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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Strittig ist vorliegend einzig die steuerliche Erfassung des E ...
4. Ist eine Beeinträchtigung durch eine Dienstbarkeit nicht  ...
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29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gemeinde St. Moritz und Steuerverwaltung des Kantons Graubünden (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_730/2021 vom 19. Mai 2022
 
 
Regeste
 
Art. 16 Abs. 1, Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 DBG; Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG; Steuerfolgen einer Entschädigung für die Eintragung einer Bauhöhenbeschränkung; Begriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" und des "Aktiventauschs".
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 II 378 (379)A. A., wohnhaft in U., Slowenien, ist Eigentümerin des überbauten Grundstücks Nr. x in der Gemeinde V. Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 20. Dezember 2018, eingetragen am 21. Dezember 2018 im Grundbuchamt der Region Maloja, vereinbarten A. und B. als Gegenleistung für eine vereinbarte Grunddienstbarkeit (Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung) zulasten des Grundstücks Nr. x bzw. zugunsten des Nachbargrundstücks Nr. y die Summe von Fr. 1'000'000.-.
B. Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden besteuerte diese Leistung mit definitiven Veranlagungsverfügungen vom 16. Januar 2020 für die Kantons- und Gemeindesteuern 2018 sowie für die direkte Bundessteuer 2018 gestützt auf Art. 22 des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG/GR; BR 720.000) resp. Art. 21 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen. Die kantonalen Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg (Einspracheentscheide der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom 14. Oktober 2020; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 24. Juni 2021).
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. September 2021 beantragt A. die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 24. Juni 2021 BGE 148 II 378 (379) BGE 148 II 378 (380)und der Einspracheentscheide der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom 14. Oktober 2020 sowie die Festsetzung des steuerpflichtigen Einkommens auf Fr. 113'000.- (satzbestimmend Fr. 811'300.-) für die direkte Bundessteuer 2018 und auf Fr. 144'000.- (satzbestimmend Fr. 844'200.-) für die Kantons- und Gemeindesteuer 2018. (...)
(Auszug)
 
II. Direkte Bundessteuer
BGE 148 II 378 (380)
BGE 148 II 378 (381)3.3 Gemäss Art. 16 Abs. 3 DBG sind Gewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei. Als Kapitalgewinne gelten nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Nettovermögenszugänge, welche als natürliche und typische (adäquate) Folge eines Vermögensabganges erscheinen (BGE 143 II 402 E. 5.3; BGE 141 II 326 E. 7; BGE 139 II 363 E. 2.4). Unerlässliche Voraussetzung des steuerfreien Kapitalgewinns ist mithin das Vorliegen einer Gesamt- oder Teilveräusserung von dinglichen oder obligatorischen Rechten. Diese verlassen das Eigentum der veräussernden Person und schmälern vorübergehend, bis zum Eintreffen der Gegenleistung, die Substanz (BGE 141 II 326 E. 7; BGE 139 II 363 E. 2.3). Die Steuerfreiheit der Kapitalgewinne stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und von der daraus abgeleiteten Reinvermögenszugangstheorie dar. Sie ist eng zu verstehen (BGE 146 II 6 E. 4.1; BGE 142 II 197 E. 5.6; BGE 139 II 363 E. 2.2 S. 367; je mit Hinweisen).
BGE 148 II 378 (382)3.5 Nach Art. 12 StHG sind Gewinne aus Veräusserungen (Abs. 1) sowie aus gewissen veräusserungsähnlichen Vorgängen (Abs. 2) der Grundstückgewinnsteuer unterworfen. Zu den veräusserungsähnlichen Vorgängen gehört insbesondere die Belastung eines Grundstücks mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird (Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG; BGE 139 II 363 E. 3.2).
Die Entgeltlichkeit sowie die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung sind im vorliegenden Fall gegeben: Die Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung (vgl. zur Frage der Dauerhaftigkeit eines Baurechts BGE 141 II 326 E. 7) und wurde per Vertrag gegen ein Entgelt eingeräumt.
3.6.1 Das Bundesgericht hatte bislang keine Veranlassung, allgemein gültig zu klären, was unter der wesentlichen Beeinträchtigung der unbeschränkten Bewirtschaftung eines Grundstücks zu verstehen ist. Aufgrund der Vielzahl der möglichen Inhalte von Dienstbarkeiten fällt es denn auch schwer, eine klare Linie zwischen wesentlichen und unwesentlichen Beeinträchtigungen der unbeschränkten Bewirtschaftung des Grundstücks zu ziehen. Jedenfalls stellen vollständige Bau- oder andere Nutzungsverbote wesentliche Beeinträchtigungen dar (vgl. ATF 139 II 363 E. 3.2, wo die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung durch ein Bauverbot implizit vorausgesetzt wurde). Die hier streitbetroffenen Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkungen werden in der Literatur mehrheitlich als unwesentlich betrachtet, wobei die Ansichten zum Teil nuanciert ausfallen. KLÖTI-WEBER erachtet Pflanzenhöhenbeschränkungen regelmässig als nicht wesentlich, einschneidende Baubeschränkungen hingegen als wesentlich (MARIANNE KLÖTI-WEBER, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Klöti-Weber/Siegrist/Weber [Hrsg.], 4. Aufl. 2015, N. 44 zu § 96 StG/AG). OBRIST spricht sich dagegen aus, die Dienstbarkeiten in feste Kategorien wesentlicher und unwesentlicher Beeinträchtigungen einzuteilen, und befürwortet stattdessen eine Einzelfallbeurteilung (OBRIST, a.a.O., S. 19). RICHNER/FREI/KAUFMANN/ROHNER halten Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkungen bloss dann für wesentlich,BGE 148 II 378 (382) BGE 148 II 378 (383)wenn diese einschneidend seien (RICHNER/FREI/KAUFMANN/ROHNER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 4. Aufl. 2021, N. 128 zu § 216 StG/ZH). Laut SEILER erreichen bloss die besonders gravierenden Grunddienstbarkeiten, namentlich Bau- und Nutzungsverbote, sowie gewisse unbefristete Personaldienstbarkeiten die Schwelle der Wesentlichkeit (MORITZ SEILER, Grenzen des kantonalen Gestaltungsspielraums bei der Grundstückgewinnsteuer, StR 75/2020 S. 725 ff., 734). VERREY ist der Auffassung, dass neben dem Bauverbot auch andere Beschränkungen der Überbaubarkeit des Grundstücks die Bewirtschaftung wesentlich beeinträchtigen können (BASTIEN VERREY, Note sur ATF 139 II 363, RDAF 2014 II S. 614, 616). ZWEIFEL/HUNZIKER/MARGRAF/OESTERHELT sind der Ansicht, dass die Begrenzung der Bauhöhe gleich wie ein Bauverbot eine wesentliche Beeinträchtigung darstelle (ZWEIFEL/HUNZIKER/MARGRAF/OESTERHELT, Schweizerisches Grundstückgewinnsteuerrecht, 2021, § 6 Rz. 138).
3.6.4 Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Bauhöhenbeschränkung in einem Einzelfall wie ein Bauverbot auswirken und darinBGE 148 II 378 (383) BGE 148 II 378 (384)eine wesentliche Beeinträchtigung seiner unbeschränkten Bewirtschaftung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG liegen könnte, falls dadurch wesentliche Teile des Grundstücks faktisch unüberbaubar werden. Allerdings zeigt das im Vergleich zum Wert des Grundstücks geringe Entgelt, das die Beschwerdeführerin für die Errichtung der Dienstbarkeit empfangen hat, dass die Parteien selbst nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung ausgegangen sind. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung bestimmt sich die Höhe des Entgelts, das ein Eigentümer für die Errichtung einer Dienstbarkeit verlangen wird, im Wesentlichen nach der Schwere der Beeinträchtigung der Nutzung und des Werts des Grundstücks. Dies gilt jedenfalls solange, als ihm die berechtigte Person nicht nahesteht oder sonst besondere Verhältnisse herrschen, welche die Preisgestaltung zwischen den Parteien beeinflussen könnten. Für solche besonderen Verhältnisse gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Wie schon im Urteil 2C_902/2013 / 2C_903/2013 vom 11. Juli 2014 ist die relativ geringe Höhe des Entgelts daher auch im vorliegenden Fall als starker Anhaltspunkt dafür zu werten, dass es an der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nach Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG fehlt. Die entsprechende Würdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden.
4.1 Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, bei der Zahlung aus dem Dienstbarkeitsvertrag handle es sich um eine Entschädigung als Ausgleich eines zukünftigen Minderwerts des Grundstückes, womit kein Reinvermögenszugang vorliege. VielmehrBGE 148 II 378 (384) BGE 148 II 378 (385)handle es sich um einen Aktiventausch, zumindest bis zu der Höhe des tatsächlichen Wertverlusts des Grundstücks aufgrund der Dienstbarkeit, welcher gutachterlich zu ermitteln sei.
4.2 Unter einem "reinen Aktiventausch" versteht die Rechtsprechung den Eintausch eines Vermögenswerts gegen einen anderen Vermögenswert (z.B. Geld), dessen Geldwert den Gestehungskosten des eingetauschten Vermögenswerts entspricht. Im Unterschied zu einer Veräusserung, aus welcher der Steuerpflichtige einen Kapitalgewinn erzielt, schichtet der Steuerpflichtige beim "reinen Aktiventausch" sein Vermögen lediglich um (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.6; Urteile 2C_1155/2014 vom 1. Februar 2016 E. 3.2.6, in: StE 2016 B 23.43.2 Nr. 19 und StR 71/2016 S. 612; 2C_368/2013 / 2C_369/2013 vom 2. Februar 2014 E. 6.2.2). Aber auch der "reine Aktiventausch" setzt begrifflich voraus, dass ein Vermögenswert gegen einen anderen eingetauscht, mithin also im Sinne von Art. 16 Abs. 3 DBG veräussert wird. Die entgeltliche Eintragung einer Dienstbarkeit, die keine dauerhafte und wesentliche Beeinträchtigung gemäss Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG bewirkt, stellt jedoch bei einer harmonisierungskonformen Auslegung keine Veräusserung eines Vermögenswerts (vgl. oben E. 3.7) und damit - entgegen gewissen Lehrmeinungen (vgl. SIBILLA CRETTI, Note sur l'arrêt 2C_902/2013 et 2C_903/2013, RDAF 2014 II S. 485; MERINO, a.a.O., N. 34 zu Art. 21 DBG; ähnlich wie hier dagegen OBRIST, a.a.O., S. 19) - auch keine Realisation dar, die der Einkommenssteuer entzogen wäre. Sie kann demgemäss auch nicht als "reiner Aktiventausch" betrachtet werden, selbst wenn sie mit einer Werteinbusse auf dem Grundstück einhergeht.
4.4 Abzugrenzen ist die vorliegende Konstellation schliesslich von derjenigen, die das Bundesgericht in BGE 139 II 363 zu beurteilen hatte. Dort erwog das Bundesgericht, dass das Entgelt für die Nichterhebung oder den Rückzug einer Einsprache gegen ein Bauprojekt auf einem Nachbarschaftsgrundstück steuerlich nicht zu privilegieren ist (BGE 139 II 363 E. 2.5). Ein solches Entgelt kann jedoch einen (steuerfreien) Ersatz des positiven Schadens bzw. objektiven Wertverlusts darstellen, wenn damit tatsächlich ein Minderwert des (eigenen) Grundstücks einhergeht (BGE 139 II 363 E. 2.6). Anders als hier ging es dort jedoch nicht um eine unmittelbare Einkunft aus dem Grundstück, sondern um ein Entgelt aus einem privatrechtlich eigenständigen Geschäft, nämlich aus dem Rückzug einer Baueinsprache betreffend ein Nachbargrundstück (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.5 und 3.5). Gegenstand des streitbetroffenen Rechtsgeschäfts war dort damit nicht das Grundstück der steuerpflichtigen Person, sondern ihre Rechtsposition als Einsprecher im Baueinspracheverfahren. Die steuerliche Freistellung des Gewinns aus der Verfügung über diese Rechtsposition lehnte das Bundesgericht unter anderem auch deshalb ab, weil der entgeltliche Verzicht auf ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf sittenwidrig (Art. 20 Abs. 1 OR) sein kann und deshalb steuerlich nicht privilegiert werden soll (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.5). Vorliegend sprechen demgegenüber bereits die Auslegung von Art. 16 Abs. 3 DBG im Lichte von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG und die Steuersystematik dagegen, die Einkunft aus der Eintragung der Dienstbarkeit einkommenssteuerlich freizustellen, und zwar auch insoweit, als damit bloss der Minderwert auf dem Grundstück ausgeglichen wird (vgl. oben E. 4.2 und 4.3).
4.5 Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie das Entgelt von Fr. 1'000'000.-, welches die Beschwerdeführerin für die Einräumung der Pflanzen- undBGE 148 II 378 (386) BGE 148 II 378 (387)Bauhöhenbeschränkung auf ihrem Grundstück erhalten hat, für die direkte Bundessteuer vollständig als Ertrag aus unbeweglichem Vermögen der Einkommenssteuer unterworfen hat.BGE 148 II 378 (387)