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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Strittig und zu prüfen ist vorliegend die Frage, ob das A ...
4. Denn es ist vorliegend bloss zu prüfen, ob die Ausnahme g ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.09.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) gegen Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_470/2020 vom 22. Dezember 2021
 
 
Regeste
 
Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG; Art. 12 AVG; Art. 26 AVV; 24-Stunden-Seniorenbetreuung; Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG auf Dreiparteienverhältnisse.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 II 203 (204)A. Die Region Basel des Schweizerischen Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (vpod region basel) ist Teil des Schweizerischen Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (VPOD; Art. 105 Abs. 2 BGG). Mit Schreiben vom 14. November 2017 und 28. Juni 2018 ersuchte der vpod region basel das Arbeitsinspektorat Basel-Stadt um Überprüfung eines vom 5. August 2015 datierten Arbeitsvertrags, der zwischen der A. AG (ehemals B. AG) als Arbeitgeberin und einer Arbeitnehmerin abgeschlossen wurde. Gemäss diesem Vertrag wurde die Arbeitnehmerin zum Zweck des Tätigwerdens beim Kunden für die Aufgabe als "Seniorenbetreuerin 24h"-Begleitung in einem Turnus von jeweils 21 Tagen eingestellt. Der Vertrag sah zudem vor, dass die Arbeitnehmerin für die Dauer von jeweils 21 Tagen (inkl. Wochenende) beim zu betreuenden Kunden wohnen und danach von einer anderen Mitarbeiterin für die Dauer von 21 Tagen abgelöst werden sollte (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der vpod region basel vertrat dabei die Ansicht, dass der Arbeitsvertrag die arbeitsgesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeitvorschriften nicht einhalte.
Mit Verfügung vom 2. August 2018 stellte das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt (WSU; nachfolgend: Departement) fest, dass das Arbeitsgesetz und dessen Verordnungen auf Arbeitnehmende der A. AG, welche zu 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten beschäftigt werden, keine Anwendung finde und die beantragte Überprüfung des Arbeitsvertrags auf die Einhaltung der arbeitsgesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeitvorschriften deshalb entfalle.
B. Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde des VPOD an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt überwies dasBGE 148 II 203 (204) BGE 148 II 203 (205)Präsidialdepartement am 14. Januar 2019 dem Verwaltungsgericht zum Entscheid. Mit Urteil vom 10. April 2020 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, die Beschwerde ab.
C. Mit Eingabe vom 4. Juni 2020 reicht der VPOD Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 10. April 2020 sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass das Arbeitsgesetz (und dessen Verordnungen) auf Arbeitnehmende der A. AG, welche zur 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten beschäftigt werden, anwendbar sei. Ferner sei das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt anzuweisen, die Einhaltung der arbeitsgesetzlichen Höchst- und Ruhezeiten bei dieser Firma zu prüfen.
Das Appellationsgericht und das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die A. AG verzichtet auf Vernehmlassung. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung lässt sich nicht vernehmen.
Der Beschwerdeführer hat repliziert. Das Departement hat dupliziert.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
 
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens bildet die Departementsverfügung vom 2. August 2018, mit welcher festgestellt wurde, dass das Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) auf die vorliegend interessierenden Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar sei. Diese Verfügung wurde gestützt auf Art. 41 Abs. 3 ArG im Rahmen der kantonalen Vollzugskompetenzen erlassen. Dabei können die kantonalen Behörden lediglich feststellen, ob einBGE 148 II 203 (205) BGE 148 II 203 (206)nicht-industrieller Betrieb oder ein Arbeitnehmer unter Art. 2-3 ArG fällt (MÜLLER/MADUZ, ArG Kommentar, 8. Aufl. 2017, N. 4 zu Art. 41 ArG; KASPER/WILDHABER, in: ArG, Blesi/Pietruszak/Wildhaber [Hrsg.], 2018, N. 22 zu Art. 41 ArG), nicht aber, ob die Bestimmungen des ArG gestützt auf einen Verweis in einem privatrechtlichen Einzelarbeitsvertrag als ergänzendes Recht zur Anwendung gelangen. Somit bildet die Frage, ob das ArG aufgrund eines Verweises in einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag anwendbar sei, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Auf die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht weiter einzugehen.
BGE 148 II 203 (207)Die Arbeitsvermittlungsverordnung definiert Personalverleih sinngemäss als das Überlassen eines Arbeitnehmers an einen Einsatzbetrieb, wobei der Verleiher bzw. Arbeitgeber dem Einsatzbetrieb wesentliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitnehmer abtritt (Art. 26 der Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih [Arbeitsvermittlungsverordnung, AVV; SR 823.111]; Urteile 2C_132/2018 vom 2. November2018 E. 4.3.1; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.1; 4C.360/2004 vom 19. Januar 2005 E. 4.3; vgl. auch CHRISTIAN DRECHSLER, Personalverleih: unscharfe Grenzen, AJP 2010 S. 314 ff., 315). Das Abtreten wesentlicher Weisungsbefugnisse an den Einsatzbetrieb stellt ein zentrales Qualifikationsmerkmal des Personalverleihs sowie ein wichtiges Abgrenzungskriterium von anderen Vertragsverhältnissen, namentlich vom Auftrag, dar (vgl. Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.3; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.6; FABIAN LOOSER, Der Personalverleih, 2015, RZ. 64; MICHAEL KULL, Arbeitsvermittlungsgesetz [AVG], 2014,N. 21 zu Art. 12 AVG; MEDICI, a.a.O., S. 99 f.; GEISER/MÜLLER, a.a.O., S. 67; Weisungen und Erläuterungen des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] zum Arbeitsvermittlungsgesetz, zur Arbeitsvermittlungsverordnung und der Gebührenverordnung zum Arbeitsvermittlungsgesetz [nachfolgend: SECO-Weisungen AVG], 2007,S. 62 ff.; so auch Gutachten PÄRLI, a.a.O., Rz. 42).
Dabei muss die Weisungsbefugnis nicht vollständig beim Dritten liegen; vielmehr kann das Weisungsrecht auch zwischen dem rechtlichen Arbeitgeber (Personalverleiher) und dem Einsatzbetrieb aufgespalten werden (Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.2 f.; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.1; je mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen auch MEDICI, a.a.O., S. 100 f.; VOGLER, a.a.O., S. 13).
Als weitere Kriterien für das Vorliegen von Personalverleih nennt die Arbeitsvermittlungsverordnung namentlich den Umstand, dass der Arbeitnehmer in persönlicher, organisatorischer, sachlicher und zeitlicher Hinsicht in die Arbeitsorganisation des Einsatzbetriebes eingebunden wird, dass er seine Arbeit mit Werkzeugen, Material oder Geräten des Einsatzbetriebes ausführt und dass der Einsatzbetrieb die Gefahr für die Schlechterfüllung des Vertrages trägt (Art. 26 Abs. 1 AVV; vgl. auch SECO-Weisungen AVG, a.a.O., S. 66 f.).BGE 148 II 203 (207)
BGE 148 II 203 (208)3.3.3 Ob eine Dienstleistung als Personalverleih zu qualifizieren ist oder ob es sich dabei um andere Arten von Dienstleistungen handelt, die einem Dritten erbracht werden, ergibt sich aus einer Abgrenzung im Einzelfall. Massgeblich ist hierbei der Inhalt des Vertrags und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit im Einsatzbetrieb ("le contenu du contrat, la description du poste et la situation du travail concrète dans l'entreprise locataire"; Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.4). Das Bundesgericht hat bereits entschieden, dass auch Betreuungs- und Hausdienste unter bestimmten Voraussetzungen als Personalverleiher vom Arbeitsvermittlungsgesetz erfasst werden können (vgl. Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 6.3; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.5; 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 4.4).
Der Begriff des Betriebes ist im Gesetz bewusst sehr weit gefasst. Als Betrieb gilt jede Arbeitsorganisation, in der mindestens ein Arbeitnehmer dauernd oder vorübergehend beschäftigt wird. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass der Betrieb im Sinne des ArG mit dem Arbeitgeber identisch ist. Es ist sehr wohl möglich, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Betriebsinhaber, sondern mit einem Dritten besteht. Der Betrieb ist dann jeweils derjenige Unternehmensträger, der die Direktionsgewalt ausübt und die Arbeit konkret organisiert (Urteil 2C_703/2015 vom 20. Juni 2016 E. 2.1 mit Hinweisen; ROLAND BACHMANN, in: ArG, Blesi/Pietruszak/Wildhaber [Hrsg.], 2018, N. 9 zu Art. 1 ArG; THOMAS GEISER, in: Arbeitsgesetz [nachfolgend: Arbeitsgesetz], Geiser/von Kaenel/Wyler [Hrsg.], 2005, N. 7 zu Art. 1 ArG). So kann insbesondere bei Leiharbeit das Arbeitsverhältnis zum Verleiher bestehen, während in der Regel der Einsatzbetrieb als Betrieb i.S.v. Art. 1 Abs. 2 ArG zu betrachten ist (BACHMANN, a.a.O., N. 10 zu Art. 1 ArG).BGE 148 II 203 (208)
BGE 148 II 203 (209)3.4.2 Gemäss der Ausnahmebestimmung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG ist das Arbeitsgesetz auf private Haushaltungen nicht anwendbar. Eine Gegenausnahme gilt nur für die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes und seiner Verordnungen über das Mindestalter (Art. 2 Abs. 4 ArG). Anstelle des öffentlich-rechtlichen Arbeitnehmerschutzes tritt hier gemäss Art. 359 Abs. 2 OR ein Schutz durch Normalarbeitsverträge der Kantone (vgl. Urteil 4A_96/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.1.3, in: SJ 2018 I S. 325; für den Kanton Basel-Stadt vgl. den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmende im Haushalt einschliesslich der 24-Stunden-Betreuung im Kanton Basel-Stadt [NAVHaushalt BS; SG 215.700], in der im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils geltenden Fassung vom 20. November 1990). Zudem habendie dem Normalarbeitsvertrag des Bundes vom 20. Oktober 2010 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft unterstellten Arbeitnehmer Anspruch auf einen Mindestlohn (vgl. Art. 5 der Verordnung vom 20. Oktober 2010 über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft [NAV Hauswirtschaft; SR 221.215.329.4]; vgl.MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 19 zu Art. 2 ArG).
Besteht zwischen der Betreuungsorganisation und der zu betreuenden Person hingegen ein Vertragsverhältnis (Auftrag bzw. Werkvertrag), untersteht das Unternehmen, welches mit seinen Angestellten einem privaten Haushalt Betreuungs- und Pflegedienstleistungen erbringt, grundsätzlich dem Arbeitsgesetz und stellt es den Betrieb nach Art. 1 Abs. 2 ArG dar. Die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG gelangt in solchen Fällen nicht zur Anwendung (vgl. LOOSER, a.a.O., Rz. 262; WAGNER, a.a.O., S. 774; THOMAS GEISER, Rechtsprechungspanorama Arbeitsrecht[nachfolgend: AJP 2020],AJP 2020 S. 1446 ff., 1456; so auch Gutachten PÄRLI, a.a.O., Rz. 57 und THOMAS GEISER, Kurzstellungnahme zur Anwendbarkeit des ArG bei 24-Stunden-Betreuung [nachfolgend: Kurzgutachten GEISER], Rz. 2 f.).
BGE 148 II 203 (209) BGE 148 II 203 (210)Wie bereits ausgeführt, liegt hier kein Zweiparteien-, sondern ein Dreiparteienverhältnis vor (vgl. E. 3.3 hiervor). Ob die Vorinstanz dieses Verhältnis zu Recht als Personalverleih qualifiziert habe oder ob es sich um ein anders zu qualifizierendes Dreiparteienverhältnis handelt, kann angesichts der nachfolgenden Erwägungen offenbleiben.
4.2 Ob Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG, wie der Beschwerdeführer behauptet, "eng" auszulegen sei, ist in der Lehre umstritten (für eine restriktive Auslegung vgl. THOMAS GEISER, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, Portmann/von Kaenel [Hrsg.], 2018, Rz. 16.36; differenzierter ders., Arbeitsgesetz, a.a.O., N. 6 zu Art. 2 ArG und MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 1 zu Art. 2 ArG). Die Rechtsprechung legt Ausnahmebestimmungen indessen in der Regel restriktiv aus (vgl. BGE 142 II 197 E. 5.6; BGE 139 II 363 E. 2.2; BGE 110 V 246 E. 2b mit Hinweis; BGE 107 V 4 E. 4). So hat das Bundesgericht namentlich im Zusammenhang mit dem Verbot der Nacht- bzw. Sonntagsarbeit erwogen, dass Ausnahmebestimmungen des Arbeitsgesetzes und dessen Verordnungen eng auszulegen sind (vgl. BGE 145 II 360 E. 3.4; BGE 134 II 265 E. 5.5; BGE 126 II 106 E. 5a; Urteil 2C_358/2020 / 2C_359/2020 vom 24. März 2021 E. 4.3). Bei der Auslegung ist ferner demBGE 148 II 203 (210) BGE 148 II 203 (211)Willen des Gesetzgebers, der in Art. 1 ArG zum Ausdruck kommt, Rechnung zu tragen, den Betriebsbegriff möglichst weit zu fassen (vgl. GEISER/LÜTHI, in: Loi sur le travail, Geiser/von Kaenel/Wyler [Hrsg.], 2005, N. 6 zu Art. 2 ArG; vgl. auch E. 3.4.1 hiervor). Der Grund liegt im Bestreben, den Schutz des Gesetzes möglichst allen Arbeitnehmern zukommen zu lassen (HANS PETER TSCHUDI, Schweizerisches Arbeitsschutzrecht, 1985, S. 25; BACHMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 1 ArG). Dies spricht dafür, in Zweifelsfällen von der Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auszugehen (so auch BACHMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 1 ArG).
Als Beispiele für Arbeitnehmer im Hausdienst, die unter die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG fallen können, nennen die Lehre sowie das SECO unter anderem Haushaltshilfen, Chauffeure, Reinigungspersonal, Köche, Gärtner oder Privatlehrer (vgl. GEISER, Arbeitsgesetz, a.a.O., N. 39 zu Art. 2 ArG; BACHMANN, a.a.O., N. 69 zu Art. 2 ArG; MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 19 zu Art. 1 ArG; GEISER/LÜTHI, a.a.O., N. 39 zu Art. 2 ArG; Wegleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] zum Arbeitsgesetz und zu den Verordnungen 1 und 2, Juli 2020, S. 002-3,www.seco.admin.ch, unter Publikationen & Dienstleistungen/Arbeit/Arbeitsbedingungen). Daraus kann geschlossen werden, dass grundsätzlich auch Pflege- und Betreuungsdienstleistungen in privaten Haushaltungen von dieser Ausnahmebestimmung erfasst werden können. Die aufgeführten Beispiele deuten sodann eher auf ein Verständnis hin, wonach es sich typischerweise um Zweiparteienverhältnisse handelt (vgl. WAGNER, a.a.O., S. 773), bei denen ein Vertragsverhältnis zwischen dem privaten Haushalt und dem Arbeitnehmer besteht.BGE 148 II 203 (211)
BGE 148 II 203 (212)4.4 In historisch-teleologischer Hinsicht ist festzuhalten, dass die hier interessierende Ausnahme privater Haushalte vom betrieblichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes in den Materialien zum Arbeitsgesetz insbesondere mit dem fehlenden Bedürfnis, solche Arbeitnehmer dem Arbeitsgesetz zu unterstellen und den Schwierigkeiten, derartige Vorschriften durchzusetzen, begründet wurde (vgl. Botschaft vom 30. September 1960 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel [Arbeitsgesetz], BBl 1960 II 909, 945). Insbesondere wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass staatliche Inspektoren in privaten Haushaltungen Kontrollen durchführen (vgl. GEISER, AJP 2020, a.a.O., S. 1456).
Daher kann der Argumentation der Vorinstanz, wonach die Einhaltung der Arbeitszeiten nur am tatsächlichen Arbeitsort bzw. nur beim privaten Haushalt überprüft werden könne, sodassBGE 148 II 203 (212) BGE 148 II 203 (213)entsprechende Kontrollen einen übermässigen Eingriff in die Privatsphäre der zu betreuenden Personen darstellen würden, in dieser Absolutheit nicht gefolgt werden.
Im Fall von Dreiparteienverhältnissen dient die Betreuungsarbeit zwar zunächst den privaten Bedürfnissen der zu betreuenden Person. Wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Gutachten PÄRLI zu Recht ausführt, bewirkt das Arbeitsergebnis aber auch die Erfüllung des Dienstleistungsvertrags zwischen der Betreuungsorganisation und der zu betreuenden Person und kommt - wirtschaftlich betrachtet - der Betreuungsorganisation zugute.
Die im Rahmen des Arbeitsvertrags zwischen der Betreuungsorganisation und dem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dientBGE 148 II 203 (213) BGE 148 II 203 (214)somit (auch) der Erfüllung der Leistungspflicht der Betreuungsorganisation gegenüber der zu betreuenden Person aus dem jeweiligen Vertrag, sodass in diesem Fall nicht nur private Bedürfnisse des Haushaltsinhabers befriedigt werden. Dies spricht ebenfalls gegen die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG in Fällen von Dreiparteienverhältnissen.
Demgegenüber ist bei Dreiparteien-Konstellationen, so namentlich in Fällen von Personalverleih, möglich, die Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten bei der Betreuungsorganisation zu kontrollieren. Der Wille des historischen Gesetzgebers, der sich - wie es die in der Lehre aufgeführten Beispiele (Köche, Chauffeure, Gärtner; vgl. E. 4.3 hiervor) zeigen - vor allem auf die Intimität der Verhältnisse stützt, erstreckt sich nicht auf Mehrparteienverhältnisse wie den vorliegenden. Zudem dient die Arbeitsleistung der Betreuungskraft in Fällen von Mehrparteienverhältnissen nicht nur der Erfüllung privater Bedürfnisse der zu betreuenden Person, sondern auch dem kommerziellen Zweck der Betreuungsorganisation.
Diese Argumente sprechen - unter Berücksichtigung des Zwecks des Arbeitsgesetzes, einen umfassenden Schutz möglichst vieler Arbeitnehmenden zu gewährleisten (vgl. E. 4.2 hiervor) - für eine restriktive Handhabung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG und damit gegen die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung auf Fälle von Mehrparteienverhältnissen.
Dass diese Ausnahmebestimmung ohnehin nicht zur Anwendung gelangt, wenn zwischen der Betreuungsorganisation und dem privaten Haushalt ein Vertragsverhältnis im Sinne eines Auftrags oder eines Werkvertrags vorliegt, wurde im Übrigen bereits erwogen (vgl. E. 3.4.3 hiervor).BGE 148 II 203 (214)
BGE 148 II 203 (215)Vor diesem Hintergrund ist zusammenfassend festzuhalten, dass Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG nur in Fällen greift, in welchen die jeweilige Arbeitskraft direkt vom privaten Haushalt angestellt wird, nicht aber beim Vorliegen von Dreiparteienverhältnissen.BGE 148 II 203 (215)