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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
5. Das Bundesgericht hatte schon verschiedentlich zu bestimmen, w ...
6. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Ausnahmecharakter ...
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7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen A. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_217/2022 vom 15. Dezember 2022
 
 
Regeste
 
Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 aMWSTG; subjektive Steuerpflicht und Vorsteuerabzugsberechtigung von Flugzeug-Eigentümergesellschaften; Steuerumgehung; Praxisänderung.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 II 53 (54)A. Die A. AG war vom 1. Februar 1999 bis am 30. September 2010 im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eingetragen. Sie war Eigentümerin eines in der Schweiz immatrikulierten Flugzeugs des Typs Bombardier BD700 mit der Kennzeichnung x, das sie vom 1. JanuarBGE 149 II 53 (54) BGE 149 II 53 (55)2006 bis zum Verkauf am 28. Januar 2010 durch inländische Luftfahrtunternehmen, die im Verzeichnis der ESTV aufgelistet waren, betreiben liess. Vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Mai 2006 war dies die B. SA, vom 1. Juni 2006 bis zum 28. Februar 2009 die C. SA und vom 1. März 2009 bis zum 28. Januar 2010 die D. AG.
B.
B.a Zwischen Mai und November 2011 führte die ESTV bei der A. AG eine Kontrolle durch, die unter anderem die Steuerperioden 1. Quartal 2006 bis 4. Quartal 2009 (Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009) betraf. Gestützt auf das Kontrollergebnis nahm die ESTV mit Einschätzungsmitteilung / Verfügung vom 12. Dezember 2011 eine Nachbelastung von insgesamt Fr. 1'037'611.- (zuzüglich Verzugszins ab 31. August 2008) vor. Die Nachbelastung ergab sich laut ESTV aufgrund der gemischten Verwendung des genannten Flugzeugs sowie von nicht abgerechneten Privatanteilen Autokosten. Die A. AG erhob am 30. Januar 2012 Einsprache, wobei sie die Nachbelastung der Privatanteile Autokosten anerkannte, im Übrigen jedoch die Aufhebung der Einschätzungsmitteilung / Verfügung vom 12. Dezember 2011 beantragte. (...)
B.b (...) Die ESTV bestätigte mit Verfügung vom 7. Dezember 2016 sinngemäss die Einschätzungsmitteilung / Verfügung vom 12. Dezember 2011. Gegen diese Verfügung erhob die A. AG (wiederum) Einsprache. Mit Einspracheentscheid vom 14. Mai 2021 stellte die ESTV fest, dass die Verfügung vom 7. Dezember 2016 im Umfang von Fr. 1'783.- (betreffend Privatanteil Autokosten) zuzüglich Verzugszins ab 31. August 2008 in Rechtskraft erwachsen sei. Im Übrigen hiess sie die Einsprache teilweise gut und setzte die zusätzlich geschuldete Mehrwertsteuer nunmehr auf Fr. 674'952.- zuzüglich Verzugszins ab 31. August 2008 fest. (...) Gegen den Einspracheentscheid führte die A. AG Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 3. Februar 2022 gut. (...)
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. März 2022 beantragt die ESTV, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 2022 sei betreffend die Steuerperioden 1. Quartal 2007 bis 4. Quartal 2009 aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 14. Mai 2021 sei betreffend die Steuerperioden 1. Quartal 2007 bis 4. Quartal 2009 zu bestätigen. Zudem sei festzustellen, dass die absolute Verjährung betreffend dieBGE 149 II 53 (55) BGE 149 II 53 (56)Steuerperioden 1. bis 4. Quartal 2006 eingetreten sei, weshalb der Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin vom 14. Mai 2021 betreffend die Steuerperioden 1. bis 4. Quartal 2006 entsprechend aufzuheben sei.
Die A. AG beantragt die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das Bundesverwaltungsgericht verweist vollumfänglich auf das angefochtene Urteil.
Die ESTV repliziert mit Schreiben vom 7. Juni 2022, die A. AG dupliziert mit Schreiben vom 9. August 2022. Mit Schreiben vom 29. August 2022 nimmt die ESTV unaufgefordert ein drittes Mal Stellung ("Triplik").
(Auszug)
 
Gegen Ende dieser ersten Phase stellte das Bundesgericht nicht (mehr) infrage, dass Umsätze zwischen Konzerngesellschaften mehrwertsteuerlich zu anerkennen sind, setzte aber voraus, dass sie geschäftlich begründet sind. Die Verwendung des Flugzeugs für Zwecke, die bei der Gesellschaft, die das Flugzeug nutzt, zu steuerbaren oderBGE 149 II 53 (56) BGE 149 II 53 (57)steuerbefreiten Umsätzen führt, wenn sie im Inland erbracht werden, begründete also einen echten Leistungsaustausch (Urteil 2C_904/2008 vom 22. Dezember 2009 E. 7.1, in: StR 65/2010 S. 344; vgl. auch Urteil 2A.264/2006 vom 3. September 2008 E. 3.3, in: ASA 78 S. 600, wo Umsätze zwischen Konzerngesellschaften in einem anderen Kontext erstmals anerkannt worden waren).
5.2.1 Nach der Rechtsprechung liegt eine Steuerumgehung vor, wenn (a) eine von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich ("insolite"), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint (sog. objektives Element), wenn zudem (b) anzunehmen ist, dass die gewählte Rechtsgestaltung missbräuchlich lediglich deshalb getroffen wurde, um Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären (sog. subjektives Element), und wenn (c) das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde, sofern es von der Steuerbehörde hingenommen würde (sog. effektives Element). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Sind die Voraussetzungen der Steuerumgehung erfüllt, so ist der Besteuerung diejenige Rechtsgestaltung zugrunde zu legen, die sachgerecht gewesen wäre, um den angestrebten wirtschaftlichen Zweck zu erreichen. Eine Steuerumgehung kommt nur in ganz ausserordentlichen Situationen infrage, namentlich wenn die gewählte Rechtsgestaltung (objektives Element) - abgesehen von den steuerlichen Aspekten - jenseits des wirtschaftlich Vernünftigen liegt. Das subjektive Element erweist sich insofern als entscheidend, als die Annahme einer Steuerumgehung ausgeschlossen bleibt, wenn andere als blosse Steuerersparnisgründe bei der Rechtsgestaltung eine relevante Rolle spielen (vgl. BGE 148 II 233 E. 5.2; BGE 146 II 97 E. 2.6.2; BGE 142 II 399 E. 4.2).
5.2.2 In einem ersten Urteil aus dem Jahr 2008 hielt das Bundesgericht eine Gestaltung im Zusammenhang mit einem Privatjet für ungewöhnlich, weil der wirtschaftlich Berechtigte eine GesellschaftBGE 149 II 53 (57) BGE 149 II 53 (58)dazwischengeschaltet hatte, die neben dem Halten des Flugzeugs keine eigene Tätigkeit entfaltet hatte, sondern als blosse "Durchlaufgesellschaft" aufgetreten war (Urteil 2C_632/2007 vom 7. April 2008 E. 4.5, in: ASA 77 S. 354). Diese Sichtweise stiess in der Literatur auf einige Kritik. Abgesehen von generellen Bedenken betreffend die Anwendbarkeit der Steuerumgehung im Mehrwertsteuerrecht wurde dagegen vor allem vorgebracht, es sei im Geschäftsverkehr üblich, dass natürliche Personen Flugzeuge über rechtlich selbständige Gesellschaften hielten (vgl. BEHNISCH/OPEL, Die steuerrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008, ZBJV 145/2009 S. 579; BÉATRICE BLUM, Steuerumgehung bei der Mehrwertsteuer - Halten eines Flugzeuges in einer "Briefkastengesellschaft", in: Entwicklungen im Steuerrecht 2009, Beusch/ISIS [Hrsg.], 2009, S. 350; PIERRE-MARIE GLAUSER, Evasion fiscale et TVA, in: Evasion fiscale, Glauser [Hrsg.], 2010, S. 39; GRÜNINGER/OESTERHELT, Steuerrechtliche Entwicklungen, SZW 2009 S. 66; OBERSON/ PITTET, La jurisprudence du Tribunal fédéral en matière de TVA, ASA 79 S. 164; ANNIE ROCHAT PAUCHARD, Actualités en matière fiscale dans le champ de l'aviation, Bulletin der Schweizerischen Vereinigung für Luft- und Raumrecht [SVLR] 141/2009 S. 39).
5.2.3 Das Bundesgericht revidierte im Jahr 2012 seinen Standpunkt und anerkannte nunmehr, dass das Halten eines Flugzeugs in einer rechtlich selbständigen Gesellschaft für sich genommen nicht als ungewöhnlich bezeichnet werden kann (vgl. BGE 138 II 239 E. 4.3.2; Urteile 2C_732/2010 vom 28. Juni 2012 E. 5.4.1, in: RDAF 2012 II S. 480; 2C_836/2009 vom 15. Mai 2012 E. 6.3.2; 2C_476/2010 vom 19. März 2012 E. 3.3.2). Es hielt jedoch daran fest, dass die betreffenden Gestaltungen den Tatbestand der Steuerumgehung erfüllen, wenn die Gesellschaft hauptsächlich dazu verwendet wird, private Bedürfnisse ihres Alleinaktionärs zu befriedigen, und sich der Einsatz der Gesellschaft bloss rechnet, weil damit vom Vorsteuerabzug profitiert werden kann. Für diesen Fall erkannte das Bundesgericht, dass die Anmeldung zur Eintragung im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen offensichtlich nur das Motiv der Steuerersparnis haben kann und auf den wirtschaftlich Berechtigten durchzugreifen ist (BGE 138 II 239 E. 4.3.3, 4.4 und 5; Urteile 2C_146/2010 vom 15. August 2012 E. 4.2.2; 2C_732/2010 vom 28. Juni 2012 E. 5.4.2, in: RDAF 2012 II S. 480). Ob eine reine Durchlaufgesellschaft ohne Personal und ohne eigene unternehmerische Tätigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 des BundesgesetzesBGE 149 II 53 (58) BGE 149 II 53 (59)vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; AS 2000 1300) überhaupt subjektiv steuerpflichtig sein kann, liess das Bundesgericht offen (Urteile 2C_836/2009 vom 15. Mai 2012 E. 8; 2C_638/2010 vom 19. März 2012 E. 6, nicht publ. in: BGE 138 II 239). Bei einer Gesellschaft, die neben Leistungen an den wirtschaftlich Berechtigten und eine nahe stehende Person das Flugzeug einer unabhängigen Drittgesellschaft zur Weitervermietung zur Verfügung stellte, erkannte das Bundesgericht nur im Umfang der erstgenannten Leistungen auf Steuerumgehung. Die Leistungen an die unabhängige Drittgesellschaft konnten dagegen an die Umsatzschwelle für die subjektive Steuerpflicht angerechnet werden, soweit der Leistungsort in der Schweiz lag, und berechtigten grundsätzlich zum Vorsteuerabzug (Urteil 2C_732/2010 vom 28. Juni 2012 E. 5.5, in: RDAF 2012 II S. 480; vgl. auch Urteil 2C_146/2010 vom 15. August 2012 E. 4.3).
In zwei weiteren Urteilen aus dem Jahr 2014 hielt das Bundesgericht sodann fest, dass die private Verwendung von Leistungen der steuerpflichtigen Gesellschaft durch den wirtschaftlich Berechtigten nur auf der Ebene der Steuerumgehung eine Rolle spielt. Liegt keine Steuerumgehung vor und hat die Leistung die betriebliche Sphäre der Gesellschaft verlassen, wird die Frage, ob teilweise Eigenverbrauch vorliegt (gemischte Verwendung, vgl. Art. 41 Abs. 1 aMWSTG), hinfällig (Urteile 2C_711/2013 vom 7. Januar 2014 E. 6.2; 2C_451/ 2013 vom 7. Januar 2014 E. 6.2).
6.1 Subjektiv steuerpflichtig ist nach altem Mehrwertsteuerrecht, wer eine mit der Erzielung von Einnahmen verbundene gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, auch wenn die Gewinnabsicht fehlt, sofern seine Lieferungen, seine Dienstleistungen und sein Eigenverbrauch im Inland jährlich gesamthaft Fr. 75'000.- übersteigen (Art. 21 Abs. 1 aMWSTG). Spiegelbildlich sind Ausnahmen von der subjektiven Mehrwertsteuerpflicht einschränkend zu verstehen (BGE 138 II 251 E. 2.3.4). Obschon das alte Mehrwertsteuerrecht im Unterschied zum geltenden Recht (vgl. Art. 10 Abs. 1bis lit. a MWSTG) nicht ausdrücklich voraussetzte, dass die Erzielung von Einnahmen nachhaltig sein musste, war dieses Kriterium gemäss der Rechtsprechung bereits im Begriff der gewerblichen oderBGE 149 II 53 (60) BGE 149 II 53 (61)beruflichen Tätigkeit enthalten, sodass insoweit kein Unterschied zum geltenden Recht besteht (BGE 141 II 199 E. 4.2; BGE 138 II 251 E. 2.4.3). Nur wer Leistungen erbringt, die (objektiv) steuerbar sind, kann (subjektiv) steuerpflichtig werden (BGE 141 II 199 E. 5.2; BGE 140 II 80 E. 2.2; BGE 138 II 251 E. 2.2; vgl. auch zum neuen Recht BGE 142 II 488 E. 2.3.3). Eine steuerbare Leistung im Sinn von Art. 5 lit. a und b aMWSTG setzt einen Leistungsaustausch (nach neurechtlicher Terminologie: ein Leistungsverhältnis) voraus; fehlt es daran, ist die Aktivität mehrwertsteuerlich irrelevant und fällt nicht in den Geltungsbereich der Mehrwertsteuer (BGE 132 II 353 E. 4.3 mit Hinweisen; Urteil 2C_711/2013 vom 7. Januar 2014 E. 5.2). Ein Leistungsaustausch ist anzunehmen, soweit zwischen der (Haupt-)Leistung (Lieferung oder Dienstleistung im Sinn von Art. 5 aMWSTG) und der Gegenleistung (Entgelt im Sinn von Art. 33 aMWSTG) ein Konnex besteht (Urteile 2C_711/2013 vom 7. Januar 2014 E. 5.2; 2C_487/2011 vom 13. Februar 2013 E. 2.4); verlangt wird eine "innere wirtschaftliche Verknüpfung" (BGE 138 II 239 E. 3.2; BGE 132 II 353 E. 4.1).
6.2 Ein Leistungsaustausch ist auch unter nahe stehenden Personen möglich (BGE 138 II 239 E. 3.2; Urteil 2C_711/2013 vom 7. Januar 2014 E. 5.2). Soweit eine Gesellschaft oder Personengesamtheit mit oder ohne Rechtspersönlichkeit nach aussen gegenüber Dritten verselbständigt, d.h. als Einheit, auftritt, sind namentlich auch zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft grundsätzlich schuldrechtliche Austauschverträge wie zwischen unabhängigen Dritten möglich (Urteil 2A.269/2006 vom 20. Juni 2008 E. 3.4, in: ASA 78 S. 512; vgl. auch Urteil 2C_613/2007 vom 15. August 2008 E. 5.3.2). Davon geht auch das Gesetz (Art. 33 Abs. 2 aMWSTG; vgl. auch Art. 24 Abs. 2 MWSTG) aus, wenn es bestimmt, dass bei Lieferungen oder Dienstleistungen an eine nahe stehende Person das Entgelt nötigenfalls zu korrigieren ist, sofern es nicht dem Wert entspricht, der unter unabhängigen Dritten vereinbart worden wäre. Die Tätigkeit von Flugzeug-Eigentümergesellschaften kann jedoch nicht als gewerblich bezeichnet werden, soweit die Gesellschaft zur Befriedigung der privaten Bedürfnisse des wirtschaftlich Berechtigten oder ihm nahe stehender Personen eingesetzt wird. Insoweit ist ihr Augenmerk nicht auf die Erzielung von Umsätzen ausgerichtet. Es fehlt dieser Tätigkeit auch die notwendige Nachhaltigkeit, um wirtschaftlich bestehen zu können. Fällt diese Tätigkeit nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, können die in diesem RahmenBGE 149 II 53 (61) BGE 149 II 53 (62)erbrachten Beförderungen des wirtschaftlich Berechtigten oder ihm nahe stehender Personen keinen geschäftlich begründeten Zweck gemäss Art. 38 Abs. 1 aMWSTG darstellen, der zum Vorsteuerabzug berechtigen würde, selbst wenn sie isoliert betrachtet die Merkmale einer Lieferung oder Dienstleistung tragen würden.
Als Teil einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden gewerblichen Tätigkeit können Beförderungen des wirtschaftlich Berechtigten oder ihm nahe stehender Personen zu privaten Zwecken nur, aber immerhin dann betrachtet werden, wenn sie gemessen an der Gesamtnutzung des Flugzeugs nur einen geringfügigen Anteil ausmachen. In ihrer aktuellen Praxis betrachtet die ESTV eine private Nutzung des Flugzeugs von bis zu 20 % als unschädlich ("safe harbour"; vgl. MWST-Branchen-Info 11 Luftverkehr, 2021, Ziff. 13.4). Es spricht nichts dagegen, diese Schwelle auch hier zugrunde zu legen. Sobald dieser Wert überschritten wird, fällt jedoch die gesamte Verwendung des Flugzeugs zu privaten Zwecken durch den wirtschaftlich Berechtigten und nahe stehende Personen aus dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer und berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. sinngemäss auch MWST-Branchen-Info 11 Luftverkehr, 2021, Ziff. 13.4).
BGE 149 II 53 (62) BGE 149 II 53 (63)Auch das Postulat der Wettbewerbsneutralität spricht nicht dafür, die subjektive Steuerpflicht der Flugzeug-Eigentümergesellschaft anzuerkennen und ihr den Vorsteuerabzug zuzugestehen. Die Wettbewerbsneutralität wäre nämlich nur dann beeinträchtigt, wenn Konkurrenten, die vergleichbare Leistungen anbieten, günstiger (oder ungünstiger) behandelt würden als die Flugzeug-Eigentümergesellschaft. In der Literatur werden Flugzeug-Eigentümergesellschaften diesbezüglich oft mit unabhängigen Linien- oder Charterfluggesellschaften verglichen, die für ihre steuerbefreiten grenzüberschreitenden Beförderungsleistungen vom Vorsteuerabzug profitieren (vgl. etwa GRÜNINGER/OESTERHELT, a.a.O., S. 67; MULLER, a.a.O., S. 403; ROCHAT PAUCHARD, a.a.O., S. 38). Dabei wird jedoch übersehen, dass Linien- oder Charterflüge von Drittanbietern nicht dieselben Vorzüge bieten wie Flüge mit einem über eine kontrollierte Gesellschaft gehaltenen Flugzeug und daher diese nicht ohne Weiteres substituieren können, namentlich wenn die Flugzeug-Eigentümergesellschaft dem wirtschaftlich Berechtigten ein Vorrangrecht zugesteht bzw. sich gegenüber der Flugzeugbetreiberin ein Vorrangrecht ausbedungen hat und der wirtschaftlich Berechtigte so faktisch wie ein Eigentümer über das Flugzeug verfügen kann (vgl. Urteil 2C_836/ 2009 vom 15. Mai 2012 E. 6.3.4). Dieser Unterschied wird in einem Teil der Literatur zumindest implizit anerkannt, wenn für eine Besteuerung dieses Privilegs als Leistung der Flugzeug-Eigentümergesellschaft an den wirtschaftlich Berechtigten plädiert wird (vgl. CLAVADETSCHER, a.a.O., S. 86; FISCHER/ROBINSON, a.a.O., S. 299).
BGE 149 II 53 (64)6.5 Im Umfang der erheblichen und unbestrittenen Drittvermietung bzw. -vercharterung des Flugzeugs via die Flugzeugbetreibergesellschaften hat die Beschwerdegegnerin zweifellos eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die ihre subjektive Steuerpflicht begründet hat. Hingegen ist im Verfahren vor der Vorinstanz unklar geblieben, in welchem Umfang und Verhältnis die übrige Nutzung - d.h. die Nutzung durch den wirtschaftlich Berechtigten und nicht identifizierte Dritte - geschäftlichen oder privaten Zwecken gedient hat. Unter diesen Umständen kann das Bundesgericht nicht beurteilen, ob das Flugzeug der Beschwerdegegnerin im Sinne der vorstehenden Erwägungen in einer oder in mehreren der streitbetroffenen Steuerperioden zu mehr als 20 % für private Zwecke verwendet worden ist und diese Nutzung daher nicht mehr als Teil der gewerblichen Tätigkeit der Beschwerdegegnerin betrachtet werden kann (vgl. oben E. 6.3).