5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_977/2020 vom 6. Mai 2022 | |
Regeste | |
Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA; Art. 40 Abs. 3 DBG; Umrechnung der Arbeitseinkünfte eines Grenzgängers; keine Diskriminierung.
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Sachverhalt | |
A. Der Schweizer Staatsangehörige A. wohnte bis am 30. Juni 2017 in der Stadt Zürich. Vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 war er bei der C. GmbH angestellt und verdiente in dieser Zeit gemäss Lohnausweis vom 13. Juni 2017 einen Nettolohn von Fr. 8'843.-. Nach dem 30. Juni 2017 verlegte A. seinen Wohnsitz nach U./AT. Mit Schlussrechnung vom 12. Februar 2018 veranlagte ihn das Steueramt des Kantons Zürich für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis am 30. Juni 2017 mit einer Steuer von Fr. 82.10 für die Staats- und Gemeindesteuern.
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Ab dem 19. September 2017 bis am 27. Dezember 2017 war A. bei der D. AG angestellt. Während dieser Zeit pendelte er täglich von seinem Wohnort zu seinem Arbeitseinsatzort bei der Zuckerfabrik in V. /TG. Aufgrund des Wohnsitzes in Österreich wurde A. von seinem Verdienst bei der D. AG (gemäss Lohnausweis vom 15. Februar 2018: netto Fr. 24'603.-) ein Betrag von Fr. 3'995.25 als Quellensteuer abgezogen. In Österreich wurden von A. keine Steuern erhoben.
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Am 28. Februar 2018 reichte A. bei der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau eine ordentliche Steuererklärung ein. Gleichzeitig bat er darum, in einem ordentlichen Steuerverfahren veranlagt zu werden, damit sein tatsächliches Jahreseinkommen in der Schweiz berücksichtigt werde.
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B. Mit Entscheid vom 22. Mai 2018 lehnte die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau ab, A. ordentlich zu veranlagen, er sei an der Quelle zu besteuern. Die Einsprache A.s wies die Steuerverwaltung mit Entscheid vom 10. Juli 2018 ab. Dagegen erhob A. am 8. August 2018 Rekurs bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau, wobei er die Festsetzung und Besteuerung der von ihm im Kalenderjahr 2017 erzielten Einkünfte im ordentlichen Verfahren beantragte. Mit Entscheid vom 12. November 2019 hiess die Steuerrekurskommission den Rekurs gut. (...)
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Die Steuerverwaltung erhob am 16. Januar 2020 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. (...)
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Mit Urteil vom 24. Juni 2020 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut. Es stellte fest, dass für den massgeblichen Zeitraum vom 19. September 2017 bis am 27. Dezember 2017 für die Veranlagung der direkten Bundessteuer sowie der Staats- und Gemeindesteuern 2017 steuerbare Einkünfte von Fr. 24'603.- sowie satzbestimmende Einkünfte von Fr. 89'465.- (beides vor Abzügen) zu berücksichtigen seien. Die Angelegenheit wurde zur Durchführung der ordentlichen Veranlagung an die Steuerverwaltung zurückgewiesen.
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C. Mit Beschwerde vom 22. November 2020 (Postaufgabe am 24. November 2020) beantragt A. dem Bundesgericht, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 24. Juni 2020 "zurückzuweisen" und die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau anzuweisen sei, eine "Steuersatzneubewertung mit Blick auf die Dauer der Quasiansässigkeit zur Schweiz vorzunehmen, die betroffenen kantonalen Einkommensanteile neu zu bewerten und allfällige Differenzen auszugleichen."
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Die Vorinstanz und die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 6. Mai 2022 öffentlich beraten. Es weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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III. Direkte Bundessteuer
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Erwägung 4 | |
4.3 Die Vorinstanz ging demgegenüber davon aus, dass die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers in der Schweiz mit dem Wegzug nach Österreich per 30. Juni 2017 nach Art. 8 Abs. 2 DBG geendet hatte. Mit der Aufnahme der unselbständigen Erwerbstätigkeit bei der D. AG habe der Beschwerdeführer infolge wirtschaftlicher Zugehörigkeit per 19. September 2017 eine neue, beschränkte Steuerpflicht begründet, die bis zum 27. Dezember 2017 dauerte. Die Lohnzahlungen, die der Beschwerdeführer aus der Anstellung bei der D. AG bezog, stufte sie als regelmässig fliessende Einkünfte ein. Deshalb rechnete sie diese Einkünfte zur Satzbestimmung gemäss Art. 40 Abs. 3 DBG auf zwölf Monate um.
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Erwägung 5 | |
Es stellt sich die Frage, ob für das satzbestimmende Einkommen auf die drei Monate effektive Arbeitstätigkeit im Herbst 2017 abzustellen oder aber bereits die Zeitspanne 1. Juli 2017 bis 18. September 2017 miteinzubeziehen ist.
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In der Tat hält sich der Beschwerdeführer gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen seit dem Wegzug aus Zürich im Ausland - in U. - auf. Der Beschwerdeführer war damit bis Ende Juni 2017 im Kanton Zürich unbeschränkt steuerpflichtig. Per Mitte 2017 zog er definitiv aus der Schweiz weg, und er schloss damit seine (unbeschränkte) Steuerpflicht in der Schweiz auf den 30. Juni 2017 ab (Art. 8 Abs. 2 DBG).
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Ab dieser Zeit bestand gestützt auf die vorinstanzlichen und für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen kein Steueranknüpfungstatbestand. In den Monaten zwischen dem Wegzug aus dem Kanton Zürich und der Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Kanton Thurgau bestand damit keine Steuerhoheit der Schweiz.
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Der Beschwerdeführer schuf damit einen neuen Steueranknüpfungstatbestand durch die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Dadurch wurde er in der Schweiz vorübergehend beschränkt steuerpflichtig (Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 8 Abs. 1 DBG). Diese beschränkte Steuerpflicht endete am 27. Dezember 2017.
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Eine unter Art. 2 FZA und Art. 9 Anhang I FZA unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden kann hingegen vorliegen, wenn ungeachtet ihres Wohnsitzes in verschiedenen Mitgliedstaaten nachgewiesen wird, dass sich die beiden Kategorien von Steuerpflichtigen im Hinblick auf den Zweck und den Inhalt der betreffenden nationalen Vorschriften in einer vergleichbaren Situation befinden. Dies ist etwa der Fall, wenn ausländische Gebietsansässige im Staat, in dem sie ihre berufliche Tätigkeit ausüben, "die gesamten oder nahezu gesamten Einkünfte" erzielen (BGE 140 II 167 E. 4.1; BGE 136 II 241 E. 13.2 und 13.3). Ungleichbehandlungen von Steuerpflichtigen in vergleichbaren Situationen können gerechtfertigt sein, auch im Rahmen des FZA, wobei die geschriebenen Rechtfertigungsgründe (insb. Art. 21 FZA) von den hierfür vorgesehenen unionsrechtlichen Begriffen abweichen (dazu etwa BGE 140 II 167 E. 5.5). Folge einer unzulässigen Ungleichbehandlung bei ausnahmsweise vergleichbarer Situation wäre, dass solche Steuerpflichtige den Anspruch haben, nachträglich in das ordentliche Verfahren aufgenommen zu werden (BGE 140 II 167 E. 5.1).
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Das Kriterium der ausnahmsweisen Vergleichbarkeit ist auch in der neueren Rechtsprechung des EuGH zum FZA massgeblich (vgl. Urteil des EuGH vom 26. Februar 2019 C-581/17 Wächtler, Randnr. 56 ff., wo die Vergeichbarkeit der Wegzugsbesteuerung gemäss dem EuGH darin besteht, dass für zwei Personen, von denen eine den Wohnsitz in Deutschland beibehält und die andere den Wohnsitz in die Schweiz verlegt, in beiden Situationen die Befugnis, die Wertzuwächse zu besteuern, bei der Bundesrepublik Deutschland liegt, Randnr. 60).
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6.4.3 Wenn die ordentliche Veranlagung nicht auf Zeiträume ausgedehnt wird, in denen der Beschwerdeführer keine steuerliche Zugehörigkeit zur Schweiz aufwies und nicht der Schweizer Steuerhoheit unterlag, liegt darin weder eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit noch eine mittelbare Diskriminierung noch eine unzulässige Beschränkung, soweit diese ausserhalb der im FZA spezifisch geregelten Freiheiten überhaupt anwendbar wäre (kritisch zur Anwendbarkeit im Rahmen der im FZA ausdrücklich geregelten Freiheiten etwa NICOLAS DIEBOLD, Freizügigkeit im Mehrebenensystem, 2016, S. 266 ff. Rz. 781 ff., mit Hinweisen auf die verschiedenen Meinungen in der Literatur in Fn. 797; CHRISTA TOBLER, Der Kauf von Ferienwohnungen nach EG-Recht und bilateralem Recht, Jusletter 3. Juli 2006 Rz. 34). Die Situation des gebietsfremden Beschwerdeführers ist bis zur Aufnahme der Grenzgängertätigkeit nicht mit derjenigen einer gebietsansässigen Person vergleichbar und eine Differenzierung insoweit freizügigkeitsrechtlich zulässig. Daraus folgt, dass kein Anspruch auf eine ordentliche Veranlagung besteht für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zeitraum zwischen dem Wegzug per Ende Juni 2017 und der Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 19. September 2017 und dementsprechend auch kein Anspruch auf die Berücksichtigung dieses Zeitraums für die Bestimmung des Steuersatzes.
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