48. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) | |
4A_122/2010 vom 26. Mai 2010 | |
Regeste | |
Gratifikation; Lohnausweis; Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (Art. 322d sowie Art. 82 und 324 Abs. 1 OR).
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Der Lohnausweis stellt keine Schuldanerkennung dar. Ob eine Gratifikation geschuldet ist, bestimmt sich nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (E. 2.1).
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Wurde das Ausrichten einer Gratifikation vereinbart, hat der Arbeitgeber diese nach billigem Ermessen festzusetzen. Die berechtigte Arbeitsverweigerung bei Zahlungsverzug bildet keinen zulässigen Herabsetzungsgrund (E. 2.2 und 2.3).
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Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung wegen eines Rückstandes bei der Zahlung der Gratifikation, besteht keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (E. 2.4).
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Sachverhalt | |
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Wesentlichen, den Entscheid des Arbeitsgerichts zu bestätigen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, während das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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1.1 Beide kantonalen Instanzen stellten auf eine E-Mail vom 28. März 2007 ab, mit welcher der Beschwerdegegner die Anstellung bestätigte. Dort ist unter dem Stichwort Anfangslohn festgehalten: "Fr. 6'500.-/Mt. plus Gratifikation". Die Behauptung des Beschwerdeführers, nach Ablauf der Probezeit sei ein höherer Lohn vereinbart gewesen, erachtete bereits das Arbeitsgericht nicht für erwiesen, was im kantonalen Rechtsmittelverfahren nicht mehr streitig war. Wie das Arbeitsgericht ging auch die Vorinstanz davon aus, der Beschwerdeführer sei aufgrund der ständig verspäteten Lohnzahlungen und der massiven Verspätung bei der Bezahlung des Novemberlohns 2007 ab dem 22. Dezember 2007 bis Ende Jahr zur Arbeitsverweigerung berechtigt gewesen, da der Lohn für November 2007 erst am ![]() ![]() | |
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2. Bei einer Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR handelt es sich um eine ausserordentliche Zulage, die zum Lohn hinzutritt und bei bestimmten Anlässen ausgerichtet wird. Sie hängt immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers ab. Ein im Voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag kann keine Gratifikation sein, sondern stellt Lohn dar (BGE 129 III 276 E. 2 S. 278; BGE 109 II 447 E. 5c S. 548). Ob es sich bei einer Gratifikation um eine vollständig freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt oder ob auf deren Ausrichtung ein Anspruch besteht, hängt von den Umständen ab. Die Verpflichtung zur Ausrichtung kann im schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann aber auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verhalten entstehen, wie beispielsweise durch die regelmässige und vorbehaltlose Ausrichtung eines entsprechenden Betrages (BGE 129 III 276 E. 2 S. 278 mit Hinweisen). Betrifft die Einigung nur den Grundsatz, dass eine Gratifikation auszurichten ist, kann der Arbeitgeber unterschiedliche Beträge je nach der Qualität der Arbeitsleistung, dem Geschäftsgang und weiteren von ihm frei bestimmbaren Kriterien ausrichten (BGE 129 III 276 E. 2 S. 279 mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts 4C.263/2001 vom 22. Januar ![]() ![]() | |
2.2 Wie der Beschwerdeführer den Lohnausweis nach dem Vertrauensprinzip hat verstehen müssen, prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage frei (BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67). Die Annahme, der Beschwerdeführer habe von einem Irrtum des Beschwerdegegners ausgehen müssen, überzeugt nicht. Objektiv bestand sowohl die Möglichkeit eines fehlerhaft ausgestellten Ausweises als auch einer unvollständigen Auszahlung der Ansprüche. Da gemäss der von der Vorinstanz selbst für massgeblich erachteten E-Mail das Ausrichten einer Gratifikation ausdrücklich vereinbart war, durfte der Beschwerdeführer nach Treu und Glauben davon ausgehen, er werde im Normalfall eine Gratifikation erhalten. Es wäre daher am Arbeitgeber gelegen, zu behaupten und nachzuweisen, dass ein Grund zur Kürzung (oder Streichung) der an sich vertraglich vereinbarten ![]() ![]() | |
2.3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Arbeitnehmer in analoger Anwendung von Art. 82 OR befugt, die Leistung von Arbeit zu verweigern, solange der Arbeitgeber sich mit verfallenen Lohnzahlungen im Rückstand befindet (BGE 120 II 209 E. 6a S. 211 f. mit Hinweisen). Bei berechtigter Arbeitsverweigerung bleibt dem Arbeitnehmer dabei (analog zu Art. 324 Abs. 1 OR) der laufende Lohnanspruch gewahrt, ohne dass er zur Nachleistung ![]() ![]() | |
2.3.3 Zulässig wäre eine Herabsetzung mit Blick auf die Arbeitsleistung oder das Geschäftsergebnis (BGE 129 III 276 E. 2 S. 279), sofern der Arbeitnehmer erkennen konnte, dass darin Herabsetzungskriterien liegen. Dass Herabsetzungsgründe bestehen, wäre vom Beschwerdegegner zu behaupten und zu beweisen. In der Beschwerdeantwort werden neben der Arbeitsverweigerung, welche im zu beurteilenden Fall keine Herabsetzung rechtfertigt, einzig die schlechten Arbeitsleistungen erwähnt. Ob diese tatsächlich ungenügend waren, kann indessen offenbleiben. Der Beschwerdegegner hat, wie der Beschwerdeführer aufzeigt, auf die Frage "ob wegen mangelnder Leistung kein 13. oder keine Grati ausbezahlt worden seien" geantwortet: "Nein, das wurde nicht vereinbart". Diese Erklärung zeigt, dass der Beschwerdegegner selbst die Leistung des Beschwerdeführers offensichtlich nicht als massgebliches Kriterium für eine Kürzung der Gratifikation betrachtete. Er kann daher die unterbliebene Auszahlung der Gratifikation nicht nachträglich unter Hinweis auf die Arbeitsleistungen des Beschwerdeführers ![]() ![]() | |
2.4 Der Ausstand des Arbeitgebers war mithin um rund Fr. 3'435.90 höher als von der Vorinstanz angenommen (Nettolohn [Fr. 5'890.10]/12 x 7). Vom Gesamtausstand betrafen aber nur Fr. 197.90 die eigentliche Lohnzahlung. Das Bundesgericht hat die analoge Anwendung von Art. 82 OR insbesondere für Dauerschuldverhältnisse mit zeitlich verschobenen Fälligkeiten innerhalb der einzelnen Leistungspaare bejaht (BGE 120 II 209 E. 6a S. 212). Das Leistungspaar, welches die analoge Anwendung von Art. 82 OR rechtfertigt, bildet beim Arbeitsverhältnis das dauerhafte Austauschverhältnis zwischen der Arbeitsleistung einerseits und dem Lohn zuzüglich Spesen andererseits. Die Gratifikation steht zwar mittelbar auch im Austauschverhältnis zur geleisteten Arbeit (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1996, N. 7 zu Art. 322d OR). Sie kann aber neben der Abgeltung der geleisteten Dienste auch die Motivation des Arbeitnehmers für die Zukunft bezwecken (STAEHELIN, a.a.O., N. 2 zu Art. 322d OR). Da sie zu besonderen Anlässen ausgerichtet wird und ihr ein freiwilliges Element innewohnt, steht nicht fest, in welcher Höhe sie im Folgejahr geschuldet sein wird. Die Gratifikation bildet daher kein Leistungspaar mit der laufenden Arbeitsleistung, weshalb es nicht gerechtfertigt erscheint, dem Arbeitnehmer diesbezüglich ein Leistungsverweigerungsrecht bei fortlaufender Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers einzuräumen. Demnach ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausging, der Beschwerdeführer sei ab dem 22. Januar 2008 wieder zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. ![]() |