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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. Die Vorinstanz erkannte, das Formular zur Anzeige der Miet ...
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59. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Versicherung X. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_462/2011 vom 5. März 2012
 
 
Regeste
 
Mietzinserhöhungsanzeige mit faksimilierter statt eigenhändiger Unterschrift; rechtsmissbräuchliche Anrufung des Formmangels (Art. 269d OR; Art. 2 Abs. 2 ZGB).
 
 
BGE 138 III 401 (402)Aus den Erwägungen:
 
2. Die Vorinstanz erkannte, das Formular zur Anzeige der Mietzinserhöhung per 1. April 2003 vom 13. November 2002 weise lediglich die faksimilierten Unterschriften von B. und C. auf, weshalb diese Erhöhungsanzeige grundsätzlich nichtig sei. In Anwendung der sozialen Untersuchungsmaxime gemäss Art. 274d Abs. 3 OR stellte die Vorinstanz allerdings fest, das Begleitschreiben zur Mietzinserhöhung per 1. April 2003 vom 15. November 2002 sei von B. und C. handschriftlich unterzeichnet. Aufgrund der eigenhändigen Unterzeichnung des Begleitschreibens sei im konkreten Fall der Formularpflicht gemäss Art. 269d OR Genüge getan und die Mietzinserhöhung als formgültig angezeigt zu betrachten. Als Eventualbegründung fügte die Vorinstanz an, die Rückforderung der bezahlten Mietzinse wäre auch wegen offenbaren Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen. Kenntnis des Formmangels bilde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 123 III 70 E. 3d S. 75) keine notwendige Voraussetzung hiefür. Nachdem der Beschwerdeführer die BGE 138 III 401 (402) BGE 138 III 401 (403) Mietzinse während mehr als 6 Jahren vorbehaltlos bezahlt habe, obwohl er über die Möglichkeit der Anfechtung der Mietzinserhöhung gehörig informiert und keinem Druck unterworfen gewesen sei, habe die Beschwerdegegnerin keinen Anlass gehabt, an der Gültigkeit der Mietzinserhöhung zu zweifeln und deren Anzeige zu wiederholen. Zudem lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, die für die Missbräuchlichkeit des erhöhten Mietzinses sprächen. Die Klage auf Rückforderung des bezahlten Mietzinses müsste daher auch an Art. 2 Abs. 2 ZGB scheitern.
BGE 138 III 401 (403)
BGE 138 III 401 (404)2.3 Die Vorinstanz erachtete die Anrufung des Formmangels für missbräuchlich und schützte aufgrund der vorbehaltlosen Zahlungen des Beschwerdegegners das Vertrauen der Beschwerdegegnerin in die Gültigkeit der Mietzinserhöhung.
2.4.2 Zweck der Formularpflicht ist primär die Information des Mieters über die Gründe der Erhöhung und die Anfechtungsmöglichkeiten. Es geht darum, ihm den Rechtsweg aufzuzeigen und ihm eine möglichst einfache Beurteilung seiner Chancen zu sichern, die angekündigte Mietzinserhöhung anzufechten ( BGE 135 III 220 E. 1.5.3 S. 224 f.; BGE 121 III 214 E. 3b S. 217 mit Hinweisen). Diese Zwecke hat BGE 138 III 401 (405) BGE 138 III 401 (406) das dem Beschwerdeführer zugestellte Formular mit Bezug auf die Mietzinserhöhung zweifellos erfüllt. Diesbezüglich bedurfte es keiner eigenhändigen Unterschrift. Mit dem letztgenannten Erfordernis soll namentlich vermieden werden, dass die Identität des Erklärenden unsicher bleibt. Sie dient der Befriedigung des Bedürfnisses nach Zurechnung der Erklärung an eine eindeutig identifizierbare Person. Die eigenhändige Unterschrift der Vermieterschaft gewährleistet im Schriftverkehr grundsätzlich diese eindeutige Zurechnung. Aus diesem Grunde ist sie als wesentliches Element der Schriftlichkeit für die qualifizierte Schriftform des Formulars erforderlich, sofern nicht die - hier nicht gegebene - Ausnahme von Art. 14 Abs. 2 OR Anwendung findet.
2.4.3 Dass jemals Unklarheit über den Absender bzw. die Zurechenbarkeit der Mietzinserhöhung geherrscht hätte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Vielmehr richteten sich offenbar beide Parteien während Jahren anstandslos nach dem nicht handschriftlich unterzeichneten Formular, und es ist nicht festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin sich die dem Beschwerdeführer gelieferte Begründung für die Mietzinserhöhung nicht hätte entgegenhalten lassen. Das Erfordernis handschriftlicher Unterzeichnung der Mietzinserhöhung soll aber nicht dazu dienen, dem Mieter zu ermöglichen, auf eine unangefochtene Mietzinserhöhung, deren Gültigkeit keine der Parteien anzweifelte und der nachgelebt wurde, nach Jahr und Tag zurückzukommen und den Differenzbetrag zurückzufordern, selbst wenn der diesbezügliche Mangel erst Jahre nach der Zustellung des im Übrigen nicht zu beanstandenden Erhöhungsformulars erkannt worden ist. Mit der Verfolgung eben dieses vom Formerfordernis nicht gedeckten Ziels übt der Beschwerdeführer sein Recht, sich auf einen Formmangel zu berufen, zweckwidrig und damit rechtsmissbräuchlich aus. Im Ergebnis erweist sich somit die Rechtsauffassung der Vorinstanz als mit Art. 2 Abs. 2 ZGB vereinbar. Damit kann offenbleiben, ob das Begleitschreiben handschriftlich unterzeichnet ist und geeignet wäre, den Formmangel zu beheben. Auf die Kritik an den weiteren Erwägungen zur Frage der Gültigkeit der Mietzinserhöhung ist mangels Entscheidrelevanz nicht einzutreten.BGE 138 III 401 (406)