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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. a) Die präzise Anweisung, die Art. 65 SchKG für die  ...
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4. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28. Oktober 1992 i.S. X. Versicherungsgesellschaft (Rekurs)
 
 
Regeste
 
Zustellung von Betreibungsurkunden (Art. 65 SchKG).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 118 III 10 (11)Auf Begehren von Sch. erliess das Betreibungsamt gegen die X. Versicherungsgesellschaft den Zahlungsbefehl für eine Forderung von einer Million Franken zuzüglich Zins und Kosten. Der Zahlungsbefehl wurde am Sitz der Gesellschaft von deren Kassier entgegengenommen. Nachdem innert Frist kein Rechtsvorschlag erhoben worden war, stellte der Gläubiger das Fortsetzungsbegehren, worauf das Betreibungsamt die Konkursandrohung erliess.
Die X. Versicherungsgesellschaft beschwerte sich über die Zustellung des Zahlungsbefehls bei der kantonalen Aufsichtsbehörde, indem sie die Aufhebung des Zahlungsbefehls und der Konkursandrohung begehrte, wurde jedoch abgewiesen. Demgegenüber hiess die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den hierauf bei ihr erhobenen Rekurs der X. Versicherungsgesellschaft gut.
 
Wenn nun das Gesetz bestimmt, dass in der Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft die Zustellung an deren Vertreter zu erfolgen habe und in Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG für die Aktiengesellschaft im besonderen als deren Vertreter jedes Mitglied der Verwaltung und jeden Prokuristen bezeichnet, so soll damit sichergestellt werden, dass die für die Aktiengesellschaft bestimmte Betreibungsurkunde in die Hände jener natürlichen Personen gelangt, die in Betreibungssachen für die Aktiengesellschaft handeln, insbesondere Rechtsvorschlag erheben können (BGE 117 III 12 f. E. 5a). Komplementär dazu verlangt Art. 67 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG, dass Name und Wohnort des gesetzlichen Vertreters im Betreibungsbegehren, das die Grundlage für den Zahlungsbefehl bildet, anzugeben seien. In diesem Erfordernis liegt, wie die Rechtsprechung festgehalten hat, kein überspitzter Formalismus; vielmehr sind diese Angaben - damit die Vorschriften über die Zustellung des Art. 65 SchKG befolgt werden können - unerlässlich. Das Betreibungsamt hat daher, wenn die Angaben im Betreibungsbegehren fehlen, den Gläubiger unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit zur Ergänzung zu geben (BGE 117 III 13 E. 5b, BGE 116 III 10, BGE 109 III 4 ff.).
b) Dadurch, dass die kantonale Aufsichtsbehörde dem angefochtenen Entscheid die im Bereich des Obligationenrechts anerkannte Figur der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zugrunde gelegt hat, hat sie das aufgezeigte System des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts aus den Augen verloren. Sie hat damit, neben der - von ihr zu Recht nicht in Betracht gezogenen - Ersatzzustellung gemäss Art. 65 Abs. 2 SchKG, die Gesetz und Rechtsprechung nur unter der Voraussetzung zulassen, dass die Zustellung an einen Vertreter im Sinne von Art. 65 Abs. 1 SchKG erfolglos versucht worden ist (BGE 117 III 13 E. 5a, mit Hinweis auf BGE 88 III 17 f. und BGE 96 III 6), eine neue Möglichkeit der Ersatzzustellung geschaffen. Doch hat das Bundesgericht, wie die Rekurrentin zutreffend vorbringt, schon in BGE 43 III 22 erkannt, dass die Fälle, in welchen die Zustellung anBGE 118 III 10 (12) BGE 118 III 10 (13)andere Personen zuhanden des Schuldners zulässig sind, von den Art. 64 und 65 SchKG abschliessend aufgezählt werden.
c) Im Hinblick auf die präzisen und unumstösslichen Anweisungen, die das Gesetz für die Zustellung der Betreibungsurkunden erteilt, kann es nicht entscheidend sein, dass an die X. Versicherungsgesellschaft gerichtete Zahlungsbefehle während vieler Jahre und bis zum heutigen Zeitpunkt von deren Kassier, der weder Mitglied der Verwaltung noch Prokurist ist, entgegengenommen worden sind. Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine rechtlich fehlerhafte Praxis erst im Streitfall aufgedeckt wird. Aus diesem Grund kann sich auch die Frage, ob die Rekurrentin sich rechtsmissbräuchlich auf die gesetzlichen Vorschriften berufe, nicht stellen.BGE 118 III 10 (13)