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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_42/2020 vom 14. September 2020
 
 
Regeste
 
Art. 90, 98, 106 Abs. 2 BGG; Rechtsnatur des Entscheids über die endgültige Nichtanordnung bzw. Aufhebung einer erstinstanzlich verfügten verkehrsmedizinischen Untersuchung und eines Sicherungsentzugs eines Führerausweises; vorsorgliche Massnahme, Kognition des Bundesgerichts.
 
Streitgegenstand bildet die umstrittene (Nicht-)Anordnung des vorsorglichen Führerausweisentzugs zur Abklärung der Fahreignung des Beschwerdegegners. Diese stellt eine vorsorgliche Massnahme dar. Die Kognition des Bundesgerichts ist auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt (Art. 98 BGG). Wird einzig eine einfache Rechtsverletzung geltend gemacht, kann darauf nicht eingetreten werden (E. 1.2).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 147 II 44 (45)A. A. geriet am 22. September 2019 in Gerlafingen am Steuer eines Personenwagens in eine Polizeikontrolle. Der durchgeführte Drogenschnelltest fiel in Bezug auf Cannabis positiv aus. A. wurde der Führerausweis an Ort und Stelle abgenommen. Mit Verfügung vom 24. September 2019 händigte ihm die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn den Führerausweis wieder aus, mit dem Hinweis, dass über das weitere Vorgehen entschieden werde, wenn der Polizeirapport und das Blutprobegutachten vorlägen. Gemäss dem forensisch-toxikologischen Abschlussbericht des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) der Universität Bern vom 14. Oktober 2019 ergab die Auswertung der Urin- und Blutprobe, dass die Einnahme von Cannabis (zw. 1,54 - 2,86 Mikrogramm THC pro Liter Blut sowie 14 Mikrogramm THC-COOH pro Liter Blut) bewiesen sei. Damit sei der ASTRA-Grenzwert für THC von 1,5 Mikrogramm pro LiterBGE 147 II 44 (45) BGE 147 II 44 (46)Blut überschritten und die Fahrunfähigkeit aufgrund von Drogenkonsum gemäss ASTRA-Weisungen bestätigt. Am 23. Oktober 2019 entzog die Motorfahrzeugkontrolle namens des Bau- und Justizdepartements des Kantons Solothurn A. den Führerausweis vorsorglich. Mit Verfügung vom 11. November 2019 bestätigte die Motorfahrzeugkontrolle den vorsorglichen Entzug und ordnete an, A. habe sich einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen. Am 20. Dezember 2019 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die dagegen von A. erhobene Beschwerde gut und hob die Verfügung vom 11. November 2019 auf. Am 23. Dezember 2019 händigte die Motorfahrzeugkontrolle A. den Führerausweis wieder aus.
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Januar 2020 beantragt das Bau- und Justizdepartement, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2019 sei aufzuheben und A. sei einer verkehrsmedizinischen Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen. Weiter sei A. der Führerausweis bis zum Vorliegen des Ergebnisses der verkehrsmedizinischen Fahreignungsuntersuchung vorsorglich zu entziehen. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug)
 
 
Erwägung 1
 
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall vom "Normalfall", bei welchem die Vorinstanz die erstinstanzliche Anordnung der genannten Massnahmen bestätigt und der Führerausweisinhaber dagegen Beschwerde führt. Diesfalls läuft das Verfahren auf Führerausweisentzug weiter. Der definitive Entscheid über einen allfälligen Entzug des Führerausweises wird erst nach der verkehrsmedizinischen Untersuchung gefällt. Solche Entscheide stellen Zwischenentscheide dar. Diese sind nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts vom Führerausweisinhaber anfechtbar, da sie für ihn einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGE 147 II 44 (46) BGE 147 II 44 (47)lit. a BGG bewirken (BGE 122 II 359 E. 1b S. 362; statt vieler: Urteil 1C_262/2019 vom 6. Mai 2020 E. 1.1 mit Hinweisen).
Diese Rechtsprechung kann indessen nicht ohne weiteres auf die vorliegende Konstellation angewendet werden. Nicht der Führerausweisinhaber führt Beschwerde, dessen Führerausweis vorsorglich entzogen wurde bzw. der sich einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen hat, sondern die erstinstanzlich verfügende Behörde. Sie ist nicht damit einverstanden, dass die Vorinstanz die von ihr verfügten Massnahmen aufgehoben hat. Dazu ist sie gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG berechtigt. Indem die Vorinstanz auf die Fahreignungsprüfung inkl. vorsorglichem Ausweisentzug verzichtet und die sofortige Aushändigung des Führerausweises angeordnet hat, hat sie die vorsorglichen Massnahmen im Verfahren über die zugrunde liegenden Anordnungen der Motorfahrzeugkontrolle vom 11. November 2019 endgültig abgeschlossen. Gegenüber dem Beschwerdegegner wird definitiv kein Sicherheitsentzug und keine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Vorsorgliche Massnahmen zur Sicherstellung gefährdeter Interessen bis zum Abschluss des Hauptverfahrens liegen keine mehr vor. Somit handelt es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Endentscheid (Art. 90 BGG).
Die bisherige Rechtsprechung ist demgegenüber auch bei der hier vorliegenden Konstellation von einem Zwischenentscheid ausgegangen (vgl. Urteile 1C_618/2015 vom 7. März 2016 E. 1; 1C_357/2014 vom 18. November 2014 E. 1; 6A.106/2001 vom 26. November 2001 E. 1a). Den erwähnten Entscheiden können jedoch weder sachliche Gründe noch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage entnommen werden, weshalb von einem Zwischenentscheid auszugehen sei, wenn die erstinstanzlich verfügende Behörde Beschwerde gegen die Nichtanordnung der vorsorglichen Massnahmen führt und das Verfahren damit grundsätzlich beendet ist. An dieser Rechtsprechung kann daher nicht festgehalten werden.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz jedoch einzig eine Verletzung von Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG und von Art. 30 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) vor. Diese Rügen betreffen die Anwendung von einfachem Gesetzes- bzw. Verordnungsrecht und nicht eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Eine Verletzung des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV bzw. eine willkürliche Anwendung von Bundesrecht macht der Beschwerdeführer hingegen nicht geltend. Stattdessen hält er selbst - zumindest im Zusammenhang mit der angeblichen Verletzung von Art. 30 VZV - ausdrücklich fest, es liege eine einfache Rechtsverletzung vor. Eine Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist demnach weder dargetan noch ersichtlich, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.BGE 147 II 44 (48)