauptsächlich, bei einem Ausfuhrzollausweis handle es sich um eine (Veranlagungs-) Verfügung, zu deren Anfechtung eine Frist von 60 Tagen bestehe. Der Verfügungscharakter entspringe dem Umstand, dass das auf der Ausfuhrzollanmeldung beruhende Dokument "hoheitlich generiert"BGE 143 II 646 (648) BGE 143 II 646 (649)werde. Die nunmehr fällige Einfuhrzollabgabe werde in einem zweiten Schritt mittels einer zusätzlichen, das Verfahren abschliessenden Veranlagungsverfügung festzusetzen sein (angefochtener Entscheid E. 1.2.3 unter Hinweis auf den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts A-5069/2010 vom 28. April 2011 E. 4.1.2 am Ende). Vor diesem Hintergrund sei die 60-tägige Beschwerdefrist bezüglich der Ausfuhrzollausweise/Veranlagungsverfügungen, die im Zeitraum vom 7. April bis zum 26. Mai 2014 erstellt worden waren, ungenutzt verstrichen (angefochtener Entscheid E. 3.2). Folglich wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab (Entscheid A-201/2015 vom 29. Juni 2015).
F. Mit Eingabe vom 7. September 2015 erhebt die Zollpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der Entscheid A-201/2015 vom 29. Juni 2015 sei aufzuheben und es sei die Zollkreisdirektion Schaffhausen anzuweisen, das Gesuch vom 25. August 2014 materiell zu behandeln.
Während die Vorinstanz von einer Vernehmlassung absieht, schliesst die OZD auf Abweisung der Beschwerde. Mit unaufgefordert eingereichter Stellungnahme repliziert die Zollpflichtige abschliessend.
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 2.2
 
2.2.1 Die Zollanmeldung leitet das zollrechtliche Veranlagungsverfahren förmlich ein, worauf dieses von Amtes wegen durchzuführen ist. Das Veranlagungsverfahren setzt sich zusammen aus der summarischen Prüfung (Art. 32 ZG), der Annahme der Zollanmeldung (Art. 33 ZG), gegebenenfalls der Überprüfung (Art. 35) und der Beschau (Art. 36 f. ZG), ferner der Veranlagung und dem Erlass der Veranlagungsverfügung (Art. 38 ZG; dazu Botschaft ZG, a.a.O., Ziff. 2.2.4 vor E-Art. 32 ff.). Das zollrechtliche Veranlagungsverfahren erweist sich mithin als gemischte Veranlagung (MICHAEL BEUSCH, in: Zollgesetz, Kommentar [nachfolgend: Komm. ZG], 2009,N. 1 zu Art. 85 ZG): Während die zollpflichtige Person hauptsächlich der Zuführungs- und Anmeldepflicht zu genügen hat, obliegt es der EZV, die Veranlagung vorzunehmen (Art. 32 ff. ZG). Entsprechendes gilt für das Verfahren der konzeptionell eng mit dem zollrechtlichen Verfahren verbundenen Einfuhrsteuer (Art. 50 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20] i.V.m. Art. 32 ff. ZG;BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuerrecht, 2010, § 12 N. 3). Dies unterscheidet das Verfahren der Einfuhrsteuer vom Verfahren der Inland- und Bezugsteuer, das auf der (modifizierten) Selbstveranlagung beruht (zum Ganzen Urteile 2C_1079/2016 vom 7. März 2017 E. 3.3.3, in: ASA 85 S. 678; 2C_326/2015 vom 24. November 2016 E. 3.2, in: ASA 85 S. 393; KOCHER, in: MWSTG, Kommentar [nachfolgend: Komm. MWSTG], Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015, N. 20 ff. zu Art. 65 MWSTG).
BGE 143 II 646 (651)2.2.3 Die Einfuhr oder Ausfuhr kann auch in elektronischer Form angemeldet werden (Art. 28 Abs. 1 lit. a ZG). Dazu besteht namentlich das IT-System "NCTS" (Art. 6 Abs. 2 lit. a der Zollverordnung der EZV vom 4. April 2007 [ZV-EZV; SR 631.013]), das hier von Bedeutung ist. Die elektronisch unterbreitete Zollanmeldung gilt als angenommen, sobald sie die summarische Prüfung des Systems "NCTS" erfolgreich durchlaufen hat. Das System fügt der elektronischen Zollanmeldung alsdann das Annahmedatum und die Annahmezeit hinzu (Art. 16 ZV-EZV). Der Betrag der gegebenenfalls geschuldeten Zollabgabe findet hingegen im elektronisch erzeugten amtlichen Schriftstück keinen Niederschlag.
    "Nach Feststellung der sich aus der Zollzahlungspflicht ergebenden Verbindlichkeiten wird der Zollausweis ausgestellt. Er schafft Beweis für die Abfertigung und für die Erfüllung der dem Pflichtigen obliegenden Verbindlichkeiten, soweit nicht andere Bescheinigungen ausgestellt werden."
Dem geltenden ZG ist der Begriff "Zollausweis" nicht mehr bekannt. Erfolgt die Zollanmeldung durch die physisch anwesende Person, also nicht elektronisch aus der Distanz, kommt die Annahme der Zolldeklaration (Art. 33 ZG) durch den beigesetzten Amtsstempel zum Ausdruck (so noch ausdrücklich in Art. 35 Abs. 1 aZG; Botschaft ZG, a.a.O., Ziff. 2.2.4 zu E-Art. 33).
 
Erwägung 2.3
 
 
Erwägung 2.4
 
1. Gesuch der zollpflichtigen Person an die EZV um Bewilligung des Verfahrens der aktiven Veredelung: Wer Waren zur aktiven Veredelung ins Zollgebiet verbringt, hat eine Bewilligung der EZV einzuholen (Art. 59 Abs. 2 ZG; Art. 165 ff. ZV). Sinn dieses Verfahrensschrittes ist es, Missbräuche zu verhindern (ARPAGAUS, a.a.O., N. 866).
2. Prüfung und gegebenenfalls Bewilligung des Verfahrens der aktiven Veredelung durch die EZV: Die Bewilligung kann mit Auflagen verbunden sein und insbesondere mengenmässig und zeitlich beschränkt werden. Unter die Auflagen fallen namentlich Fristen für die Ausfuhr der Veredelungserzeugnisse und für den Abschluss des Verfahrens der aktiven Veredelung, materielle Kontroll- und Verfahrensvorschriften sowie formelle Verfahrensvorschriften (Art. 59 Abs. 2 ZG; Art. 166 ZV). Die Bewilligung wird auf Gesuch hin von der Oberzolldirektion oder durch eine ermächtigte Zollstelle spätestens 30 Tage nach Erhalt der vollständigen Unterlagen erteilt (Art. 165 Abs. 3 ZV). Sie ist als Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG ausgestaltet.
3. Zuführung und Anmeldung der zu veredelnden Ware zur Einfuhr (Art. 21 ff. ZG) durch die zollpflichtige oder eine sie vertretende Person, summarische Prüfung und gegebenenfalls Beschau, alsdann Annahme und möglicherweise Überprüfung der Einfuhrzollanmeldung (Art. 32 ff. ZG) durch die EZV, Produktion des Einfuhrzollausweises
- unter bedingtem Aufschub der Einfuhrzollabgabe (beim Nichterhebungsverfahren) oder
- unter bedingter Erhebung der Einfuhrzollabgabe (beim Rückerstattungsverfahren),
wobei die Veranlagung in der Regel nach dem Nichterhebungsverfahren erfolgt (Art. 167 Abs. 2 ZV; vorne E. 2.4.1). Die Einfuhrzollschuld entsteht auch im Verfahren der aktiven Veredelung vonBGE 143 II 646 (653) BGE 143 II 646 (654)Gesetzes wegen zum Zeitpunkt, in welchem die Zollstelle die Zollanmeldung annimmt (Art. 69 lit. a ZG). Die aus der Zollschuld fliessende Zahlungspflicht bzw. der Rückerstattungsanspruch ist aber einstweilen nur bedingter Natur (BEUSCH, in: Komm. ZG, a.a.O., N. 5 zu Art. 69 ZG; eingehender zum Charakter der Bedingung ders., Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 339; gleicher Ansicht wohl auch REGINE SCHLUCKEBIER, in: Komm. MWSTG, a.a.O., N. 84 zu Art. 53 MWSTG). Dasselbe gilt sinngemäss für die Einfuhrsteuer (Art. 53 Abs. 1 lit. j MWSTG).
4. Zuführung und Anmeldung der veredelten Ware zur Ausfuhr (Art. 21 ff. ZG) durch die zollpflichtige oder eine sie vertretende Person, summarische Prüfung und gegebenenfalls Beschau, alsdann Annahme und möglicherweise Überprüfung der Ausfuhrzollanmeldung (Art. 32 ff. ZG) durch die EZV, Produktion des Ausfuhrzollausweises.
5. Gesuch der zollpflichtigen Person an die EZV um definitive Zollbefreiung im Verfahren der aktiven Lohnveredelung: Das Gesuch ist bei der in der Bewilligung bezeichneten überwachenden Stelle einzureichen (Art. 168 Abs. 2 ZV; hinten E. 2.4.3), wobei eine (Abrechnungs-)Frist von 60 Tagen seit Ablauf der festgesetzten (Ausfuhr-)Frist besteht.
6. Entscheid der EZV über das Gesuch um definitive Zollbefreiung: Bei ordnungsgemässem Abschluss des Verfahrens durch die zollpflichtige oder eine sie vertretende Person entfällt die Zahlungspflicht (beim Nichterhebungsverfahren) bzw. kommt es zur Vergütung der bereits erbrachten Leistung (beim Rückerstattungsverfahren). Bei nicht ordnungsgemässem Abschluss des Verfahrens verwirklicht sich die bislang bedingte Zahlungspflicht bzw. verfällt der bedingte Rückerstattungsanspruch nach Art. 59 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZG (hinten E. 2.4.3). Selbst wenn das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss zum Abschluss kommt, wird die Einfuhrzollabgabe jedoch nicht fällig, "wenn die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten Frist nachweislich ausgeführt worden sind" (Art. 59 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZG). Das entsprechende Gesuch ist innerhalb von 60 Tagen "nach Ablauf der festgesetzten Frist" zu stellen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 ZG; hinten E. 3.3.5).
BGE 143 II 646 (655)a) innerhalb der vorgeschriebenen Frist das Gesuch um definitive Zollermässigung oder um Zollbefreiung einreichen;
b) in der vorgeschriebenen Art nachweisen, dass die ins Zollgebiet verbrachten Waren oder die im Äquivalenzverkehr verwendeten inländischen Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist als Veredelungserzeugnisse wieder ausgeführt worden sind; und
c) die Menge der veredelten Waren und der angefallenen Abfälle oder Nebenprodukte unter Vorlage von Rezepturen, Fabrikationsrapporten und ähnlichen Dokumenten nachweisen.
Das EFD kann Verfahrenserleichterungen vorsehen (Art. 168 Abs. 3 ZV). Es hat davon insofern Gebrauch gemacht, als es namentlich festlegte, die Einfuhrzollanmeldung gelte als Gesuch um Erteilung einer Bewilligung und die Ausfuhranmeldung gelte als Gesuch um definitive Zollbefreiung nach Art. 168 Abs. 2 lit. a ZV (so Art. 1 Abs. 1 lit. a und c der Verordnung des EFD vom 4. April 2007 über den Veredelungsverkehr [SR 631.016]).
 
Erwägung 3
 
3.1 Abgaberechtliche Gesetze kennen regelmässig einen numerus clausus von Rechtsgründen, die es erlauben, auf eine rechtskräftige Verfügung oder einen rechtskräftigen Entscheid zurückzukommen (BGE 142 II 433 E. 3.1 S. 437). Ein solcher Rechtsgrund besteht zollrechtlich im Tatbestand der Berichtigung (Art. 34 ZG). Das Bundesgericht hat unlängst das Verhältnis zum zollrechtlichen Beschwerdeverfahren (Art. 116 ZG) geklärt. Anlass gab ein Fall, in welchem dem Spediteur ein Anmeldungsfehler dadurch unterlaufen war, dass er eine unzutreffende Ware deklariert hatte. Er unterlag mithin einem Fehler in der Willensäusserung (Erklärungsirrtum; BGE 142 II 433 E. 3.2.2 S. 438). Die 30-tägige Berichtigungsfrist, gerechnet ab dem Zeitpunkt, in welchem die Ware den Gewahrsam der EZV verlassen hatte (Art. 34 Abs. 3 ZG; BGE 142 II 433 E. 3.2.2 S. 438), war noch nicht verstrichen. Daher war ein "Gesuch um Änderung der Veranlagung" (so Art. 34 Abs. 3 ZG; vorne E. 2.3.2) noch möglich. Wie das Bundesgericht erkannte, ist in einem solchen Fall der Weg der Berichtigung einzuschlagen und kann die EZV die Frage, ob ein Erklärungsirrtum vorliege, nicht ins Beschwerdeverfahren verweisen (Art. 116 ZG). Ein solches fällt in einer derartigen Konstellation erst im Anschluss an die Berichtigungsverfügung in Betracht (BGE 142 II 433 E. 3.2.9 S. 440). Die EZV hat mitBGE 143 II 646 (655) BGE 143 II 646 (656)Verwaltungsverordnung R-10 vom 13. April 2017 ("Neuer Prozess Berichtigungsverfahren nach Art. 34 ZG") die internen Abläufe entsprechend angepasst.
 
Erwägung 3.3
 
3.3.2 Wie es sich mit dem Rechtscharakter der "Zollausweise" im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung verhält, kann hier offenbleiben. Wie zu zeigen ist, sieht der Gesetzgeber für diese Konstellation so oder anders ein besonderes Gesuchsverfahren vor (Art. 59 Abs. 4 ZG). Es kann daher mit folgender Feststellung seinBGE 143 II 646 (656) BGE 143 II 646 (657)Bewenden haben: Der ordnungsgemässe Abschluss des Verfahrens des aktiven Veredelungsverkehrs setzt in der Phase 5 namentlich den Nachweis voraus, dass die ins Zollgebiet verbrachten Waren (oder die im Äquivalenzverkehr verwendeten inländischen Waren) innerhalb der vorgeschriebenen Frist als Veredelungserzeugnisse wieder ausgeführt worden sind (Art. 168 Abs. 2 lit. b ZV; vorne E. 2.4.3). Wird das Verfahren nicht ordnungsgemäss abgeschlossen, hat die EZV in der Phase 6 über die Einfuhrzollabgabe zu verfügen.
3.3.3 Wesentlich ist hier, dass die Zollpflichtige das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen hat. Die unbeabsichtigte Codierung (Sachverhalt, lit. B) führte vielmehr dazu, dass zwei Verfahrensarten vermengt wurden. Das gewollte Verhalten bestand darin, den Abfertigungscode 31 ("Aktive Lohnveredelung [Nichterhebungsverfahren]") zu setzen. Dies ergibt sich daraus, dass die Zollpflichtige im Feld "Warenbezeichnung" auf das Verfahren der aktiven Veredelung verwies und die korrekte Bewilligungsnummer angab (auch dazu Sachverhalt, lit. B). Geäussertes Verhalten war demgegenüber das Setzen des Abfertigungscodes 21 ("normales Ausfuhrzollverfahren"). Der elektronisch generierte Ausfuhrzollausweis hält diesen Code fest. Eine schriftliche Willenserklärung ist grundsätzlich normativ bzw. objektiviert auszulegen (Art. 2 Abs. 1 ZGB; vgl. Urteil 2C_969/2015 vom 24. Mai 2016 E. 3.3.3, in: ASA 85 S. 67). Entscheidend ist mithin, wie der Empfänger die an ihn gerichtete Willenserklärung verstehen durfte und musste. Die Zollpflichtige hat - wenn auch unbeabsichtigt - den Abfertigungscode 21 gesetzt und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Ware im Rahmen des normalen Ausfuhrzollverfahrens ausgeführt werden soll. Einer zollpflichtigen Person kommt in Veranlagungsbereichen, die ausschliesslich elektronisch abgewickelt werden und die als solche hauptsächlich oder ausschliesslich auf ihren Angaben beruhen, eine erhöhte Sorgfaltspflicht zu (BGE 142 II 433 E. 3.2.6 S. 439). Denn vom Bestand oder Nichtbestand der treffenden Eingaben hängt es ab, ob das Verfahren vollständig und gesetzeskonform zum Abschluss kommt. Der durch die Fehlmanipulation hervorgerufene "Systembruch" hat dazu geführt, dass das Verfahren der aktiven Veredelung nicht mehr ordnungsgemäss abgeschlossen werden konnte. Die Rechtsfolge besteht im Nichterhebungsverfahren darin, dass sich die bislang bedingte Zahlungspflicht verwirklicht (vorne E. 2.4.2).BGE 143 II 646 (657)
BGE 143 II 646 (658)3.3.4 Der Grundsatz der Verbindlichkeit der angenommenen Zollanmeldung, wie er das zollrechtliche Verfahren beherrscht, kann aber gerade bei einer blossen Falschanmeldung zu unverhältnismässigen Ergebnissen führen (BGE 142 II 433 E. 3.2.6 S. 439). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den zollrechtlichen Berichtigungstatbestand geschaffen (Art. 34 ZG), wobei er strenge zeitliche (BGE 142 II 433 E. 3.2.4 S. 438) und inhaltliche (BGE 142 II 433 E. 3.2.5 S. 438) Voraussetzungen schuf. Die Berichtigung gemäss Art. 34 ZG ist auf die eindimensionalen Handelsvorgänge (Einfuhr, Ausfuhr, Transit) zugeschnitten. Diesen Warenbewegungen steht namentlich der aktive und passive Veredelungsverkehr gegenüber, wo es zur Verknüpfung von Einfuhr- und Ausfuhrverfahren kommt. Die Wahrscheinlichkeit einer unzutreffenden Zollanmeldung ist hier aufgrund der Zweidimensionalität besonders hoch. Kommt es bei der aktiven Veredelung zu keinem ordnungsgemässen Abschluss des Verfahrens, sieht der Gesetzgeber in der Phase 5 ein besonderes Gesuch vor (Art. 59 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZG; vorne E. 2.4.2), welches die Fälligkeit der Einfuhrzollabgaben zurückzudrängen vermag. Tatbestandsbegründend ist der Nachweis, dass die zur Veredelung ins Zollinland gelangte Ware nach der Veredelung fristgerecht ausgeführt wurde. Zur passiven Veredelung findet sich in Art. 60 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZG eine entsprechende Bestimmung.
    "Wird das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen, so werden die Einfuhrzollabgaben fällig; dies gilt nicht, wenn die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten Frist nachweislich ausgeführt worden sind. Das entsprechende Gesuch ist innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der festgesetzten Frist zu stellen."
    "Si le régime du perfectionnement actif n'est pas apuré, les droits à l'importation deviennent exigibles, à moins qu'il soit prouvé que les marchandises ont été exportées dans le délai fixé. La demande doit être présentée dans les 60 jours suivant l'échéance du délai fixé."
    "Se il regime del perfezionamento attivo non è concluso regolarmente, i tributi doganali all'importazione diventano esigibili; ciò non si applica seBGE 143 II 646 (658) BGE 143 II 646 (659)è comprovato che le merci perfezionate sono state riesportate. La domanda dev'essere presentata entro 60 giorni dalla scadenza del termine fissato."
Im Recht der aktiven Veredelung werden die Einfuhrfrist, die Ausfuhrfrist und die Abrechnungsfrist unterschieden (Sachverhalt, lit. A). Grundvoraussetzung des Gesuchs ist, dass die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten Frist nachweislich ausgeführt worden sind ("ont été exportées dans le délai fixé"). Massgebend ist damit die eingehaltene Ausfuhrfrist.
BGE 143 II 646 (659)
BGE 143 II 646 (660)3.3.8 Das Gesetz stellt an den Nachweis der fristgerechten Ausfuhr der veredelten Waren keine ausdrücklichen Anforderungen. Es erscheint als zweckmässig, dass die EZV hierbei in freier Beweiswürdigung vorgehen kann. Zum einen ist die Parallele zum ähnlich gelagerten Berichtigungsverfahren zu ziehen, wo der Ausschluss von Art. 3 lit. e VwVG nicht greift (vorne E. 2.2.2; BGE 142 II 433 E. 3.2.6 S. 439). Zum andern geht es im Verfahren nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 ZG darum, einen Erklärungs- oder ähnlichen Irrtum zu heilen und eine der materiellen Wahrheit entsprechende Veranlagung von Einfuhrzollabgaben herbeizuführen. Die Zollabgabe präjudiziert alsdann die Einfuhrsteuer (Art. 50 ff., insb. Art. 53 Abs. 1 lit. i MWSTG). Dies rechtfertigt es, die Beweise frei zu würdigen (Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 40 BZP [SR 373]). Entsprechend hat die EZV die Beweise ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, umfassend und pflichtgemäss zu betrachten (BGE 137 II 366 E. 3.2 S. 270). Das Interesse am Verfahren nach Art. 59 Abs. 4 ZG geht freilich von der zollpflichtigen Person aus. Entsprechend obliegt es ihr, die tatsächlichen Umstände nachzuweisen, aus welchen sich die Ausfuhr der aktiv veredelten Waren ergibt. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz von Art. 8 ZGB (BGE 141 III 241 E. 3.1 S. 242; BGE 139 III 278 E. 3.2 S. 279), der auch im öffentlichen Recht gilt (BGE 142 II 433 E. 3.2.6 S. 439; BGE 138 II 465 E. 6.8.2 S. 486).
 
Erwägung 3.4
 
BGE 143 II 646 (661)3.4.2 Die Beschwerde erweist sich damit als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Der angefochtene Entscheid A-201/2015 des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2015 ist aufzuheben und die Sache an die EZV zurückzuweisen, damit diese das Gesuch der Zollpflichtigen vom 25. August bzw. 5. September 2014 materiell behandle.BGE 143 II 646 (661)