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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Bearbeitung, zuletzt am 23.11.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Steuerverwaltung und Steuerrekurskommission des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_916/2020 vom 19. Mai 2022
 
 
Regeste
 
Art. 82 BVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b BVV 3; Art. 37a DBG bzw. Art. 11 Abs. 4 StHG; Berücksichtigung von BGSA-Einkünften beim Abzug des sog. grossen Säule 3a-Beitrags.
 
Gegen eine solche Berücksichtigung spricht weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte von Art. 37a DBG bzw. Art. 11 Abs. 4 StHG hinsichtlich der Frage, wie weit der Abgeltungscharakter der Quellensteuer auf BGSA-Einkünften zu gehen hat (E. 4.2 und 4.3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 II 313 (314)A. Die mit A.A. verheiratete B.A. erzielte im Jahr 2016 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit im Umfang von Fr. 13'880.75. Der Betrag umfasste einerseits im ordentlichen Veranlagungsverfahren zu besteuernde Lohnzahlungen von Fr. 3'723.-, andererseits Einkünfte von gesamthaft Fr. 10'157.75 aus verschiedenen Nebenerwerbstätigkeiten, die im Rahmen des vereinfachten Abrechnungsverfahrens gemäss dem Bundesgesetz über die Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (vgl. dazu näher: unten E. 3.2) besteuert wurden. Den Betrag von Fr. 10'157.75 deklarierten die Eheleute A. in der Steuererklärung 2016 unter dem Titel "nicht steuerbare Einkünfte". Die Ehegattin war keiner Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) angeschlossen. Im Laufe des Jahres zahlte sie Fr. 1'100.- in ihre Säule 3a ein. Einen entsprechenden Abzug machten die Ehepartner als Beiträge an die gebundene Selbstvorsorge geltend.
B. Von den durch A.A. und B.A. im ordentlichen Veranlagungsverfahren angegebenen Fr. 1'100.- rechnete die Steuerverwaltung des Kantons Bern sowohl bei den Kantons- und Gemeindesteuern als auch der direkten Bundessteuer der Steuerperiode 2016 Fr. 355.- beim steuerbaren Einkommen auf und anerkannte damit den Abzug bloss im Umfang von Fr. 745.-, d.h. 20 % der im ordentlichen Veranlagungsverfahren zu besteuernden Lohnzahlungen. Die dagegen durch die Betroffenen erhobenen Rechtsmittel auf kantonaler Ebene blieben erfolglos (zuletzt abgewiesen durch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 29. September 2020).
C. Am 4. November 2020 haben A.A. und B.A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie stellen den Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern aufzuheben, ihr steuerbares Einkommen um Fr. 355.- herabzusetzen und die zu viel entrichteten Steuern samt Verzugszins zurückzuerstatten. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG (SR 642.11) können Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von vertraglichen Ansprüchen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge bis zu einemBGE 148 II 313 (314) BGE 148 II 313 (315)bestimmten Betrag von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden. Damit wird die Regelung von Art. 82 BVG übernommen, welche unter der Marginalie "Gleichstellung anderer Vorsorgeformen" bestimmt, dass Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende auch Beiträge für weitere, ausschliesslich und unwiderruflich der beruflichen Vorsorge dienende, anerkannte Vorsorgeformen abziehen können. Die nähere Regelung ist gestützt auf Art. 82 Abs. 2 BVG mit der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3) erfolgt.
3.2.1 Sachlich unterscheiden sich die beiden Bestimmungen einzig insoweit, als Art. 37a DBG einen Steuersatz von 0.5 % vorsieht, wohingegen Art. 11 Abs. 4 StHG entsprechend der Tarifautonomie der Kantone keinen Tarif vorgibt (wobei indessen fast alle KantoneBGE 148 II 313 (315) BGE 148 II 313 (316)- so auch der Kanton Bern [Art. 115a Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000; StG/BE; BGS 661.11] - einen Steuersatz von 4.5 % vorsehen; vgl. REICH/CAVELTI, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], Zweifel/Beusch [Hrsg.], 3. Aufl. 2017, N. 57 zu Art. 11 StHG).
 
Erwägung 4
 
Wenn die Quellensteuer gemäss Art. 37a DBG bzw. Art. 11 Abs. 4 StHG beim Arbeitgeber erhoben wird, so legen schon praktische Gründe nahe, auch einen Abzug für Beiträge des Arbeitnehmers an die Säule 3a auszuschliessen, obwohl in diesen Bestimmungen nur die Nichtberücksichtigung von Abzügen für Berufskosten und Sozialabzügen ausdrücklich erwähnt ist.
Der Arbeitgeber weiss zwar z.B. im Hinblick auf die Pflicht zum Anschluss an eine Familienausgleichskasse (und muss dies auch wissen), ob ein Arbeitnehmer Kinder hat, die zum Bezug von Kinderzulagen berechtigen (und die, bei ordentlicher Besteuerung, zur Vornahme eines Sozialabzugs berechtigen würden). Die Berücksichtigung eines entsprechenden Sozialabzugs bei Erhebung der Quellensteuer erscheint somit praktisch zumindest nicht ausgeschlossen (wobei indes zu berücksichtigen ist, dass gegebenenfalls für eine Person mehrere BGSA-Arbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen und deshalb nicht klar ist, welcher Arbeitgeber den Sozialabzug vorzunehmen hätte).
Mit Bezug auf Sozialabzüge besteht somit ein gesetzgeberischer Regelungsbedarf, der durch den in Art. 37a Abs. 1 DBG und Art. 11 Abs. 4 StHG enthaltenen Ausschluss der Sozialabzüge abgedeckt ist. Dagegen sind dem Arbeitgeber Beiträge, welche ein Arbeitnehmer freiwillig an eine Einrichtung der Säule 3a entrichtet, in aller Regel gar nicht bekannt - und müssen ihm auch nicht bekannt sein. Schon deshalb fällt eine Berücksichtigung entsprechender Beträge im Rahmen der Erhebung der Quellensteuer ausser Betracht, ohne dass der Gesetzgeber dies ausdrücklich regeln müsste. Allein aus dem Ausschluss der Sozialabzüge für das in erster Linie denBGE 148 II 313 (317) BGE 148 II 313 (318)Arbeitgeber betreffende Quellensteuerverfahren gemäss Art. 37a DBG bzw. Art. 11 Abs. 4 StHG lässt sich damit aber noch nichts für das (spätere) ordentliche Veranlagungsverfahren der betroffenen Arbeitnehmer ableiten.
4.3.1 Aus den Gesetzesmaterialien zum BGSA geht hervor, dass sich anfänglich vor allem die Eidgenössische Steuerverwaltung gegen eine Ausdehnung der Quellensteuer gewendet hatte. Nachdem die Frage im Vernehmlassungsverfahren zu einem Vorentwurf des Bundesrats wiederum aufgegriffen worden war, lehnte der Bundesrat gestützt auf die Ergebnisse einer von der SchweizerischenBGE 148 II 313 (318) BGE 148 II 313 (319)Steuerkonferenz eingesetzten Fachkommission in der Botschaft zum späteren Bundesgesetz (Botschaft vom 16. Januar 2002 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit; BBl 2002 3605 ff.) die Einführung eines Quellensteuerverfahrens ausdrücklich ab und schlug dem Parlament vor, im Rahmen des zu erlassenden Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit keine Quellenbesteuerung bestimmter Einkünfte einzuführen (siehe zum Ganzen auch ARIANE ERNST, Das vereinfachte Abrechnungsverfahren im Einkommenssteuerrecht, 2018, S. 69 ff. Rz. 176 ff.).