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Regeste
Sachverhalt
4. Streitig ist zunächst, welche Bestimmung vorliegend zur Anwendung kommt: Das Verwaltungsgericht hielt Art. 41a Abs. 2 GSchV (SR 814.201) für einschlägig; die Beschwerdeführer und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) verlangen eine Berechnung nach Art. 41a Abs. 1 GSchV.
Bearbeitung, zuletzt am 15.09.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Pro Natura, Schweizerischer Bund für Naturschutz und Mitb. gegen Bezirk Schwyz sowie gegen Gemeinderat Ingenbohl und Regierungsrat des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_453/2020 / 1C_693/2020 vom 21. September 2021
 
 
Regeste
 
Festlegung des Gewässerraums der Muota im BLN-Gebiet Nr. 1606 gemäss Art. 41a Abs. 1 GSchV.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 II 198 (199)A. Der Bezirk Schwyz ist Eigentümer der Liegenschaft KTN 661 in Ingenbohl (36'314 m 2 ). Darauf befinden sich ein Campingplatz sowie - im Südosten, an der Mündung der Muota in den Vierwaldstättersee - ein Kiesverladeplatz (Nauenhafen). Die Parzelle liegt im Teilraum Rigi des Objekts Nr. 1606 "Vierwaldstättersee mit Kernwald, Bürgenstock und Rigi" des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Im Westen und Norden grenzt sie an das Flachmoorobjekt von nationaler Bedeutung Nr. 2906 "Hopfräben", im Süden an den Vierwaldstättersee und im Osten an die Hopfräbenstrasse und die Muota.
B. (Erneuerung des Campingplatzes; Verfahren 1C_453/2020).
C. Die grundeigentümerverbindliche Festlegung des Gewässerraums am rechten (westlichen) Ufer der Muota ist Gegenstand einer Nutzungsplanrevision der Gemeinde Ingenbohl. Eine erste Auflage erfolgte am 14. März 2014, eine 2. Auflage mit geänderten Unterlagen am 28. Oktober 2016. Am rechten Muota-Ufer ist ein Gewässerraum von 15 m vorgesehen; im Bereich des Campingplatzes beträgt er bis zu 20 m. Die dagegen erhobene gemeinsame Einsprache des WWF Schweiz, des Schweizer Heimatschutzes, Pro Natura, der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und des Landschaftsverbands Vierwaldstättersee wies der Gemeinderat Ingenbohl am 17. Juli 2017 ab.
Dagegen gelangten die genannten Verbände mit Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Schwyz. Dieser wies die Beschwerde am 23. Oktober 2018 ab, soweit er darauf eintrat. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Verbände wies das Verwaltungsgericht am 24. April 2019 ab.
Mit Abstimmung vom 9. Februar 2020 nahmen die Stimmberechtigten der Gemeinde Ingenbohl die Teilrevision der Nutzungsplanung an. Diese wurde vom Regierungsrat am 18. August 2020 genehmigt. Mit Einzelrichterentscheid vom 9. November 2020 eröffnete das Verwaltungsgericht seinen Entscheid vom 24. April 2019 fristauslösend mit einer Rechtsmittelbelehrung und stellte fest, dass der regierungsrätliche Genehmigungsentscheid keinen Anlass für eine inhaltliche Koordination gebe.BGE 148 II 198 (199)
BGE 148 II 198 (200)D. Gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheide vom 24. April 2019 und vom 9. November 2020 haben der WWF Schweiz, Pro Natura Schweiz und die Stiftung Landschaftsschutz am 10. Dezember 2020 gemeinsam Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben (Verfahren 1C_693/2020).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt die Urteile des Verwaltungsgerichts Schwyz vom 9. November 2020 und vom 24. April 2019 auf und weist die Sache an den Gemeinderat Ingenbohl zurück, um den Gewässerraum am rechten Ufer der Muota (vom See bis und mit KTN 473) im Sinne der Erwägungen neu festzulegen.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
 
Der streitige Abschnitt der Muota liegt im BLN-Gebiet Nr. 1606, d.h. in einer Landschaft von nationaler Bedeutung. Im Objektblatt (Ziff. 3) werden die Schutzziele für das gesamte Inventargebiet definiert. Diese enthalten verschiedene Ziele, die sich (nur oder auch) auf Gewässer beziehen:
    3.2 Die vielfältige Seen- und Berglandschaft in ihrer Authentizität erhalten.
    (...)
    3.5 Das Mosaik aus gestalteten und genutzten Landschaften und natürlichen Lebensräumen erhalten.
    3.6 Die Feucht- und Trockenlebensräume in ihrer Qualität sowie ökologischen Funktion und mit ihren charakteristischen Pflanzen- und Tierarten erhalten.
    3.7 Die Gewässer und ihre Lebensräume in einem natürlichen und naturnahen Zustand erhalten.BGE 148 II 198 (200)
    BGE 148 II 198 (201)3.8 Die natürlichen Seeufer, die Flachwasserzonen und die Unterwasserwiesen mit ihren charakteristischen Pflanzen- und Tierarten erhalten.
    (...)
    3.10 Die ökologische Vernetzung der Lebensräume erhalten.
Für den Teilraum 3 Rigi werden in Ziff. 9 mehrere nicht gewässerbezogene Schutzziele aufgeführt und abschliessend festgehalten:
    Die Schutzziele für das gesamte Gebiet des BLN-Objektes 1606 sind auch für diesen Teilraum gültig.
Der Regierungsrat und die Gemeinde Ingenbohl teilen diese Auffassung: Es wäre realitätsfremd, im gesamten BLN-Gebiet Nr. 1606, das auch grössere Siedlungsgebiete umfasse, die Gewässerräume nach Art. 41a Abs. 1 GSchV festzulegen.
4.3 Art. 41a Abs. 1 GSchV verlangt gewässerbezogene Schutzziele. Vorliegend beziehen sich die Ziff. 3.2, 3.7 und 3.8 des betreffenden Objektblatts explizit auf Gewässer und ihre Lebensräume; weitere Schutzziele (z.B. Ziff. 3.6 Feuchtlebensräume, Ziff. 3.10 ökologische Vernetzung) sind zumindest auch auf die Gewässer und ihre Uferräume anwendbar. Diese Schutzziele sind auf das Teilgebiet Rigi, in der sich die Muota befindet, anwendbar: Zum einen wird in Ziff. 9 ausdrücklich auf die allgemeinen Schutzziele verwiesen; zum anderen beziehen sich diese z.T. auf Lebensräume (wie die in Ziff. 3.8 genannten Flachwasserzonen und Unterwasserwiesen), die nur imBGE 148 II 198 (201) BGE 148 II 198 (202)Teilgebiet Rigi vorkommen (vgl. Objektblatt Ziff. 8.3 S. 18). Die vom Verwaltungsgericht zitierte Aussage von SCHIBLI/BÜHL bezieht sich auf die allgemeinen Schutzziele nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung vom 29. März 2017 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (VBLN; SR 451.11) und nicht auf die im Objektblatt für jedes BLN-Objekt verbindlich festgelegten spezifischen Schutzziele (vgl. Art. 1 Abs. 2 VBLN und SCHIBLI/BÜHL, a.a.O., S. 671 und 675 f.).