Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 4.2
Erwägung 4.3
Erwägung 4.3.4
Erwägung 4.4
Bearbeitung, zuletzt am 28.03.2024, durch: DFR-Server (automatisch)
 
37. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Kantonales Steueramt Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_233/2023 vom 3. Oktober 2023
 
 
Regeste
 
Art. 9 Abs. 1 und 1bis, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 113 DBG; zur Zahlungsunfähigkeit eines Ehegatten oder einer Person in eingetragener Partnerschaft, die zur Aufhebung der solidarischen (Mit-)Haftung führt.
 
Zahlungsunfähigkeit im Sinne von Art. 13 Abs. 1 DBG liegt nur vor, wenn der Ehegatte in tatsächlich und rechtlich ungetrennter Ehe bzw. die Person in tatsächlich und rechtlich ungetrennter eingetragener Partnerschaft zumindest auf mittlere Frist über keinerlei pfändbares Einkommen und gleichzeitig über keinerlei versilberbares Vermögen verfügt. Die angebliche Zahlungsunfähigkeit muss bewiesen werden; Glaubhaftmachung genügt nicht (E. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 II 442 (443)Die Eheleute B.A. und A.A. (geb. 1947 und 1958) haben steuerrechtlichen Wohnsitz in U./ZH. Seit dem 15. November 2002 miteinander verheiratet, leben sie in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe. Zur hier interessierenden Steuerperiode 2018 sind sie für die Zwecke der direkten Bundessteuer sowie der Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich rechtskräftig veranlagt worden. Am 25. Mai 2021 ersuchten sie das Steueramt des Kantons Zürich (KStA/ZH) um Feststellung, dass die solidarische (Mit-)Haftung entfallen sei. Sie machten geltend, die offenen Steuerschulden aus der Steuerperiode 2018 erreichten Fr. 272'741.35. Die Steuerschuld sei im Wesentlichen auf das damalige Einkommen des Ehemannes zurückzuführen. Seine monatlichen Einkünfte beliefen sich heute auf Fr. 8'004.75, sein Vermögen betrage lediglich Fr. 3'709.10. Der Ehemann sei daher ausserstande, die ihn treffenden Steuerschulden zu begleichen, und entsprechend sei die Ehefrau aus der solidarischen (Mit-)Haftung zu entlassen. Das Verwaltungsgericht des KantonsBGE 149 II 442 (443) BGE 149 II 442 (444)Zürich wies das Gesuch kantonal letztinstanzlich ab, was das Bundesgericht bestätigt.
(Zusammenfassung)
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Ehegatten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe und Personen in rechtlich und tatsächlich ungetrennter eingetragener Partnerschaft (dazu Art. 9 Abs. 1bis DBG [SR 642.11]) werden verfahrensrechtlich als "selbständige" steuerpflichtige Personen behandelt (HUNZIKER/MAYER-KNOBEL, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [nachfolgend: Komm. DBG], 4. Aufl. 2022 , N. 3 zu Art. 9 DBG; zu den Voraussetzungen einer rechtlich oder tatsächlich getrennten Ehe: Urteil 9C_249/2023 vom 2. August 2023 E. 2.2). Sie begründen - immer beschränkt auf das Verfahrensrecht - ein je eigenes Steuerrechtsverhältnis (THOMAS A. MÜLLER, Die solidarische Mithaftung im Bundessteuerrecht, 1999, S. 205 und 208). Etwas missverständlich spricht das Gesetz von der "gemeinsamen" Ausübung der Verfahrensrechte und Verfahrenspflichten (Art. 113 Abs. 1 DBG), was aber dahingehend zu lesen ist, dass Ehegatten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe und Personen in rechtlich und tatsächlich ungetrennter eingetragener Partnerschaft in Bezug auf die Steuerfaktoren des anderen Ehegatten bzw. der anderen Person in eingetragener Partnerschaft mitwirkungsberechtigt sind. Die gesetzliche Mitwirkungspflicht erfasst nur die "eigenen" Faktoren (Urteil 2C_826/2019 vom 17. März 2020 E. 2.2.3; ZWEIFEL/HUNZIKER, Komm. DBG, a.a.O., N. 25 zu Art. 113 DBG). Ob es sich um "eigene" oder "fremde" Faktoren handelt, erschliesst sich in allgemeiner Weise aus dem Sachenrecht (Art. 641 ff. ZGB). Näheres ergibt sich, was die Vermögenswerte angeht, aus dem Ehegüterrecht (Art. 181 ff. ZGB), welches das speziellere Recht bildet. Demzufolge ist nach den drei Güterständen zu unterscheiden. Die jeweilige Regelung der Eigentumsverhältnisse findet sich in Art. 196 ff. ZGB (Errungenschaftsbeteiligung), Art. 221 ff. ZGB (Gütergemeinschaft) und Art. 247 f. ZGB (Gütertrennung). Für die Zuweisung der laufenden Einkünfte an die eine oder andere Person ist nach der jeweiligen Quelle (Arbeitsrecht, Versicherungsrecht usw.) zu fragen.
3.2 Da die Faktoren in einer einzigen Steuererklärung deklariert werden (Art. 113 Abs. 1 DBG), haben Ehegatten in rechtlich und tatsächlichBGE 149 II 442 (444) BGE 149 II 442 (445)ungetrennter Ehe und Personen in rechtlich und tatsächlich ungetrennter eingetragener Partnerschaft die Steuererklärung gemeinsam zu unterschreiben (Art. 113 Abs. 2 DBG; BGE 141 II 318 E. 2.3.4; Urteil 2C_451/2016 / 2C_452/2016 vom 8. Juli 2016 E. 2.3). Die Veranlagungsbehörde hat gleichermassen sämtliche Mitteilungen an diesen Personenkreis gemeinsam zu richten (Art. 113 Abs. 4 DBG; BGE 122 I 139 E. 1). Denn beide Ehegatten oder Personen in eingetragener Partnerschaft haben ein gleichwertiges rechtlich geschütztes Interesse daran, mit der Veranlagungsverfügung bedient zu werden, ansonsten sie Gefahr laufen könnten, verspätet oder schlimmstenfalls gar nicht Einsprache erheben zu können (Urteil 2C_689/2019 vom 15. August 2019 E. 2.2.8). Dem individuellen Verfahrensverhältnis zufolge sind sie berechtigt, je eigenständig ein Rechtsmittel zu erheben (Art. 113 Abs. 3 DBG). Dies trifft auch auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zu (Urteil 2C_390/2015 vom 24. Mai 2016 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 142 II 283).
3.4 Die beiden Ehegatten bzw. die beiden Personen in eingetragener Partnerschaft bilden, solange sie rechtlich und tatsächlich ungetrennt sind, zivilrechtlich und wirtschaftlich "eine Einheit" (BGE 128 I 317 E. 2.2.4) bzw. jedenfalls "eine gewisse Einheit" (BGE 141 II 318 E. 2.2.1). Diese ist als Erwerbs- und Verbrauchergemeinschaft ausgestaltet (BGE 122 I 139 E. 4c/bb). Nicht nur die positivenBGE 149 II 442 (445) BGE 149 II 442 (446)Elemente (Einkünfte), auch die negativen Faktoren (Abzüge und, bei selbständiger Erwerbstätigkeit, Verluste) werden zusammengerechnet und fliessen in die gemeinsame Bemessungsgrundlage ein (BGE 141 II 318 E. 2.3.3). Entsprechend weist die Veranlagungsverfügung für die beiden Ehegatten bzw. die beiden Personen in eingetragener Partnerschaft ein einheitliches steuerbares Einkommen und eine einheitliche Steuerschuld aus, ohne dass es von Amtes wegen zu einer betragsmässigen Aufteilung auf die beiden Personen kommt. Die Steuerforderung ist als Globalbetrag ausgestaltet (Urteile 2C_351/2019 vom 26. September 2019 E. 4.1; 2C_498/2016 / 2C_499/2016 vom 3. Juni 2016 E. 6). Bei Verankerung der Faktorenaddition liessen sich die Eidgenössischen Räte - bei aller Berücksichtigung des "neuen" Eherechts vom 5. Oktober 1984, in Kraft getreten am 1. Januar 1988 (Art. 159 ff. ZGB; AS 1986 122, 153) - von den Überlegungen des Bundesrates leiten. Dieser hatte praktische Gründe angeführt und auf das ansonsten gefährdete Steueraufkommen hingewiesen (Botschaft vom 26. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung [nachfolgend: Botschaft StHG/DBG 1983], BBl 1983 III 1, insb. 24 ff. zu Ziff. 142.2).
 
Erwägung 4
 
 
BGE 149 II 442 (447)Erwägung 4.2
 
Unter ähnlichen Vorzeichen liess das Bundesgericht das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2 ZGB) anklingen. Es erwog, die "innerhalb der Familie verschobenen Vermögensgegenstände" könnten bei gutem Willen "ohne weiteres und relativ kurzfristig" an den angeblich zahlungsunfähigen Ehemann zurückgeführt werden. Damit erübrige es sich zu prüfen, "ob das gesamte Vorgehen der gesuchstellenden Ehefrau nicht schlicht rechtsmissbräuchlich ist" (Urteil 2P.67/2003 vom 12. August 2003 E. 3.3 zu den Gemeinde- und Kirchensteuern des Kantons Graubünden). Der Ehemann hatte kurzBGE 149 II 442 (447) BGE 149 II 442 (448)zuvor Vermögensgegenstände in zweistelliger Millionenhöhe an seine Ehefrau und die Kinder veräussert bzw. verschenkt.
In einem weiteren Entscheid gingen die Überlegungen dahin, dass offene Schulden (Steuern) von Fr. 1'168'896.- bestünden. Das Vermögen des Ehemannes weise einen erheblichen Passivenüberschuss aus, er verfüge aber über eine "mögliche pfändbare Quote" von Fr. 6'340.- pro Monat und sei Eigentümer eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft. Die Veranlagungsbehörde habe daher unter Berücksichtigung dieser Vermögensverhältnisse in einer Gesamtwürdigung aller Umstände ohne Willkür auf eine genaue Abklärung der Schuldensituation verzichten und in erster Linie auf die "verfügbare Quote" abstellen dürfen (Urteil 2C_306/2007 vom 13. Dezember 2007 E. 4.3 zu den Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich).
Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten hielt das Bundesgericht schliesslich fest, dass es jedenfalls dann vertretbar sei, strenge Anforderungen an den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit zu stellen, wenn andernfalls "eine verpönte Gläubigerbevorzugung" eintreten könnte (Urteil 2P.67/2003 vom 12. August 2003 E. 3.3 zu den Gemeinde- und Kirchensteuern des Kantons Graubünden).
 
Erwägung 4.3
 
4.3.1 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen gilt, dass gegenüber dem Ehemann keinerlei Betreibungen oder Verlustscheine vorliegen bzw. dass er in kein Konkursverfahren und in keinen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung verwickelt ist. Das gesamte eheliche Vermögen beläuft sich auf rund Fr. 450'000.-, wobei das Vermögen des Ehemannes vernachlässigbar zu sein scheint (die Rede ist von Fr. 3'700.-). Der Ehemann erzielt, wie die Vorinstanz festgestellt hat, ein Renteneinkommen von Fr. 8'000.- pro Monat, die Ehefrau ein solches von Fr. 3'320.-. Selbst bei einem gemeinsamen Existenzminimum von Fr. 9'750.-, wie dies der Auffassung der Eheleute entspreche, träte demnach im Bereich des Ehemannes eine Überdeckung ein. Seinem Renteneinkommen von Fr. 8'000.- wäre diesfalls, so das Verwaltungsgericht, ein anteiliges Existenzminimum von Fr. 6'890.- gegenüberzustellen. Festgestellt ist darüber hinaus ein rechtskräftig veranlagtes Steuerbetreffnis aus der Steuerperiode 2018 von rund Fr. 270'000.- (direkte Bundessteuer sowie Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich), das weitgehend auf die Einkünfte des Ehemannes zurückzuführen und noch nichtBGE 149 II 442 (448) BGE 149 II 442 (449)beglichen ist. Dies alles ist unbestritten geblieben bzw. in keiner Form bestritten worden, mit welcher die Steuerpflichtigen der sie insofern treffenden qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit genügen könnten. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind damit für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG; nicht publ. E. 1.3 und 1.4).
 
Erwägung 4.3.4
 
4.3.4.1 Was die Entstehungsgeschichte betrifft, war der Bundesrat ursprünglich der Ansicht gewesen, die Ehegatten in rechtlich undBGE 149 II 442 (449) BGE 149 II 442 (450)tatsächlich ungetrennter Ehe sollten ausschliesslich "für den auf sie entfallenden Anteil an der Gesamtsteuer" haften (Botschaft StHG/ DBG 1983, a.a.O., 160 und 320 zu E-Art. 13). Der Zahlungsunfähigkeit kam in diesem Konzept von vornherein keine Bedeutung zu, nachdem keine solidarische (Mit-)Haftung vorgesehen war. Im Zuge der Beratungen durch die Kommission des Ständerates als Erstrat legte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dann allerdings einen Alternativentwurf gegenüber der Fassung des Finanzdepartements vor, der auf einer solidarischen Haftung für die Gesamtsteuer beruhte und dem heutigen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBG entspricht. Die solidarische (Mit-)Haftung wurde indes umfangmässig begrenzt ("Beträgt das Erwerbseinkommen des einen Ehegatten weniger als einen Drittel des Erwerbseinkommens des andern Ehegatten, so haftet er nur bis zum Betrag des auf sein eigenes Einkommen entfallenden Steueranteils"; Art. 13 Abs. 1 Satz 2 dieser Fassung). Das Plenum des Ständerates schloss sich alsdann seiner Kommission und damit der "Drittels-Regel" an (Voten Binder und BR Stich, AB 1986 I S 174).
4.3.4.2 Der Zweitrat nahm in seinen Beratungen von der "Drittels-Regel" Abstand und fand bezüglich Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBG zur heutigen Lösung (mit leicht abweichender Formulierung; AB 1987 IV N 1733). In der Debatte sprach eine Minderheit von einem "Anschlussgesetz zum Eherecht", das nach einer "widerspruchslosen Regelung im Haftungsbereich" rufe und über die Solidarhaftung gemäss dem "neuen Art. 166 ZGB" nicht hinausgehen dürfe. Über die konzeptionelle Unvereinbarkeit mit dem Eherecht hinaus wurde beanstandet, dass der Begriff "Zahlungsunfähigkeit" wohl "mehr Unklarheiten [schaffen] als Probleme [lösen]" könnte (Votum Nabholz, AB 1987 IV N 1734; mit gleicher Stossrichtung Votum Ulrich, ebenda).
Die Mehrheit warnte ihrerseits vor den "ungeheuren Schwierigkeiten", die eine Abkehr von der Solidarhaftung für die Verwaltung brächte. Die Bedenken bezüglich des Begriffs "zahlungsunfähig" seien unbegründet. Denn "diese Zahlungsunfähigkeit wird natürlich relativ einfach festgestellt: Man stellt dem Steuerpflichtigen die Steuerrechnung; bezahlt er sie nicht oder nur einen Teil davon, wird er betrieben; dadurch wird festgestellt, ob er bezahlen kann oder nicht. Wenn er für die Betreibung der Steuerrechnung nicht bezahlen kann, muss sich die Steuerverwaltung an den anderen EhegattenBGE 149 II 442 (450) BGE 149 II 442 (451)halten, aber nur im Ausmass der Haftung" (zum Ganzen: Votum Reichling, Berichterstatter, AB 1987 IV N 1735). Eine andere Stimme hob zustimmend hervor, dass die vorgeschlagene Lösung "im Interesse des Fiskus" liege (Votum Spoerry, AB 1987 IV N 1735 f.).
Schliesslich versuchte der Vorsteher des Eidg. Finanzdepartements zur Klärung beizutragen. Rund um die "Diskussion um Konkurs und Zahlungsunfähigkeit" sei lediglich bedeutsam, "dass die Haftung bei Zahlungsunfähigkeit zum Spielen kommt. Eine Präzisierung hierzu ist überflüssig; das ist im Konkurs- und Betreibungsrecht hinlänglich definiert" (Votum BR Stich, AB 1987 IV N 1735 f.).
4.3.4.3 In der Differenzbereinigung liess der Ständerat die bislang von ihm favorisierte "Drittels-Regel" fallen und fügte er sich dem Nationalrat, der "die Solidarhaftung auf alle Fälle ausdehnt" (Votum Reichmuth, AB 1988 IV S 811). Damit fand die heutige Formulierung ins Gesetz.
4.3.4.4 Der Blick in die Materialien macht deutlich, dass Bundesrat und Räte der Ansicht waren, die Rechtsfigur der "Zahlungsunfähigkeit" sei gewissermassen selbsterklärend. Die warnenden Worte der nationalrätlichen Minderheit verhallten ungehört, nachdem allem Anschein nach überzeugend vorgebracht worden war, eine etwaige Präzisierung wäre gerade "überflüssig".
Die beiden Teilaspekte verstehen sich kumulativ. Ihnen wohnt eine inhaltliche Strenge inne, indem es zahlenmässig erhärteter, objektiver Anhaltspunkte bedarf, um Zahlungsunfähigkeit annehmen zu dürfen oder zu müssen. Jemand ist entweder zahlungs fähig oder zahlungs unfähig. Ausgehend von der obgenannten Formel ("keinerlei flüssige Mittel" und gleichzeitig "keine versilberbaren Aktiven") hat jemand solange als zahlungsfähig zu gelten, als eine gewisse Restkapazität vorliegt. Nur wenn es auch daran fehlt, wennBGE 149 II 442 (451) BGE 149 II 442 (452)Illiquidität im engeren und im weiteren Sinn herrscht, besteht Zahlungsunfähigkeit.
Die Zahlungsunfähigkeit kann mit einer gleichzeitigen Überschuldung einhergehen, sie muss es aber nicht. Folgerichtig unterscheidet auch das Zivilrecht zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (so etwa Art. 69d [Verein] und Art. 84a ZGB [Stiftung] bzw. Art. 725 ff. OR [Aktiengesellschaft]). Gewisse Tatbestände erfordern einzig eine Zahlungsunfähigkeit (im Erbrecht: Art. 480, 497, 566, 579, 604 ZGB; im Sachenrecht: Art. 897 ZGB; im Schuldrecht: Art. 171, 173, 264, 293, 685 OR) oder fokussieren auf das eine oder das andere (Art. 725 bzw. 725b OR).
 
Erwägung 4.4
 
4.4.3 In gleicher Weise ist es von keiner rechtserheblichen Bedeutung, in welcher Weise die Steuerfaktoren auf die beiden Personen verteilt bzw. wie hoch der jeweilige Anteil an der Gesamtsteuer ist. Die beiden Ehegatten bzw. die beiden Personen in eingetragener Partnerschaft bilden, solange sie rechtlich und tatsächlich ungetrenntBGE 149 II 442 (453) BGE 149 II 442 (454)sind, zivilrechtlich und wirtschaftlich zumindest "eine gewisse Einheit" (vorne E. 3.4), weshalb der Gesetzgeber die Faktorenaddition für angemessen erachtete (vorne E. 3.3). Dass der "eigene" Anteil am Einkommen bzw. am Steuerbetrag unter Umständen ausserordentlich bescheiden ausfällt, lässt sich - je nach Lebensmodell - nicht vermeiden und vermag das System der solidarischen (Mit-) Haftung nicht zurückzudrängen. Auch hierzu bedürfte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, die aber im geltenden Recht, das hier einzig anzuwenden ist, fehlt.