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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Der Kanton Schwyz macht geltend, die Beschwerdeführer h&a ...
Erwägung 4
Erwägung 5
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31. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Kantonales Steueramt St. Gallen und Steuerverwaltung des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_710/2022 vom 17. August 2023
 
 
Regeste
 
Art. 127 Abs. 3 BV; Art. 89 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 5 BGG; keine Verwirkung des Beschwerderechts im Bereich der interkantonalen Doppelbesteuerung (Praxisänderung).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 II 354 (355)A.
A.a Das Ehepaar A.A. und B.A. (geb. 1964 und 1968) wohnte seit dem Jahr 2010 zusammen mit den beiden Töchtern (geb. 2004 und 2007) in einem damals neu erstellten Eigenheim in U./SG. A.A. praktiziert seit Juni 2011 als selbständig erwerbender Arzt in V./SZ. B.A. arbeitete im Jahr 2018 in W. Die ältere Tochter besuchte seit 2018 die Kantonsschule C. in X.; die jüngere Tochter besuchte im Jahr 2018 eine Privatschule in X. Bis zur Steuerperiode 2017 war das Ehepaar A. durch den Kanton St. Gallen veranlagt worden, wobei das Betriebsvermögen und das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit an den Kanton Schwyz ausgeschieden wurde. Per 11. April 2018 meldete sich das Ehepaar A. von U. in den Kanton Schwyz an die Praxisadresse von A.A. ab und teilte der Steuerverwaltung U. mit Schreiben vom 30. April 2018 mit, dass sich ihr zivilrechtlicher Wohnsitz in der Gemeinde Y./SZ befinde. Am 13. Juni 2019 erfolgte die Gründung der Dr. med. A.A. AG in X.
A.b Mit Verfügung vom 20. Juli 2020 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz das Ehepaar A. für die kantonalen Steuern 2018 und die direkte Bundessteuer 2018; bezüglich der Liegenschaft in U. wurde eine Steuerausscheidung an den Kanton St. Gallen vorgenommen. Diese Verfügung erwuchs in Rechtskraft.
A.c Nachdem das Kantonale Steueramt St. Gallen der Vertreterin des Ehepaars mit Schreiben vom 20. Januar 2020 mitgeteilt hatte, dass der steuerliche Wohnsitz ab 2018 abgeklärt werde und um verschiedene Auskünfte und Unterlagen ersucht hatte, fand am 24. August 2020 ein Gespräch zwischen dem Ehepaar A., ihrer Vertreterin und dem zuständigen Steuerkommissär statt. Letzterer hielt in einer E-Mail an die Vertreterin vom 31. August 2020 unter anderem fest, der Wohnsitz der Familie A. habe sich im Jahr 2018 in U. befunden. Im Kanton Schwyz habe nicht einmal eine offizielle Wohngelegenheit bestanden. Die zivilrechtliche Anmeldung sei lediglich aus Gründen der Beschulung der Kinder vorgenommen worden.BGE 149 II 354 (355)
BGE 149 II 354 (356)B.
B.a Am 8. September 2020 erliess die Steuerverwaltung der Stadt U. für die Kantons- und Gemeindesteuern 2018 die definitive Veranlagungsverfügung und Schlussrechnung. Die Ehegatten A. reichten in der Folge im Kanton St. Gallen verschiedene Rechtsmittel ein, wobei sie die primäre Steuerpflicht im Kanton St. Gallen nicht bestritten. Die Rechtsmittel blieben erfolglos (Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts vom 2. März 2021; Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 25. April 2022; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. Oktober 2022).
B.b Parallel zum Verfahren im Kanton St. Gallen hatten die Ehegatten A. im Kanton Schwyz ein Gesuch um Revision der Steuerveranlagung 2018 gestellt. Mit Verfügung vom 7. Dezember 2021 trat die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz auf dieses Gesuch nicht ein.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. November 2022 beantragen A.A. und B.A. die Aufhebung der Veranlagungsverfügungen des Kantons Schwyz vom 20. Juli 2020 betreffend die Kantons-, Gemeinde-, Bezirks- und Kultussteuern 2018 sowie die direkte Bundessteuer 2018. Eventualiter beantragen sie die Aufhebung der Veranlagungsverfügungen des Kantons St. Gallen vom 8. September 2020 betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern 2018 sowie die direkte Bundessteuer 2018.
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Steueramt des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung des Eventualantrags. Die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz beantragt die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführer auf Aufhebung der Veranlagungen des Kantons Schwyz. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragt, dass auf die Anträge betreffend die direkte Bundessteuer nicht einzutreten sei.
 
2.1 Nach der bisherigen Rechtsprechung verwirkt der Steuerpflichtige das Beschwerderecht bzw. das Recht zur Anfechtung derBGE 149 II 354 (356) BGE 149 II 354 (357)(rechtskräftigen) kantonalen Veranlagung, wenn er seine Steuerpflicht in einem Kanton in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs des anderen Kantons vorbehaltslos anerkennt. Von einer vorbehaltlosen Anerkennung geht die Praxis insbesondere aus, wenn sich der Steuerpflichtige der Veranlagung ausdrücklich oder stillschweigend unterwirft (vorbehaltlose Abgabe einer Steuererklärung), die geforderten Steuerbeträge vorbehaltslos bezahlt und die Einsprache bzw. Einlegung weiterer Rechtsmittel unterlässt (BGE 147 I 325 E. 4.2.1; BGE 137 I 273 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Eine solche Verwirkung wird indessen nicht von Amtes wegen berücksichtigt, sondern muss von den betroffenen Behörden bzw. Kantonen geltend gemacht werden (BGE 147 I 325 E. 4.2.1; BGE 137 I 273 E. 3.3.3).
In einem Leiturteil aus dem Jahr 2020 hat das Bundesgericht klargestellt, dass ausserhalb der vorbehaltlosen Anerkennung des Steueranspruchs eine Verwirkung des Beschwerderechts entsprechend dem Charakter des Doppelbesteuerungsverbots als verfassungsmässiges Recht nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist, nämlich dann, wenn sich das Verhalten der Steuerpflichtigen als geradezu rechtsmissbräuchlich bzw. treuwidrig darstellt (BGE 147 I 325 E. 4.2.1). Die steuerpflichtige Person verhält sich gegenüber dem ersten Kanton insbesondere dann treuwidrig, wenn sie diesem gegenüber bewusst falsche Angaben gemacht hat (Urteil 2C_592/2018 vom 1. Oktober 2019 E. 6.4 und 6.6). Hingegen verhält sich eine steuerpflichtige Person noch nicht treuwidrig, wenn sie beim Kanton, gegen dessen Besteuerung sie sich schliesslich wehrt, zuvor eine unvollständige Anfrage für ein Steuerruling gestellt hat oder wenn sie den erstveranlagenden Kanton lediglich nicht über den kollidierenden Steueranspruch des anderen Kantons informiert, solange sie von diesem Steueranspruch keine gesicherte Kenntnis hat, sondern lediglich damit rechnen muss (BGE 147 I 325 E. 4.4.2 und 4.4.3).
2.2 Die Lehre steht der Verwirkung des Beschwerderechts spätestens seit Inkrafttreten des BGG skeptisch gegenüber (vgl. bereits unter altem Recht kritisch PETER LOCHER, Die Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 2 BV, ZBl 91/1990 S. 109; vgl. zur Rechtslage nach BGG BRUNNER/BEUSCH, in: Interkantonales Steuerrecht, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2. Aufl. 2021, § 42 N. 6 und 14; RAPHAËL GANI, Analyse de la jurisprudence du Tribunal fédéral en matière de double imposition intercantonale dans le deuxième semestre 2019, ASA 88 S. 883; PETER LOCHER, Einführung in das interkantonale SteuerrechtBGE 149 II 354 (357) BGE 149 II 354 (358)[nachfolgend: Einführung], 4. Aufl. 2015, S. 153; OLIVIER MARGRAF, Interkantonales Verfahrensrecht der direkten Steuern, 2023, S. 217 und 291; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 5. Aufl. 2021, § 23 Rz. 91; DANIEL DE VRIES-REILINGH, Doppelbesteuerung als mögliche Sanktion im interkantonalen Verhältnis - Besprechung des BGer 17.7.2017, 2C_655/2016, IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2019 S. 46 f.). Im Einklang mit dieser Skepsis hat auch das zitierte Leiturteil BGE 147 I 325 in der Literatur nur ein gemischtes Echo gefunden. Einhellig begrüsst wurde zwar, dass das Bundesgericht die Verwirkung des Beschwerderechts aufgrund treuwidrigen Verhaltens nur mit Zurückhaltung angenommen und damit gegenläufigen Tendenzen in seiner jüngeren Rechtsprechung Einhalt geboten habe (vgl. ANDREA PEDROLI, Novità giurisprudenziali nel campo del diritto tributario, RtiD 2021 II S. 566; FELIX RICHNER, Kommentar zu 2C_552/2019, Zürcher Steuerpraxis [ZStP] 2020 S. 315; BASTIAN THURNEYSEN, Steuerhoheit bei fehlender Geschäftstätigkeit und Verwirkung des Beschwerderechts, iusNet StR 1. Dezember 2020). Verschiedene Autoren bedauerten aber, dass sich das Bundesgericht in diesem Urteil nicht gänzlich vom Institut der Verwirkung des Beschwerderechts verabschiedet hat. Missbräuchlichem Verhalten sei auf materiell-rechtlicher Ebene zu begegnen (vgl. BRUNNER/BEUSCH, a.a.O., § 42 N. 17; DANIEL DE VRIES-REILINGH, Vom Hauptsteuerdomizil juristischer Personen und vom "Wandel" der Verwirkungseinrede zum Missbrauchsverbot im interkantonalen Steuerrecht, FStR 2021 S. 362).
BGE 149 II 354 (359)2.3.1 Dazu ist zunächst ein Blick auf die Ursprünge der Verwirkungspraxis zu werfen: Bereits 1876 - also nur zwei Jahre nachdem der Verfassungsgeber von 1874 das Bundesgericht mit der Lösung der interkantonalen Doppelbesteuerungskonflikte betraut hatte - hatte das Bundesgericht zum ersten Mal festgehalten, dass das Beschwerderecht verwirkt, wenn gegen eine Veranlagung nicht rechtzeitig Rechtsmittel ergriffen wird (vgl. BGE 2 I 184 E. 2; vgl. auch BGE 28 I 119 E. 3; 5 I 141 E. 1). In der damaligen Zeit verstand das Bundesgericht die interkantonale Doppelbesteuerung zumindest primär als Souveränitätskonflikt zwischen zwei Kantonen. Es beschränkte sich vorerst darauf, die zuvor von der Bundesversammlung entwickelte Doppelbesteuerungspraxis fortzuführen. Erst später ging es dazu über, aus Art. 46 Abs. 2 aBV ein verfassungsmässiges Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung abzuleiten, das neben dem berechtigten Kanton auch den Einzelnen vor interkantonaler Doppelbesteuerung schützte (vgl. BGE 37 I 37 E. 2; vgl. auch BGE 41 I 68 E. 1; 38 I 478 E. 1; zum Ganzen ANDREAS THIER, Traditionselemente des Finanzföderalismus in der Schweiz: Zur Geschichte des interkantonalen Doppelbesteuerungsverbots, in: Dogmatik und Praxis im Steuerrecht, Festschrift für Markus Reich, 2014, S. 18 ff.; MORITZ SEILER, Finanzföderalistische Friktionen, in: (griechische Zeichen) - gehorche den Gesetzen, Liber amicorum für Hansjörg Seiler, 2022, S. 212 f.). Gleich wie die Verwirkung des Besteuerungsrechts des zweitveranlagenden Kantons (vgl. dazu BGE 147 I 325 E. 4.2.2; BGE 137 I 273 E. 3.3.4) sollte das Institut der Verwirkung des Beschwerderechts den erstveranlagenden Kanton davor schützen, aufgrund einer rechtskräftigen Veranlagung bezogene Steuern Jahre später noch zurückerstatten zu müssen (vgl. BGE 73 I 223 E. 3).
Wie das Bundesgericht bereits in BGE 147 I 325 E. 4.2.1 angedeutet hat, geht dieser Schutz der Kantone auf Kosten des Doppelbesteuerungsverbots und des darin enthaltenen verfassungsmässigen Rechts der steuerpflichtigen Person. Im Geltungsbereich von Art. 46 Abs. 2 aBV liess sich ein solcher Eingriff zum Schutz der steuererhebenden Kantone eher noch rechtfertigen, zumal das Doppelbesteuerungsverbot und das Individualrecht der steuerpflichtigen Person nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Verfassung, sondern erst aus der über die Jahre zu Art. 46 Abs. 2 aBV entwickelten Praxis folgten. Ausserdem war für die Kantone gerade in der Anfangszeit der Rechtsprechung auf dem Gebiet der interkantonalen Doppelbesteuerung regelmässig nicht absehbar, welchem Kanton dasBGE 149 II 354 (359) BGE 149 II 354 (360)Bundesgericht das Besteuerungsrecht zuweisen würde. Mit Art. 127 Abs. 3 BV verbietet das geschriebene Verfassungsrecht die interkantonale Doppelbesteuerung nunmehr jedoch ausdrücklich. Aus den Materialien ergibt sich, dass damit das verfassungsmässige Recht der steuerpflichtigen Person kodifiziert werden sollte (vgl. Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1996 I 346 [zu Art. 118 E-BV]). Zudem besteht heute dank der jahrzehntelangen Rechtsprechung im Bereich der interkantonalen Doppelbesteuerung kaum mehr Rechtsunsicherheit, wenn es um die Frage geht, welchem Kanton das Besteuerungsrecht zukommt.
2.3.2 Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich die Ausgangslage im Lauf der Jahre stark gewandelt: Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG sieht, anders als das Bundesrechtspflegegesetz (Art. 86 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG; AS 60 271]), keine Ausnahme von der Regel der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs vor. Daraus hat das Bundesgericht geschlossen, dass im Geltungsbereich des BGG keine direkte Doppelbesteuerungsbeschwerde beim Bundesgericht mehr möglich ist und der Instanzenzug zwingend in mindestens einem Kanton durchlaufen werden muss (vgl. BGE 139 II 373 E. 1.4; BGE 133 I 308 E. 2.3; BGE 133 I 300 E. 2.3 und 2.4). Nach einigen Autoren wäre diese verfahrensrechtliche Änderung alleine schon Grund genug, um von der Verwirkung des Beschwerderechts Abstand zu nehmen, weil die Verwirkung des Beschwerderechts eng mit der Möglichkeit der direkten ("Sprung"-)Beschwerde beim Bundesgericht verbunden gewesen sei; dem Verhalten der steuerpflichtigen Person könne nunmehr im kantonalen Verfahren Rechnung getragen werden (vgl. LOCHER, Einführung, a.a.O., S. 153; vgl. auch BRUNNER/BEUSCH, a.a.O., § 42 N. 6 und 14, die auf die Möglichkeit der Kostenauflage hinweisen). Aus Art. 100 Abs. 5 BGG, wonach die Beschwerdefrist bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte spätestens zu laufen beginnt, wenn in beiden Kantonen beim Bundesgericht anfechtbare Entscheide getroffen worden sind, leiten andere Autoren ab, der Gesetzgeber habe gerade vermeiden wollen, dass die steuerpflichtige Person ihre Veranlagung in allen Kantonen anfechten müsse. Dieses Anliegen werde konterkariert, wenn die steuerpflichtige Person ihr Beschwerderecht gegen den erstveranlagenden Kanton verwirke, bloss weil sie dort kein Rechtsmittel erhoben habe (GANI, a.a.O., S. 883; MARTIN KOCHER, in: Interkantonales Steuerrecht, Kommentar zum SchweizerischenBGE 149 II 354 (360) BGE 149 II 354 (361)Steuerrecht, 2. Aufl. 2021, § 44 N. 546; vgl. auch OBERSON, a.a.O., § 23 Rz. 91).
Um der Besteuerung durch den berechtigten Kanton zu entgehen, wird sich die steuerpflichtige Person allerdings selten damit begnügen können, die Besteuerung durch einen unberechtigten Kanton vorbehaltlos zu akzeptieren. Vielmehr wird sie typischerweise zusätzliche Vorkehrungen treffen müssen, etwa indem sie den BehördenBGE 149 II 354 (362) BGE 149 II 354 (363)falsche oder unvollständige Auskünfte erteilt. Gesamthaft betrachtet besteht das missbräuchliche Verhalten also regelmässig darin, dass die steuerpflichtige Person versucht, den einen Kanton gegen den anderen auszuspielen. Damit beeinträchtigt sie typischerweise in erster Linie nicht die Interessen des erstveranlagenden Kantons, sondern jene desjenigen Kantons, dessen berechtigter, gesetzmässiger Besteuerung sie sich entziehen will. Der legitime Steueranspruch dieses Kantons lässt sich nun aber nicht sachgerecht und wirksam schützen, indem der steuerpflichtigen Person das Recht zur Beschwerde gegen den unberechtigten Kanton respektive das verfassungsmässige Recht auf Beseitigung der Doppelbesteuerung entzogen wird. Denn davon profitiert in erster Linie der andere Kanton, der gerade keinen legitimen Steueranspruch hat.
(...)
 
Erwägung 4
 
4.1 Bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen war nicht streitig, dass die Beschwerdeführer ihren Wohnsitz am Ende der streitbetroffenen Steuerperiode im Kanton St. Gallen hatten und folglich nach harmonisiertem kantonalen Steuerrecht dort und nicht im Kanton Schwyz unbeschränkt steuerpflichtig waren (vgl. Art. 13 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons St. GallenBGE 149 II 354 (363) BGE 149 II 354 (364)vom 9. April 1998 [StG/SG; sGS 811.1]; § 4 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Schwyz vom 9. Februar 2000 [StG/SZ; SRSZ 172.200]; Art. 3 Abs. 1 und Art. 4b Abs. 1 StHG). Auch vor Bundesgericht stellen die Beschwerdeführer den Steueranspruch des Kantons St. Gallen respektive den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen nur eventualiter infrage.
Eine solche Ausnahmekonstellation ist hier klarerweise nicht gegeben. Weder wiegt das Fehlverhalten der Beschwerdeführer gegenüber dem Kanton Schwyz - aus steuerlicher Sicht - besonders schwer, noch erscheinen die Interessen des Kantons Schwyz als besonders beeinträchtigt, wenn er zur Rückerstattung der bezogenen Steuern verpflichtet wird. Inwieweit das Fehlverhalten der Beschwerdeführer dazu führt, dass ihnen Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (vgl. oben E. 2.5.1), ist unter dem Titel der Verlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen zu erörtern (vgl. unten E. 5.2).
 
Erwägung 5
 
5.1 Die Beschwerde erweist sich als begründet und ist gutzuheissen, soweit sie sich gegen den Kanton Schwyz richtet. DerBGE 149 II 354 (365) BGE 149 II 354 (366)Eventualantrag gegen den Kanton St. Gallen wird dadurch gegenstandslos (Urteile 2C_615/2021 vom 23. September 2022 E. 4; 2C_830/2021 vom 14. Juni 2022 E. 6.2).
5.2.1 Der Kanton Schwyz macht geltend, dass sich die Beschwerdeführer am 12. April 2018 in der Gemeinde Y./SZ angemeldet hätten. Diese Anmeldung sei vermutlich erfolgt, damit die Beschwerdeführer respektive ihre Kinder zu günstigeren Konditionen vom Bildungsangebot an zwei Schulen im Kanton Schwyz (Kantonsschule C. und Musikschule Y.) profitieren konnten. Hingegen behauptet der Kanton Schwyz nicht, dass die Beschwerdeführer versucht hätten, sich der Besteuerung durch den Kanton St. Gallen zu entziehen. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (vgl. angefochtenes Urteil Bst. A.a), die Beschwerdeführer und der Kanton Schwyz weisen auf ein Schreiben vom 30. April 2018 an die Steuerverwaltung der Stadt U. hin. In diesem Schreiben machten die Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass sie ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in den Kanton Schwyz verlegt hätten, dies aber auf die steuerliche Situation keinen Einfluss habe, weil sich der Lebensmittelpunkt der Familie weiterhin in U. befinde. Am 3. Juli 2018 teilte die Leiterin der Steuerverwaltung der Stadt U. der Steuervertreterin der Beschwerdeführer mit, dass sie nun endlich - nach Wochen - das Steueramt V./SZ telefonisch erreicht habe. Dieses habe auf der primären Steuerpflicht im Kanton Schwyz bestanden, weil der Wohnsitz massgebend sei. Sie habe die Steuerpflicht im sankt-gallischen Register auf eine sekundäre Steuerpflicht angepasst, sodass nun keine Zahlungen mehr zu leisten seien. Nach dieser Auskunft reichten die Beschwerdeführer im Kanton Schwyz eine Steuererklärung ein, die sie am 26. Juni 2019 in Kopie der Steuerverwaltung der Stadt U. zustellten (Art. 105 Abs. 2 BGG).
5.2.2 Durch ihre Anmeldung in der Gemeinde Y. haben die Beschwerdeführer eine Ursache dafür gesetzt, dass sie schliesslich für die Steuerperiode 2018 vom Kanton Schwyz veranlagt wurden. ImBGE 149 II 354 (366) BGE 149 II 354 (367)Zeitpunkt der Veranlagung durch den Kanton Schwyz wussten sie zudem, dass der Kanton St. Gallen ihren Wohnsitz abklärte. Nach Treu und Glauben hätte von ihnen erwartet werden dürfen, dass sie die Schwyzer Veranlagungsbehörde hierüber informieren.
Diesem Fehlverhalten der Beschwerdeführer stehen Versäumnisse seitens der Behörden des Kantons Schwyz gegenüber. Gemäss dem Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts St. Gallen hatte dieses im Januar 2020 "direkt beim Kanton Schwyz oder möglicherweise in Y. nachgefragt [...], ob die Veranlagung 2018 bereits vorgenommen" worden sei. Die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz stellt dies nicht in Abrede. Das Gemeindesteueramt V./SZ war derweil laut der Leiterin der Steuerverwaltung der Stadt U. sogar bereits 2018 über die Situation der Beschwerdeführer informiert worden. In Anbetracht dessen, dass die Beschwerdeführer für das streitbetroffene Jahr in der Arztpraxis des Beschwerdeführers angemeldet waren, hätte dies Anlass genug sein müssen, um weitere Abklärungen zu treffen.