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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht h&au ...
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78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_579/2014 vom 18. August 2014
 
 
Regeste
 
Art. 445 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 140 III 529 (530)A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse.
Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt.
(Zusammenfassung)
 
2.1 Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf Art. 445 Abs. 2 ZGB Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. DieBGE 140 III 529 (530) BGE 140 III 529 (531)Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten.
2.2.2 Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Art. 445 Abs. 1 ZGB). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet (Art. 445 Abs. 2 ZGB). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung derBGE 140 III 529 (531) BGE 140 III 529 (532)Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach Art. 445 Abs. 1 ZGB sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu Art. 445 ZGB; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss Art. 265 ZPO: HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342).
BGE 140 III 529 (533)2.3 Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn Art. 445 Abs. 2 ZGB "anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes.BGE 140 III 529 (533)