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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe ...
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6. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_461/2010 vom 22. November 2010
 
 
Regeste
 
Art. 24 Abs. 1 GestG; arbeitsrechtliche Klagen; doppelrelevante Tatsachen.
 
Doppelrelevante Tatsachen (E. 2.3); Massgeblichkeit des klägerischen Tatsachenvortrags für den Zuständigkeitsentscheid (E. 2.4).
 
 
BGE 137 III 32 (33)Aus den Erwägungen:
 
2.1 Gemäss Art. 24 Abs. 1 GestG (AS 2000 2360) ist für arbeitsrechtliche Klagen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig. Der Begriff der arbeitsrechtlichen Klagen ("actions fondées sur le droit du travail"; "azioni in materia di diritto del lavoro") ist dabei weit zu verstehen. Darunter fallen sämtliche Klagen über Ansprüche, die auf Regeln gründen, welche auf Arbeitsverträge anwendbar sind (Urteil 4P.18/1999 vom 22. März 1999 E. 2c, in: Jahrbuch des schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 2000 S. 390; MARIANNE HRISTIC, Zwingende und teilzwingende Gerichtsstände des Gerichtsstandsgesetzes, 2002, S. 119; BALZ GROSS, in: Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Müller/Wirth [Hrsg.], 2001, N. 29 zu Art. 24 GestG). Dazu gehören namentlich Klagen über Ansprüche aus Einzelarbeitsvertrag gemäss den Art. 319 ff. OR sowie aus Lehr-, Handelsreisenden- oder Heimarbeitsvertrag gemäss den Art. 344 ff. OR (GROSS, a.a.O., N. 31, 35 zu Art. 24 GestG; FRIDOLIN WALTHER, in: Gerichtsstandsgesetz, Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Kellerhals und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2005, N. 6 zu Art. 24 GestG; YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale sur les fors en matière civile, 2001, N. 6 zu Art. 24 GestG; NOËLLE KAISER JOB, in: Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [GestG], Kommentar zum Schweizerischen Zivilprozessrecht, Spühler und andere [Hrsg.], 2001, N. 8 zu Art. 24 GestG). Weiter gehören dazu auch Klagen, die sich auf spezialgesetzliche Normen stützen, welche das einzelarbeitsvertragliche Rechtsverhältnis regeln und den Parteien zivilprozessual durchsetzbare Ansprüche geben, z.B. aus Gleichstellungsgesetz (SR 151) oder Mitwirkungsgesetz (SR 822.14) (GROSS, a.a.O., N. 31 zu Art. 24 GestG; Botschaft zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, BBl 1999 2829, 2862).BGE 137 III 32 (33)
BGE 137 III 32 (34)Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu aArt. 343 Abs. 1 OR, der Vorgängernorm von Art. 24 Abs. 1 GestG (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 2862), liegt eine arbeitsrechtliche Streitigkeit bzw. Klage sodann bereits vor, wenn umstritten ist, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag besteht (Urteil 4P.18/1999 vom 22. März 1999 E. 2c, in: JAR 2000 S. 390; SPÜHLER/VOCK, Gerichtsstandsgesetz, 2000, N. 1 zu Art. 24 GestG).
Über Tatsachen, die nur für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, nicht aber für die materielle Begründetheit des eingeklagten Anspruchs notwendig sind (sog. zuständigkeitsbegründende oderBGE 137 III 32 (34) BGE 137 III 32 (35)einfachrelevante Tatsache), ist hingegen Beweis zu führen, wenn deren Vorhandensein von der Gegenpartei bestritten wird (BGE 122 III 249 E. 3b/cc S. 252; Urteil 4C.73/2000 vom 22. Juni 2000 E. 2b).
Im Tatbestand des Art. 24 Abs. 1 GestG sind die Tatsachen von doppelter Relevanz, welche auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schliessen lassen. Einfachrelevant sind die örtlichen Faktoren, d.h. der Wohnsitz oder Sitz des Beklagten und der Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung (ANDRÉ BLOCH, Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen und die Folgen bei örtlicher Unzuständigkeit gemäss Art. 34 GestG, 2003, S. 93).
Der Vorinstanz kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit sie annimmt, die Zuständigkeit gemäss Art. 24 Abs. 1 GestG sei nur dann gegeben, wenn tatsächlich erwiesen ist, dass zwischen den Parteien ein Arbeits- bzw. Handelsreisendenvertrag vorliegt.
BGE 137 III 32 (36)2.4.2 Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, dass sich der umstrittene Vertrag nach den Vorbringen des Klägers nicht als Handelsreisendenvertrag qualifizieren lasse. Der Beschwerdegegner behauptete vor der Vorinstanz, er sei in seiner Tätigkeit weisungsabhängig und rapportierungspflichtig gewesen, habe regelmässig an obligatorischen Schulungen teilnehmen müssen und sei einem strengen Konkurrenzverbot unterstanden. Schliesslich sei er von der Beschwerdeführerin wirtschaftlich abhängig gewesen, da es ihm nicht möglich gewesen sei, ausserhalb der 8 bis 10 Kundenbesuche pro Woche einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Dies sind Elemente, die gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung durchaus auf das für einen Handelsreisendenvertrag typische Subordinationsverhältnis schliessen lassen (vgl. BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 667 f.). Die Abgrenzung zum Agenturvertrag mag zwar praktisch schwierig sein (vgl. etwa Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4), wird aber erst im Rahmen der materiellen Prüfung der Klage eingehend zu untersuchen sein. Für die Bejahung der Zuständigkeit ist einstweilen genügend, dass sich aus den Vorbringen des Klägers/Beschwerdegegners plausibel auf das Bestehen eines Handelsreisedenvertrags schliessen lässt.