Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Bearbeitung, zuletzt am 29.02.2024, durch: DFR-Server (automatisch)
 
33. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen CSS Kranken-Versicherung AG und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_259/2023 vom 18. September 2023
 
 
Regeste
 
Art. 68 Abs. 3 BGG; Parteientschädigung zu Gunsten der obsiegenden Krankenversicherung.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 II 381 (381)A. Der 1952 geborene A. ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und betreibt in U. eine Arztpraxis. Am 1. Juli 2015 erhoben die CSS Kranken-Versicherung AG sowie weitere Krankenversicherungen vor dem Schiedsgericht in Krankenversicherungsstreitigkeiten des Kantons Basel-Landschaft Klage gegen A. und beantragten, er sei wegen wiederholter Unwirtschaftlichkeit von der Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auszuschliessen. Zudem sei der Betrag gerichtlich zu ermitteln, welchen er für das Jahr 2013 den Klägerinnen zurückzuerstatten habe. Am 13. JuliBGE 149 II 381 (381) BGE 149 II 381 (382)2016 erhoben die Klägerinnen eine zweite Klage gegen den Arzt und beantragten, es sei der Betrag gerichtlich zu ermitteln, welchen er für das Jahr 2014 den Klägerinnen zurückzubezahlen habe. Sodann erhoben die Klägerinnen am 13. Juli 2018 eine dritte Klage und beantragten, der Beklagte habe ihnen für das Jahr 2016 den Betrag von Fr. 201'725.- zurückzuerstatten. In einer vierten Klage, datiert vom 16. Juni 2020, beantragten die Klägerinnen, der Beklagte sei für das Jahr 2015 zur Rückerstattung des Betrags von Fr. 207'824.- zu verurteilen. In ihrer gleichentags eingereichten Klageergänzung beantragten sie im Weiteren nunmehr, der Beklagte sei zu verpflichten, ihnen für das Jahr 2013 Fr. 316'313.-, für das Jahr 2014 Fr. 281'551.- und für das Jahr 2016 Fr. 201'730.- zurückzubezahlen.
Nach Vereinigung der Verfahren hiess das Schiedsgericht die Klagen mit Urteil vom 3. März 2023 teilweise gut und verwarnte den Beklagten. Zudem verpflichtete es den Beklagten, den Klägerinnen für das Jahr 2013 Fr. 284'036.-, für das Jahr 2014 Fr. 249'374.-, für das Jahr 2015 Fr. 174'031.- und für das Jahr 2016 Fr. 170'205.- zurückzubezahlen. Im Übrigen wies es die Klagen ab.
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., die Klagen seien unter Aufhebung des Urteils des Schiedsgerichts abzuweisen, eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Während die CSS Kranken-Versicherung AG sowie die weiteren 21 Krankenversicherungen auf Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
In seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2023 hält A. an seinen Anträgen fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Versicherungen, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung gewährleisten, gelten als Organisationen, die im Sinne von Art. 68 Abs. 3 BGG mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraut sind (an Stelle vieler: Urteil 9C_474/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5, nicht publ. in: BGE 149 V 195). Gemäss einer älteren, noch zu Art. 159 Abs. 2 OG entwickelten Rechtsprechung haben obsiegende Krankenversicherungen im Verfahren betreffend unwirtschaftliche Praxistätigkeit einer Ärztin oder eines Arztes (Stichwort "Überarztung") Anspruch auf den Ersatz ihrer Parteikosten (BGE 119 V 448 E. 6b; Rechtsprechung und Verwaltungspraxis der Krankenversicherung [RSKV] 1982 Nr. 505 S. 201, K 73/80 E. 6; vgl. auch BGE 128 V 124 E. 5b). Diese Rechtsprechung wurde - ohne nähere Prüfung - auch unter der Geltung des BGG weitergeführt (so etwa in den Urteilen 9C_485/2022 vom 20. Juni 2023 E. 7 und 9C_517/2017 vom 8. November 2018 E. 8); die Anwendung dieser Praxis erfolgte indessen weder in Bezug auf die Zusprechung einer Parteientschädigung noch hinsichtlich deren Höhe konsequent (vgl. etwa Urteile 9C_721/2020 / 9C_722/2020 vom 19. Oktober 2021 E. 5 oder 9C_ 535/2014 vom 15. Januar 2015 E. 11). Aufgrund dieser insbesondere in jüngerer Zeit uneinheitlichen Praxis rechtfertigt es sich, diese zu überprüfen. Dabei gilt es zu beachten, dass sich eine Änderung der Rechtsprechung auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können muss, die - vor allem im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung für zutreffend erachtet worden ist. Eine Praxisänderung lässt sich grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht (BGE 149 V 177 E. 4.5; BGE 147 V 342 E. 5.5.1; BGE 146 I 105 E. 5.2.2; BGE 145 V 50 E. 4.3.1; BGE 141 II 297 E. 5.5.1; BGE 140 V 538 E. 4.5; je mit Hinweisen).
7.3.3 Spätestens seit dem Inkrafttreten des Art. 56 Abs. 6 KVG und der in der Folge erzielten vertraglichen Einigung zwischen den Verbänden der Ärzteschaft und der Versicherer (vgl. nicht publ. E. 3.2) ist die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Praxistätigkeit stärker in das Bewusstsein der Krankenversicherer gelangt. Durch die steigende Anzahl von Fällen, die vor das Bundesgericht getragen wurden und werden, hat sich für viele Fragen eine feststehende Praxis entwickelt. Auf Seiten der Krankenversicherungen ist es zudem zu einem Konzentrationsprozess gekommen, der zu einer abnehmenden Zahl kleiner Krankenversicherer geführt hat. Im Weiteren können die Versicherer heute zum Führen dieser Prozesse auf die Hilfe ihrer Verbände zählen. Zudem ist die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des BGG zunehmend zurückhaltender geworden: Die Komplexität der sich stellenden Rechtsfragen und eine etwaige Überforderung des Gemeinwesens oder der mit öffentlichen Aufgaben betrauten Organisationen genügen kaum mehr, um ein Abweichen von Art. 68 Abs. 3 BGG zu begründen (vgl. GRÉGORY BOVEY, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 29 zu Art. 68 BGG mit weiteren Hinweisen). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich ein Festhalten an der publizierten Rechtsprechung (BGE 119 V 448 E. 6b) nicht mehr. Die Praxis ist daher aufgrund der geänderten Verhältnisse (vgl. E. 7.3.1 hiervor) anzupassen. Der Umstand alleine, dass ein Verfahren die unwirtschaftliche Praxistätigkeit eines Arztes oder einer Ärztin zum Gegenstand hat, stellt keinen Grund dar, den unterliegenden Arzt zur Übernahme der Anwaltskosten der obsiegenden Krankenversicherung zu verpflichten. Davon unberührt bleiben Fälle, in denen sich aus anderen Gründen - etwa aufgrund treuwidrigen Prozessverhaltens einer Partei - ein Abweichen von der Grundregel des Art. 68 Abs. 3 BGG rechtfertigt.