Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
Erwägung 2.2
Erwägung 3
Erwägung 3.2
Erwägung 3.3
Erwägung 3.3.4
Erwägung 3.4
Erwägung 3.4.2
Bearbeitung, zuletzt am 10.02.2024, durch: DFR-Server (automatisch)
 
27. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_698/2022 vom 21. Juni 2023
 
 
Regeste
 
Art. 957 ff., Art. 958c Abs. 1 Ziff. 7 OR; Art. 10 ff., Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und 6 lit. b, Art. 70 Abs. 1 MWSTG 2009; Wesen und Grenzen einer Entgeltsminderung.
 
Produktionskosten, die ein Forstunternehmen an die Urproduzenten weiterbelastet und von diesen im Gegenzug Holz "ab Stock" bezieht, stellen keine Entgeltsminderung dar; sie sind als eigenständige Leistung zu versteuern (E. 3.4 und 3.5).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 II 290 (291)A. Die A. GmbH (nachfolgend: die Steuerpflichtige) wurde am 26. September 2007 gegründet und hat Sitz in U./GR. Sie ist in dem von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) geführten Register der Inlandsteuerpflichtigen eingetragen und rechnet nach der effektiven Methode ab. In den Steuerperioden 2013 bis 2017 bestand das Geschäftsmodell darin, dass die Steuerpflichtige bei verschiedenen Waldeigentümern (nachfolgend: Urproduzenten) stehendes Holz ("ab Stock") einkaufte, um dieses nach der Fällung an Sägereien im In- oder Ausland zu veräussern. Zur Vornahme der Holzschlagarbeiten zog sie jeweils in eigenem Namen die erforderlichen Subunternehmer (nachfolgend: Forstunternehmen) bei, die sie auf eigene Rechnung entschädigte und damit die Produktionskosten trug. Von dem den Urproduzenten zu entrichtenden Holzpreis zog sie die Produktionskosten und eine Marge ("Koordinationsabzug") ab.
Die ESTV kontrollierte die Steuerpflichtige und stellte fest, dass diese die Produktionskosten von Fr. 5'304'357.- vollumfänglich an die Urproduzenten weiterbelastet und darüber hinaus die Marge ("Koordinationsabzug") erhoben habe. Sie habe die Produktionskosten zwar dem Aufwandkonto 3060 belastet, denselben Betrag aber dem Ertragskonto 4500 gutgeschrieben. Weiter habe sie weder die Weiterbelastung der Produktionskosten noch die Erhebung des "Koordinationsabzugs" versteuert, indem sie von einer Leistung (Lieferung von Holz durch die Urproduzenten an die Steuerpflichtige) ausgegangen sei. Richtigerweise lägen, so die ESTV, zwei Leistungen vor. Die eine bestehe in der Lieferung von Holz durch den jeweiligen Urproduzenten an die Steuerpflichtige, die andere in den Tätigkeiten seitens der Steuerpflichtigen an den Urproduzenten.
Die ESTV setzte die Steuerforderung für den Kontrollzeitraum auf Fr. 106'953.- fest und machte die Differenz zu ihren Gunsten von Fr. 1'341'876.- geltend (Einschätzungsmitteilung vom 13. März 2019). Mit Verfügung vom 20. August 2020 und Einspracheentscheid vom 29. April 2021 bestätigte sie dies.
B. Mit Urteil vom 19. Oktober 2022 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde im Betrag von Fr. 54'799.80 gut und wies es sie im Übrigen ab. Es erkannte, dass zwei Leistungsverhältnisse bestünden, nämlich die Holzernte und die Lieferung von geerntetem Holz. Bemessungsgrundlage bilde hinsichtlich der erbrachten Ernteleistung das den Urproduzenten in Rechnung gestellte Entgelt, wobei offengelassen werden könne, ob ein Tausch oder eine "blosse Verrechnung" zweier Leistungsentgelte vorliege.BGE 149 II 290 (291)
BGE 149 II 290 (292)C. Mit Eingabe vom 24. November 2022 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Steuerforderung zugunsten der Steuerpflichtigen auf insgesamt Fr. 1'234'733.- festzusetzen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 2.2
 
2.2.1 Der mehrwertsteuerlichen Inlandsteuer (Art. 10 ff. MWSTG 2009) unterliegen die im Inland durch steuerpflichtige Personen gegen Entgelt erbrachten (Haupt-)Leistungen. Solche sind steuerbar, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsieht (Art. 18 Abs. 1 MWSTG 2009). Von einer (Haupt-)Leistung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn ist zu sprechen, falls die leistungserbringende Person einer leistungsempfangenden Drittperson einen verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wert einräumt, wobei die leistungserbringende Person hierfür eine Gegenleistung ("Entgelt") erwartet (Art. 3 lit. c MWSTG 2009). Die Leistung des steuerpflichtigen Unternehmens muss mithin die Gegenleistung des Leistungsempfängers auslösen (Aspekt der Kausalität); die steuerpflichtige Person erbringt die Leistung, um eine Gegenleistung zu erhalten (Aspekt der Finalität; Urteil 2C_967/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.1). Haupt- und Gegenleistung sind vermutungsweise wirtschaftlich gleichwertig (äquivalent; BGE 140 I 153 BGE 149 II 290 (292) BGE 149 II 290 (293)E. 2.5.1) und unterliegen dem Konnex einer "inneren wirtschaftlichen Verknüpfung" (BGE 149 II 53 E. 6.1; BGE 141 II 182 E. 3.3; BGE 141 II 199 E. 5.2; BGE 140 I 153 E. 2.5.1; BGE 140 II 80 E. 2.1; BGE 138 II 239 E. 3.2; BGE 126 II 443 E. 6a). Beim Entgelt im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn handelt es sich um den Vermögenswert, den die leistungsempfangende Person - oder an ihrer Stelle eine weitere Drittperson - für den Erhalt der (Haupt-)Leistung aufwendet (Art. 3 lit. f MWSTG 2009; BGE 140 I 153 E. 2.5.1; zuletzt BGE 149 II 255 E.2.2.1; Urteil 2C_368/2022 vom 16. Dezember 2022 E. 3.2.1).
2.2.2 Die auf die erbrachten steuerbaren Leistungen entfallende Mehrwertsteuer wird grundsätzlich vom "tatsächlich empfangenen Entgelt" berechnet (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 MWSTG 2009). Während Art. 24 MWSTG 2009 die quantitative Seite des Entgelts regelt, die den Umfang der Bemessungsgrundlage bestimmt, beschlägt Art. 3 lit. f MWSTG 2009 die qualitative Seite (FELIX GEIGER, in: MWSTG, Kommentar [nachfolgend: HK MWSTG], Geiger/Schluckebier [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 1 zu Art. 24 MWSTG 2009). Ob eine Leistung gegen Entgelt vorliegt, ob also den von der steuerpflichtigen Person vereinnahmten Geldern der Charakter eines mehrwertsteuerlichen Entgelts zukommt, beurteilt sich aus der Optik der leistungsempfangenden Person (Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885 ff., 6941 f.; Urteile 2C_307/2016 vom 8. Dezember 2016 E. 5.3; 2C_100/2016 vom 9. August 2016 E. 3.2; MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO, Traité TVA, 2009, Anhang 3 N. 129 ff.; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 4 N. 20; BOSSART/CLAVADETSCHER, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2015, N. 4 zu Art. 24 MWSTG 2009; DANIEL RIEDO, Vom Wesen der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer und von den entsprechenden Wirkungen auf das schweizerische Recht, 1999, S. 230 f.). Dies ergibt sich aus der Konzeption der Mehrwertsteuer als Verbrauchssteuer (Urteil 2C_100/2016 vom 9. August 2016 E. 3.1).
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 3.2
 
3.2.4 Bei all diesen Überlegungen handelt es sich um beweiswürdigende Feststellungen, die als solche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind, soweit sie sich nicht als "offensichtlich unrichtig" darstellen (Art. 105 Abs. 1 BGG; nicht publ. E. 1.4). Um dies darzutun, hätte die Steuerpflichtige Einwände vorzutragen, mit welchen sie der sie insofern treffenden qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit genügen könnte (Art. 106 Abs. 2 BGG; nicht publ. E. 1.3). Die Steuerpflichtige bringt zwar pauschale Bestreitungen an, ohne aber die Beweiswürdigung einer detaillierten Auseinandersetzung unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Haltbarkeit zu unterziehen. Unwidersprochen bleibt namentlich auch der buchhalterische Aspekt. Die ESTV hatte in ihrer Kontrolle festgestellt, dass die Produktionsleistungen beschaffungsseitig auf dem Konto 3060 und absatzseitig auf dem Konto 4500 in jeweils gleicher Höhe verbucht worden seien. Diese zentrale Würdigung unterzieht die Steuerpflichtige keinen näheren Ausführungen. Mangels (hinreichender) Bestreitung ergibt sich damit, dass die Kosten der streitbetroffenen Produktionsleistungen "eins zu eins" an die UrproduzentenBGE 149 II 290 (295) BGE 149 II 290 (296)weitergereicht wurden. Worin die (mündliche) Vereinbarung zwischen der Steuerpflichtigen und dem jeweiligen Urproduzenten im Einzelnen bestanden hat, ist mithin nicht näher zu ergründen, zeigt sich doch, dass die effektiven Produktionskosten weiterbelastet wurden. Dementsprechend durfte die Vorinstanz verfassungsrechtlich haltbar annehmen, dass die "definitiven internen Abrechnungen" nicht bloss zur Vornahme der Nachkalkulation herangezogen worden seien, sondern (auch) als für den Versand bestimmte Gutschriften oder Rechnungen gedient hätten.
 
Erwägung 3.3
 
BGE 149 II 290 (296)
BGE 149 II 290 (297)3.3.3 Ausgangspunkt bildet aber in jedem Fall das Gesetzesrecht, soweit solches besteht. Zur hier massgebenden Abgrenzung von Leistungsverrechnung (bei zwei Leistungen) und Entgeltsminderung (bei lediglich einer Leistung) sieht das Mehrwertsteuergesetz keine ausdrückliche Regelung vor. Klarheit herrscht aber darüber, dass jede Leistung (Art. 3 lit. c MWSTG 2009), die im Inland durch eine steuerpflichtige Person erbracht wird, mit der Inlandsteuer zu erfassen ist, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsieht (Art. 18 Abs. 1 MWSTG 2009). Im Fall der Mehrheit von Leistungen werden voneinander unabhängige Leistungen selbständig behandelt (Art. 19 Abs. 1 MWSTG 2009; Urteile 2C_982/2014 vom 1. September 2015 E. 5.1.1; 2C_628/2013 vom 27. November 2013 E. 2.6.1; GEIGER, HK MWSTG, a.a.O., N. 1 ff. zu Art. 19 MWSTG 2009). Ob im konkreten Fall zwei Leistungen vorliegen, ist im Wesentlichen aufgrund objektiver wirtschaftlicher Überlegungen zu beurteilen: Wird diejenige Leistung, bei welcher eine Behandlung als Entgeltsminderung zur Diskussion steht, auf dem Markt als solche angeboten oder ist - bei neuartigen Leistungen - denkbar, dass dafür ein Markt entstehen könnte, so ist sie in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine eigene (zweite) Leistung zu qualifizieren.
 
Erwägung 3.3.4
 
3.3.4.1 Diese Betrachtungsweise entspricht insbesondere auch den Grundsätzen der ordnungsgemässen Rechnungslegung (dazu gleich anschliessend). Diese sind mehrwertsteuerrechtlich insofern von Bedeutung, als das Mehrwertsteuerrecht in Art. 70 Abs. 1 Satz 1 MWSTG 2009 ausdrücklich festhält, die steuerpflichtige Person habe ihre Geschäftsbücher und Aufzeichnungen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen zu führen. Die ESTV kann ausnahmsweise darüber hinausgehende Aufzeichnungspflichten erlassen, wenn dies für die ordnungsgemässe Erhebung der Mehrwertsteuer unerlässlich ist (Art. 70 Abs. 1 Satz 2 MWSTG 2009). Nicht nur im Bereich des Gewinnsteuerrechts, auch in jenem des Mehrwertsteuerrechts ist in derartigen Fällen praktischerweise vom Handelsrecht auszugehen. Dieses bildet in Fragen der Buchführung und Rechnungslegung das "Leitrecht" und beruht seinerseits auf der Betriebswirtschaftslehre (Urteil 2C_680/2021 vom 31. Mai 2022 E. 3.4.7).
3.3.4.2 Gemäss Art. 958c Abs. 1 Ziff. 7 OR gilt, dass Aktiven und Passiven sowie Aufwand und Ertrag für die Zwecke der Rechnungslegung miteinander nicht verrechnet werden dürfen. Vom Verbot der Verrechnung und dem Gebot der Bruttodarstellung bestehen Ausnahmen,BGE 149 II 290 (297) BGE 149 II 290 (298)insbesondere in den Fällen der Verrechnung gemäss Art. 120 ff. OR (MÜLLER/HENRY/BARMETTLER, in: Rechnungslegung nach Obligationenrecht [nachfolgend: Komm. Rechnungslegung], Pfaff/Glanz/Stenz/Zihler [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 71 zu Art. 958c OR; siehe auch ROBERT GUTSCHE, Komm. Rechnungslegung, a.a.O., N. 16 ff. zu Art. 959a OR).
3.3.4.3 Das Bruttoprinzip erfasst zum einen die horizontale Ebene (Aktiven und Passiven bzw. Aufwand und Ertrag; Verrechnungsverbot i.e.S.), zum andern auch die vertikale Ebene (zwei Aktiven, zwei Verbindlichkeiten, zwei Aufwände oder zwei Erträge; Saldierungsverbot; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 5. Aufl. 2022, § 6 N. 177; LUKAS HANDSCHIN, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2016, Rz. 337 ff.). Buchführungs- und rechnungslegungsrechtlich ist die Nettodarstellung den eher geringfügigen "Korrekturposten" vorbehalten, die namentlich in Rabatten, Skonti, Preisnachlässen und dergleichen zum Ausdruck kommen (MÜLLER/HENRY/BARMETTLER, Komm. Rechnungslegung, a.a.O., N. 71 zu Art. 958c OR). Solche künftigen Mindereinnahmen oder Mehraufwendungen, zusammenfassend Erlösminderungen genannt, setzen den gebuchten Bruttoerlös auf den Nettoerlös herab, der den eigentlichen Umsatz ausmacht (KARL KÄFER, Berner Kommentar, Die kaufmännische Buchführung, Bd. VIII/2/2, 1981, N. 167 ff. zu Art. 958 OR; vgl. BGE 27 I 151 E. 3; 48 I 139 E. 2; 84 I 98 E. 2). Es handelt sich um proportionale Erfolgselemente, die daher unmittelbar an den Erlös angerechnet werden dürfen (ERNST BOSSARD, Zürcher Kommentar, Die kaufmännische Buchführung, Bd. V/6/3b, 1984, N. 114 ff., insb. 116 zu Art. 958 OR). Die Nettodarstellung bildet aber keine Pflicht; die Erlösminderung darf auch einem entsprechenden Konto belastet werden (Konti 3800 ff.; dazu MATTLE/HELBLING/PFAFF, Schweizer Kontenrahmen KMU, 2. Aufl. 2023, S. 45 und 122), was jedenfalls im Fall der mittleren und grösseren Unternehmungen den Regelfall bildet. Dies ändert nichts am besonderen Charakter dieser Positionen. "Gedanklich" bilden sie Abzugspositionen (Nettoprinzip).
3.3.4.4 Ansonsten herrscht von vornherein das Bruttoprinzip. Diesem zufolge sind Leistung und Gegenleistung gesondert zu buchen. Sie haben zur Bebuchung je eines Kontos zu führen, unabhängig davon, ob die Rechnung bzw. Gutschrift "netto" dargestellt ist. Untersagt ist namentlich "die ungute Praxis, einen Aufwandposten dadurch zu verschleiern, dass man einfach einen Ertragsposten um den entsprechenden Betrag kürzt" (BÖCKLI, a.a.O., § 6 N. 182).BGE 149 II 290 (298)
 
BGE 149 II 290 (299)Erwägung 3.4
 
 
Erwägung 3.4.2
 
3.4.2.1 Wie dargelegt, können dem geltenden Mehrwertsteuerrecht keine ausdrücklichen Bestimmungen zum Umfang der zulässigen Entgeltsminderung entnommen werden. Die Fragestellung ist aber nicht neu und hat das Bundesgericht insbesondere schon im Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (BRB WUST 1941; AS 57 793) beschäftigt. Der Begriff der Gegenleistung wurde "stets weit ausgelegt" (Urteil A.128/1980 vom 22. Oktober 1982 E. 2b); steuerbar war "die volle Gegenleistung" (Urteil 2A.101/1993 vom 30. Januar 1995 E. 2c). Das Entgelt bestand aus den "gesamten Bruttoeinnahmen, die mit der Lieferung in ursächlichem Zusammenhang stehen " (Urteil 2A.332/1997 vom 29. Oktober 1999 E. 2b), ohne Unterscheidung danach, ob die eingenommenen Beträge für den Empfänger Kostenersatz oder Erträgnisse darstellen (erstmalig dazu: Urteil A.60/1946 vom 20. September 1946 E. 1; alsdann BGE 74 I 317 E. 1; 75 I 71 E. 1; 80 I 44 E. 2; zuletzt etwa Urteil 2A.135/2001 vom 7. Dezember 2001 E. 6; WILHELM WELLAUER, Die eidgenössische Warenumsatzsteuer, Die eidgenössischen Steuern, Zölle und Abgaben, Bd. I, 1959, Rz. 464 und 509; DIETER METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, 1983/1992, Rz. 558). Kosten konnten "keine abgezogen werden" (Urteil 2A.332/1997 vom 29. Oktober 1999 E. 2b).
3.4.2.2 Zu den Entgeltsminderungen führte das Bundesgericht aus, dass "Rabatte und andere Preisnachlässe, die der Lieferer dem Abnehmer gewährt, die Gegenleistung für die Ware und damit das steuerbare Entgelt vermindern" (Urteile A.207/1981 vom 24. Juni 1983 E. 2; A.215/1981 vom 28. September 1983 E. 5; 2A.211/1992 vom 29. November 1993 E. 3a). Dabei wurde den von den Parteien getroffenen Vereinbarungen ausschlaggebendes Gewicht beigemessen (Urteil A.125/1986 vom 30. September 1986 E. 1). Wenn allerdingsBGE 149 II 290 (299) BGE 149 II 290 (300)eine Rabattgewährung ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich und offenkundig einzig getroffen worden war, um die Warenumsatzsteuer auf dem Entgelt für die Lieferung (teilweise) einzusparen, nahm die bundesgerichtliche Praxis eine Steuerumgehung an (Urteil 2A.211/1992 vom 29. November 1993 E. 3a). In Normalfall fielen - neben Rabatten, Skonti, Bonifikationen, Debitorenverlusten und dergleichen - insbesondere die Versandkosten, die Versicherungsprämien für den Versand und die Verpackungskosten unter die Entgeltsminderungen (Urteil 2A.304/1990 vom 26. Februar 1991 E. 5a).
3.4.2.3 Im Anwendungsbereich von Art. 26 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV 1994; AS 1994 1464) wurde die bisherige Formel dahingehend erweitert, dass lediglich diejenigen Zuwendungen nicht zum Entgelt zählten, die "nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der steuerbaren Leistung stehen" (Urteil 2A.43/2002 vom 8. Januar 2003 E. 3.3.1). Dies führte über zur Praxis zu Art. 33 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG 1999; AS 2000 1300), wobei das Bundesgericht wiederum an den bisherigen Stand der Rechtsprechung anknüpfte. Es wiederholte, dass der Abzug für Rabatte, Skonti und dergleichen "einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem getätigten Umsatz voraus[setzt], der das steuerbare Entgelt auslöst" (BGE 136 II 441 E. 3.2 zu Art. 44 Abs. 2 MWSTG 1999). Bei Entgeltsminderungen handle es sich um "Preisnachlässe, die bei Vertragsschluss oder später gewährt werden" (Urteile 2C_100/2016 vom 9. August 2016 E. 3.3.3; 2C_928/2010 vom 28. Juni 2011 E. 2.3; zur praktischen Abwicklung: WALTER STEIGER, Steuerliche Behandlung von Entgeltsminderungen/Debitorenverlusten, StR 57/2002 S. 659, insb. 662 f.).
Vor dem Hintergrund dessen, dass Entgeltsminderungen typischerweise den Preisnachlässen (durch Rabatte, Skonti oder dergleichen)BGE 149 II 290 (300) BGE 149 II 290 (301)und ähnlichen proportionalen Erfolgselementen vorbehalten sind, die daher unmittelbar an den Erlös angerechnet werden dürfen, konkretisiert sich das Gebot, voneinander unabhängige Leistungen "brutto", selbständig zu behandeln (Art. 19 Abs. 1 MWSTG 2009; vorne E. 3.3.3 bzw. 3.3.4.3). Auch im geltenden Mehrwertsteuerrecht ist von Entgeltsminderungen nur zu sprechen bei "Rabatten, Skonti, Mängelrügen, Debitorenverlusten, Umsatzboni, Rabattvergütungen, Rückvergütungen, Vergütungen infolge Rückgängigmachung der Leistung, Rücknahme von Umschliessungen" und dergleichen (GEIGER, HK MWSTG, a.a.O., N. 5 zu Art. 24 MWSTG 2009; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 6 N. 6 und § 8 N. 33). Solche stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der erbrachten Leistung (MICHAEL BEUSCH, HK MWSTG, a.a.O., N. 1 zu Art. 41 MWSTG 2009) und sind "proportional".
Das Urteil 2C_647/2021 vom 1. November 2021 E. 5.3 spricht vom "rapport direct avec l'opération à la base de la contre-prestation initiale". Das Leistungsverhältnis wird allein aufgrund der Entgeltsminderung weder aufgehoben noch noviert, es tritt lediglich eine Änderung der Bemessungsgrundlage ein (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 4 N. 27). Nicht als Entgeltsminderungen gelten Kreditkartenkommissionen, Scheckgebühren, WIR-Einschläge und dergleichen (dazu Art. 46 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 [MWSTV 2009; SR 641.201]), wenngleich diese einen gewissen proportionalen Charakter tragen. Sie unterliegen dem Bruttoprinzip, ergeben derartige Aufwendungen sich doch aufgrund dessen, dass die Leistungen von einer Drittpartei - beispielsweise einer Kreditkartengesellschaft oder einer Bank - erbracht wurden.
3.5 Die Steuerpflichtige hat die von ihr getragenen Produktionskosten, die sie alsdann "eins zu eins" an die Urproduzenten weiterreichte, handelsrechtlich als Aufwand und als Ertrag verbucht. Die Bruttodarstellung entspricht den Vorgaben des Buchführungsrechts. Insbesondere herrscht auch keine Durchlauf-Konstellation: In Bezug auf die Produktionskosten ist die Steuerpflichtige weder im Namen der Urproduzenten noch für deren Rechnung aufgetreten (Art. 24 Abs. 6 lit. b MWSTG 2009), zumal sie den vollen Vorsteuerabzug getätigt hat. Sie hätte damit die Weiterleitung der Produktionskosten versteuern (Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 MWSTG 2009) und dabei den Normalsatz anwenden müssen (Art. 25 Abs. 1 MWSTG 2009). Die von der Steuerpflichtigen geübte Praxis, ihreBGE 149 II 290 (301) BGE 149 II 290 (302)Rechnungen bzw. Gutschriften einer mehrwertsteuerlichen "Nettobetrachtung" zu unterziehen, findet mithin keine mehrwertsteuerrechtliche Grundlage und widerspricht dem Handelsrecht. Die Weiterbelastungen an die Urproduzenten bilden keine geringfügige "proportionale" Korrekturposition; ein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zu den von den Urproduzenten bezogenen Holzlieferungen ist nicht gegeben. Die ESTV hat eingekaufte und weiterbelastete Fremdarbeiten von Fr. 5'304'357.- festgestellt, was im vorinstanzlichen Verfahren unbestritten geblieben ist. Damit hat die Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer auf diesem Betrag zu entrichten. Im Gegenzug ist sie berechtigt, die Vorsteuer in gleicher Höhe abzuziehen (was sie bereits getan hat).BGE 149 II 290 (302)